Schwein-21 - Enzootische Pneumonie (EP)

1.) Untersuchungsauftrag:

 

In einem Schweinezucht- und Mastbetrieb wurde bei mehreren Tieren Kümmern und Husten festgestellt. Ein betroffenes Schwein wurde in die Klinik eingeliefert. Es soll nun stellvertretend für den gesamten Bestand untersucht werden und Vorschläge für die Sanierung des Bestands gemacht werden.

 

 

2.) Anamnese:

 

1.) Management:

-         Art des Herkunftsbetriebes: Zucht- und Mastbetrieb

-         Betriebsgröße: ca. 100 Zuchtsauen und angeschlossener Mastbetrieb

-         Betriebsmanagement: kontinuierlicher Zukauf

 

2. Bisheriger Krankheitsverlauf

-         mehrere Tiere im Mastbetrieb erkrankt, erste Krankheitserscheinungen wenige Wochen nach dem Absetzten: Husten, reduzierte Futteraufnahme, Kümmern; bisher keine Todesfälle.

 

3. Epidemiologie: Möglichkeit der Einschleppung infektiöser Krankheiten

-         Kein „Rein-Raus-Verfahren“. Kontinuierlicher Zukauf bzw. Zulauf aus der eigenen Zucht ermöglicht Einschleppung; betriebsfremde Personen haben keinen Zugang zum Stall.

 

4. Bisherige Untersuchungen

-         keine

 

5. Bisherige Behandlungen

-         keine

 

6. Auswahl des eingestellten Tieres

-         Alle Tiere sind gleichartig erkrankt; das vorgestellte Tier wurde darunter ausgewählt und in die Klinik gebracht.

 

 

3.) Nationale:

 

Klinik-Nummer: X

Tierart: Schwein

Rasse: Masthybrid

Besitzer: N. N.

Geschlecht: Sau

Nutzung: Mast

Alter: ca. 3 ½ - 4 Monate

(schwer schätzbar aufgrund des schlechten Ernährungszustandes)

Gewicht: ca. 65 kg

Angeborene Kennzeichen: keine

Erworbene Kennzeichen:

-         Ohrmarke links X

-         Schwanz kupiert

4.) Allgemeine Untersuchung:

 

Adspektion:

 

-         Ernährungszustand: schlecht

-         Verhalten: aufmerksam und interessiert

-         Haltung: belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig

-         Augen: feucht, glänzend, kein Ausfluß, gut geöffnet

-         Nase: feucht, keine Auflagerungen, kein Ausfluß

-         Hautfarbe: rosa und unpigmentiert

-         Haut: glatt anliegend; an Nasenrücken, Ohren, und vom Nacken über den Rücken bis zum Schwanzansatz dunkelgraue schuppige Auflagerungen

-         Haarkleid: dicht anliegend, glatt und glänzend

-         Maulbereich: kein Ausfluß oder andere Veränderungen

-         Ohren: schuppige Auflagerungen (s. Haut)

-         Ohrvenen: mäßig gefüllt

-         Vulva: trocken, kein Ausfluß

-         Anus: trocken, keine Kotreste

-         Gliedmaßen: unauffällig

-         Aufstehversuch: unauffällig

-         Bewegung: physiologisch

-         Futteraufnahme: gut

-         Wasseraufnahme: ungestört

-         Kot- und Harnabsatz: ungestört

-         Allgemeinbefinden: ungestört

 

 

Auskultation:

 

a.) Lunge:

-         Frequenz: 33/min  

-         Tiefe: hochgradig verschärftes, stoßweises, angestrengtes Ausatemgeräusch

-         Rhythmus: gleichmäßig

-         Abgesetztheit: gut abgesetzt

-         Atmungstyp: costal

 

b.) Herz:

-         Frequenz: 65/min

-         Intensität: kräftig

-         Rhythmus: regelmäßig

-         Abgesetztheit: gut abgesetzt

-         Nebengeräusche: nicht feststellbar

 

 

Temperatur:

 

-         Körperinnentemperatur: 39,0°C

 

 

 

 

Palpation:

 

-         Skleren:weiß, Skleralgefäße haarfein

-         Konjunktiven: hellrot mit klarer Kontur

-         Nasenrücken und Lider: unauffällig

-         Puls: 64/min

-         Herzspitzenstoß: undeutlich spürbar

-         Bauchdeckenspannung: weich

-         Juckreiz: nicht auslösbar

-         Lymphknoten:

-         Lnn. inguinales:  haselnussgroß, blumenkohlartig zerklüftet, derb

-         Lnn. cervicalis superficiales:  nicht palpierbar

-         Lnn. subiliaci: nicht palpierbar

-         Gelenke: keine vermehrte Füllung, schmerzfrei palpierbar

-         Klauen: unauffällig

-         ZNS: Hautsensibilität am ganzen Körper vorhanden

-         Kapillarfüllungszeit: prompt

-         Temperatur Körperoberfläche: körperwarm

 

 

5.) Labor-Untersuchung:

 

Mikrobiologisch konnten Mycoplasma hyopneumoniae, Pasteurella multocida sowie Bordetella bronchiseptica nach Entnahme von Tupferproben nachgewiesen werden.

 

 

6.) Befunde:

 

1.)    Costale Atmung

2.)    Verschärftes Ausatmen

3.)    Laut Vorbericht: Husten

4.)    Mycoplasma hyopneumoniae, Pasteurella multocida, Bordetella bronchiseptica

5.)    Hautveränderungen an Ohren und Rücken

 

 

7.) Diagnose:

 

Enzootische Pneumonie (EP)

Räude (Sarcoptes scabiei suis)

 

 

8.) Differentialdiagnosen (zu EP)

 

a.) Actinobacillus Pleuropneumonie (APP)

Die chronische Form der APP ähnelt der EP. Bei der Auskultation hört man ein typisches Reiben der Pleura. Der Ausschluß erfolgt über den Erregernachweis bzw. den pathologisch-anatomischen Befund.

 

b.) Influenza A

Das klinische Bild der Influenza ähnelt der EP sehr. In der Regel ist jedoch ein Großteil der Tiere betroffen und es tritt höheres Fieber auf. Der Virusnachweis aus Nasentupferproben erbringt die Diagnose.

c.) Morbus Aujeszky (AK)

Mastschweine zeigen bei Infektion mit Herpesvirus suis 1 oft vorherrschend Symptome einer Erkrankung des Respirationstraktes. Gleichzeitig treten jedoch zentralnervöse Störungen (Apathie, Kau- und Schmatzbewegungen, Speicheln) auf. Auch bei AK erkrankt ein Großteil der Tiere eines betroffenen Bestandes. Der Nachweis von AK erfolgt über virologische und serologische Untersuchung.

 

d.) PRRS

Bei Masttieren ruft das „Lelystadt-Virus“ eine interstitielle Pneumonie hervor, die mit Dyspnoe, Fieber und Zyanose der EP ähnelt. Die Infektion kann über den Virusnachweis oder durch Nachweis von Antikörpern bestätigt werden.

 

e.) Circovirus-Infektion (PCV-2)

Das PCV-2 ruft bei Absatzferkeln ein Krankheitsbild hervor, das gekennzeichnet ist durch Kümmern, Nasenausfluß, verschärftes Atemgeräusch und Ikterus. Meist sind aber nur einzelne Tiere betroffen.

 

f.) Parasiten

Ein Befall mit Lungenwürmern, Askariden oder Strongyloides ransomi ruft ebenfalls respiratorische Symptome hervor. Hier muß zur Abgrenzung eine parasitologische Untersuchung erfolgen.

 

g.) Chlamydien-Infektion

Die Infektion mit Chlamydia psitacci macht ein ähnliches Krankheitsbild wie die EP, insbesondere wenn sie durch Sekundärerreger kompliziert wird. Zur Differenzierung ist ein Erregernachweis erforderlich.

 

 

9. Ätiologie und Pathogenese

 

Die EP wird durch eine Infektion mit Mycoplasma hyopneumoniae hervorgerufen. Die Ansteckung erfolgt aerogen, meist bereits im Saugferkelalter durch die Muttersau, die Mykoplasmen ausscheidet. Die primär entstehende Pneumonie nach Ziliennekrose verläuft oft klinisch inapperent; kommen jedoch unterstützende Faktoren (hoher Schadgasgehalt der Stallluft, Zugluft, ungenügende Belüftung, hohe Besatzdichte, Streß) hinzu, dann können sich Sekundärerreger wie Pasteurella multocida, Bordetella bronchiseptica oder pyogene Keime auf dem vorgeschädigten Gewebe festsetzen und dort eine exsudative Entzündung hervorrufen. Diese betrifft vor allem die Spitzenlappen und zeigt sich pathologisch als Alveolarzellpneumonie (trockener Husten) oder katarrhalisch-eitrige Bronchopneumonie (feuchter Husten).

Durchschnittlich erkranken etwa 25 - 30 % der Ferkel und Mastschweine eines Betriebes; sie zeigen gestörtes Allgemeinbefinden, Husten, Dyspnoe, leichtes Fieber und bleiben in ihrer körperlichen Entwicklung zurück. Bei der Auskultation der Lunge ist ein deutlich verschärftes bronchiales Atemgeräusch zu hören, evtl. auch Rasselgeräusche und Giemen.

 

 

10. Therapie und Prophylaxe

 

1.) Sarcoptes-Räude:

-         Sprüh-, Tauch- oder Waschbehandlungen mit Akariziden auf Phosphorsäureester-basis oder systemische Ivermectin-Applikation (Ivomec-S)

 

2.) Enzootische Pneumonie:

Zur Bekämpfung stehen Tilgung des Bestandes oder Sanierung zur Auswahl.

-         Tilgung wird aufgrund des hohen finanziellen Sofortaufwandes, der Gefahren der unzureichenden Erreger-Abtötung durch Desinfektionsmaßnamen und Uneinsicht der Tierhalter bezüglich dieser Infektionsschutzmaßnahme selten durchgeführt. Bei massivem Befall kann eine Tilgung des gesamten Bestandes die einzig wirtschaftliche Maßnahme darstellen, da die erkrankten Tiere in ihrer Mastleistung weit zurückbleiben und die Kosten für die Therapie auch noch anfallen. Dies ist jedoch nur sinnvoll, wenn gewährleistet ist, daß die neu einzustellenden Tiere erregerfrei sind.

 

-         Eine Sanierung des Bestandes beginnt bei der Ferkelerzeugung. Da vor allem Jungsauen Mykoplasmen ausscheiden und so ihre Ferkel infizieren, sollte für mindestens zwei Abferkelperioden nur mit Altsauen gezüchtet werden, die meist weitgehend resistent sind, um die Infektionskette zu unterbrechen. Der Abferkelstall ist gründlich zu reinigen und zu desinfizieren. Die Behandlung der akut auftretenden EP erfolgt nach Aussonderung klinisch erkrankter Tiere durch Antibiotikapplikation nach Resistenztest - parenteral wenn nur wenige Tiere betroffen sind, ansonsten über Futter oder Trinkwasser. Zusätzlich muß eine antibiotische Behandlung der Muttersauen erfolgen, die vor dem Einstallen in den Abferkelstall beginnt und bis 14 Tage nach der Geburt weitergeführt wird (Futtermedikation, z. B. Tetrazyklin oder Tiamulin). Die Saugferkel sollten zunächst parenteral antibiotisch behandelt werden, sowie um die Zeit des Absetzens herum über Futtermedikation (4 Tage vor bis 10 Tage nach dem Absetzen). Eine Impfung gegen Mycoplasmen (handelsübliche Vakzine) bei der Ferkel in der 1. und 3. Lebenswoche sorgt für zusätzlichen Schutz.

 

-         Darüberhinaus sollte durch eine Verbesserung der Haltungs- und Fütterungsbedingungen die Entstehung der Sekundärinfektion reduziert werden.

 

 

11. Prognose

 

Die Prognose quo ad vitam ist für das Einzeltier vorsichtig bis günstig zu stellen, abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und vom Zeitpunkt des Therapiebeginns. Die Veränderungen an der Lunge sind zwar meist bereits irreversibel; die Tiere können sich unter antibiotischer Therapie jedoch soweit erholen, daß eine Ausmast möglich ist.

Für einen Betrieb, der von EP betroffen ist, ist die Prognose nur dann günstig zu stellen, wenn die Bekämpfung bzw. Sanierung wie oben beschrieben, konsequent durchgeführt wird.

 

 

12. Beurteilung

 

Ein Sanierungsprogramm für einen von EP betroffenen Betrieb ist mit erheblichen Kosten verbunden, die Einkommenseinbußen durch die geringere Mastleistung sind aber auf lange Sicht höher anzusetzten, so daß die Bekämpfungsmaßnahme auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist.

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