Schwein-19 - beidseitige asymmetrische Umfangsvermehrung des Abdomens

 

Krankheitsbericht

                                                          

 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

 

 

 

           

I. Anamnese

Das Schwein zeigt eine Umfangsvermehrung im Abdominalbereich.

 

II. Signalement

Tierart:              Läuferschwein

Rasse:                Hybrid (Edel-/Landschwein)

Alter:                 ca. 3 Monate

Geschlecht:       männlich

Gewicht:           ca. 35 kg

Kennzeichen:    beide Ohrspitzen und der Schwanz sind kupiert, im linken Ohr    

                          befindet sich eine gelbe Klinikohrmarke mit der Nr.x, im

                          rechten Ohr eine Ohrmarke mit der Nummer PM x

Besitzer:            x

 

III. Status praesens

A) Allgemeine Untersuchung vom 14.06.1999

Das Schwein ist munter und nimmt an der Umgebung teil.Die Körperhaltung und die Stellung der Gliedmaßen und Gelenke sowie die Kopfhaltung sind physiologisch. Der Entwicklungzustand ist dem Alter entsprechend. Der Pflege-zustand und Ernährungszustand sind als gut einzustufen. Ein extremer Juckreiz ist vorhanden. Abgesehen von dem Juckreiz ist der Habitus nach oben ge-nannten Beobachtungen als klinisch unauffällig zu beurteilen.

Atemfrequenz:    44 Züge/min

Pulsus cordis:     72 Schläge/min

Temp. (rektal):    39,3 °C

           

 

B) Spezielle Untersuchung vom 14.06.1999

Haare/Haut:

Das Schwein ist gleichmässig wenig behaart. Die Haare sind etwa 3-4 cm lang und von hellbeiger Farbe. Die Haut ist verschieblich, derb-elastisch und überwiegend rosarot mit Ausnahme von zwei Bezirken à dorsal am Hals und kaudal der Schulter erscheint die Haut rot. Trockene und schuppige Auflagerungen sind vorzufinden, besonders am Rücken, die sich ohne Substanzverlust lösen lassen. Multiple kleine, rötliche, kreisrunde, krustöse Hauteffloreszenzen befinden sich ebenso auf dem Rücken. In beiden Augenwinkeln treten bräunliches, seröses, zum Teil eingetrocknetes Sekret auf. Eine ca. 5 cm lange faltförmige Deformierung der Haut ist etwa über dem 10.-11. Intercostalraum zu sehen.

 

 

Schleimhäute:

Die Konjunktivalschleimhäute sind rötlich, glatt, glänzend und ohne Auflage-rungen. Die Penisschleimhaut ist rosarot und ebenfalls glatt, glänzend und ohne Auflagerungen.

 

Lymphknoten:

Die Lnn. subiliaci sind verschieblich, nicht vermehrt warm, schmerzunempfind-lich und etwa kichererbsengroß. Die Lnn. inguinales superficiales sind nicht gefunden worden.

 

Kreislauf:

Das Herz schlägt mit einer Frequenz von 72/min. Der Auskultation des Herzens ergibt einen regelmäßigen, gleichmässigen, starken und kräftigen Herzschlag, Die Herztöne sind abgesetzt und ohne Nebengeräusche.

Die Episkleralgefäße sind fein injiziert, mässig gefüllt und gut abgesetzt.

 

Atmungsapparat:

Die Atmungstätigkeit erfolgt mit einer Frequenz von 44 Züge/min costoabdo-

minal, sie ist rhythmisch, regelmäßig aber etwas flach. Die Naseneingänge und die Rüsselscheibe sind glänzend feucht. Der Atemluftstrom erfolgt gleichmässig

aus beide Nasenlöcher. Die Phonendoskopie ergibt schwach hörbare, aber physiologische vesikuläre Atemgeräusche.

 

Verdauungsapparat:

Das Schwein frißt mit gutem Appetit und nimmt bedarftsdeckende Mengen Wasser zu sich. (8-12 Lit./Tg.) Ein dunkelbrauner, geformter Kot ist in der Box vorzufinden. Der Umriß des Abdomens zeigt eine beidseitige asymmetrische Umfangsvermehrung, die sich rechts weiter vorwölbt als links. Dorsal auf ganzer Länge der Lendenwirbel, direkt ventral der langen Rückenmuskulatur ist beidseitig auf einer Breite von ca. 15 cm das Abdomen eingefallen. Die Umfangsvermehrung fühlt sich sehr weich und fluktuierend an. Eine genaue Abgrenzung ist nicht möglich, da die Substanz leicht unter Druck entweicht. Der Rippenbogen stellt eine Art von Barriere nach kranial dar.

 

Harn- und Geschlechtsapparat:

Harnabsatz ist während der Beobachtung nicht erfolgt, ist aber aufgrund des feuchten Strohs zu vermuten bzw. zu unterstellen.

Das Präputium mit Inhalt ist sowohl adspektorisch als auch palpatorisch o.b.B.

Bei der Palpation des Skrotums ist nur ein Hoden zu fühlen. Ein Zweiter läßt sich weder scrotal noch inguinal oder abdominal finden. Der im Scrotalsack befindliche Hoden ist etwa hühnereigroß, verschieblich, nicht vermehrt warm und schmerzunempfindlich. Der Scrotalhaut ist elastisch und leicht abziehbar.

 

Bewegungsapparat:

Ein lahmfreier Bewegungsablauf aller Gliedmaßen ist festzustellen. Abnormalitäten der Gliedmaßenstellung bzw. -belastung ist nicht vorhanden.

Die Klauen sind ebenso unauffällig. Palpatorisch sind die Extremitäten o.b.B.

 

Nervensystem:

Das Schwein zeigt keinerlei Verhaltensstörungen und eine Sensibilität der Haut ist vorhanden à Panniculus-Reflex ist auszulösen und wird physiologisch beantwortet.

Die Sinnesorgane sind aufgrund der Beobachtungen im Laufe der Untersuchung als physiologisch funktionsfähig zu bewerten.

 

IV. Zusammenfassung der Symptome

1) beidseitige asymmetrische Umfangsvermehrung des Abdomens

2) Fehlen eines Hodens im Scrotum

3) spontaner und auslösbarer Juckreiz

4) partielle Rötung und krustöse Veränderungen der Haut

5) seröser Augenausfluß

 

V. Diagnosen

Das Stellen von exakten und präzisen Diagnosen fordert weitergehende Unter-suchungen der verschiedenen Krankheitssymptome. Beispielsweise:

zu 1):       Röntgen- bzw. Ultraschalluntersuchung

zu 2):       Ultraschalluntersuchung, Kastration bzw. Probelaparotomie

zu 3) und 4):   Mikroskopische Untersuchung eines Hautgeschabsels, Blutprobe

zu 5):                   Bakteriologische und virale Untersuchung des Sekretes bzw.

                           Überprüfung der Durchgängigkeit des Tränen-Nasenkanals

 

VI. Differentialdiagnosen

zu 1):  - Aplasia s. Agenesia musculi obliquus ext. abdominis ext. et/s. musculi

              transversus abdominis

           - Hernia ventralis à Bruchpforte kann nicht diagnostiziert werden

 

zu 2):  - Kryptorchismus

           - Mikroorchie

           - Hodenektopie

           - vorangegangene Kastration

           - Hypoplasie eines Hodens

           - Aplasie des Hodens

           - Hodenatrophie

 

 

zu 3) u. 4):  - Sarcoptesräude

                    - Staphylococcus-hyicus-Infektion (lokale Form) à hier untypische

                      Lokalisation und Fehlen der Hauptsymptome (Exsudation, braune

                      Krusten)

                    - Biotinmangel à hier fehlen zusätzliche Symptome wie z.B.

                      Klauenhornveränderungen, Haarausfall und bräunliche Krusten

 

zu 5):           - Konjunktivitis

                        - Verstopfung des Tränen-Nasenkanals

                        - Rhinitis atrophicans à Hauptsymptome, wie z.B Nasenausfluß

                      oder Knochenveränderungen fehlen hier

                    - PRRS-Infektion à Bei Läufern stehen Dyspnoe, geringgradiger

                      Husten, vereinzelt Fieber, Blässe und blaue Ohren im Vorder-

                          grund des Krankheitsbildes

 

 

VII. Prognose

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit dieses Schweines ist die Prognose als sehr ungünstig einzustufen, da u.a. höchstwahrscheinlich ein Qualitätsmangel des Fleisches vorliegen wird. Die Frage, ob dem Schwein die Mast zumutbar ist, hängt von der endgültigen Diagnose bzw. den Therapiemöglichkeiten ab.

Für das „nackte Überleben“ des Schweines ist die Prognose eher als günstig zu bewerten.

 

VIII. Prophylaxe und Therapie 

Eine Prophylaxe ist in diesem Fall kaum möglich. Bei erblichen Krankheiten könnte man bei häufigem Auftreten die Elterntiere sorgfaltiger auswählen. 

Die Therapie ist abhängig von der exakten Diagnose der verschiedenen Krank-heitsbilder. Eine Kastration ist auf jeden Fall zu raten. Hier werden nur Therapievorschläge für die Differentialdiagnosen, die zu den in der Anamnese aufgeführten Symptomen passen, gemacht.

- Aplasia s. Agenesia musculi obliquus ext. abdominis ext. et/s. musculi              

  transversus abdominis à Das Tier ohne „Übergewicht“ (also kein Mästen)

  leben lassen (als Haustier) oder nur soweit möglich ausmästen, danach

  schlachten.

- Hernia ventralis à beim Schwein aus wirtschaftlichen und operationstech-

  nischen Gründen nicht operationswürdig.

 

 

 

 

 

 

IX. Epikrise

Der 35 kg schwere Läufer wurde mit einer Umfangsvermehrung im Abdominal-bereich vorgestellt. Die Untersuchung ergab mehrere Krankheitsbilder, auf die nicht alle näher eingegangen wurde. Aufgrund unbefriedigender Untersu-chungsmöglichkeiten konnte eine Diagnose nicht sicher gestellt werden, obwohl es sich lohnen würde, diesen sehr intressanten Fall zu lösen bzw. zu verfolgen.

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