Fortpflanzung-18 - Kuh: Follikel-Thekazysten

 

Datum:           02.10.2001

Von:                 

 

 

 

  1. Untersuchungsauftrag

 

Die Kuh wurde nach der letzten Kalbung mehrfach besamt und hat nicht aufgenommen. Nun soll die Ursache dafür geklärt werden.

 

2. Signalement

 

Tierart, Rasse, Geschlecht: Bei dem zu untersuchenden Tier handelt es sich um ein Rind, eine Fleckviehkuh im Alter von 3,5  Jahren (Geburtsdatum 22.04.1998), einer Schulterhöhe von ca. 160 cm und einem geschätztem Gewicht von 650 kg.

Die Kuh ist enthornt.

Ohrmarkennummer:  gelbe Ohrmarke mit der Nummer x, Name des Tieres: x, Besitzer: Herr x. Das Tier wurde am 01.10.01 in die Gynäkologische Tierklinik eingeliefert und hat die Kliniknummer: x

 

2. Vorbericht:

 

Die Kuh hat am 31.05.2001 gekalbt. Seither sind alle Besamungsversuche erfolglos verlaufen, sie zeigt nur schwache Brunsterscheinungen. Es war die zweite Kalbung.

 

Allgemeine Angaben zum Betrieb: Es handelt sich um einen IBR-freien Betrieb mit etwa 40 Tieren in reiner Milchviehhaltung. Die Tiere stehen in Anbindehaltung und werden mit Heu, Mais- und Grassilage sowie Kraftfutter gefüttert. Die Kuh ist nicht das einzige Tier das schlecht aufnimmt, die Problematik tritt vereinzelt immer wieder auf.

 

Allgemeine Angaben zum Patienten: Futter, Kot und Harnabsatz sind ohne besondere Auffälligkeiten, frühere Erkrankungen sind nicht bekannt.

 

Spezielle Angaben zum Patienten: Die Kuh hat zweimal geboren, zuletzt am 31.05.2001 und zeigt seither nur schwache Brunsterscheinungen. Beide Geburten verliefen ohne Komplikationen, beide Kälber überlebten. Die Milchleistung des Tieres liegt bei 5600 Kg im Jahr.

 

 

 

 

3. Allgemeinuntersuchung:

 

Ernährungszustand:

Der Ernährungszustand ist gut

 

Pflegezustand:

Der Pflegezustand ist mit gut zu beurteilen.

 

Haltung:

Die Kuh belastet alle vier Gliedmaßen beim Laufen und Stehen gleichmäßig. Die Rückenlinie ist gerade.

Verhalten:

Die Kuh ist während der Untersuchung ruhig und aufmerksam.

 

Habitus

Entspricht der Rasse und dem Geschlecht des Tieres.

 

Körperinnentemperatur:

Die rektal gemessene Körpertemperatur beträgt 38,6°C und liegt im physiologischen Bereich.

 

Haut und Haarkleid:

Das Fell ist dicht und geschlossen. Der Hautturgor ist erhalten..

 

Kreislauf:

Die Herzfrequenz liegt bei 80 Schläge/min, die Herztöne sind deutlich hörbar, rein, gut voneinander abgesetzt und regelmäßig aufeinander folgend. Die Pulsfrequenz, gemessen an der Schwanzarterie, ist der des Herzens äquivalent. Der Pulsschlag ist kräftig und gut abgesetzt. Die kapilläre Füllungszeit liegt unter 2 sec. Die sichtbaren Schleimhäute sind blass-rosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Die Episkleralgefäße sind fein gezeichnet.

 

Atmung:

Die Atemfrequenz beträgt 36 Atemzüge/min. Die Atmung ist gleichmäßig und regelmäßig. Der Atemtyp ist costo-abdominal mit leichter abdominaler Betonung. Das Flotzmaul ist feucht, glatt und glänzend. Leichter seröser Ausfluss an beiden Nasenöffnungen.

 

Verdauungsapparat:

Futteraufnahme, Kauen, Schlucken und Wiederkäuen erfolgen physiologisch. Auskultatorisch konnten 3 kräftige Pansenkontraktionen in 2 Minuten festgestellt werden. Der Pansen ist deutlich geschichtet. Das Tier setzt breiigen, oliv-braunen, aromatisch riechenden Kot ab, der frei von unverdauten Futterbestandteilen ist.

 

Allgemeinbefinden:

ungestört

 

 

 

IV Spezielle Untersuchungen:

 

 

 

Äußere Genitale:

Die Vulva ist geschlossen, leicht nach kranial geneigt, geringgradig ödematisiert, leicht gefältelt und circa handbreit. Die Labien der Vulva sind symmetrisch. Kein Ausfluss äußerlich feststellbar, keine Narben und Verletzungen sichtbar. Palpatorisch lässt sich keine vermehrte Wärme oder Schmerzhaftigkeit feststellen. Die Konsistenz ist weichelastisch, die Klitoris ohne Besonderheiten, Vestibulumschleimhaut feucht, glatt und rosarot, Beckenbänder fest.

 

Rektale Untersuchung:

Der innere Beckeneingang ist palpabel. Die Cervix ist derb, 2 Finger stark und verschieblich.. Der Uterus ist abgrenzbar , Hörner ca. 2 Finger stark, symmetrisch, Tonus +, kein Inhalt zu palpieren, Oberfläche glatt. Die Ovarien sind gut tastbar und frei beweglich. Linkes Ovar: 4*4*3 mit Blase ca. 1 cm . Rechtes Ovar 3*2*2 mit fluktuierender dünnwandiger Blase, ca. 4 cm.

Vaginale Untersuchung (mittels Spekulum):

Die Schleimhaut ist blass-rosa und sehr feucht . Die Portio vaginalis cervicis liegt am Scheidenboden, ist geschlossen und rosettenförmig. Es ist kein Sekret sichtbar. Beim Herausziehen des Spekulums sind keine Verletzungen zu sehen.

 

 

Milchdrüse:

 

Adspektion:

Vorne und hinten stehen die Zitzen parallel. Die Zitzen zeigen eine erwünschte Form und sind circa 8 cm lang. Die Zitzenkuppen sind abgerundet.

 

Palpation:

Die Euterhaut ist abziehbar und gleichmäßig warm. Das Drüsengewebe hat eine leicht grobkörnige Konsistenz und ist weich elastisch. Rollgriff und Zisternengriff ergeben keinen besonderen Befund.

 

Sekretuntersuchung:

Ergibt keine besonderen Befunde

 

Weiterführende Untersuchungen:

Milchprogesterontest (Target): niedrig (< 1ng/ml)

Blutöstrogene: Ergebnisse stehen noch aus

 

V. Diagnose:

Ovarialzyste.

Dünnwandigkeit der Blasen und niedrige Progesteronkonzentration sprechen für Follikel-Thekazysten.

 

 

 

VI. Differentialdiagnosen:

 

Paraovarialzysten: Flüssigkeitsgefüllte Blasen in Mesosalpinx oder Mesovarium, diese beeinflussen die Fruchtbarkeit jedoch nicht.

Follikel-Luteinzyste

Corpus Luteum Zyste (durch Progesterontestergebnis auszuschließen)

Proöstrus, Östrus (Graafscher Follikel)

Proöstrus und Östrus liegen nicht vor, da der Uterus eher schlaff und nicht deutlich tonisiert ist. 

Die Thekazyste ist im Gegensatz zur Luteinzyste dünnwandig und liegt oft in der Mehrzahl vor – so wie hier in diesem Fall. Ansonsten ist die Rektale Abgrenzung der beiden Zystenarten rektal nur sehr schwer möglich. Dies ist mittels sonorgraphischer Untersuchung besser möglich. Hinweisend ist auch der Progesterongehalt in der Milch oder im Blutplasma, hier in diesem Fall niedrig -. was ebenfalls für eine Follikel-Thekazyste spricht.

 

VII. Ätiologie und Pathogenese

 

Ätiologie

Unter Ovarialzysten versteht man entartete Ovarialfollikel, die weder zur Ovulation gelangen noch atresieren und dadurch den Zyklus für längere Zeit blockieren. Als Ursachen werden exogene und endogene Faktoren angenommen. Zu den Exogenen gehören Fütterungsmängel (schlechte Grundfutterqualität, Energiemangel, K-Überschuß bei Kaliumüberdüngung, ß-Karotinmangel)  Bewegungs- und Lichtmangel bei der Stallhaltung, oder auch Phytoöstrogene. Prädisponierende Faktoren sind eine hohe Milchleistung, angeborene Konstitutionsschwächen, noch nicht abgeschlossene Uterusinvolution bei Einsetzen des Zyklus und Allgemeinerkrankungen, eventuell liegt auch eine Altersdisposition vor. Eine genetische Komponente kann besonders dann angenommen werden wenn trotz leistungs- und wiederkäuergerechter Fütterung Zysten auftreten, bei Färsen oder in bestimmten Kuhfamilien gehäuft oder nach Therapie rezidivieren.

 

Pathogenese

Der Entstehung der Ovarialzysten liegt wahrscheinlich ein nicht ausreichender präovulatorischer LH-Peak zugrunde. Es kommt zwar zunächst zu einer weitgehend normalen Follikelreifung, jedoch nicht zur Auslösung der Ovulation, sondern zum persistieren eines oder mehrerer Follikel. Es werden Follikel-Thekazysten ( ca.80%) und Follikel-Luteinzysten (ca. 20%) unterschieden.  Thekazysten weisen eine mehr oder weniger degenerierte, relativ dünne Wand auf. Bei den Luteinzysten ist die Wand luteinisiert und verdickt. Hier ist die LH-Freisetzung wahrscheinlich nicht ausreichend um eine Ovulation auszulösen, bewirkt aber eine partielle Luteinisierung der Zyste. Das Luteingewebe produziert wie ein normaler Gelbkörper Progesteron. Zwischen beiden Formen gibt es Übergangsformen, wo eine als Thekazyste angesprochene Ovarialzyste später luteinisieren kann. Die Oozyste in veränderten Follikeln degeneriert.

 

 

 

 

 

VIII. Therapievorschläge:

 

Ziel der Therapie bei Follikel-Thekazysten ist es, einen fertilen Zyklus zu induzieren. Durch die Behandlung soll ein Wachstum von Follikeln und die Ovulation eines dieser Follikel stimuliert werden. Die hemmende Wirkung der Zysten auf den Zyklus wird dabei Überwunden und die Zysten bilden sich langsam zurück.

Systemische Hormonapplikation:

HCG (Ekluton): 5000 IE i.v.

HCG und Progesteron (Gonagestol): 3000 IE HCG und 125 μg / Tier i.v.

Buserelin (synthetisches GnrH, Receptal): 20 μg / Tier i.m.

Intrazystale Behandlung

Abpunktieren der Zystenflüssigkeit mittels Ovariole, dann Applikation von 750-1000 IE HCG intrazystal

Einseitige  Ovarektomie: sehr selten und nur bei therapeutisch nicht beeinflussbaren Zysten und sehr wertvollen Zuchttieren angewandt.

 

 

IX. Prognose:

 

Quo ad vitam:  günstig

Quo ad restitutionem: vorsichtig bis günstig

Die Heilungsaussichten sind umso günstiger, je früher Ovarialzysten nach dem Abkalben diagnostiziert und behandelt werden. Die Prognose hinsichtlich einer erneuten Trächtigkeit wird ungünstiger bei Tieren mit hoher Milchleistung, Dauerbrunst, Unruheerscheinungen, unregelmäßigen Zyklen und Zystenrezidiven – hier nicht zutreffend.

 

 

X. Verlauf:

 

Bei parenteraler Hormontherapie ist nach 10 Tagen eine Nachuntersuchung und gegebenenfalls Nachbehandlung durchzuführen. Die nächste Brunst ist etwa 21 Tage (mit großen Schwankungen) nach der Hormonapplikation zu erwarten.

 

XI. Prophylaxe:

 

Verbesserung der Fütterungs- und Haltungsbedingungen. Aus zuchthygienischen Gründen sind eventuell bestehende genetische Zusammenhänge auszuschließen (gehäuftes Auftreten von Ovarialzysten in bestimmten Kuhfamilien oder bei Nachkommen bestimmter Bullen). Veranlagte Tiere und deren Nachkommen sollten nicht behandelt, sondern aus der Zucht eliminiert werden.

 

 

 

 

 

 

XII. Epikrise

Nach erfolgreicher Therapie kann das Tier in ca. 3 Wochen besamt werden, so dass die Rastzeit sich nicht noch stärker verlängert. Bei rezidivierendem Auftreten von Ovarialzysten ist aus wirtschaftlichen Gründen eine Schlachtung des Tieres zu erwägen.

 

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