Pferd-03 - Windkolik

 

    Krankheitsbericht

 

  

 

 

 

 

 

 

    Der Patient wurde am 01.07. durch x zugewiesen.


1.Signalement

 

Patientennummer:                              x

Name:                                                  x

Tierart:                                                 Pferd

Rasse:                                                 Warmblut

Geschlecht:                                         Wallach

Gewicht:                                              ca. 400 kg

Widerristhöhe:                        ca. 155 cm

Zahnalter:                                            10 Jahre

Farbe:                                                  Fuchs

Abzeichen:                                          keine

erworbene Kennzeichen:                  keine

Beschlag:                                            vorn

Brandzeichen:                                    keine

Nutzung:                                              Reitpferd

Eigentümer:                                        x

 

 

 

2. Anamnese

 

Der Patient zeigte am 01.07.1999 gegen 1730 Uhr erste Anzeichen einer Kolik.  Er setzte geringe Mengen trockenen Kot ab und wollte sich wälzen. Der daraufhin herbeigerufene Tierarzt x stellte fest, daß das Colon ascendens verlagert und stark aufgegast war. Darmgeräusche waren im linken oberen Quadranten des Abdomens nicht hörbar. x verabreichte dem Pferd Buscopan comp.â (Wirkstoffe: Butylscopolamin, Metamizol) i.v. und wies es zur weiteren Beobachtung in die Klinik für Pferde, allgemeine Chirurgie und Radiologie der x ein. Dort wurde es am  wurde am 01.07.1999 um   2135 Uhr vorgestellt.

 

 

 

3. Status praesens

 

 

 

allgemeine Untersuchung

 

Das Pferd ist unruhig und versucht sich zu wälzen. Der Pflege- und Ernährungszustand sind als gut zu bezeichnen. Das Tier macht 20 Atemzüge pro Minute, die Herz- & Pulsfrequenz beträgt 56 Schläge pro Minute. Die Körperinnentemperatur beträgt 38,6 °C. Die Körperoberflächentemperatur fühlt sich vermehrt warm an, es ist eine geringgradige Schweißsekretion feststellbar.

 

 

 

spezielle Untersuchung

 

 

Haut und Haarkleid:

Das Haarkleid geschlossen, dicht, glatt anliegend und glänzend. Es ist eine geringgradige Schweißsekretion feststellbar. Die Haut ist glatt und fest, eine aufgezogene Hautfalte verstreicht zügig und vollständig.

Auf der Stirn befinden sich diverse haarlose Stellen. Auf der linken Halsseite ist im oberen Drittel der Drosselrinne eine 7 x 5 cm große rasierte Stelle sichtbar, auf der rechten Seite befindet sich in gleicher Höhe eine 6 x 6 cm große rasierte Stelle.

 

 

Schleimhäute:

Die Maul- und die Nasenschleimhaut sind blaßrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Die Conjunctiven sind blaßrosa und mäßig feucht, die Kapillaren sind fein injiziert.

 

 

Lymphknoten:

Die oberflächlichen Lymphknoten sind adspektorisch unauffällig. Sämtliche palpierten Lymphknoten sind unter der Haut verschieblich, glatt, von prall-elastischer Konsistenz und nicht schmerzhaft.

 

 

Zirkulationsapparat:

Der Herzstoß ist bei der Palpation spürbar. Die Auskultation des Herzens ergibt eine Herzfrequenz von 56 Schlägen pro Minute. Die Herztöne sind von starker Intensität, gleichmäßig und gut voneinander abgesetzt. Es sind keine Herzgeräusche wahrnehmbar.

Die Pulsfrequenz, palpiert an der A. facialis, entspricht der Herzfrequenz. Der Puls ist regelmäßig, gleichmäßig, stark und kräftig, die Gefäßwandspannung ist physiologisch. Die kapilläre Füllungszeit beträgt 2 Sekunden. Die Vena jugularis externa ist äußerlich nicht sichtbar und zeigt keine Undulation. Sie ist anstaubar und verstreicht bei Lösen des Staus zügig.

 

 

Respirationsapparat:

Adspektorisch ist eine rhythmische, vermehrt costale Atmung feststellbar, die Frequenz beträgt 20 Atemzüge pro Minute. Die Bewegung des Brustkorbes ist symmetrisch, die Ausatmungsluft strömt aus beiden Nüstern gleichmäßig aus und ist geruchlos. Die Umgebung der Nüstern ist trocken und sauber.

Bei der Perkussion des Lungenfeldes ist ein voller Lungenschall hörbar. Die Auskultation ist ohne besonderen Befund, es ist ein leichtes vesikuläres Inspirationsgeräusch vernehmbar, das bronchiale Atemgeräusch ist nur an der Luftröhre vernehmbar.

Der Kehlkopf ist symmetrisch, ein Hustenreflex läßt sich nicht auslösen.

 

 


Digestionsapparat:

Der Lippenschluß ist vollständig, die Umgebung der Maulhöhle ist sauber. Beim Öffnen der Maulhöhle zeigt sich ein vollständiges Dauergebiß. Die Zunge ist unverletzt und frei von Auflagerungen. Bei der Adspektion des Abdomens fällt auf, daß der Bauchumfang vergrößert ist. Die Palpation ergibt eine erhöhte Bauchdeckenspannung. Bei der Auskultation sind im linken oberen Quadranten keine Darmgeräusche, im rechten oberen Quadranten nur vermindert Darmgeräusche zu vernehmen. In den unteren Quadranten sind die Darmgeräusche auf beiden Seiten gut hörbar. Es ist eine geringgradige Flatulenz feststellbar.

Die Freßlust des Pferdes ist deutlich vermindert. Kotabsatz wurde während des Untersuchungszeitraums nicht beobachtet. Die in der Box aufgefundene geringe Kotmenge weist eine trocken-faserige Konsistenz auf, ist mit Fibrin überzogen und enthält unverdaute Futterbestandteile. Der Geruch ist säuerlich, die Farbe dunkelgrün.

 

 

Harn- und Geschlechtsapparat:

Harnabsatz wurde im Untersuchungszeitraum nicht beobachtet. Penis und Präputium zeigen keine Besonderheiten, auch die weitere Untersuchung des Harn- und Geschlechtsapparates ist ohne besonderen Befund.

 

 

Bewegungsapparat:

Das Pferd belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Temperatur, Winkelung und Stellung der Gliedmaßen sind ohne besonderen Befund. Am linken Sprunggelenk befindet sich lateral eine ca. 20 cm lange Narbe und eine 2-DM-Stück große Abschürfung. Unterhalb des rechten Spunggelenks ist lateral eine haselnußgroße Umfangsvermehrung von fester Konsistenz palpierbar.

An den Arterien des Mittelfußes und der Fesselbeugen tritt keine Pulsation auf.

 

 

 

weiterführende Untersuchung

 

 

Blutbild und Blutgasanalyse:

 

                        1.7. 2114 Uhr                        2.7. 0009 Uhr                        2.7. 247 Uhr

 

HKT               42 %                                      48 %                                      29 %

GE                  6,8 g/dl                                   7,0 g/dl                                   5,2 g/dl

 

pH                  7,363                                     7,336                                     7,325

pCO2             40,8 mmHg                           36,8 mmHg                           42,7 mmHg

pO2                 42,4 mmHg                           51,4 mmHg                           45,1 mmHg

 

BE                  -1,3 mmol/l                            -5,0 mmol/l                            -3,1 mmol/l

HCO3             22,3 mmol/l                           18,9 mmol/l                           21,4 mmol/l

 

 

rektale Untersuchung:

Bei der rektalen Untersuchung fällt auf, daß die Milz geschwollen und nach caudal verlagert ist. Das Milz-Nierenband liegt frei. Das Colon ascendens ist verlagert und aufgegast, die Poschen und Tänien sind fühlbar.

 

 

 

4. Diagnose

 

Es handelt sich um einen Metorismus intestini (Windkolik). Da aus der Anamnese nicht hervorgeht, was das Tier vor der Erkrankung gefressen hat, ist nicht klar abzugrenzen, ob es sich um einen primären (alimentär bedingten) oder sekundären (durch einen Darmverschluß bedingten) Metorismus handelt. Weiterhin wurde eine metabolische Acidose festgestellt.

 

 

 

5. Differentialdiagnose

 

Colica spastica: Bei einer Colica spastica wird vermehrt breiiger Kot abgesetzt, da Darmtonus und -sekretion erhöht sind. Rektal sind hypertonische, schmerzhafte Darmschlingen palpierbar, die verkleinert, aber ansonsten physiologisch erscheinen. Da der Patient geringe Mengen festen Kot absetzt und die rektalen Befunde eine deutliche Aufgasung des Colon ascendens erkennen lassen, ist eine spastische Kolik auszuschließen.

 

Obstipatio intestini: Eine Obstipation kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, es ist durchaus möglich, daß es sich in diesem Fall um einen sekundären Metorismus handelt, der u.a. durch eine Obstipation bedingt sein kann.

 

Obturatio intestini: Eine Obturatio intestini ist immer mit einer völligen Kotverhaltung verbunden. Die Darmschleimhaut ist mit einem für den Darmverschluß typischen zähen, pappigen Schleim überzogen. Dieser wurde bei der rektalen Untersuchung nicht festgestellt, außerdem hat der Patient geringe Mengen Kot abgesetzt, so daß diese Diagnose ausgeschlossen werden kann.

 

Ileus: Ein Ileus kommt am häufigsten im Bereich des Milz-Nierenbandes vor, dieses lag bei dem Patienten frei. Außerdem kommt es zu einer starken Einschränkung des Allgemeinbefinden, begleitet von Erscheinungen der Autointoxikation. Die Symptome des Patienten sprechen nicht eindeutig für einen Ileus, sprach er auf die konservative Therapie positiv an, so daß im nachhinein die Diagnose “Ileus” ausgeschlossen werden kann.

 

 

 

6. Ätiologie

 

Der primäre Metorismus ist alimentär bedingt. Er entsteht durch Aufnahme von blähenden keim- & phosphatasereichen Futtermittel, wie z.B. Klee, Luzerne, angewelktes überhitztes  Grünfutter, Mais, Rüben, Obst etc. Die Phosphatasen dieser Futtermittel sowie die der Darmflora katalysieren den Abbau von Kohlenhydraten zu Kohlendioxid, Methan, Schwefelwasserstoff und anderen Gasen. Diese Gasbildung tritt schon bald nach der Futteraufnahme auf und erstreckt sich meist über den gesamten Verdauungstrakt. Der durch die Gase ausgelöste chemische Reiz und Dehnungsreiz ruft eine gesteigerte krampfhafte Peristaltik und Kolikschmerz hervor. Später wird die Darmperistaltik zunehmend unterdrückt oder gänzlich aufgehoben. Durch den steigenden intraabdominalen Druck kommt es außerdem zur Behinderung der Atmung und der Blutzirkulation.

 

Der sekundäre Metorismus tritt im Zusammenhang mit Motilitätsstörungen des Darms auf. Diese Motilitätsstörungen können verschiedene Ursachen haben. Sie kommen z.B. bei spastischem oder mechanischem Darmverschluß im Rahmen des Koliksyndroms vor, aber auch bei einer Bauchfellentzündung  oder einer Gekrösearterienverstopfung.

 

 

 

7. Therapie

 

Das Pferd wurde konservativ therapiert, d.h. ihm wurden zur Anregung der Darmperistaltik und zum Lösen eventueller Obstipationen 2 l Paraffinum liquidum und 2 l H2O per os mit Hilfe einer Nasenschlundsonde verabreicht. Danach wurde es in der Halle leicht bewegt. Da diese Maßnahmen zum Abgasen des Colon ascendens führten, konnte auf die Gabe weiterer Arzneimittel sowie auf eine Darmpunktion verzichtet werden.

 

Die erste Blutgasanalyse ergab eine metabolische Acidose sowie einen erhöhten Hämatokrit, woraufhin dem Tier eine Infusion von 10 l NaCl und 1 l Natriumbicarbonat (4,2%) i.v. verabreicht wurde. Da die Werte auch bei der zweiten Blutgasanalyse nicht im Normbereich lagen, erhielt es nochmals 10 l NaCl und ½ l Natriumbicarbonat (4,2%) i.v.

 

 

 

8. Prognose

 

Die Prognose ist abhängig vom Grad der Erkrankung. Da es sich in diesem Fall offensichtlich um einen mittelgradigen Meteorismus intestini handelt, der ohne Komplikationen geheilt wurde, ist die Prognose für den Patienten durchaus günstig.

 

 

 

9. Epikrise

 

Die durchgeführte Therapie führte zu einer baldigen Besserung des Allgemeinbefindens des Patienten. Die Befunde der zweiten rektalen Untersuchung bestätigen den Erfolg der Therapie: Das Colon ascendens ist deutlich abgegast, außerdem ist vereinzelt fester Kot zu fühlen. Das Colon descendens ist mit festen Kotballen gefüllt. Auch die Lage der Milz hat sich wieder normalisiert. All diese Befunde lassen erwarten, daß das Tier wieder gesund wird. Ein weiterer Aufenthalt in der Klinik ist also nicht notwendig.

 

Pferde sind durch die anatomischen und funktionellen Eigentümlichkeiten ihres Magen-Darm-Trakts (kleiner Magen, langer Dünndarrm, abwechselnd enge und weite Darmabschnitte...) und durch eine Labilität des vegetativen Nervensystems besonders für Koliken anfällig. Außerdem werden die heutigen Hauspferde meist zwei- bis dreimal täglich gefüttert, so daß oft zu große Futtermengen auf einmal aufgenommen werden müssen. Nach einer Anfütterungsphase mit Mash sollten die Besitzer also besonders auf die Fütterung achten, um eine wiederholte Kolik zu verhindern. Das Pferd sollte mindestens dreimal täglich gefüttert werden, wobei ausreichend lange Freßzeiten (mindestens 1 ½ Stunden) eingehalten werden sollten. Auf die Verfütterung von blähenden Futtermitteln sollte möglichst verzichtet werden.

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