Pferd-46 - Endoarteritis, Strongylidenbefall, thrombotisch-embolische Kolik

Krankheitsbericht

 

 

 

xxx

Ausgegeben am 16.04.02

durch Herrn Dr. xxx

 

                                                                      

 

 

           

                                                          

1. Signalement

 

Farbe:                    Schimmel

Rasse:                    Warmblut

Geschlecht:            Wallach

Alter:                     12 Jahre

Gewicht:                515 kg

Nutzung:                Reitpferd

Name:                   xxx

Patientennr.:         xxx

 

2. Anamnese

 

Das Pferd xxx wurde am 10.04.02 um 19:22 Uhr in die Pferdeklinik der FU Berlin  vorgestellt.

Der Wallach wurde bereits Ende März wegen Durchfalls in der Klinik behandelt. Die damals durchgeführte Untersuchung ergab einen mäßig obstipierten Blinddarm (der Blinddarmkopf war rechts von rektal fühlbar).

 

Der Wallach wurde diesmal aufgrund rezidivierender Koliksymptomatik vorgestellt. Laut Angaben des Besitzers wurde nach einem Stallwechsel breiiger Kotabsatz beobachtet. Unter StullmisanÒ -Behandlung stellte sich kurzfristig Besserung ein.

Seit einem Jahr war Abmagerung und vermehrte Wasseraufnahme des Tieres zu beobachten.

Die rektale Untersuchung ergab einen mäßig gefüllten Blinddarm mit leicht gespannten (medialer und ventraler) Taenien.

Die craniale Gekrösewurzel war unterarmstark und schmerzhaft.

Unter Behandlung mit Buscopan compositum- Injektionslsg.Ò besserte sich die Koliksymptomatik.

 

 

 

 

 

 

- 1 -

3. Status praesens

 

 Allgemeine Untersuchung

 

Das Pferd steht aufrecht bei einem guten Allgemein-, schlechten Ernährungs- und schlechten Pflegezustand. Der Wallach macht einen relativ munteren Eindruck.

Der Puls hat eine Frequenz von 32 Schlägen/ min, die Atemfrequenz beträgt 12 Züge/ min und die Körpertemperatur beträgt 38.9°C.

Die Schleimhäute sind blassrosa und die kapilläre Füllungszeit (KFZ) liegt bei 2 sec.

           

 Spezielle Untersuchung

 

  ·Haut und Haarkleid

Das Deckhaar ist geschlossen, glatt anliegend und glänzend. Eine aufgezogene Hautfalte        verstreicht prompt.                 

Alle Hufe weisen einen guten Pflegezustand auf.

 

  ·Lymphknoten

Die physiologisch tastbaren Lnn. mandibulares sind unauffällig, prall elastisch, glatt, verschieblich und nicht schmerzhaft.

 

  ·Zirkulationsapparat

Die Konjunktiven zeigen eine physiologisch leicht gelbliche Färbung, die Episkleralgefäße sind fein gezeichnet und gut gefüllt.

Die Maulschleimhaut ist blassrosa, feucht, glatt, glänzend und die KFZ liegt bei 2 sec.

Der Puls hat eine Frequenz von 32 Schlägen/ min, ist regelmäßig und gut fühlbar. 

Die V. jugularis lässt sich beidseitig gut anstauen. Ein positiver Venenpuls ist nicht erkennbar.

Bei der Auskultation des Herzens lassen sich abgesetzte, regelmäßige, kräftige Herztöne hören. Herzgeräusche sind nicht feststellbar.

 

  ·Respirationsapparat

Die Atemfrequenz beträgt 12 Züge/ min.

Der Atemtyp ist costo- abdominal.

Die Nasenschleimhaut ist rosarot, feucht, glatt und glänzend.

Trachea- und Kehlkopfpalpation sind ohne pathologischen Befund. Husten ist nicht auslösbar.

Bei der Auskultation der Lunge sind keine pathologischen Geräusche hörbar.

 

·Digestionsapparat

Futter- und Wasseraufnahme sind zur Zeit der Untersuchung nicht zu beobachten.

Die Auskultation ergibt physiologische Darmgeräusche in allen vier Quadranten.

Der Kot ist weich und geformt.

Bei der rektalen Untersuchung ist der Blinddarm ggr. gefüllt, die ventrale und mediale Taenie sind leicht gespannt, die craniale Gekrösewurzel ist unterarmstark und schmerzhaft.

Eine Untersuchung des Kotes auf Strongyliden und Askariden war negativ.

 

 

 

- 2 -

 

  ·Harn- und Geschlechtsapparat

Harnabsatz ist während der Untersuchung nicht zu beobachten.

      Der Geschlechtsapparat ist ohne besonderen Befund.

 

  ·Bewegungsapparat

      Das Pferd belastet alle 4 Gliedmaßen gleichmäßig.

 

  · Weiterführende Untersuchung

Blutuntersuchung

 

Blutbild:                                                                Norm:

Hkt:     35 %                                                   Hkt:        32 – 40 %

Eryt:     7.23 *1012/l                                         Eryt:        6 – 10 *1012 /  l

Hb:      12 mmol / l                                          Hb:         6.8-10 mmol/l

Leuk.:  6,0 *109/ l                                           Leuk.:     5-10 *109/ l

 

Differentialblutbild :

Stabkernige :    1 %                                         Stabkernige :       0-4 %

Segmentkernige:   70 %                                   Segmentkernige: 45 – 70 %

Lymphozyten:   28 %                                       Lymphozyten:       20 – 45 %

 

                 CK : 70                                                           bis 60                  

                 GOT:  154                                                      bis 240            

                 LDH:  215                                                      bis 345        

                 a- HBH:   136                                                bis 170       

                 g- GT:   7                                                        bis  20           

                 Alkalische Phosphatase:   164                       100- 350        

 

                 Creatinin:  127                                               Creatinin:        

                 Harnstoff:  4,5                                                Harnstoff:                   

                 Bilirubin:  35                                                  Bilirubin:

                 Gesamteiweiß: 6,0                                         Gesamteiweiß:

                 Albumin:  3,29                                               Albumin:  

                 a1: 0,15; a2: 0,3                                            a1: 0,05-0,15; a2: 0,4-0,6

                 b1: 0,9; b2:0,3 g: 0,92                                    b1: 0,9; b2: 0,3; g: 0,9-1,15               

                                                                    

Sonographie:

 

Auf dem Ultraschallbild stellte sich die Wand der A. mesenterica cranialis verdickt dar.

Ferner war eine Aussackungen der Arterienwand (Aneurysma) festzustellen.

                                                                                                     

 

4. Diagnose

 

Durch die Ergebnisse der Untersuchung, insbesondere der rektalen, wird bei dem Pferd eine Endoarteritis, vermutlich hervorgerufen durch Strongylidenbefall, mit dadurch provozierten thrombotisch- embolischen Kolik festgestellt.

 

-3 –

5. Ätiologie

 

Ausgangspunkt für thrombotisch- embolische Koliken sind Motilitätsstörungen und hypoxische Krämpfe, die durch Verstopfung der Darmarterien und dadurch hervorgerufenen Durchblutungsstörungen resultieren.

Hauptverantwortlich für diese Art von Verletzungen sind wandernde Strongylidenlarven und dadurch bedingte Arterienwandentzündung, die Gefäßweitung und Thromben- und Emboliebildung.

Strongylidose ist eine Weide- bzw. Stallparasitose. Die Wurmeier bzw. sich entwickelnden Drittlarven sind gegenüber Witterungseinflüssen relativ widerstandsfähig.

In den Sommermonaten liegt die Lebenserwartung der Drittlarven auf der Weide ungefähr bei 4- 6 Wochen.

Überwinterungen in mitteleuropäischen Breiten ist beschrieben worden, d.h. im Frühjahr können Weiden immer noch mit Strongylideneiern bzw. Drittlarven kontaminiert sein.

Die Infektion erfolgt oral- alimentär oder als orale Schmutzinfektion durch Aufnahme der Drittlarve.

 

Strongylus vulgaris Larven (L III) gelangen ca. 11 Tage post infektionem in die vordere Gekrösearterie. Die Larvenbohrgänge bedingen Aneurysmen der Gefäßwände.

Die eingewanderten Larven (L IV) halten sich vom 44.- 111. Tag vorwiegend in den Aneurysmen der cranialen Gekrösearterie bzw. der A. ileocaecocolica auf.

Frühestens am 90. Tag kommt es zur Häutung zu Praeadulten, die mit den restlichen L IV

auf dem Blutweg in den Dickdarm wandern. Dort zerstören sie die Gefäßwände und lösen dabei Entzündungsreaktionen aus.

Nach der Einwanderung in das Darmgewebe bilden sich dort reaktive „Wurmknötchen“.

 

Die Präpatentperiode bei diesen Strongyliden beträgt bis zu 20 Monaten, d.h. auch ein negativer Wurmeiernachweis garantiert keine Wurmfreiheit.

 

Obwohl ein Großteil aller Pferde mit einem Wurmaneurysma der Gekrösewurzel behaftet ist, scheint die thrombotisch- embolische Kolik nur selten vorzukommen (2,8- 4,9% der tödlich verlaufenden Kolikfälle).

 

Primäre Obstipationen entwickeln sich in der Regel nach Aufnahme großer Mengen grobfaserigen Futters (Stroh, Heu, Grünfutter) bei unzureichender Wasseraufnahme. Begünstigende Faktoren sind zu hastige Futteraufnahme und/ oder Zahn- oder Gebissfehler. Weiter können Primäre Obstipationen nach neurogenen Funktionsstörungen des Colon descendens auftreten. In diesen Fällen ist die Obstipation rezidivierend und nicht heilbar.

Sekundäre Obstipationen entstehen vor Stenosen oder infolge mechanischer Hindernisse (Darmsteine, Phytobezoare oder andere ins Colon descendens gelangte Fremdkörper).

In beiden Fällen wird das Darmrohr dilatiert und verliert seine physiologische und charakteristische Poschierung. Infolge abnormer Füllung kann es zu einer Retroflexio coli descendentis vor der Engstelle in die Excavatio rectogenitalis kommen.

 

 

 

 

 

 

- 4 -

6. Differentialdiagnosen

 

·Malabsorptionsstörungen

Bei der Malabsorptionsstörung handelt es sich um eine ungenügende Zerkleinerung des Futters durch Störungen im oberen Verdauungstrakt. Symptome wie Durchfall oder Kolikerscheinungen können auftreten, diese Ursache kann aber aufgrund der Adspektion und Palpation der Maulhöhle, der Untersuchungsbefunde des Digestionstraktes und der Sonographie ausgeschlossen werden.        

 

·Caecumobstipation

Man unterscheidet bei der Caecumobstipation zwischen einer akuten und einer chronisch- rezidivierenden Form.

Der akute Verlauf ist durch einmaliges Auftreten gekennzeichnet, der angeschoppte Blinddarm entleert sich bei sachgemäßer Behandlung nach 2- 4 Tagen und die Obstapation ist nicht rezidivierend.

Bei der chronischen Form obstipiert der Blinddarm in unregelmäßigen Abständen und mehr oder weniger starkem Ausmaß wiederholt.

Die chronische Form kann über Monate unbemerkt bleiben, da die Symptome zunächst unauffällig bleiben.

Die Ursachen können z.B. Störungen der Nahrungsaufnahme, falsche Fütterung oder Motilitätsstörungen des betroffenen Darmabschnittes sein.

Beim vorliegenden Fall war zu einem früheren Zeitpunkt eine mäßige Obstipation des Blinddarms diagnostiziert worden.

Durchblutungsstörungen durch Wurmbefall oder Stall- und Futterwechsel kommen evtl. als Ursache in Frage.

 

 

7. Therapie

 

Zur Behandlung der thrombotisch- embolischen Kolik wurde Buscopan compositumÒ behandelt.

Ferner wurden zur Gerinnungshemmung täglich seit dem 12.04.02  10 g ASS verabreicht.

 

 

8. Prognose

 

Die Prognose bei Thromben und Gefäßfibrosen ist relativ ungünstig. Es besteht in diesem Fall jedoch keine Beeinträchtigung der weiteren Nutzung als Reitpferd.

Durch Gabe von ASS kann eine kurzfristige Gerinnungshemmung erreicht werden, um weitere Thrombenbildung zu vermeiden. Die Wiederherstellung der Gefäßelastizität und -beschaffenheit ist jedoch nicht möglich.

 

 

9. Epikrise

 

Das Pferd xxx wurde mit Koliksymptomen zur Behandlung in der Klinik für Pferde vorgestellt.

Bei der rektalen Untersuchung (auch sonographisch) wurde ein Aneurysma der cranialen

 

- 5 -

Gekrösearterie als Ursache einer thrombotisch- embolischen Kolik diagnostiziert.

Aufgrund des klinischen Bildes kann Strongylidenbefall als wahrscheinlichste Ursache angenommen werden.

Malabsorptionsstörungen und Caecumobstipation sind aufgrund der erhobenen Untersuchungsbefunde auszuschließen.

Die Behandlung erfolgt mit einem Spasmoanalgetikum (Buscopan compositum) und ASS als Gerinnungshemmer.

Da durch die vergrößerte Gekrösearterie der Ingestatransport behindert sein könnte, sollte der Besitzer darauf hingewiesen werden, sein Pferd nur in kleinen Rationen zu füttern und auf Verdaulichkeit des Futters sowie ausreichendes Wasserangebot zu achten.

Ferner sollte ein Entwurmungsprogramm mit dem Besitzer ausgearbeitet werden.

 

 

>