Fortpflanzung-05 - Kuh: nicht trächtig

                                      Krankheitsbericht

 

 

1. Signalement

 

Bei dem vorgestellten Patienten handelt es sich um eine schwarzbunte, enthornte Kuh, die dem Zahnalter nach um die 5 Jahre alt ist (alle Schneidezähne sind gewechselt, Kunden an den Zangen sind sichtbar). Sie wiegt ca.550 kg.

 

Angeborene Abzeichen: mandarinengrosser Stirnfleck

                                        handtellergrosser Schulterfleck

                                        linkes Vorderbein halbweiss

                                        rechtes Vordebein ganz weiss, z.T. auch auf Triel

                                        linkes Hinterbein ganz weiss auch auf Knie

                                        rechtes Hinterbein ganz weiss

 

erworbene Kennzeichen: Ohrmarken x

                                                            x

 

2. Anamnese

 

Die Kuh wurde mehrmals künstlich besamt, zuletzt am 10.09.99. Eingeliefert wurde die Kuh zur Untersuchung auf Trächtigkeit und Eutergesundheit.

 

3. Allgemeiner Gesundheitszustand

 

Der Ernährungszustand der Kuh ist gut, der Pflegezustand aufgrund mangelnder Klauenpflege mässig.Das Haarkleid ist glänzend, dicht, geschlossen und nicht ausziehbar.

Das Verhalten der Kuh ist unauffällig, die Körperhaltung normal. Sie ist aufmerksam und zeigt reges Interesse an ihrer Umwelt.

Alle vier Gliedmassen werden gleichmässig belastet.

 

 

 

 

 

 

 

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Zum Zeitpunkt der Untersuchung besitzt sie einen Puls von 80 Schlägen pro Minute (am Herzen ermittelt) und eine Atemfrequenz von 52 Zügen pro Minute. Ihre Körperinnentemperatur beträgt 38,7 Grad Celsius. Die Konjunktiven und die Maulschleimhaut sind blassrosa, die kapilläre Füllungszeit liegt unter 3 sec.

Die Untersuchung der Lunge und der Vormägen ist ohne besonderen Befund (drei Pansenkontraktionen in zwei Minuten).

Die Kuh weist bei der Adspektion von caudal eine Vorwölbung zur rechten Seite auf.

Die Jugularvene ist anstaubar, das Blut im Abschnitt zwischen Staustelle und dem Herzen fliesst gut ab.

 

4. Spezielle Untersuchung

 

a) auf Trächtigkeit

 

-Adspektion:

Die Scham ist senkrecht gestellt, die Schamspalte ist geschlossen und ca. 12 cm lang. Die Oberfläche ist trocken und gefältet. Die Vulva ist stark gerötet, die Behaarung der ventralen Kommisur zeigt sich feucht mit Verklebungen.

Der Damm besitzt eine Länge von ca.10 cm.

 

-rektale Untersuchung:

Die Cervix stellt sich stark vergrössert (männerunterarmstark) mit einer derbelastischen Konsistenz dar. Die Gebärmutter ist umtastber (G2) und reicht über den Beckenboden hinaus. Die Hörner stellen sich symmetrisch dar (S), die Kontraktilität ist schwach (K1). Der Uterus ist frei beweglich, es ist ein wässriger Inhalt zu erfühlen. Der Eihautgriff fällt negativ aus. Das linke Ovar ist taubeneigross und weist eine kirschkerngrosse Erhabenheit von einer gummiartigen Konsistenz auf. Das rechte Ovar ist etwa walnussgross mit einer

kleineren fluktuierenden Erhabenheit.

 

-vaginale Untersuchung:

BeimEinführen des Spekulums zeigt sich der Hymenalring gut tonisiert. Die Cervix zeigt sich rosettenförmig, stark gerötet und geschlossen. Die Vaginal- und Vestibulumwand ist ebenso flächig gerötet. Am Boden der Vagina befindet sich ein kleiner See schleimigen Sekretes, das sich leicht getrübt mit hellen Stippchen darstellt.

 

-Ultraschall:

Im Ultraschallbild stellt sich der Inhalt der Uterushörner homogen dar, der rektale Befund der Ovarien bestätigt sich.

 

 

 

 

 

 

 

 

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b) auf Eutergesundheit

 

-Adspektion:

Die Grösse des Euters ist etwa handballgross, Sitz und Form entsprechen dem Schüsseleuter (kastig), wobei man aufgrund der Grösse eher von einem Wildeuter sprechen würde. Es zeigt eine Asymmetrie verursacht durch das deutlich kleinere Viertel links vorne.

Das Euter ist behaart und gescheckt, über alle Zitzen verteilt sind Warzen zu finden.

Die Zitzenkuppen reichen etwa eine Handbreit oberhalb des Sprunggelenks. Die Zitzen sind an der Basis 2cm dick mit einem Umfang von 6cm, die Form ist die erwünschte. Nur die Zitze am Viertel vorne links steht etwas nach vorn aussen ab.

 

-Palpation:

Die Oberflächentemperatur des Euters gleicht der des restlichen Körpers. Die Euterhaut ist abziehbar. Die einzelnen Drüsenkörper sind feinkörnig und weich. Der Übergang von der Zitzen- zur Drüsenzisterne lässt sich beim Rollgriff eben so fühlen, beim Rollen der Zitzenkuppe stellt sich der Strichkanal etwa reiskorngross dar. Die Melkbarkeit ist bei allen vier Vierteln gegeben, wobei sich das verkleinerte Viertel nur schwer melken lässt und auch nicht viel zu ermelken ist.

Die Euterlymphknoten stellen sich haselnuss- bzw. taschenuhrgross dar.

 

-Sekretuntersuchung:

Die quantitative Beurteilung sowie die mikrobiologische Untersuchung wurden nicht durchgeführt.

Qualitativ liessen sich sensorisch ein unauffälliger Geruch und ein unverändertes Aussehen des Sekretes feststellen, nur das Sekret aus dem verkleinerten Viertel wies eine honigartige Konsistenz und gelbe Stippchen auf.

Der California-Mastitis-Test konnte vorne links nicht durchgeführt werden aufgrund erschwerter Melkbarkeit.

Ergebnisse der anderen drei Viertel:

                        vorne rechts: nicht entfärbt, Schlierenbildung  (ca.500.000 Zellen pro ml)

                        hinten rechts: nicht entfärbt, schleimig  (ca.800.00-5Mio Zellen pro ml)

                        hinten links: nicht entfärbt, schleimig  (ca.800.00-5Mio Zellen pro ml)

 

 

5. Diagnose

 

Die vorgestellte Kuh ist nicht trächtig. Die Symmetrie der Uterushörner weist darauf hin, sowie die Grösse des Uterus, welche bei dem angegebenen letzten Besamungstermin ein Kleinsäckchenstadium aufweisen sollte. Das Allgemeinbefinden ist ungestört.

Vestibulum und Vulva zeigen einen Katarrh. Das schleimige Sekret deutet auf einen akuten

Krankheitsvorgang hin, Ursache könnte eine Irritation des Genitaltraktes sein.

 

 

 

 

 

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Der Befund am Uterus weist auf eine Hydrometra hin, die aus erworbenen Störungen entstanden ist (angeborene Ursachen wurden nicht festgestellt). Hier sind als Ursachen die glandulärzystische Degeneration des Endometriums oder Granulosazelltumoren, sowie Verwachsungen im Bereich von Cervix oder Scheide, die auf Verletzungen zurückzuführen sind, zu nennen. Der Ultraschallbefund an den Ovarien wies nicht auf eine Follikelthekazyste hin, die als Ursache für eine Hypersekretion des Endometriums in Frage käme.

Der Befund am Euter besteht in einer deutlichen Asymmetrie durch das atrophierte Viertel vorne links. Das gelbliche, von honigartiger Konsistenz beschaffene Sekret aus diesem Viertel deutet darauf hin, dass es trockengestellt ist. Das Eutersekret der anderen drei Viertel zeigt unterschiedlich erhöhte Zellzahlen und einer Verschiebung des pH Wertes in den alkalischen Bereich. Da keine klinisch erkennbaren Symptome am Eutergewebe vorhanden sind, handelt es sich hier um eine subklinische Mastitis. Da der Schalmtest nur zur Orientierung gilt, kann eine genauere Diagnose nur nach mikrobiologischer Untersuchung des Eutersekretes gestellt werden.

 

 

7. Differentialdiagnose

 

Der Inhalt im Uterus kann auch von einer Urometra stammen, oder von einer Pyometra, die sich im Ultraschall allerdings dichter darstellen würde. Ebenso besteht die Möglichkeit eines "Güllekatarrhs", der durch Fütterung überdüngter Futtermittel entsteht.

Differentialdiagnostisch zu der atrophierten Zitze wäre festzustellen, ob es sich als Ursache nicht um Stenosen handelt (Rollgriff und Palpation des Strichkanals waren jedoch unauffällig; eventuell endoskopische Untersuchung).

 

 

8. Prognose

 

Die Prognose ist, was das  Zwischenkalbeintervall und somit die Lebensmilchleistung betrifft, vorsichtig zu stellen, verschlechtert wird die Prognose noch durch das atrophierte Viertel und die subklinische Mastitis.

Von Bedeutung für die Prognose sind jetzt die wiederholte gynäkologische Untersuchung ob eine Follikelthekazyste tatsächlich ausgeschlossen werden kann und ob es sich um ein Corpus luteum pseudograviditatis handelt. Auch die Abklärung eines Granulosazelltumors als Ursache ist wichtig (Biopsie), sowie Abklärung der Keime als Verursacher der subklinischen Mastitis zusammen mit der Überprüfung der Melkhygiene und -technik.

 

 

9.Therapie

 

Die Therapie des Genitaltraktes ist nach erfolgter Zweituntersuchung einzuleiten, in der festzustellen ist ob ein selbstheilender Östrus eingetreten war. Ist die nicht der Fall, so lässt sich die Wirkung mit PGF2a und Analoga hervorrufen (der Uterus kontrahiert und entleert sich durch die geöffnete Cervix), was gegebenenfalls nach 10 Tagen wiederholt werden sollte.

 

 

 

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Das ungestörte Allgemeinbefinden macht eine systemische Antibiotikabehandlung nicht notwendig. Die lokale Antibiotikagabe (intrauterin per Katheter) sollte nur nach erfolgter Keimbestimmung (Cervixtupfer) durchgeführt werden. Ebenfalls möglich sind Spülungen mit desinfizierenden aber auch gleichzeitig reizenden Mitteln (Lugolsche Lösung, Lotagen), wobei Nutzen und Schaden diskutiert werden.

Die Behandlung des Euters ist nur nach Keimbestimmung mit einem wirksamen Antibiotikum durchzuführen (am günstigsten in der Trockenstehphase), zum Behandlungserfolg gehören auf jeden Fall eine gute Melkhygiene und-technik sowie eine hygienische Haltung (z.B. keine ausgebeulten Liegematten auf denen sich spontan abgegangenes Milchsekret sammeln kann und so Keime auf andere Kühe übertragen werden, die sich auf der selben Stelle niederlegen).

 

 

 

10. Prophylaxe

 

Vorbeugen eines Vitamin- und Spurenelementmangels wirkt sich positiv auf das Endometrium aus, ebenso ist ein K-Überschuss zu meiden. Allgemein gehören gute Haltung und Fütterung zu einer Genitalkatarrhprophylaxe. Besamung mit schweren Bullen ergeben schwere Auszüge, denen fast immer eine Infektion folgt. Unsaubere Besamungen und laienhafte Uterusspülungen können auch ein Grund sein.

Die Prophylaxe der Mastitis gehört zur Behandlung (s. oben).

 

 

11. Epikrisis

 

Die Kuh ist auch nach mehrmaliger Besamung nicht tragend geworden, ebenso ist die Milchleistung durch die atrophierte Zitze beeinträchtigt und die Milch durch die zu hohen Zellzahlen der anderen Viertel nicht ablieferbar. Unzureichend für eine diagnostikgesteuerte Therapie sind die anamnestischen Angaben über Besamungsindex des Bestands, Verlauf der letzten Geburt und des letzten Zyklus, Anzahl und Verlauf der vorrausgegangenen Laktationen, jetzige Milchleistung, Haltungsbedingúngen, Eutergesundheit des Bestandes.

Eine wiederholte Untersuchung der Situation auf den Eierstöcken und die Bestimmung der mastitisverursachenden Keime sind unverzichtbar.

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