Bericht über die Untersuchung eines Klinischen Patienten im Rahmen des 3. Teils der tierärztlichen Prüfung
20.11.2001
I. Signalement
Bei dem Patienten handelt es sich um einen männlichen, kastrierten Perserkater mit schwarzem Fell. Das Körpergewicht beträgt ca. 5 kg. Als Geburtsdatum ist der 01.01.1998 angegeben. Der Rufname des Katers ist x, Besitzerin ist Frau x. aus x. Einlieferungsdatum ist der 19.11.01,Kliniknummer x. Der Impfstatus ist aktuell.
II. Anamnese
Ursprünglich wurde das Tier zur Zahnsteinentfernung in die Klinik gebracht. Bei der gründlichen Untersuchung vor der anstehenden Operation wurde der Verdacht auf beiderseitige Erblindung des Katers geäußert. Daraufhin wurden beide Augen gründlich untersucht. Das Tier zeigte laut Besitzerin keine auffällige Beeinträchtigung, Futteraufnahme ist gut, Kot und Harnabsatz unauffällig. Im Klinikkäfig lag das Tier ruhig und unauffällig in einer Ecke.
Es muss nun festgestellt werden ob hier tatsächlich eine Erblindung vorliegt.
III. Status praesens
1. Allgemeinuntersuchung
Bei der Vorstellung am 20.01.2001 zeigt sich das Tier ruhig und aufmerksam. Ernährungs-Entwicklungs- und Pflegezustand sind als gut einzustufen.
· Körperinnentemperatur: 39 °C
· Pulsfrequenz: 200 Schläge / min
· Atemfrequenz: 30 Atemzüge / min
Haut und Haarkleid:
Das Haarkleid geschlossen, dicht, der Rasse entsprechend. Die Haut ist glatt und fest, eine aufgezogene Hautfalte verstreicht zügig und vollständig.
sichtbare Schleimhäute:
Die Maulschleimhaut ist blassrosa, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen, die kapilläre Füllungszeit liegt unter 2Sekunden. Die Konjunktiven sind rosaweiß und mäßig feucht, die Kapillaren sind fein injiziert.
Lymphknoten:
Sämtliche palpierten Lymphknoten sind unter der Haut verschieblich, glatt, von prall-elastischer Konsistenz und nicht schmerzhaft.
Herz-Kreislauf-System:
Der Herzstoß ist an der seitlichen Wand des Brustkorbes kaum fühlbar. Die Auskultation des Herzens ergibt eine Herzfrequenz von 200 Schlägen pro Minute. Die Herztöne sind von schwacher Intensität, gleichmäßig und gut voneinander abgesetzt. Es sind keine Herzgeräusche wahrnehmbar. Die Pulsfrequenz, palpiert an der A. femoralis, entspricht der Herzfrequenz.
Atmungsapparat:
Adspektorisch ist eine rhythmische, costoabdominale Atmung feststellbar, die Frequenz beträgt 30 Atemzüge pro Minute. Die Bewegung des Brustkorbes ist symmetrisch, die Atemluft strömt aus beiden Nasenlöchern gleichmäßig aus und ist geruchlos.
Verdauungsapparat:
Der Lippenschluss ist vollständig, die Umgebung des Mauls ist sauber. Zunge und Maulschleimhaut sind unverletzt. Es fällt eine geringgradige Zahnsteinbildung auf, die sich auch negativ auf den Mundgeruch des Tieres auswirkt. Die Palpation des Abdomens ergibt eine physiologische Bauchdeckenspannung.
Harn- und Geschlechtsapparat:
Penis und Präputium zeigen keine Besonderheiten.
Bewegungsapparat:
Keine besonderen Auffälligkeiten.
weiterführende Untersuchung
2. Spezielle Untersuchung der Augen
Beide Pupillen sind adspektorisch symmetrisch, allerdings für die Lichtverhältnisse zu weit gestellt. An beiden Augen ist der Pupillarreflex prompt und auch konsensuell. Aus beiden Augen tritt klarer, dünnflüssiger Ausfluss in geringer Menge.
Der Drohreflex ist negativ. Handbewegungen werden nicht verfolgt. Fallende Wattebällchen werden nicht wahrgenommen. Wenn das Tier auf den Boden gesetzt wird, kriecht es auf dem Bauch und sucht vorsichtig einen Gegenstand.
Mit der Spaltlampe wird eine detaillierte Untersuchung der Lider, Bindehaut, vorderen Augenkammer, Vorderfläche der Iris, Linse und Glaskörper vorgenommen. Diese Untersuchung ergab eine starke Gefäßeinsprossung der Sklera. Adnexen, Kornea, Vordere Augenkammer, Linse und Vitreus ohne besondere Auffälligkeiten. Mit einem direkten Ophtalmoskop wurde der Fundus und Sehnerv untersucht. Der Fundus zeigte sich herbei leicht hyperreflektisch, der Sehnerv ohne deutliche Gefäßzeichnung, der Rand um die Retina unscharf. Zur näheren Abklärung, ob hier etwa ein Glaukom vorliegt wird eine Tomometeruntersuchung empfohlen. Ferner könnte ein Elektroretinogramm die Funktionsfähigkeit der Netzhaut, eventuell übersehene Fundusveränderungen oder degenerative Netzhautveränderungen ergeben. Eine Elektroretinographie misst die Potentialdifferenz zwischen Stirn und Hornhaut bei Reizung des Auges mit Licht, und könnte hier auch zur näheren Aufklärung beitragen. Besprochen ist hier ein CT des Kopfes.
IV. Diagnosen
Zur genauen Erstellung einer Diagnose sind weitere Untersuchungen notwendig. Auszuschließen ist hier Blindheit durch Veränderungen an den Transparenten optischen Medien.
V. Differentialdiagnosen
1. Verdacht auf Erkrankungen der Retina: Retinopathie
- Ernährungsbedingt: durch Taurinmangel, durch nicht tiergerechte Fütterung, beispielsweise mit Hundefutter. Könnte eventuell mit der Messung der Aminosäurekonzentration im Plasma abgeklärt werden (Normwerte zwischen 60 und 120 μmol/l)
- Glaukome:
Unter dem klinischen Sammelbegriff Glaukom oder grüner Star versteht man eine ätiologisch uneinheitliche Gruppe von Augenerkrankungen, die mit einer Erhöhung des intraokularen Druckes einhergehen. Ist die Druckerhöhung Folge einer kongenitalen oder idiopathischen Abflußstörung des Kammerwassers, spricht man von einem Primärglaukom. Wurde die Druckerhöhung durch eine vorausgegangene oder bestehende Krankheit verursacht, handelt es sich um ein Sekundärglaukom.
Die Kardinalsymptome eines Glaukoms sind Rötung, weite Pupille und erhöhte Tension. Bei Chronizität oder intensiver Druckeinwirkung kann es zu Bulbusvergrößerung (Hydrophthalmus), Staphylom, Hornhautödem, Pseudouveitis, Irisatrophie, Subluxation der Linse und Fundusveränderungen wie Fundusödem, Excavation der Papille, Retinaatrophie oder Atrophie der Fundusgefäße kommen. Ein nicht behandeltes Glaukom führt meist innerhalb weniger Tagen zur Erblindung.
Bei den meisten Primärglaukomen lässt sich mittels der Gonioskopie ein dysplastisches Ligamentum pectinatum (DLP) und ein enger Kammerwinkel nachweisen. Dabei ist das den Kammerwinkel überbrückende Ligamentum pectinatum breiter als normal angelegt und dadurch unvollständig perforiert. Obwohl diese Anomalien erblich bedingt sind, entsteht das Glaukom meist erst in fortgeschrittenem Alter, wobei zunächst nur ein Auge erkrankt.
Einige Primärglaukome basieren auf angeborenen Anomalien der Strukturen der vorderen Augenkammer, wie z.B. schlaffe Zonulafasern, abgeflachte Iris oder Hypoplasie der vorderen Bulbusabschnitte.
Selten sind Offenwinkel-Primärglaukome. Hierbei ist die Anatomie des Kammerwinkels normal, es kommt aber dennoch aus bisher unbekannten Ursachen zu Abflußstörungen. Es sind immer beide Augen betroffen.
- Exsudativ: systemische Mykosen, Toxoplasmose, Feline Infektiöse Peritonitis (FIP), Leukämie. Aufgrund der klinischen Untersuchungsergebnisse eher unwahrscheinlich, kann aber durch weiterführende Untersuchungen abgeklärt werden.
- Neubildungen: Retikulose oder durch Metastasen.
- Chorioenteritis: Toxoplasmose, FIP
- Kongenitale Stoffwechselstörungen
- Retinaablösung: Retinadysplasie : entsteht genetisch bedingt. Die Retina degeneriert vor der Ausreifung der Photorezeptoren.
- genetisch Bedingt: Perserkatzen haben eine Prädisposition für dysplastische Veränderungen an den Photorezeptoren (Stäbchen und Zapfen). Selten: progressive Retinaatrophie, peripher bzw. zentral, hier allerdings nicht sehr wahrscheinlich, da diese Art der Erkrankung sehr selten ist. Sie wird nur im skandinavischen Raum und in Großbritannien bei Abessinerkatzen beobachtet.
2. Verdacht auf Veränderungen der Sehbahn, Nervus Opticus
- Hypoplasie der Nervi Optici:
- Retikulose oder granulomatöse Encephalomyelitis
- Feline Infektiöse Peritonitis:Meningoencephalitis
- Systemischen Mykosen
- Neubildungen im Bereich des Chiasma opticum
- Traumatisch: Abriß des Nervus opticus: unwahrscheinlich, da kein äußerlicher Hinweis auf ein traumatisches Geschehen auffällig wurde (Narben, Kallusbildung, Schmerzhaftigkeit)
3. Verdacht auf Veränderungen an der Sehrinde (Okzipitallappen des Großhirns)
Hierunter verstehen wir Veränderungen am seitlichen Kniehöcker (Corpus geniculatum lateralis, primäres oder subkortikales Sehzentrum) an der Radiatio optica (Teil der Sehbahn vom Corpus geniculatum lateralis bis zur Sehrinde) oder direkt an der Sehrinde (Okzipitallappen des Großhirns). Diese führen zur Blindheit bei erhaltenem Pupillen-Lichtreflex. Die Bedeutung der Sehrinde für das Sehvermögen liegt in der Erkennung von Formen, während der Sehhügel (Thalamus opticus) im Mittelhirn für die Orientierung oder für die Ausrichtung des Körpers in Relation zu den Gegenständen der Umgebung benötigt wird. Diese Erkrankungen kommen vor bei:
- Hydrocephalus: hier auszuschließen
- Fehlentwicklungen des Gehirns: Agyrie, hier eher unwahrscheinlich, die Katze ist schon älter, die Blindheit müsste schon bei der Geburt aufgefallen sein.
- Feline Meninggoencephalitis: labordiagnostisch durch Liquoruntersuchung abzuklären.
- Hepathoencephalopathie: eher unwahrscheinlich, durch weitere Untersuchungen abzuklären.
- Kongenitale Stoffwechselstörungen
- Traumatisch bedingte Ödeme oder Blutungen: hier eher unwahrscheinlich, da weder vorberichtlich noch durch die eingehende klinische Untersuchung Hinweise auf ein Trauma zu finden waren.
- Hypoxie
- Infarkte
VI. Therapie
VII. Prognose
Die Prognose bezüglich des Lebens und der Genesung ist als günstig einzustufen, bezüglich der Wiederherstellung der Sehkraft jedoch als infaust.
IX. Epikrisis
Katzen kommen im allgemeinen mit einer Blindheit sehr gut zurecht, wie hier gerade durch die Tatsache, dass diese Blindheit von der Besitzerin nicht bemerkt wurde, deutlich wird. Die Tiere kompensieren diese Behinderung mit ihren anderen Sinnen. Es stellt sich hier die Frage, ob empfohlen werden soll, das Tier von nun an ausschließlich in der Wohnung oder höchstens mit „Gartengang“ zu halten da durch die Blindheit vor allem bei freilaufenden Katzen mit erhöhtem Unfallrisiko zu rechnen ist.