Krankheitsbericht
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1. Signalement:
Tierart/Rasse: Irischer Wolfshund - Mischling
Geschlecht: männlich
Alter: 12 Wochen (*05.04.99)
Gewicht: 17 kg
Name des Patienten: x
Name des Besitzers: ...
2. Anamnese:
27.06.99:Erstvorstellung als Notfall in der Klinik für kleine Haustiere. Der Hund frißt seit Donnerstag weniger und erbrach am Freitag sein Futter. Daraufhin gaben die Besitzer dem Hund bis Samstag Tee und Zwieback. Am Samstag hatte er dann leicht Durchfall und der Bauch gluckste. Am Sonntag fraß der Hund weder noch trank er, woraufhin die Besitzer den Haustierarzt aufsuchten. Dieser machte eine Röntgenaufnahme, diagnostizierte einen Fremdkörper im Abdomen und überwies das Tier in die Klinik. Auf der Fahrt in die Klinik erbrach sich der Hund wieder.
Die Untersuchung in der Klinik ergab:
Allgemeinzustand: matt, an der Umgebung interessiert
Temperatur: 38,3°C
Kreislaufsystem: Puls kräftig, KFZ < 2 sec, Schleimhäute blaß-rosa
Maulhöhle: hochgradige Tonsillitis
Atmung: unauffällig
Palpation des Abdomens: weich, o.b.B.
Röntgen:Abdomen, latero/lateral:
In den Dünndarmschlingen sind Gasblasen zu sehen, das Rektum ist kotgefüllt. Die Blase ist gut gefüllt. Im Abdomen befindet sich wenig Fett (kaum Kontrast)
Abdomen, mit Kontrastmittel, latero/lateral:
Der Magen ist teilweise dargestellt, der Dünndarm ist vollständig durchgängig dargestellt, es sind peristal- tische Wellen sichtbar. Die Blase ist gefüllt. Der caudale Pol der linken Niere ist sichtbar.
Abdomen, 2. Kontrastmittelaufnahme, latero/lateral:
Der Dickdarm ist vollständig durchgängig dargestellt, das Rektum ist kotgefüllt.
Labor:Blutbild: Leukos (/µl): 20.000
Erys (Mill/µl):4,86
Hkt (Vol %): 26,6
Thrombos: 66.000
Blutchemie: Na (mval/l): 140
K (mval/l): 3,6
BZ (mg/dl): 113
Harnstoff (mg/dl): >300
Krea (mg/dl): 8,1
EKG: Sinusrhythmus, Herzfrequenz 150/min
Therapie: 500 ml Sterofundin alle 4 Stunden, 350 mg Clamoxyl i.v., 1,0 ml MCP s.c.
3. Status praesens:
28.06.99:Allgemeinzustand: sehr matt, apathisch
Ernährungszustand: schlecht
Temperatur: 38,4°C
Atmungsapparat: 52 Atemzüge/min, costoabdominaler Atemtyp. Die Nase ist trocken und der Nasenspiegel rissig. In der Lunge sind ver- stärkte Atemgeräusche hörbar.
Kreislaufapparat: Herzfrequenz 132 Schläge/min, die Herztöne sind gut hörbar, gleichmäßig, regelmäßig und abgesetzt.
Die Pulsfrequenz ist der des Herzens äquivalent.
Die KFZ liegt unter 2 sec, die Schleimhäute sind blaß rosa, feucht, glatt und glänzend.
Die Episkleralgefäße sind deutlich sichtbar und fein gezeichnet.
Verdauungsapparat: Das Abdomen ist weich. Der Darm ist abzugrenzen.
Haut und Haarkleid: Der Hauttugor ist herabgesetzt, eine aufgenommene Hautfalte verstreicht langsam (>2 sec). Die Haut ist schuppig.
Ultraschalluntersuchung:Nieren: Die Nieren sind glatt begrenzt. Mark und Rinde sind gut voneinander abgrenzbar
Blase:Die Blase ist kaum gefüllt, die Blasenwand ist dadurch etwas dicker.
Labor:Blutbild: Hb (g/dl): 9,28
Leukos (/µl): 15.600
Erys (Mill/µl):3,9
Hkt (Vol %): 27,2
Thrombos: 11.800
Blutchemie: Na (mval/l): 139
K (mval/l):3,3
Ca (mval/l): 2,3
P (mg/dl): 4,6
BZ (mg/dl): 108
Harnstoff (mg/dl): 321
Krea (mg/dl): 6,2
Chol (mg/dl): 234
GPT (U/l): 9
GLDH (U/l): 3,2
AP (U/l): 331
GOT: 21
Bili (mg/dl): 0,15
GE (g/dl): 5,9
Albumin (g/dl): 2,7
Harnstatus:Spez. Gewicht: 1014
pH: 6
Eiweiß: +
Zucker: ++
Blut: ++
Sediment: Erys: +
Bakterien: ++
Therapie: Sterofundin K (83 ml/h), 350 mg Clamoxyl i.v., 1 ml MCP s.c., 75 mg Tagamet i.v.
4. Verlauf:
29.06.99: Allgemeinbefinden: relativ munter
Temperatur: 38,3°C
Appetit: gut, kein Erbrechen mehr
Labor:Blutbild: Hb (g/dl): 10,6
Leukos (/µl): 7.830
Erys (Mill/µl):4,48
Hkt (Vol %): 30,1
Thrombos: 67.500
Blutchemie: Na (mval/l): 141
K (mval/l):3,4
Ca (mval/l): 2,9
P (mg/dl): 3,9
BZ (mg/dl): 113
Harnstoff (mg/dl): 209
Krea (mg/dl): 3,9
Chol (mg/dl): 279
GPT (U/l): 7
GLDH (U/l): 3,1
AP (U/l): 210
GOT: 17
Bili (mg/dl): 0,14
GE (g/dl): 6,7
Albumin (g/dl): 2,9
Leptospirose-Ak-Titer-Bestimmung:
L. canicola < 1:100
L. icterohämorrhagica 1:1600
L. grippotyphosa 1:800
L. saxköbing 1:200
L. bratislava 1:800
L. sejroe < 1:100
L. autumnalis 1:400
L. pomona < 1:100
Therapie: Sterofundin K (83 ml/h), 350 mg Clamoxyl i.v., 1 ml MCP s.c., 75 mg Tagamet i.v., Nierendiät
30.06.99: Temperatur: 38,9°C
Appetit: gut
Harnabsatz: viel
Labor:Blutchemie: Na (mval/l): 143
K (mval/l):3,3
Ca (mval/l): 2,8
P (mg/dl): 2,5
BZ (mg/dl): 123
Harnstoff (mg/dl): 73
Krea (mg/dl): 2,1
Therapie: Sterofundin K (83 ml/h), 350 mg Clamoxyl i.v., 1 ml MCP s.c., 75 mg Tagamet i.v., 1 Kapsel Rekawan, Nierendiät
01.07.99: Temperatur: 39,0°C
Appetit: gut
Labor: Blutchemie: Na (mval/l): 145
K (mval/l): 3,7
BZ (mg/dl): 133
Harnstoff (mg/dl): 34
Krea (mg/dl): 21,7
Therapie: Sterofundin K (60 ml/h), 350 mg Clamoxyl p.o., 1 Kapsel Reka- wan, Nierendiät
02.07.99: Allgemeinbefinden: sehr munter
Temperatur: 38,8°C
Appetit: gut
Therapie: Sterofundin K (50 ml/h), 350 mg Clamoxyl p.o., 1 Kapsel Reka- wan, Nierendiät gemischt mit normalem Futter (1:1)
03.07.99: Allgemeinbefinden: sehr munter
Temperatur: 38,7°C
Kotabsatz: viel, breiig-fest
Labor:Blutbild: Hb (g/dl): 10,5
Leukos (/µl): 7,9
Erys (Mill/µl):4,3
Hkt (Vol %): 30,8
Thrombos: 439.000
Blutchemie: Na (mval/l): 146
K (mval/l):4,6
BZ (mg/dl): 120
Harnstoff (mg/dl): 30
Krea (mg/dl): 1,25
GPT (U/l): 10
AP (U/l): 418
GE (g/dl): 6,3
Albumin (g/dl): 2,7
Therapie: Sterofundin K (40 ml/h), 350 mg Clamoxyl p.o., 1 Kapsel Reka- wan, Nierendiät gemischt mit normalem Futter (1:1)
04.07.99: Allgemeinbefinden: unverändert
Appetit: gut
Therapie: 400 ml Sterofundin K, 350 mg Clamoxyl p.o., 1 Kapsel Rekawan, Nierendiät gemischt mit normalem Futter (1:1)
05.07.99: Allgemeinbefinden: gut; kann nach Hause entlassen werden
Labor:Blutbild: Hb (g/dl): 9,47
Leukos (/µl): 11,2
Erys (Mill/µl):3,95
Hkt (Vol %): 26,4
Thrombos: 364.000
Blutchemie: Na (mval/l): 147
K (mval/l):4,6
BZ (mg/dl): 110
Harnstoff (mg/dl): 29
Krea (mg/dl): 1,06
Therapie: 350 mg Clamoxyl p.o., 1 Kapsel Rekawan, Nierendiät gemischt mit normalem Futter (1:1)
Zusammenfassung der klinischen Befunde:
Leukozytose, Hypochrome Anämie, Mikrozytose, Thrombozytopenie, Hypokaliämie, Hypercalciämie, hochgradige Azetonämie
Infektion mit Leptospiren
(Beim Hund werden Titer ab 1:400 als positiv hinsichtlich einer stattgehabten Infektion mit Leptospiren angesehen. Titer von 1:200 gelten als fraglich. Impftiter können beim Hund kurzfristig bis zu 1:400 ansteigen, wobei lediglich die Impfserovare (L.canicola und Licterohämorrhagiae) betroffen sein dürfen.)
5. Diagnose: Leptospirose
Die Leptospirose ist eine weltweit vorkommende Zoonose, die von Tieren (i.d.R. Ratten, seltener aber auch Hunde) auf den Menschen, nicht aber von Mensch zu Mensch übertragen wird. Sie äußert sich beim Hund in unterschiedlichen Verlaufsformen (subklinisch, abortiv, akut oder chronisch). Je nach Serovar kann eine unterschiedliche Symptomatik vorliegen. Die Symptome variieren nach Alter und Immunstatus des Hundes, Virulenz des Leptospiren-Serovars und nach Ausmaß der im Vordergrund stehenden Organschäden.
Prophylaktisch kann eine halbjährliche Schutzimpfung mit den Impfstämmen L. canicola und L. icterohämorrhagica durchgeführt werden.
6. Differentialdiagnosen:
1. Staupe
2. HCC
3. Fremdkörper
zu 1. + 2.: konnte durch Labordiagnose abgegrenzt werden
zu 3.: konnte durch Röntgenuntersuchung ausgeschlossen werden
7. Therapie:
Ziel: 1.Bekämpfung der Infektionserreger mittels eines Antibiotikums
2.Symptomatische Behandlung: Dehydratation, gastrointestinale Störungen, Nierenproblematik
1. Antibiose:
Amoxicillin (ClamoxylÒ): 5-10 mg/kg p.o.
Amoxicillin gehört zu den Aminopenicillinen, sogenannte Breitspektrumpenicilline. Es hat eine gute Wirkung gegen Spirochäten. Es ist besonders gut zur oralen Verabreichung geeignet, da gut und konstant bioverfügbar ist.
2. Symptomatische Maßnahmen:
Metoclopramid (MCP): 0,1-0,3 mg/kg KG 3mal tägl.
Metoclopramid ist ein zentral und peripher wirkendes Antiemetikum (Dopamin-D2-Antagonist). Es wird ebenfalls bei Erbrechen im Gefolge einer Parvovirose eingesetzt.
Sterofundin/Sterofundin K
Um den Flüssigkeitshaushalt wieder auszugleichen muß eine intensive Infusionsbehandlung durchgeführt werden. Sterofundin enthält Natrium-, Kalium- und Magnesiumchlorid, und Natriumlactat. Es handelt sich um eine isotone Lösung.
Sterofundin K dient speziell der Auffüllung des Kaliumhaushaltes.
Cimetidin (TagametÒ): 5 mg/kg KG i.v. 2 mal tägl.
Cimetidin ist ein Säuresekretionshemmer (Histamin H2-Rezeptor-Antagonist). Es bindet reversibel an den Rezeptor und hat sehr geringe Nebenwirkungen.
Kaliumchlorid (RekawanÒ): bis zu 75 mg/kg KG und Tag verteilt auf 3 Einzelgaben
Kaliumchlorid wird zur Bekämpfung einer Hypokaliämie angewendet.
Nierendiät
Eine Nierendiät ist eine Eiweiß-restriktive Diät. Dadurch soll vermieden werden, daß Eiweiß außer zur Deckung des Bedarfsdeckung auch noch zur Deckung des Energiebedarfs herangezogen wird und der Harnstoffanfall sich dadurch erhöht.
8. Prognose:
Die Prognose ist trotz der wesentlichen Verbesserung seit der Antibiotikatherapie immer noch vorsichtig zu stellen. Sie ist abhängig vom Behandlungsbeginn.
Am günstigsten ist sie für das Gastrointestinale Syndrom und hier im wesentlichen von einer zweckmäßig symptomatischen Therapie abhängig. Insbesondere entscheidend sind Rehydratation und Remineralisierung durch Infusion mit polyonischen, isotonen Elektrolytlösungen mit 5% Glukosezusatz.
Der Verlauf des Nephritisch-azotämischen Sydroms wird geprägt durch die Nierensymptome und meist auch durch die Urämie, die blutchemisch v.a. durch Harnstofferhöhung (Azotämie) gekennzeichnet ist.
Je nach Schwere der Organzerstörung ist die Prognose vorsichtig zu stellen. Mitunter erfolgt die Abheilung unter Hinterlassung eines dauernden morphologischen Nierenschadens.
9. Epikrise:
Am 27.06.99 wurde der Hund als Notfall in der Klinik vorgestellt. Der Allgemeinzustand war schlecht.
Der Haustierarzt diagnostizierte einen Fremdkörper im Abdomen was durch nochmalige Röntgenkontrolle nicht bestätigt werden konnte. Der Hund wurde antibiotisch und kreislaufstabilisierend behandelt. Nach zwei Tagen wurde durch den Laborbefund Leptospirose diagnostiziert. Aufgrund der darauf ausgerichteten Therapie erholte sich der Hund zusehens.
Dem Hund geht es heute gut und es bleibt abzuwarten, ob sich ein Nierenleiden einstellt.