Krankenbericht
1. Anamnese: Der Patient wurde zur Kastration eingewiesen.
2. Signalement: Das Pferd ist ein brauner Traberhengst ohne Abzeichen. Er ist ca. 4 ½ Jahre
alt und heißt „x“.
Die Besitzer sind x
3. Untersuchungsbefunde
3.1. Allgemeinbefunde: Die innere Körpertemperatur beträgt 37,7°C, die Pulsfrequenz ist 32
und die Atemfrequenz 20 Atemzüge pro Minute.
3.2. Status praesens: Das Pferd belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig und nimmt
aufmerksam an seiner Umgebung teil. Der Pflege- und
Ernährungszustand ist gut. Die sichtbaren Schleimhäute sind glatt,
rosarot und glänzend. Die kapilläre Füllungszeit ist eine Sekunde. Die
Lnn. mandibulares sind haselnussgroß, verschieblich, derb-elastisch und
nicht schmerzhaft. Das Haarkleid ist geschlossen, glatt, glänzend und
anliegend. Eine aufgezogene Hautfalte verstreicht sofort wieder.
Der Kot ist geballt, das Pferd setzt während der Untersuchung keinen
Harn ab. Der Appetit ist gut.
3.3. Spezielle Untersuchung
a) Zirkulationsapparat: Der Herzspitzenstoß ist fühlbar, die Herzfrequenz beträgt 32 Schläge
pro Minute. Die Herztöne sind kräftig, regelmäßig, klar abgesetzt
und Nebengeräusche sind nicht hörbar. Die Pulsfrequenz der
A. facialis beträgt 32 Schläge pro Minute. Der Puls ist regelmäßig,
mittelkräftig und gleichmäßig bei einer mittleren Gefäßspannung.
Die Episkleralgefäße sind haarfein gezeichnet und klar abgegrenzt.
Die kapilläre Füllungszeit beträgt eine Sekunde. Die Vv. jugulares
sind beide anstaubar.
b) Atmungsorgane: Das Pferd hat keinen Nasenausfluss und die Luft strömt gleichmäßig aus
beiden Nüstern. Bei der Perkussion der Nasennebenhöhlen ist ein hohler
Schall zu hören. Am Kehlkopf ist Husten nicht auslösbar. Der
Atmungstyp ist costoabdominal. Das Lungenfeld ist dorsal begrenzt von
der Stammesmuskulatur und verläuft caudal im Bogen auf Höhe des
Hüfthöckers im 17. Intercostalraum (ICR), auf Höhe des Sitzbeinhöckers
im 14. ICR und auf Höhe des Buggelenks im 10. ICR auf das
Ellbogengelenk zu. Cranial ist es von der Schultermuskulatur begrenzt.
Atemgeräusche sind beidseits nicht hörbar.
c) Verdauungsapparat: Der Appetit ist gut, die Futter- und Wasseraufnahme ist ungestört.
Das Abdomen ist symmetrisch und die Bauchdecke ist entspannt.
In der linken Hungergrube sind Jejunumgeräusche gut hörbar, in der
rechten Caecumgeräusche ebenfalls. Ventral sind rechts und links
Colongeräusche gut zu hören.
d) Harn- und Geschlechtsapparat: Das Pferd setzte während der Untersuchung keinen Harn
ab. Die Hoden sind beide abgestiegen.
e) Bewegungsapparat: Das Pferd belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig, der
Bewegungsablauf ist ungestört.
f) Hilfsuntersuchungen:
Blutuntersuchung: Hämoglobin Erythrozyten Leukozyten Hämatokrit
(mmol/L) (1012/L) (109/L) (%)
24.10.00 17,7 10,0 8,3 50
25.10.00 18,2 10,2 8,8 51
26.10.00 15,0 8,57 7,2 42
g) Operationsbericht: Die Operation wurde am 26.10.00 durchgeführt.
Der Patient bekommt eine Tetanus Impfung und wird mit 4 ml Sedivet,
10 ml Polamivet und 250 ml Guaifenesin 15%ig prämediziert.Zur
Aufrechterhaltung wird eine Inhalationsnarkose mit Halothan
verwendet. Außerdem bekommt das Pferd eine Natriumchlorid-
Dauertropfinfusion.Das Operationsfeld wird geschoren, gewaschen,
desinfiziert und mit sterilen Tüchern abgedeckt.
Einer der beiden Hoden wird palpiert und im Hodensack fixiert.
Mit dem Skalpell werden Haut und Processus vaginalis
eingeschnitten. Nach Eröffnen des Proc. vaginalis tritt gelbe
Bauchhöhlenflüssigkeit aus. Der Schnitt wird mit der Schere erweitert.
Der Proc. vaginalis wird an zwei Stellen mit Klemmen fixiert. Dann
werden Hoden und Nebenhoden vorgelagert, wobei auffällt, das sie
„falsch herum“ im Proc. vaginalis liegen. Der Hoden wird mit einer
Zange fixiert und so gedreht, das der Nebenhodenschwanz nach caudal
zeigt. Als nächstes wird das Lig. caudae epididymidae durchtrennt und
stumpf eine Loch ins Mesorchium präpariert. Dann wird der
Samenstrang mit einer Kastrierzange abgeklemmt. Der Samenleiter
wird mit einer dreifachen Ligatur abgebunden, die am Anfang
festgenäht wird, um ein Abrutschen zu verhindern. Nach Entfernen der
Kastrierzange wird der Samenstrang ebenfalls mit einer dreifachen
Ligatur abgebunden, die auch festgenäht wird. Die beiden Ligaturen
werden mit Klemmen fixiert, um ein Zurückrutschen in die
Bauchhöhle zu verhindern. Dann wird der Samenstrang und der
Samenleiter durchtrennt und die beiden Stümpfe werden solange
abgetupft, bis sicher ist, das sie nicht mehr bluten.
Dann werden die Klemmen entfernt und die Stümpfe rutschen in die
Bauchhöhle. Nun wird der Proc. vaginalis zugenäht. Man beginnt mit
einer Knopfnaht und setzt dann mit
einer Cushingnaht fort. Die Haut wird mit U-Heften verschlossen.
Beim zweiten Hoden wird auf die gleiche Art verfahren.
Zum Schluss werden die beiden Wundnähte mit Desinfektionsspray
eingesprüht.
Aufwachphase: Die Spontanatmung setzt verspätet ein. In der Aufwachbox kommt es dann
zu einem Atemstillstand. Nach Applikation von 4 ml Doxapram setzt die
Atmung wieder ein. In den nächsten 45 Minuten kommt es wiederholt zu
Atemstillständen, der Patient fängt jedoch jedesmal wieder von selbst an
zu atmen. 50 Minuten nach Ende der OP liegt das Pferd in
Brust-Seitenlage. 5 Minuten danach steht es auf.
4. Diagnose: Die Diagnose ist eine unbedeckte Kastration.
Die Hämoglobinwerte, der Erythrozytengehalt und der Hämatokrit sind erhöht.
5. Ätiologie: Eine Kastration kann verschiedene Indikationen haben. Zum einen wird das
kastrierte Tier ruhiger im Umgang, besonders wenn andere Pferde in der Nähe
sind, zum Beispiel auf dem Reitplatz, beim Tunier oder wie bei diesem Pferd
bei Rennen. Außerdem kann es dann mit anderen Pferden zusammen auf die
Weide gelassen werden, was auch im Hinblick auf eine artgerechte Haltung
bedeutungsvoll ist.
Andere in diesem Fall nicht zutreffende Indikationen wären Entzündungen,
tumoröse Entartungen oder größere Verletzungen eines oder beider Hoden.
6. Differentialdiagnose: Hierzu gehören der ein- oder auch beidseitiger Kryptorchismus, der
abdominal vollständig oder unvollständig oder inguinal auftreten
kann. Hiervon ist wiederum die seltene Monorchidie abzugrenzen.
Beim Kryptorchismus ist der Descensus testis nicht oder
unvollständig erfolgt.
7. Therapie: Da die Operationswunde trocken ist und keine Wundheilungsstörungen zeigt, ist
eine Behandlung nicht notwendig.
8. Prognose: Die Prognose für das Leben und die weiter Nutzung ist günstig.
9. Epikrise: Abschließend kann gesagt werden, daß eine Kastration mit vielen Vorteilen
verbunden ist, daher wird sie meist schon beim Jungtier durchgeführt und nicht
erst so spät wie bei diesem Pferd. Dabei ist natürlich das Risiko, das jede
Vollnarkose mit sich bringt zu beachten. Bei der unbedeckten Kastration wird
eine Verbindung zwischen Bauchhöhle und Operationswunde geschaffen. Dies
bringt die Gefahr eines Netz- oder Darmvorfalls mit sich, besonders bei älteren
Hengsten, deren innerer Leistenring dann relativ groß ist. Das kann jedoch, wie in
diesem Fall durch das Zunähen des Proc. vaginalis verhindert werden. Weiterhin
sollte beachtet werden, das bei Pferden, die früh kastriert werden ein verlängertes
Größenwachstum stattfindet und die Ausbildung eines „Hengsthalses“, der zum
Teil gewünscht wird, unterbleibt. Ansonsten birgt eine Kastration wenig Risiken
und ist bei männlichen Tieren, die nicht zur Zucht verwendet werden, zu
empfehlen.
Die erhöhten Hämoglobin, Erythrozyten und Hämatokritwerte sind vermutlich
auf den hohen Trainingszustand des Pferdes zurückzuführen. Das würde auch den
Abfall nach einigen Tagen in der Box erklären.