Pferd-10 - Caro luxurians,Hypergranulationsbildung

 

Krankheitsbericht

 

 

Ausgegeben von x am 21.10.1999

 

 

 

 

1.      Anamnese

 

Die Einlieferung des Pferdes in die "Klinik für Pferde, allgemeine Chirurgie und Radiologie” x erfolgte am 18.10.1999. Laut Aufnahmebefund zeigte sich bei dem Patienten beiderseits an den Hinterextremitäten eine hochgradige, seit 13 Monaten bestehende, Caro luxurians, mit starker Umpfangsvermehrung, als Folge einer alten Verletzung. Aufgrund der mechanischen Behinderung ( Spannen der Haut ) zeigte der Patient eine ausgeprägte Lahmheit.

Beide Hinterbeine stellten sich stark verschmutzt, mit verkrustet, stinkenden Belägen dar.

Desweiteren ist bei diesem Patienten der Befund einer chronische Bronchitis bekannt.

 

 

 

 

2.      Signalement

 

Bei dem Patienten handelt es sich um einen gekörten Fuchshengst namens x, der sowohl als Deckhengst wie auch als Reitpferd genutzt wird.

Als Geburtsdatum wurde der 01.01.1989 angegeben, was einem Alter von 10 Jahren entspricht.

An Abzeichen besitzt das Pferd einen ausgeprägten Keilstern.

An der linken Flanke trägt er den Trakehnerbrand.

Desweiteren sind beiderseits Hengstzähne ausgebildet.

Das Stockmaß wird auf 165 cm, das Gewicht auf 520 kg geschätzt.

 

 

 

 

 

 

3.      Untersuchungsbefunde

 

3.1. Allgemeinbefunde

 

Die folgenden Messungen wurden am 21.10.1999 erhoben, weichen aber nur minimal und vernachlässigbar von den Ergebnissen der Aufnahmeuntersuchung vom 18.10.1999 ab.

Die innere Körpertemperatur betrug  37,9 C°, es konnte eine Pulsfrequenz von 36 Schlägen pro Minute, bei einer kräftig, gleichmäßig, regelmäßigen Pulsqualität gezählt werden.

Bei einer Atemfrequenz von 16 Atemzügen pro Minute konnte man bei der Auskultation an allen Stellen eine verschärfte Inspiration hören. Desweiteren war bei Beobachtung des Patienten eine forcierte Expiration, unter Zuhilfenahme der assessorischen Atemmuskeln ( Bauchpresse ) zu erkennen.

Zeitweise erfolgte die Expiration mit lautem Begleitgeräusch in Form von "Stöhnen”.                                          Der Patient zeigte eine abdominale Atmung, der Hustenreflex ist nicht auslösbar.

 

 

3.2.Allgemeinzustand

 

Im Rahmen der Konstitution wird der Körperbau als mittelkräftig bis kräftig, vom Muskeltyp beurteilt.

Die Kondition des Tieres wird als dünn bis mager bezeichnet, die Rippen sind deutlich sichtbar, beide Hüfthöcker treten hervor. Es ist eine allgemeine Muskelatrophie festzustellen, die sich besonders im Bereich des

Halses und der Sattellage zeigt. Laut Vorbericht des Besitzers zeigte der Patient seit geraumer Zeit Inappetenz, die sich in den ersten beiden Tagen des Klinikaufenthalts fortsetzte. Inzwischen hat sich die Futteraufnahme normalisiert.   

Der Patient erscheint munter, nimmt regen Anteil an der Umgebung, er zeigt jedoch eine deutliche Schonhaltung, aufgezogen mit Rundrücken. Das Körpergewicht wird vorwiegend auf die Vorderhand verlagert, die Hinterbeine abwechselnd entlastet, wobei das linke Hinterbein vermehrt geschont, zeitweise maximal angewinkelt an den Körper gezogen wird (Hahnenfußhaltung).

Die Testes sind in die Bauchhöhle hochgezogen.

 

 

 

 

3.3. Lokalbefunde

 

Die Haut stellt sich schuppenlos dar, das Haarkleid ist dicht und glänzend. Die sichtbaren Schleimhäute: Maul, Nüstern und Konjunktiven sind allesamt rosa, glatt, feucht glänzend.

Zum Kreislaufgeschehen ist zu beobachten, daß die kapilläre Füllungszeit 1,5 - 2 Sekunde beträgt, die Venae jugulares beiderseits anstaubar sind und daß nach dem Stauen ein zügiger Abfluß erfolgt. Ein Venenpuls ist nicht feststellbar.                                     

Die tastbaren Lymphknoten, Lnn. mandibulares, sind gut abgrenzbar, gelappt, von physiologischer Größe und haben eine derb, elastische Konsistenz.               

Der Kot ist geballt.

Zusammenfassend stellen sich die erhobenen Lokalbefunde also als unauffällig dar.

 

 

 

 

3.4.klinische Hilfsuntersuchungen

 

Labor

 

Blutbild

 

Eine Blutuntersuchung vom 19.10.1999 zeigte folgendes Blutbild:

 

        Hämoglobin:      14,4 g/ 100ml       (normal: 11 – 15 g/100ml )

        Erythrozyten:     8,77 Mio/µl          (normal:  6 – 9 Mio/µl )

        Leukozyten:       9,2 tausend/µl      (normal: 6 – 9 tausend/µl )

        stabk.-Gr. :        10%                      (normal: bis 4%)

        segmentk –Gr.:  69%                      (normal: 55 - 75%)

        Lymphozyten:   20%                      (normal: 25 - 45%)

        Monozyten:       1%                        (normal: bis 4%)

        Hämatokrit:       39%                      (normal: 35 - 45%)

 
Eine Blutuntersuchung vom 20.10.1999 zeigte desweiteren folgendes Blutbild:

 

        Hämoglobin:       12,4 g/ 100ml 

        Erythrozyten:      7,71 Mio/µl                                                

        Leukozyten:        7,4 tausend/µl

        bas.-Gr. :             1%                       (normal: bis 1%)

        eos.-Gr. :             3%                       (normal: bis 4%)

        stabk.-Gr. :         16%

        segmentk.-Gr. :   56%

        Lymphozyten:    24%

        Hämatokrit:        36%

 

Auffällig ist die überhöhte Anzahl an neutrophil, stabkernigen Granulozyten, die auf ein erhebliches Entzündungsgeschehen im Organismus hinweist.

 

 

       


4.      Diagnose

 

Starke Narben- und Hypergranulationsbildung, Caro luxurians, an beiden Hinterbeinen.

Bestehende chronische Bronchitis.

 

 

 

 

5.      Ätiologie

 

Als Ursache der starken Bildung von Narben- und Hypergranulationsgewebe steht eine alte Verletzung an den Hinterbeinen, bei der die Wundheilung nicht wunschgemäß vonstatten gegangen ist.

Eine optimale Wundheilung verläuft in verschiedenen Phasen, über Bildung einer Wundmembran durch Blutgerinnung, Autolyse der geschädigten Zellen, Phagozytose und Fasernauflösung, bis zur Aufbauphase, gekennzeichnet durch erfolgende Wundgranulation, mit Kapillareinsprossung und Bildung von Bindegewebe und kollagenen Fasern, der sich Vernarbung und Epithelisierung der Wundfläche anschließen.

Störungen in diesem Ablauf können durch örtliche Umstände, wie z.B. Hämatom, Serom, Nekrose, Infektionen

oder durch systemische Funktionsstörungen, wie z.B. Hypoproteinämie, Vitaminmangel oder Immuninsuffizienz

ausgelöst werden.

In einem solchen Fall kommt es zu einer überschießenden Bildung von Granulationsgewebe. Diese, über das Hautniveau ragende Hypergranulation, läßt eine Epithelisierung mit anschließendem Wundverschluß, vom Wundrand ausgehend, nicht oder nur schlecht zu.

 

 

 

 

6.      Differentialdiagnose

 

Entfällt in diesem Fall.

 

 

 

 

7.      Therapiekonzept und Krankheitsverlauf

 

Laut Krankenbericht wurden dem Patienten am Tag der Aufnahme die verschmutzten und verkrusteten Beine gewaschen und hinten beidseits Angußverbände mit Braunol, zur Desinfektion, angelegt.

Am 20.10.1999 wurde eine Operation am Patienten durchgeführt, mit dem Ziel die Hypergranulation hinten links medial und lateral, je eine Stelle, und hinten rechts medial, eine Stelle ca. tennisballgroß, auf Hautniveau abzutragen. Nach erfolgter Operation wurde dem Patienten hinten rechts ein Polsterverband mit Bepanthen – Salbe und hinten links ein einfacher Verband angelegt.

Am 21.10.1999 wurde uns der Patient in der klinischen Demonstration vorgestellt.

Im Rahmen dieser Veranstaltung haben wir einen Verbandswechsel vorgenommen, bei dem sich die Wunden feucht – schmierig, übelriechend und stark suftend darstellten. Das blutig bis eitrige Exsudat hatte den Verband bereits durchtränkt. Die Beine waren stark verkrustet und großflächig, besonders im Bereich der Fesselgelenke, angeschwollen. Aufgrund der starken Schmerzhaftigkeit dieser Prozedur wurden dem Patienten vor dem Verbandswechsel 2ml Sedivet i.v. verabreicht. Die Wunden wurden mit Bepanthen – Salbe bestrichen und erneut frische Verbände angelegt.

Im weitere Therapiekonzept legte man die Schwerpunkte in der Behandlungsweise auf  eine Zurückdrängung der Hypergranulationsstellen mit Kupfersulfat, Lotagen - Konz. oder Socatyl – Paste (der Wirkstoff ist eine Formaldehydabwandlung) . Allesamt haben adstringierende Wirkung, was bedeutet, dass sie an Wunden, durch Eiweißfällung Membranen bilden und dadurch entzündungswidrig, bakteriostatisch, austrocknend und blutstillend wirken.                   

Gleichzeitig wird das Wachstum des Epithelsaumes, von den Wundrändern her, durch intensive Hautpflege mit Bepanthen – Salbe gefördert. Bepanthen – Salbe hat den Wirkstoff Dexpanthenol, ein Dimethylbutyramid, daß im Körper in Pantothensäure ( Vitamin B3 ) umgewandelt wird und dort als Haut – und Schleimhauttherapeutikum wirksam wird.

Gegen die sich auf dem Narbengewebe bildenden Hyperkeratosen wurde Keratolysin – Salbe eingesetzt, ein Keratolytikum, das mit den Eiweißen der obersten Hautschichten lösliche, gallertige Alkalialbuminate bildet und dadurch erweichend und auflösend ( Kolliquationsnekrose des Gewebes) wirkt.

 

Als Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Therapie stand der regelmäßige Verbandswechsel, der sich im Laufe der Therapie von täglich, über alle zwei Tage bis hin zum Ende auf nur noch alle vier Tage reduzierte.

Während der Verbandswechsel erfolgte eine ausgiebige Wundtoilette. Die Beine wurden mit lauwarmen Wasser abgespült und mit Hilfe von Alkoholtupfern von Krusten und Verschmutzungen befreit. Nachdem sie gut getrocknet waren, wurden die Wunden, je nach Indikation, wie oben beschrieben versorgt.

Im Verlauf des Klinikaufenthaltes war es möglich durch dieses Therapiekonzept eine allmähliche Auflösung der Hyperkeratosen zu erreichen. Die Hypergranulationen konnten auf Hautniveau eingeebnet werden, was eine

langsame Epithelisierung der Wunden zuließ. Gegen Ende der Behandlung waren nur noch wenig schmierige Beläge am linken Hinterbein zu entdecken. Einzelne kleinere Wundflächen, hinten rechts medial am Fesselkopf, hinten links lateral über dem Fesselkopf und hinten links medial auf Höhe der Fesselbeuge waren noch vorhanden, stellten sich aber allgemein in Granulation, eingedämmt und eingeebnet dar.

Die Umpfangsvermehrung hinten rechts konnte vermindert werden, während sich die hintere linke Gliedmaße, bei der sich im Laufe der Behandlung eine Pachydermie ( flächenhafte Verdickung der Haut, mit vermehrter Furchung und Verhärtung, durch Hypertrophie des Bindegewebes, als sekundär, entzündlicher Prozess ) mit einhergehender starken Schwellung bis über den Tarsus, entwickelt hatte, als nahezu unverändert präsentierte.

Der Patient wurde im gesamte Verlauf seines Klinikaufenthaltes, zur Therapie seiner chronischen Bronchitis, mit Ventiplus, einem Clenbuterolpräparat (ß - Sympathomimetikum, Broncholytikum ) versorgt. Da sich bei ihm am 19.11.1999 eine hochgradig gemischte Dyspnoe einstellte bekam er zusätzlich Prednisolon, ein antiphlogistisch und antiallergisch wirksames Glukokortikoid.

Desweiteren wurde er zur Konstitutionsverbesserung mit Pfitzer Horse Suppplets, einem aufbauenden Zusatzfuttermittel gefüttert.   

 

 

 

8.      Prognose

 

Die Prognose muß zweigeteilt beurteilt werden. Wie bereits erwähnt, wird das Pferd hauptsächlich als Deckhengst eingesetzt, für diesem Bereich ist die Prognose als günstig zu bewerten. Bei weiterhin erfolgender Behandlung ist davon auszugehen, daß es in Zukunft zu keinen funktionellen Einschränkungen kommen wird,

und da es sich nicht um eine vererbliche Erkrankung  handelt, kommt es auch zu keiner Wertminderung des Deckhengstes.

Zum weiteren Einsatz als Reitpferd muß die Prognose als ungünstiger bewertet werden. Sowohl die Umpfangsvermehrung, wie auch die Narbenbildung führt einerseits im kosmetisch, ästhetischen Sinne, wie auch  funktionell zu einer Einschränkung im Einsatz des Pferdes. Es ist zwar zu erwarten, das der Patient in Zukunft lahmfrei geritten werden kann, hohes reiterliches Niveau mit den damit verbundenen Anforderungen an das Pferd können jedoch nicht mehr umgesetzt werden.

 

 

 

9.      Epikrise

 

Bei dem vorgestellten Patienten wurden seit 13 Monaten bestehende Caro Luxurians an beiden Hinterbeinen operativ entfernt. Das Therapiekonzept der Wundpflege bestand darin, das entstandenen Hypergranulationsgewebe mit Adstringentien zurückzudrängen, während der Epithelsaum mit Bepanthen – Salbe gepflegt wurde, mit dem Ziel der Eindämmung, Einebnung und abschließender Wundheilung.

Es handelte sich um einen langwierigen Prozess, bei dem ein Klinikaufenthalt von über drei Monaten von Nöten war.

Als kritisch ist hier die Zeit zu bewerten, die abgewartet wurde, bevor das Pferd in die Klinik zur Behandlung überwiesen wurde. Zu einem früheren Zeitpunkt hätte man den chirurgischen Eingriff kleiner halten und somit die Heilung vereinfachen können.

Zum Zeitpunkt der Entlassung stellten sich die Wunden am rechten Hinterbein als gut eingedämmt dar, die Schwellung dieser Gliedmaße war weitestgehend zurückgegangen, während sich die linke Hintergliedmaße weiterhin angeschwollen, mit noch bestehenden, aber eingeebnet und eingedämmten Wunden präsentierte.

Langfristig gesehen wird es, bei weiter erfolgender kompetenter Behandlung, möglich sein eine Genesung zu erreichen, bei der das Pferd zu einer funktionell uneingeschränkten Leistung als Deckhengst fähig sein wird. Allerdings werden von den Wunden sichtbare Narben zurückbleiben, die sich zwar nicht auf seine Funktion als Deckhengst, aber durchaus auf den Einsatz als Reitpferd, sowohl funktionell als auch durch die Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes, wertmindernd auswirken können.

 

>