Pferd-28 - post-anästhetische Myopathie

 x                                                                    09.05.2001

     11. Fachsemester                                            

                                                                                                         

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Krankheitsbericht

 

 

 

 

 

 

 

 

 


1. Anamnese

 

Das Pferd ”x” wurde am 17. und 18. April 2001 aufgrund einer „Dislocatio coli ad dextra“ in der „Klinik für Pferdekrankheiten, allgemeine Chirurgie und Radiologie“ x operiert. Nach der zweiten Operation konnte das Pferd nicht mehr aufstehen, die Muskulatur war bretthart.

 

 

 

2. Kennzeichnung des Tieres

 

Farbe:                    Fuchs

Rasse:                     Brandenburger Warmblut

Geschlecht:            Wallach

Zahnalter:              ca. 11 Jahre

Abzeichen:             unregelmäßige schmale Blesse

                               unregelmäßig halbhoch weißer Fuß hinten links

                               je ein handflächengroßes Abzeichen kaudal des Widerrists

 

 

 

3. Untersuchungsbefunde

 

 

 

3.1 Allgemeinbefunde

 

innere Körpertemperatur:     37,8°C

Pulsfrequenz:                         30 Schläge / min

Atemfrequenz:                                    10 Atemzüge / min

 

 

 

3.2 Status praesens

 

Verhalten: Das Tier ist ruhig, aber aufmerksam, es nimmt mit Interesse an seiner Umgebung teil.

 

Körperhaltung: „x“ belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig.

 

Appetit:Der Appetit ist als gut zu bezeichnen.

 

Kotabsatz: Kotabsatz konnte während der Untersuchung nicht beobachtet werden. In der Box wurde jedoch olivgrüner, geballter, aromatisch riechender Kot aufgefunden.

 

Harnabsatz:Harnabsatz konnte während der Untersuchung nicht beobachtet werden.

Schleimhäute: Die Lid-, Maul- und Nasenschleimhäute sind blaß, feucht, glatt, glänzend und frei von Auflagerungen. Die Umgebung der rechten Nüster ist mit einer trockenen, grünlichen Masse verklebt.

 

KFZ:Die kapilläre Füllungszeit beträgt 2 Sekunden.

 

Lymphknoten: Die Lnn. mandibulares sind ca. kirschgroß, gelappt, fest-elastisch und unter der Haut verschieblich. Andere Lymphknoten konnten nicht palpiert werden.

 

konstitutionelle Mängel: Der Ernährungszustand ist als mäßig zu bezeichnen, besonders Kruppe und Oberschenkel sind beidseitig sehr schwach bemuskelt.

 

Haut und Haarkleid: Das Haarkleid ist an einigen Stellen struppig, ansonsten aber dicht, glatt anliegend und glänzend.

 

 

 

3. 3. spezielle klinische Befunde

 

 

Haut und Haarkleid:

Das Haarkleid weist mehrere haarlose Bezirke auf:

-         2 x 2 cm im Bereich der linken und rechten Fossa jugularis

-         2 x 4 cm im 6. Interkostalraum auf Ellenbogenhöhe (links & rechts)

-         10 x 10 cm zwischen rechtem Rippenbogen und Hüfthöcker

-         40 x 60 cm vom Nabel bis in den Inguinalbereich ziehend

 

Die haarlose Stelle am Unterbauch ist mit einem Pflaster verdeckt. Am linken Hüfthöcker befindet sich außerdem eine ca. fünfmarkstückgroße Zusammenhangstrennung der Epidermis.

 

Die Unterhaut ist im ventralen Bereich von Thorax und Abdomen verdickt und von teigiger Konsistenz, durch Eindrücken der Haut entsteht eine Einsenkung, die erst nach einigen Minuten wieder verstreicht. Die Umgebung des Präputiums ist ebenfalls verdickt, auf eine Palpation wurde hier verzichtet.

 

 

Untersuchung des Bewegungsapparats:

Kruppe und Oberschenkel sind sehr schwach bemuskelt. Die Muskulatur ist in diesem Bereich weich-elastisch, die Oberflächentemperatur ist unauffällig. Das Tier belastet sowohl im Stand als auch bei Bewegung innerhalb der Box alle vier Gliedmaßen gleichmäßig.

 

 


Herz-Kreislaufsystem:

Die Schleimhäute der Konjunktiven sowie die Maulschleimhäute sind blaß. Die Nasenschleimhaut ist hellrosa. Die Herzfrequenz entspricht der Pulsfrequenz, die Herztöne sind deutlich hörbar, gleichmäßig und abgesetzt.

 

 

Blutuntersuchung:

Hämatokrit:                                                                 27  %

Hämoglobin:                                                               9,3 g/dl

Erythrozyten:                                                               5,4 x 1012/l

Leukozyten:                                                                5.600 /µl

eosinophile Granulozyten:                                              2 %

stabkernige neutrophile Granulozyten:                4 %

segmentkernige neutrophile Granulozyten:        72 %

Lymphozyten:                                                             22 %

Kreatinkinase:                                                             6.800 U/l

Aspartat-Aminotransferase:                                         1.628 U/l

Laktat-Dehydrogenase:                                                           2.745 U/l

Gesamteiweiß:                                                            4,0 g/dl

Albumin:                                                                                 1,8 %

 

 

 

4. Diagnose

 

a)      post-anästhetische Myopathie

b)      postoperative hypoplastische Anämie

c)      hydrämisches Ödem

 

 

 

5. Ätiologie

 

Eine post-anästhetische Myopathie tritt vor allem bei schweren Pferden nach langen Operationen in Allgemeinnarkose auf. Während der Operation werden besonders untenliegende, erschlaffte Muskelpartien durch das Eigengewicht des Pferdes einem erhöhten Druck ausgesetzt, so daß diese Muskeln ungenügend durchblutet werden. Infolge der lokalen Hypoxie kommt es zu einer verstärkten anaeroben Glykolyse in den Muskelzellen, wobei Laktat entsteht. Das anfallende Laktat kann aufgrund der Minderperfusion nicht in genügendem Maße abtransportiert werden, die daraus resultierende Laktatazidose führt zu einer akuten hyalinscholligen Degeneration und Nekrose der betroffenen Muskulatur und damit zur Freisetzung von Myoglobin und Muskelenzymen (Kreatinkinase, Aspartat-Aminotransferase, Laktat-Dehydrogenase). Die ebenfalls anfallenden Zellfragmente führen zu einer lokalen Infiltration mit Granulozyten und Makrophagen und damit zur Entzündung der betroffenen Muskulatur. Die Muskulatur ist hochgradig schmerzhaft und verhärtet. Symptomatisch ist außerdem eine Myoglobinurie festzustellen, wodurch sich der Harn dunkel verfärbt.

 

Als Ursache für die hier diagnostizierte Anämie, Hypoproteinämie und Hypalbuminämie kommt einerseits eine qualitative und quantitative Unterernährung in Frage, die eine verminderte Erythropoese und hepatische Proteinbiosynthese zur Folge hat. Weiterhin ist es möglich, daß eine intensive Infusionstherapie zu einer Hyperhydratation geführt hat.

 

Durch die Hypoproteinämie sinkt der intravasale kolloid-osmotische Druck, es kommt zur Transsudation von Flüssigkeit ins Gewebe und damit zu den bei „x“ erkennbaren Unterbrust-, Unterbauch- und Präputialödemen.

 

 

 

6. Differentialdiagnosen

 

ad a) post-anästhetische Myopathie

-         alimentär bedingte Myopathie (Vitamin E / Selenmangel)

-         toxisch bedingte Myopathie (Clostridieninfektionen)

-         belastungsbedingte Myopathie

 

ad b) postoperative hypoplastische Anämie

-         nephrogene Anämie

-         hämorrhagische Anämie

-         hämolytische Anämie

 

ad c) hydrämisches Ödem

-         traumatisch bedingtes Ödem

-         entzündliches Ödem

-         kardial bedingtes Stauungsödem

 

 

 

7. Therapie

 

Zur Behandlung der Myopathie werden Antioxidantien eingesetzt, die die Oxidation ungesättigter Fettsäuren und damit eine weitere Degeneration der Muskulatur verhindern. Dem Pferd werden 0,2 mg Selen + 5 mg Vitamin E pro kg Körpergewicht mit dem Futter verabreicht (z.B. Excellâ, Biodylâ). Diese Behandlung sollte nach zwei Wochen wiederholt werden (maximal viermal). Es ist darauf zu achten, daß die Dosierung von Selen nicht überschritten wird, da es ansonsten zu toxischen Reaktionen kommen kann.

 

Bei einem Gesamteiweiß von 4 g/dl ist eine Infusion von Plasma bzw. Plamaexpandern nicht notwendig. Die körpereigene Proteinbiosynthese kann durch proteinreiche Fütterung (z.B. Sojaschrot, junges Gras) angeregt werden. Dadurch ist ebenfalls eine gesteigerte Erythropoese zu erwarten.

 

 

 


8. Prognose

 

Das Differentialblutbild sowie die Befunde der klinischen Untersuchung des Bewegungsapparats weisen darauf hin, daß „x“ das akute Stadium der Myositis überwunden hat. Die Muskelenzymwerte sind allerdings aufgrund der massiven Muskelschädigung noch deutlich erhöht, so daß davon auszugehen ist, daß die Erhohlung der atrophierten Muskulatur noch einige Wochen beanspruchen wird. Eine angemessene Physiotherapie kann die Heilung dabei wesentlich unterstützen. Bei ausreichender Schonung und langsamer Wiederaufnahme des Trainings sowie bei Befolgung der oben genannten Therapievorschläge ist die Prognose durchaus für „x“ als günstig zu bezeichnen.

 

 

 

9. Epikrise

 

„x“ wurde vor drei Wochen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen aufgrund einer „Dislocatio coli ad dextra“ operiert. Nach der zweiten Operation konnte das Pferd nicht mehr aufstehen, die Muskulatur war hochgradig verhärtet. Zum Untersuchungszeitpunkt ist eine massive Atrophie der Kruppenmuskulatur festzustellen, die Werte der Muskelenzyme sind deutlich erhöht. Außerdem wurde eine Anämie und Hypoproteinämie diagnostiziert. Durch die Hypoproteinämie kam es zur Ausbildung von Ödemen an Unterbrust, Unterbauch und Präputium. Die Untersuchung des Verdauungstrakts lieferte keinerlei Hinweise auf bestehende Störungen der Magen-Darm-Tätigkeit. Das Allgemeinbefinden des Patienten ist insgesamt als stabil zu bezeichnen, so daß der Patient bedenkenlos aus der Klinik entlassen werden kann.

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