Krankheitsbericht
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1. Anamnese
Der Patient wurde wegen einer Schwellung im Maulbereich und einer Atemstörung
vorgestellt.
2. Signalement
Der Patient ist ein schwarzbuntes Kuhkalb, das nach dem Zahnalter ca. 6 Wochen alt ist
und ca. 50-55 kg wiegt. Die Ohrmarkennummer ist und die
Patientennummer ist. Das Kalb hat ein weißes Flotzmaul mit kleinen schwarzen
Punkten und eine durchgehende Blesse. Auf der rechten Seite ist vom Widerrist abwärts
ein weißer breiter Streifen. Es hat eine weiße Beckenbinde und einen schwarzen
Schwanzansatz. Die unteren Zweidrittel des Schwanzes sind weiß. Der Bauch und alle vier
Gliedmaßen sind ebenfalls weiß. Das Kalb ist enthornt.
3. Status praesens
Das Kalb wurde am 12.12.2000 in der Klinik für Klauentiere untersucht.
3.1. Allgemeine Untersuchung
Die Pulsfrequenz beträgt 60 Schläge pro Minute und die Atemfrequenz 132
Atemzüge pro Minute. Die innere Körpertemperatur ist 39,8° C.
Das Kalb liegt in Brust-Seitenlage und ist nur schwer aufzutreiben. Während es liegt
streckt es den Kopf vor und hustet ab und zu. Es nimmt an seiner Umgebung teil, ist dabei
aber sehr ruhig. Der Ernährungszustand ist schlecht und der Pflegezustand ist gut.
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3.2. Spezielle Untersuchung
3.2.1. Haut- und Haarkleid
Das Haarkleid ist geschlossen, glatt, glänzend und relativ lang ( Winterfell).
Die Haut ist weich elastisch und gut verschieblich. Eine aufgezogene Hautfalte
verstreicht sofort wieder.
Im Maulbereich hat das Kalb unter der Haut eine etwa walnussgroße, derbweiche,
nicht schmerzhafte Schwellung, die sich nur wenig verschieben lässt. Die Haut darüber
ist verschieblich und nicht vermehrt warm.Die Schwellung liegt auf der linken Seite auf
Höhe des Unterkiefers etwa 10 cm hinter der Maulspalte. Eine Verbindung zur
Maulhöhle ist nicht sichtbar.
3.2.2. Schleimhäute
Die sichtbaren Schleimhäute sind glatt, glänzend und blaß-rosarot.
3.2.3. Lymphapparat
Die Nll.manibulares, die Nll.retropharyngei mediales und die Nll.parotidei sind nicht
tastbar. Die Bug- und die Kniefaltenlymphknoten sind je etwa 2-3 cm lang, etwa
bleistiftstark, verschieblich, prall-elastisch und nicht schmerzhaft.
3.2.4. Zirkulationsapparat
Die Herzfrequenz beträgt 60 Schläge pro Minute. Die Herztöne sind kräftig,
regelmäßig, abgesetzt und es sind keine Nebengeräusche zu hören.
Die Pulsfrequenz an den Aa. maxillares beträgt 60 Schläge pro Minute. Der Puls ist
kräftig, regelmäßig und gleichmäßig bei einer mittleren Gefäßspannung. Die
Episkleralgefäße sind haarfeingezeichnet. Die kapilläre Füllungszeit liegt unter zwei
Sekunden. Die Vv.jugulares sind beide anstaubar und hinter dem Stau fließt das Blut an
beiden Venen ab.
3.2.5. Respirationstrakt
Das Flotzmaul ist feucht und glänzend. Bei der Perkussion der Nasennebenhöhlen ist
ein hohles Geräusch zu hören. Am Kehlkopf ist Husten auslösbar. Bei der Palpation der
Trachea wird ebenfalls Husten ausgelöst. Der Husten ist feucht.
An der Trachea ist auskultatorisch ein verstärktes laryngotracheales Geräusch zu hören.
Die Atemfrequenz beträgt 132 Atemzüge pro Minute, der Atmungstyp ist
abdominal und die Atmungsintensität ist verstärkt. Das Lungenfeld wird dorsal von der
Stammesmuskulatur begrenzt und verläuft im Bogen von der 11. Rippe über die Mitte
der 9. Rippe bis etwa zweifingerbreit über dem Ellbogengelenk. Cranial wird es von
der Schulter begrenzt. Im ganzen Lungenfeld ist der volle Lungenschall zu hören.
Bei der Perkussion des Lungenfeldes wird Husten ausgelöst. Bei der Auskultation sind
exspiratorisch und inspiratorisch auf beiden Seiten verstärkte tracheobrochale und
verstärkte bronchobronchuläre Atemgeräusche zu hören
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3.2.6. Digestionsapparat
Die Futteraufnahme von Milchaustauscher sowie Kraftfutter und Heu ist schlecht. Das
Kalb hat einen leichten Vorbiss und besitzt noch alle Milchzähne. Das Abdomen ist
symmetrisch und im ventralen Bereich etwas vorgewölbt. Die Bauchdecke ist entspannt
und eine Schichtung des Pansen ist nicht fühlbar. Bei der Auskultation ist ein Gluckern
zu hören. Der Analbereich und der Schwanz ist völlig kotverschmiert. Der Kot ist braun
und dünnflüssig.
3.2.7. Urogenitaltrakt und Euter
Das Kalb ist weiblich es sind alle vier Zitzen zu sehen. Währen der Untersuchung setzt
es einmal in physiologischer Haltung (aufgekrümmter Rücken, gespreizte Hinterbeine,
abgehaltener Schwanz) Harn ab, der klar, wässrig und gelb ist.
3.2.8. Bewegungsapparat
Das Kalb steht aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Der
Bewegungsablauf ist ungestört.
3.2.9. Nervensystem
Das Kalb ist ruhig, fast apathisch, zeigt aber Interesse an seinen Artgenossen. Der Lid-,
der Droh-, der Pupillar-, der Panniculus-, der Zwischenklauen-, der Ohr- und der
Gaumenreflex erfolgen prompt.
3.2.10. Sinnesorgane
Am rechten Auge ist zentral eine weiße, runde Trübung der Cornea zu sehen, die einen
Durchmesser von etwa 3- 4 mm hat.
3.2.11. Hilfsuntersuchungen: Blutuntersuchung am 7.12.2000 am 11.12.2000:
MCH 11,3 11,4
MCV 36 36
HCT 0,27 0,32
restliche Werte siehe beiliegende Kopie
4. Differentialdiagnose
Die Differentialdiagnosen zum Backenabszess sind Aktinomykose, Aktinobazillose,
Nekrobazillose, Tuberkulose, Leukose und andere Tumoren. Diese müssten durch ein
Bioptat vom Abszess abgegrenzt werden.
Den krankhaften Befunden des Respirationstraktes können verschiedene Krankheiten
zugrunde liegen. Durch weitere Untersuchungen müssten die enzootische
Bronchompneumonie, die mycoplasmenbedingte Pneumoenteritis der Kälber und
Jungrinder, Infektion mit Pasteurellen, mit Streptokokkus pneumoniae, BRSV-Infektion,
aerogene chronisch-eitrige Bronchopneumonie und hämatogene eitrig-abszedierende
Bronchopneumonie voneinander abgegrenzt werden.
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Der Durchfall kann fütterungsbedingt sein (verdorbene oder falsch zusammengesetzte
Tränke, zu kalte oder zu warme Tränke oder plötzlicher Futterwechsel), stressbedingt
(Transport, Stallwechsel) oder durch Infektionen mit Viren (Rotaviren, Coronaviren,
Adenoviren), Bakterien (E.coli, Klebsiellen, Salmonellen) oder Parasiten (Trichostrongy-
lidose, akute Fasciolose).
Die Hornhauttrübung kann ein Hornhautödem z.B. infolge einer vorderen Synechie sein
oder eine Narbe oder durch zelluläre Infiltration oder Einschlüsse von Lipiden oder
Calcium entstanden sein. Eine weitere Differentialdiagnose ist die Weidekeratitis, die
jedoch von Konjunktivitis begleitet wird.
5. Diagnose
Die Schwellung im Maulbereich ist ein Backenabszess. Außerdem hat das Kalb Fieber,
eine Bronchopneumonie, Diarrhoe und eine lokal begrenzte Hornhauttrübung im rechten
Auge, sowie eine mikrozytäre Anämie, da das mittlere Volumen der roten Blutkörperchen
(MCV) und der mittlere Hämoglobingehalt der roten Blutkörperchen (MCH) leicht
erniedrigt sind. Am 7.12.2000 ist der Hämatokrit leicht erniedrigt.
6. Prognose
Die Prognose für die Heilung des Abszesse ist gut, sowohl für das Leben als auch für die
Wirschaftlichkeit und die weitere Nutzung.
Die Prognose für die Wirschaftlichkeit und das Leben hinsichtlich der Lungenerkrankung
und der Diarrhoe ist als ungünstig einzustufen, da das Tier bereits stark abgemagert ist und
schlecht frisst.
7. Therapie
Der Abszess wird gespalten und ausgeräumt.
Die Bronchopneumonie wird mit Nicht-steroidalen-Antiphogistika, einem Antibiotikum
z.B. Ampicillin10 mg/kg oral oder parenteral 2x täglich (möglichst aber ein Antibiotikum
nach Antibiogramm), Sekretolytika z.B. Bromhexin 0,3 mg/kg oral und einem
bronchodilatatorischen Medikament behandelt.
Der Durchfall wird bei Anzeichen von Austrocknung mit Dauertropfinfusion behandelt.
Außerdem sollte die Milchaustauschertränke durch Tee mit ca 50g Traubenzucker/L oder
Diättränke ersetzt werden.
Für die weitere Therapie müssen erst mit Hilfe einer Kotuntersuchung die Ursachen
genauerabgeklärt werden.
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8. Epikrise
Backenabszesse sind oft Folge eines oberflächlichen oder tiefen eitrig-granulomatösen
Prozesses, der durch verschiedene Eitererreger ( z.B. Streptokokken, Staphylokokken,
Corynebacterium pyogenes) verursacht werden kann. Der Verlauf ist meist langsam,
subakut bis chronisch. Zu Beginn der Erkrankung fallen die Tiere durch vermehrtes
Speicheln, gestörte Kaubewegungen und je nach Lokalisation durch Schluckbeschwerden
auf. Darauf folgen dann die Backenabszesse. Prophylaktisch sollten Unsauberkeiten beim
Tränken vermieden werden und erkrankte und gesunde Tieren nicht aus den gleichen
Eimern getränkt werden. Als Komplikation kann durch Aspiration der Erreger eine eitrige
Lungenentzündung auftreten.
Wenn Erkrankungen des Atmungsapparates und des Verdauungstraktes wie in diesem Fall
zusammen auftreten und vielleicht sogar gehäuft im Bestand auftreten, sind häufig
Faktorenkrankheiten die Ursache. Die beteiligten Erreger sind meist nur fakultativ
pathogen und benötigen wegbereitende Faktoren oder Keime um krank zu machen.
Faktoren sind zum Beispiel zu wenig, zu spät verabreichtes oder qualitativ schlechtes oder
ungeeignetes Kollostrum. Schlechtes oder ungeeignetes Kollostrum enthält zu wenig oder
nicht stallspezifische Antikörper (z.B. bei erst kürzlich zugekauftem Muttertier). Aber
auch die Haltungsbedingungen wie z.B. zu kalte oder zu feuchte Luft, sowie Zugluft und
mangelhafte Stallhygiene begünstigen die Faktorenkrankheiten. Außerdem treten diese
Krankheitskomplexe auch beim Zusammentreffen von vielen Tieren auf und werden dann
als „crowding disease“ bezeichnet. Die Symptome sind wie schon genannt gehäuft
auftretende Erkrankungen von Respirations- und Verdauungsapparat und Kümmern bei
Jungtieren. Verbesserung der Haltungsbedingungen, der Stallhygiene sowie rechtzeitige
und ausreichende Verabreichung von Kollostrum sind daher Vorraussetzung für eine
Verminderung der Krankheitsfälle. Durch Impfung der tragenden Kühe kurz vor der
Geburt mit dem Problemkeim kann eine Anreicherung der Kollostralmilch mit spezifischen
Antikörpern erreicht werden. Bei Durchfällen sollte es außerdem vermieden werden zu
kalte, zu warme, verdorbene oder zu viel Tränke auf einmal zu verabreichen. Auch auf die
richtige Zusammensetzung des Milchaustauschers ist zu achten.
Für die weitere Diagnostik und Therapie müssten Kotproben und Nasentupfer entnommen
und untersucht werden, um abzuklären welche Erreger die genaue Krankheitsursache sind
und gegen welche Antibiotika sie sensibel sind. Dann ließe sich auch sagen ob die
genanntenKrankheitsbilder im Zusammenhang miteinander stehen.
Da am rechten Auge keine Gefäßeinsprossung in der Cornea sichtbar ist und die
Konjunktivalschleimhaut unauffällig ist, ist die Trübung vermutlich ein bereits abge-
schlossener Prozess, der verschieden Ursachen gehabt haben kann, z. B. eine Keratitis, eine
Hornhautverletzung oder eine vordere Synechie. Eine Therapie ist nicht notwendig, da das
Tier wahrscheinlich nicht stark im Sehen beeinträchtigt ist.
Die leicht erniedrigten Werte des MCV und des MCH erklären die etwas zu blassen
Schleimhäute des Kalbes.