Pferd-14 - Abszeß mit Fistelbildung am Sprundgelenk + Arthritiden incl. Osteomyelitiden

 

 

K R A N K H E I T S B E R I C H T

 

 

1.  Anamnese:

 

Das Fohlen wurde wegen Sprunggelenksverletzungen  von Seiten der Mutter seit 3 bis 4 Wochen von mehreren Tierärzten behandelt. Dies beinhaltete auch eine Röntgenuntersuchung in Hoppegarten. Auf Wunsch des Besitzers wurde das Fohlen wieder mit nach Hause genommen.

Als letzte Behandlung wurde vor 3 Tagen ein Abszeß gespalten, aus dem 300-400 ml Eiter abflossen. Der behandelnde Tierarzt verabreichte Netoprin, Apirel, Finadyne und Vermazin.

 

Am 13.06.96 wurde das Fohlen mit folgendem Befund in der Pferdeklinik x eingestellt:

 

Fohlen sehr mager, belastet hinten links nicht, hochgradige Umfangsverrmehrung am Sprunggelenk, 2 eiterbedeckte Öffnungen, aus denen Eiter ausmassierbar ist. Am rechten Sprunggelenk hochgradige Umfangsvermehrung und Schürfwunde, rechtes Ellenbogengelenk doppelt faustgroße, fluktuierende Umfangsvermehrung. Daraufhin wurden mehrere Röntgenaufnahmen der Gelenke angefertigt.

Das Fohlen kann fast nicht laufen und hat erhöhte Temperatur von 39,5 Grad Celsius.

 

 

13.06. Abszeß Ellenbogen rechts gespalten, dunkler Eiter, 60-90 ml; Wundtoilette, 3 hohe
           Verbände  vr, hl, hr ; Wundspülung mit Braunol. Gabe von 4,0 ml Penicillin/Strepto-
           mycin i.m. und 1,0 ml Finadyne i.m.

 

14.06. Gaben von 4 ml Penicillin/Streptomycin und 0,5 ml Finadyne

           Temperatur von 39,0 Grad Celsius

           gegen  12.00 Uhr erfolgte die Euthanasie mit 1 ml Combelen i.v. und 30 ml Eutha 77

 

Der Fall wurde uns am 14.06.96 von x  zugewiesen.

 

 

2. Status praesens:

 

a) Signalement:

 

Bei dem zu untersuchenden Patienten handelt es sich um ein Fuchs-Warmblut-Stutfohlen. Mit Hilfe der Zahnbestimmung läßt sich das Alter auf 6-8 Wochen festsetzen. Als Abzeichen trägt es auf der Stirn einen reinweißen Stern. Die Gliedmaßen sind ohne Abzeichen. Die Wider-

 

 

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risthöhe beläuft sich auf 110 cm. Der Ernährungszustand ist mäßig. Das Fohlen zeigt ein ruhiges, aber interessiertes Verhalten.

 

b) Allgemeinzustand:

 

Die Herzfrequenz beträgt 104 Schläge / min. Die Herztöne sind deutlich hörbar, regelmäßig und abgesetzt. Das Fohlen zeigt eine Atemfrequenz von 16 Zügen / min. Die Atmung ist costoabdominal, tief und regelmäßig. Die Konjunktival-, Nüstern- und Maulschleimhäute sind blaß-rosarot, feucht, glatt, glänzend und die Kapillaren sind injiziert. Die kapilläre Füllungszeit liegt unter 2 sec. Die Mandibularlymphknoten sind kirschkerngroß.

Aufgrund des entwicklungsbedingten Haarwechsels kommt um die Augen und Nüstern handflächengroße, haarlose, dunkelpigmentierte Haut zum Vorschein. Ansonsten war das Haarkleid dicht geschlossen und anliegend, bis auf folgende Bereiche:

- prästernal und im unteren Drittel der Drosselrinne jeweils 10-DM-Stück groß

- an den beiden Sprunggelenken großflächig.

 

c) Lokalbefund:

 

Im Vergleich der beiden Vordergliedmaßen zeigt sich die rechte im Bereich des Unterarmes deutlich umfangsvermehrt. Medial unter dem Ellenbogengelenk befindet sich eine 3 mal 8 cm große Hautläsion mit einer Öffnung, aus der sich rötlich-braunes Sekret entleert. Sekretspuren sind bis zum Huf  vorhanden. Bei der Palpation zeigt sich die Umgebung des Ellenbogengelenks schmerzhaft und vermehrt warm.

Am Sprunggelenk der rechten Hintergliedmaße ist eine apfelsinengroße Umfangsvermehrung sichtbar. Lateral befinden sich zwei Hautläsionen der Größe 3 mal 1 cm. Die Schwellung ist vermehrt warm, hart und nicht besonders schmerzhaft.

An der linken Hintergliedmaße befindet sich, eine Handbreit unter der Patella, eine ca. 30 cm lange und fast um das ganze Bein herumreichende, haarlose Stelle. Am Sprungelenk ist eine kleinkindskopfgroße Umfangsvermehrung sichtbar. Lateral liegen 2 Öffnungen, aus denen sich gelblich-rotbraunes Sekret ergießt. Diffus verteilt treten mehrere Hautläsionen auf. Ein Verband reicht bis unter das Sprunggelenk.

 

 

3. Weiterführende Untersuchungen:

 

a) Röntgen:

 

Hinten rechts:

Osteomyelitische Prozesse im Bereich der Epiphysenfuge der Tibia; periostale Reaktionen sichtbar.

Hinten links:

Deutliche Weichteilschwellung erkennbar; Knochen stellen sich als verwaschene Strukturen dar. Bei einer zusätzlich durchgeführten Aufnahme mit Raster sind osteomyelitische Prozesse im Bereich der Tibia und der Rollkämme zu finden. Außerdem stellen sich auch hier periostale Reaktionen dar.

Vorne rechts:

Auf der Röntgenaufnahme zeigen sich keine Knochenveränderungen.

 

 

 

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b) Blutuntersuchung:

 

Die Leukozyten weichen von dem Normalwert von 6.000 - 9.000 / µl um ein Vielfaches ab (28.600/µl). Der Hämatokrit liegt mit 28% unter der Norm (35-45%). Die neutrophilen Segmentkernigen sind mit 83% erhöht (55-75%).  Die restlichen Blutwerte halten sich im physiologischen Bereich.

 

c) Mikrobiologische Untersuchungen:

 

Zur mikrobiologischen Untersuchung wurde der Eiter aus dem Sprunggelenk entnommen und auf Keimbesatz und Resistenz untersucht. Es wurden Streptococcus equi subspezies zooepidemicus, Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa als typische Eitererreger gefunden.

 

d) Pathologie:

 

Der pathologische Befund bestätigte den Verdacht einer chonisch-fibrinösen und eitrig-nekrotisierenden Arthritis und Periarthritis des linken Sprunggelenkes. Außerderm war eine Osteochondrosis necroticans mit einer Spontanfraktur nachgewiesen worden. Am rechten Olecranon befand sich eine chronische Bursitis subcutanea mit Granulationsgewebe. Die übrigen Gelenke waren ohne pathologischen Befund.

Zusätzlich wurden eine Granulocytose, eine herdförmig eitrige Hepatitis, eine diffuse interstitielle Pneumonie und Peribronchitis, ein diffuses Lungenödem sowie ein Cor pulmonale myodegeneratio cordis acuta diagnostiziert.

 

 

4. Diagnose:

 

Am Ellenbogengelenk der rechten Vordergliedmaße ist ein Abszeß mit Fistelbildung diagnostizierbar.

An beiden Sprunggelenken liegen hochgradige Arthritiden incl. Osteomyelitiden vor. Am Periost sind die entzündlichen Reaktion bereits in Abheilung.

 

Die pathologischen Veränderungen der inneren Organe wurden durch die Erregerzirkulation im gesamten Organismus hervorgerufen.

 

 

5. Differentialdiagnose:

 

Differentialdiagnostisch muß die Fohlenlähme abgegrenzt werden, wobei diese jedoch nur bei Fohlen in den ersten Lebensstunden bis -tagen auftritt. Die Infektion erfolgt intrauterin oder während der Geburt durch Eindringen der Erreger (Actinobacillus equuli) in die Nabelgefäße. Es kommt zu einer raschen Septikämie  mit schnell eintretendem Tod. Überstehen die Fohlen die ersten Tage, kommt es zu Anschwellungen der Gelenke  mit “lähmeartigen” Erscheinungen. Klarheit verschafft die bakteriologische Untersuchung.

 

 

 

 

 

 

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6. Ätiologie:

 

- Als Ursache für diese Erkrankungen kommen Verletzungen durch das Muttertier in Frage.
  Es kommt zu einer bakterielle Infektion der Wunden, die zur Septikämie führen kann. Über
  den Blutweg erreichen die Keime die Gelenke, siedeln sich dort an und führen letztenendes
  zu Arthritiden.

- Als weitere Möglichkeit käme als Primärerkrankung eine Bronchopneumonie in Frage, die
  ebenfalls zur Streuung der Erreger über das Blut führen kann.

 

 

7. Prognose:

 

Aufgrund des langen Krankheitsgeschehen und der infausten Prognose wurde das Fohlen nach Absprache mit dem Besitzer am x.06.96 euthanasiert.

 

 

8. Therapie:

 

Schon bei den ersten Anzeichen einer Gelenksschwellung hätten Gelenksspülungen und antibakterielle Behandlung mit Gentamycin gute Aussichten auf Erfolg gehabt.

 

 

9. Epikrisis:

 

Das am 14.06.96 untersuchte Fohlen zeigte an den Sprunggelenken Arthritiden sowie einen Abszeß mit Fistelöffnung am rechten Ellenbogengelenk. Es wurden mikrobiologische, hämatologische sowie nach der Euthanasierung pathologische Untersuchungen zur eindeutigen Abgrenzung des Krankheitsgeschehens durchgeführt.

Aufgrund des zu langen Zögerns des Besitzers, das Tier in eine Klinik einzuweisen, waren keine Heilungschancen mehr gegeben. Im Sinne tierschutzrechtlicher Maßnahmen wurde die Euthanasie angeraten, mit der sich der Besitzer einverstanden erklärte.

Zum Versiegen der Milchproduktion bei der Stute wurde dem Besitzer empfohlen, nur Heu und Wasser in den folgenden Tagen bereitzustellen.

 

 

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