Schwein-08 - viralen PRRS

Fallbericht

 

 

 

 


1. Anamnese lt. Vorbericht:

Zyanosen.

Nach Angaben des Tierpflegers vor wenigen Tagen plötzlich aufgetreten.

 

2. Signalement:

Rasse:              dt. Edelschwein

Alter:               etwa 5-6 Wochen ( geschätztes KGW 12 kg)

Genus:             Eberferkel

Kennzeichen:    - erworbene: Ohrmarke x

- angeborene: keine

 

3. Status praesens

 

3.1 Habitus  (allgemeine Untersuchung)

Ernährungszustand ist gut; das Tier ist lebhaft und aufmerksam.

Pulsus cordis 116/min

Temperatur rektal 39.5°C

Atmung ca. 40/min

 

3.2 Spezielle Untersuchungen

 

Haut und Haarkleid

Ohren beiderseits im gesamten Randbereich cyanotisch (violett verfärbt).

Sonst altersgemäß und ohne b.B.

 

Schleimhäute und Lymphknoten

Die SH sind unauffällig, Lnn. subiliaci et inguinales sind in Konsistenz, Größe und Verschieblichkeit unauffällig. Weitere Lnn. sind nicht palpierbar.

 

Herz-Kreislauf

KFZ < 3 Sekunden

Episkleralgefäße deutlich gefüllt, klar abgegrenzt.

Herzspitzenstoß deutlich fühlbar

Herzschlag ist kräftig, regelmäßig, Frequenz 116/min, Herztöne gut abgesetzt, keine Geräusche.

Puls an der Ohrvene sowie am Schwanz nicht palpierbar (Tier ist zu lebhaft).

Besondere Untersuchungen:

Bereits am 10.07.00 wurde ein Blutbild angefertigt.

Lymphocyten, HK und Erythrocytenzahl sind am unteren physiologischen Rand, Hb durchschnittlich.

Granulocyten: Segmentkernige leicht sowie Stabkernige deutlich erhöht.

Eosinophile leicht erhöht, Bilirubin physiologisch.

 

Respirationsapparat

Rüsselscheibe unauffällig, kein Ausfluß.

Atmung erfolgt costoabdominal, Frequenz 40/min.; Auskultation ohne Aussagekraft, (das Tier war zu lebhaft.).Husten nicht auslösbar.

 

 

 

 

Digestionsapparat

Maulhöhle, Abdomen und Anus adspektorisch und palpatorisch obB. Kotabsatz konnte nicht beobachtet werden, in der Box jedoch keine Hinweise auf eine etwaige Diarrhoe.

 

Urogenitale

Mammae, Penis und praeputium adspektorisch und palpatorisch obB.

Harnabsatz konnte nicht beobachtet werden.

 

Bewegungsapparat

Das Tier belastet alle Gliedmaßen gleichmäßig, Aufstehen und Niederlegen physiologisch. Gliedmaßen sind adspektorisch und palpatorisch obB. Klauenzustand ist gut.

 

Neurologie

Das Tier ist aufmerksam und lebhaft, Körperhaltung und Bewegungen unauffällig.

 

 

4. Zusammenfassung der Symptome

 

-         cyanotischer Randsaum an beiden Ohren

-         gering erhöhte Körpertemperatur ( 39,5°C; normal 38-39°C)

-         (regenerative) Linksverschiebung der neutrophilen Granulocyten:

Stabkernige 2,55 [norm. 0- 1,14]; Segmentkernige 14,6 [norm. 0,6- 12,1]; KVI 1: 5,7 [norm. ~ 1:18]

-         Eosinophile 0,70 [ norm. o-o,42]

-         Herzfrequenz mit 116 erhöht, normal Ferkel etwa 60-90.

 

 

5. Diagnose

 

- Nach Ausschluß der Differentialdiagnosen bleibt die Verdachtsdiagnose einer viralen PRRS, zumal das Tier das typische Alter von 4-12 Wochen ( somit nach Wegfall der passiven Immunität durch maternale AK) hat. Zur Absicherung ist eine serologische Laboruntersuchung abzuwarten.

 

- Nebendiagnosen:

Die regenerative Linksverschiebung im Leukogramm ist Anzeichen einer (erfolgversprechenden) Auseinandersetzung mit einem Erreger.

Der erhöhte pulsus cordis kann Hinweis auf einen bestehenden Kompensationsvorgang einer Herz-Kreislauf- Insuffizienz oder Hypoxämie  sein, möglicher Weise aber erklärt er sich einfach durch die Aufregung des Tieres anläßlich der Untersuchung.

 

 

6. Differentialdiagnosen zur Zyanose des Schweines

 

-         klassische Schweinepest (KSP);

Ausschlußkriterien : Temperatur zu niedrig (39.5°C), Blutbild zeigt keine Lymphocytose und Neutropenie ohne Linksverschiebung.


-         Afrikanische Schweinepest (AP)

Ausschlusskriterien:

-         Akut: keine Petechien, Atemnot, Fieber

-         Subklin.: Blutbild zeigt keine Leukopenie. Linksverschiebung untypisch.

-         Aktinobacillus-Pneumonie (APP,=Haemophiluspneumonie)

Ausschlusskriterium: keine Anzeichen einer Dyspnoe.

-         Salmonellose

Ausschlusskriterium: fehlende Diarrhoe, Lymphonodi unauffällig.

-         Eperythrozoonose

Ausschlusskriterien:

-         Akut: Bilirubin physiologisch, keine ausgeprägte Anämie, Fieber.

-         Chronisch: Zyanosen auf die Ohren beschränkt.  Erreger (E.suis ) konnte anhand des Blutes nicht nachgewiesen werden.

-         Belastungsmyopathien

Ausschlusskriterium: Zyanosen sind nicht großflächig ( Rüsselscheibe, Bauch), keine Hyperthermie (>42°C), keine Tachipnoe (>80/min).

 

 

-         Herzklappeninsuffizienz

dagegen sprechen in diesem Falle: keine Tachipnoe,  keine venösen Stauungserscheinungen, Episkleralgefässe nicht übermäßig gezeichnet, sowie der Auskultationsbefund und die Lebhaftigkeit des Tieres.

           

Rotlauf                         Ausschlusskriterium: keine Ataxien, kein Fieber

Stress                                      Ausschlusskriterium: gutes Allgemeinbefinden des Tieres

Cardiale MißbildungenAusschlusskriterium: Auskultationsbefund

MaulbeerherzkrankheitAusschlusskriterium: keine Ataxie, Dyspnoe, Bradycardie

 

 

 

7. Prognose

 

Sollte sich die Verdachtsdiagnose PRRS bestätigen ( Serumdiagnostik bleibt abzuwarten, zudem sollte auf Anzeichen einer Pneumonie & Fieber, geachtet werden), so ist die Prognose für den Patienten längerfristig ungünstig, da rezidivierende Pneumonien durch Sekundärinfektionen beim Läufer zu erwarten sind. Das Virus selbst ist therapeutisch kaum greifbar, zumal die Tiere i.d.R. selbständig nach einigen Wochen - wenig wirksame -Antikörper bilden.

Die Prognose hinsichtlich der Zyanose der Ohren ist per se ungünstig; unbehandelt können die betroffenen Bereiche nekrotisieren.

Für den  Bestand können ebenfalls Konsequenzen folgen; die respiratorische Komponente der PRRS kann auf andere Läuferferkel, die reproduktive Komponente für die Sauen bzw. deren künftige Nachzucht nachteilig wirken. Insbesondere letzteres hat u.U. wirtschaftliche Relevanz.

 

 

 

8. Prophylaxe und Therapie

Prophylaktisch ist eine antimikrobielle Therapie ( Penicillin, Tetracyclin) gegen Sekundärinfekte zu erwägen, insbesondere, wenn Anzeichen einer Pneumonie oder Fieber auftreten sollten, was z.Z. allerdings nicht der Fall ist.

Jungsauen, Absatzferkel und Läufer des Bestandes sollten generell mit geeigneter Lebendvakzine geimpft werden, was eine Infektion mit PRRS nicht verhindern, wohl aber symptomatisch abschwächen kann.

Wegen der hohen Kontagiosität des Virus sollten andere Läufer ebenfalls beobachtet und ggf. vom Rest des Bestandes getrennt werden ("Rein/Raus-Verfahren").

Die Zyanose kann generell am ehesten über die Bekämpfung der Ursache angegangen werden. Da eine lokale Hypoxie vorliegt, kommen zur rein symptomatischen Behandlung hypothetisch alle Mittel in Betracht, welche eine verbesserte O²- Versorgung bewirken

( Perfusionsförderung, Kreislaufaktivatoren, O²-therapie )

 

 

9. Epikrise

 

Eine erste Nachuntersuchung am 14.07.00 zeigte ein munteres Tier ohne Anzeichen einer Dyspnoe oder Fieber. Die Auskultation von Lunge und Herz sowie die Palpation des Pulses waren erneut schwierig; es ergaben sich keine nennenswert von der Erstuntersuchung abweichenden Befunde, mit Ausnahme einer  deutlichen Besserung der cyanotischen Symptomatik an den Ohren. Die zuvor deutlichen Randsäume sind weitgehend verschwunden.

Auf den ersten Blick verbessert sich dadurch die Prognose für das Tier erheblich, die Gefahr der Nekrotisierung der Ohrpartien ist zunächst gebannt.

Für eine PRRS-Infektion sind wechselnde Krankheitsverläufe mit spontanen symptomfreien Phasen jedoch bekannt, so dass eine weitere Beobachtung angezeigt ist.

 

Zur 2. Nachuntersuchung am 21.07.00 zeigte sich ein gesundes Tier. Die klinische Untersuchung ergab ausschließlich physiologische Befunde, die cyanotischen Bereiche sind verschwunden. Die vorgesehene serologische Untersuchung auf PRRS ist nicht vorgenommen worden.

Im Falle einer PRRS sind fieberfreie Intervalle bei ungestörtem Befinden zwar nicht ungewöhnlich, jedoch sind betroffene Tiere wegen vorheriger Krankheitsphase(n) im Ernährungszustand beeinträchtigt. Im vorliegenden Falle gab es keine (beobachtete) Fieberphase mit Anzeichen einer Pneumonie, der Ernährungszustand ist als gut einzustufen. Die Verdachtsdiagnose PRRS hat somit keine Bestätigung gefunden.

Hinsichtlich des Blutbildes (regenerative Linksverschiebung) ist vielmehr von einer erfolgreich bekämpften Infektion durch bakterielle Erreger auszugehen.

Neben der Eperythrozoonose (E. suis) kommen generell auch andere Keime ( etwa Coli) in Betracht, die direkt oder durch ihre Toxine zu Mikroangiopathien u.a. der Akren führen können. Für ein derartiges Geschehen spricht zusätzlich zum KVI die Eosinophilie der Granulocytenfraktion; ein vermehrtes Auftreten eosinophiler Granulocyten wird bei Schädigungen von Gefäßendothelien beobachtet, ausgelöst durch oft Parasiten oder starke (auto-)Immunreaktionen.

Da nach Angaben der Klinik auch keine Behandlung stattgefunden hat, handelt es sich hier um einen Fall autonomer Spontanheilung.

 

 

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