Hund-07 - Teckellähme

                                               Krankheitsbericht

 

 

 

 

 

 

1) Signalement

 

Bei dem Patienten handelt es sich um einen Hund männlichen Geschlechts mit dem Ruf-namen “x”. Besitzer des Patienten ist x,

x. Geboren wurde der Hund im März 1991; das Gewicht betrug am Aufnahmetag 6,5 kg. Der Hund gehört zur Rasse der Rauhhaarteckel (Zwergteckel).

 

 

 

2) Anamnese

 

Der Patient wurde am 20. Mai 1996 in der Klinik für kleine Haustiere vorgestellt. Der Be-sitzer teilte mit, daß der Hund seit dem 18. Mai 1996 erstmals Probleme beim Springen auf den Stuhl hat. Seit dem Abend des 20. Mai 1996 ist die Hintergliedmaße des Hundes ge-

lähmt, es wurde auch kein Urin mehr abgesetzt.

 

 

 

3) Status präsens

 

a) Allgemeinuntersuchung

 

Allgemeinverhalten:               Der Hund ist wachsam, aufmerksam und munter. Der Ernäh-                                      rungszustand ist als gut zu bezeichnen. Zu Beginn der Unter-                                       suchung sitzt der Hund auf den Hintergliedmaßen und ist alleine                                               nicht in der Lage, aufzustehen. Erst nach Hilfestellung steht der                                          Hund und belastet dabei alle 4 Gliedmaßen gleichmäßig.

           

 

 

 

Innere Körpertemperatur:      38,7 °C

 

Haut, Haarkleid und Ohren:  Das Haarkleid ist glatt, dicht und glänzend sowie unversehrt.                                       Es liegt dem Körper eng an. Haarlose Stellen sind nicht vor-                                       handen.

                                               Die Hautfarbe- und beschaffenheit sowie der Hautgeruch sind                                     ebenfalls physiologisch. Die Körperaußentemperatur nimmt                                         vom Rumpf zu den Gliedmaßen kontinuierlich ab.

                                               Die Gehörgänge sind frei von fremden Inhalt.

 

Lymphknoten:                        Die zu palpierenden Ln. mandibularis, cervicalis superficialis

                                               und popliteus sind ca. erbsengroß und besitzen eine glatte Ober-                                             fläche.

 

Sichtbare Schleimhäute:         Die Lidbindehäute sind rosarot, glatt, feucht und glänzend.

                                               Die Maulschleimhaut ist von Speichel sehr feucht, glatt und                                          glänzend sowie rosarot. Die kapilläre Rückfüllungszeit beträgt

                                               ein bis zwei Sekunden.

 

Atmung:                                 Die Atmung ist ruhig und regelmäßig. Die Atemfrequenz be-

                                               trägt 40 Atemzüge pro Minute.

 

Herz und Kreislauf:                Der Herzschlag ist gleichmäßig, ohne Herzgeräusche. Die Herz-

                                               töne sind deutlich abgesetzt. Die Herzfrequenz beträgt 96 Schlä-                                             ge pro Minute. Der Puls ist ebenfalls kräftig und gleichmäßig.                                      Die Episkleralgefäße sind mäßig gefüllt und scharf gezeichnet.

 

 

b) Spezielle Untersuchung

 

Bei Betrachtung des Patienten in Ruhe ist augenfällig eine Dysfunktion der Hintergliedmaßen zu beobachten. Der Hund sitzt auf den Sitzbeinmuskeln, die Hintergliedmaßen sind nach vorne gestreckt und zeigen einen erhöhten Tonus; der Rücken ist aufgezogen. Bei Palpation der Muskeln ist festzustellen, daß diese leicht gespannt und fest sind (spastisch).

 

Unphysiologisch abgenutzte Krallen oder Exkorationen sind nicht zu sehen. Ebenfalls zeigt der Hund keine Schmerzreaktionen in dieser unphysiologischen Sitzhaltung.

 

Beim Aufstellen des Patienten kann dieser selbständig stehen und belastet alle 4 Gliedmaßen gleichmäßig. Beim passiven Beugen der Hintergliedmaßen kommt es zum leichten Wider-stand, was auf einen erhöhten Muskeltonus hinweist.                           

 

Danach wird der Patient in Bewegung beobachtet. Hierbei ist deutlich festzustellen, daß der Hund und nur wenige Schritte alleine gehen kann. Es  sind ein spastisches Laufen sowie Ata-xien zu beobachten. Dananch ist der Hund nicht mehr in der Lage ist, die Hintergliedmaßen zu bewegen. Es kommt zu der o. g. Sitzhaltung. Stellt man den Hund dann wieder auf alle 4 Gliedmaßen, kann er erneut wenige Schritte unternehmen, fällt dann aber immer wieder in diese sitzende Stellung. Schmerzreaktionen sind allerdings auch bei den Bewegungen nicht zu erkennen.

 

 

 

 

Bei der Untersuchung der Reflexe ist folgendes festzustellen:

 

 

-Patellarreflex:                       Dieser Reflex sollte am relaxierten Muskel in Beugestellung

                                               durchgeführt werden. Bei dem Patienten ist allerdings der Tonus

                                               der Muskulatur der Hintergliedmaße gesteigert, so daß der Re-

                                               flex nur schwer durchführbar ist. Es ist eine Hyperreflexie zu

                                               beobachten.

 

-Beugereflex:                          Hier wird überprüft, inwieweit der Hund die Hintergliedmaße

                                               bei Berührungen beugt. Aufgrund des erhöhten Muskeltonus

                                               ist keine Reaktion erkennbar. Wenn man allerdings die Glied-

                                               maße leicht in Beugestellung bringt, kommt es nach einem an-

                                               fänglichen Widerstand auch hier zu einer starken Beugung

                                               (Taschenmessereflex, Hyperreflexie).

 

Bei Prüfung des sensiblen Nervensystems ist festzustellen, daß sowohl die Oberflächen- als auch die Tiefensensibilität positiv sind, d. h. es sind Schmerzreaktionen vorhanden und der Hund korrigiert unphysiologische Stellungen (z. B. passives Überköten der Gliedmaßen).

 

 

 

4) Diagnose

 

Der Patient leidet an der sog. Teckellähme, die durch eine Discopathie im Bereich des 1. und 2. Lendenwirbels verursacht ist. Das Krankheitsbild der Teckellähme beruht auf einer En-chondrosis intervertrebalis mit einem Diskus- oder Nucleus pulposus-Vorfall.

 

Im Verlauf degenerativer Veränderungen kommt es häufig zur Umwandlung des elastischen, mukoiden Nucleus in chondroides, verkalktes Gewebe. Dadurch und auch durch die mit den Verkalkungen einhergehende Auffaserung des Anulus fibrosus kommt es zum Elastizitätsver-lust der gesamten Bandscheibe, so daß bereits leichte Traumen oder Wirbelsäulenbelastungen ausreichen, den Anulus fibrosus zu sprengen und eine Discopathie zu bewirken.

 

Durch diesen Vorfall des Nucleus fibrosus in den Epidurlaraum kommt es zu Quetschungen oder Läsionen des Rückenmarks mit Druckatropie der Nervenwurzeln und zu den entsprech-enden klinischen Ausfallerscheinungen, wie sie sich in der Teckellähme äußern.

 

Auch altersbedingt kann es zu den o. g. Erscheinungen kommen; da der Patient allerdings erst 5 Jahre alt ist, trifft das hier wohl eher nicht zur.

 

Nucleus pulposus-Vorfälle und die damit verbundenen degenerativen Krankheitsprozesse kommen vorwiegend bei chondrodystrophischen Hunderassen (Teckel, Scotch-Terrier, Spaniel, etc.) vor.

                    

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5) Differentialdiagnose

 

 

5.1 Stumpfes Trauma

 

Stumpfe Traumata können durch großflächige Zug- oder Druckwirkungen auf  das Gwebe zu-standekommen. Es könnte dadurch zu Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule aber auch evtl. im Bereich der Hintergliedmaße und somit zu den o. g. Ausfallserscheinungen gekom-men sein. Stumpfe Traumata zeichnen sich zwar dadurch aus, daß äußerlich keine Verlet-zungen sichtbar sein können -hier der Fall-, allerdings läßt sich aufgrund des palpatorischen Befundes eine solche Differentialdiagnose ausschließen. Es läßt sich zum einen keine Schmerzreaktion bei dem Patienten feststellen, zum anderen sind keine unphysiologischen Befunde, wie z. B. eine Distorsion oder eine Dislokation feststellbar.

 

Auch röntgenologisch lassen sich die o. g. Befunde ausschließen, da bei dem Patienten meh-rere verkalkte Bandscheiben erkennbar sind (T 11 - 12, T 13 - L 1, L 1 - 2 und L 4 - 5).

 

Schließlich sollte noch auf den Vorbericht verwiesen werden, aus dem keinesfalls hervorgeht, daß der Hund aufgrund eines Traumas die beschriebenen Symptome aufweist, sondern plötz-lich Probleme “beim Springen auf den Stuhl hat”, also ohne vorherige Einwirkung. (Es ist al-lerdings anzumerken, daß der Vorbericht in diesem Fall nicht überbewertet werden sollte, da der Besitzer evtl. die Ursache verschweigen könnte).

 

 

5.2. Luxation

 

Diese Differentialdiagnose steht im engen Zusammenhang mit dem oben beschriebenen, da auch hier sehr oft ein stumpfes Trauma die Ursache ist. Eine Luxation, also eine Verrenkung eines Gelenks, ist sowohl mit Schmerzhaftigkeit verbunden, als auch palpatorisch und z. T. sogar adspektorisch erkennbar. Schließlich schließt auch die röntgenologische Untersuchung diese Differentialdiagnose aus.

 

 

5.3. Fraktur

 

Eine Fraktur im Bereich der Wirbelsäule ebtsteht ebenfalls durch Gewalteinwirkung, wie z. B. Verkehrsunfall, Sturz, Tritte, Bisse, etc.). Die Frakturformen können alleine, aber auch zusammen mit Luxationen auftreten, wobei gerade im kaudalen Bereich der Brust- und im Lendenwirbelbereich diese Luxationsfrakturen auftreten.

 

Wird durch eine Fraktur das Rückenmark komprimiert, verletzt oder auch zerstört, kommt es häufig zu motorischen und sensiblen Ausfallserscheinungen (Parese, Paralyse, Hypo- oder Areflexie). Desweiteren kann es auch dazu führen, daß das Tier nicht mehr in der Lage ist, Harn oder Kot abzusetzen.

 

Diese Symptome lassen sich auch bei diesem Patienten feststellen; allerdings sprechen auch hier mehrere Befunde gegen diese Differentialdiagnose. Erstens wäre der geschädigte Bereich immer schmerzhaft -hier nicht der Fall-, zweitens ist wiederum bei diesem Patienten röntgenologisch (immer mit Hilfe der Myelographie) eine Discopathie feststellbar und drittens spricht auch hier der Vorbericht gegen diese Differentialdiagnose.

 

 

 

6) Therapie

 

Da es sehr wichtig ist, die chirurgische Therapie innerhalb vom 24 Stunden durchzuführen, wurde der Patient am 21.05.1996 operiert.

 

Dem Hund wurden Diazepam und Polamivet als Sedativum bzw. Analgetikum verabreicht. Als nächstes wurde eine Myelographie und schließlich eine Hemilaminektomie im Bereich des 1. und 2. Lendenwirbels durchgeführt, d. h. eine einseitige Abtragung der o. g. Wirbel-bögen zwischen Dornfortsatz und Gelenkfacette und Flavektomie zur seitlichen Freilegung

des Wirbelkanals.

 

Da es sich in diesem Fall um eine schwere Parase handelt, ist diese operative Dekompression erforderlich, bei der zu beachten ist, daß sie nicht reversibel ist. Bei Fällen leichter bzw. mitt-lerer Parese ist eine ein- oder beidseitige dorso-laterale Diskusfenestration vorzuziehen.

 

Zur konservativen Therapie gehören sowohl die Applikation von

 

 

            -Glucocorticoiden (hier: Dexasel)

            -Elektrolytlösungen (hier: Sterofundin)

            -Antirheumatika/Antiphlogistika

            -Analgetika

            -Anabolika

            -Vitamine B12-Komplexe

            -Sedativa und Muskelrelantien,

 

 

als auch das Anlegen eines Blasenkatheters sowie die Physiotherapie und das häufige Spa-zierengehen (mit der Physiotherapie wurde bei dem Patienten am 28.05.1996, mit dem Spa-zierengehen am 31.05.1996 begonnen).

 

Der Patient erhielt über den ganzen Zeitraum Antibiotika (Amoxy sowie Clamoxyl); u. E. spielen Antibiotika allerdings für die konservative Therapie keine Rolle und es ist unverständ-lich, warum die Antibiotika dem Patienten verabreicht wurden.

 

 

 

7) Prognose

 

Die Prognose ist immer abhängig von dem Alter des Tieres, seinem Körpergewicht, der Be-reitschaft zur kooperativen Mitarbeit des Besitzers (intensive Pflege) und der Schwere der klinischen und röntgenologischen Erscheinungen einschließlich der Begleiterscheinungen.  Bei diesem Patienten handelt es sich zwar um eine schwere Parese, aber sowohl das Alter des Hundes als auch das Körpergewicht lassen eine gute Prognose erfhoffen. Inwieweit der Be-sitzer auch die entsprechende kooperative Mitarbeit zeigt, ist natürlich nicht klar; u. E. sprechen jedoch die schnelle Vorstellung des Tieres in der Klinik für eine Mitarbeit.

 

 

 

 

 

 

8) Weiterer Verlauf

 

Am 26.05.1996 setzt der Patient zum ersten Mal selbständig Harn ab. Am 28.05.1996 konnte der Patient bereits alleine kurz stehen, auch der Spasmus war nach einer physiotherapeu-tischen Übung besser. Im weiteren Verlauf der Physiotherapie verringert sich der Spasmus deutlich, der Hund wedelt mit dem Schwanz und bewegt die Knieglenke. Am 03.06.1996 wird der Patient entlassen.

 

 

 

9) Epikrise

 

Der Patient leidet an einer Discopathie im Bereich des 1. und 2. Lendenwirbels. Das Erschei-nungsbild dieser Krankheit zeigt sich in der sog. Teckellähme.

 

Der Patient ist prädisponiert für die Teckellähme, da er als Rauhhaardackel zu den sog. chon-drodystrophischen Hunderassen zählt.

 

Aufgrund des Vorliegens einer schweren Parese war eine sofortige Operation unumgänglich. Es wurde eine Hemilaminektomie durchgeführt, um die Kompresssion auf das Rückmark auszuschalten und damit auch die neurologischen Ausfallserscheinungen im Bereich der Hin-tergliedmaße zu beheben.

 

Bei diesem Patienten ist die Operation gut gelungen, so daß bereits nach kürzester Zeit eine Besserung des Zustandes eingetreten ist und der Patient knapp 2 Wochen nach der Operation entlassen werden konnte.

 

Sollte der Besitzer kooperativ mitarbeiten bei der weiteren Behandlung des Tieres, d. h. den Patienten entsprechend pflegen, viel spazieren gehen und auch evtl. spezielle physiotherapeu-tische Übungen (soweit überhaupt möglich) mit dem Hund durchführen, so ist die Rezidivrate sicherlich entsprechend gering und der Hund hat eine gute Aussicht auf eine normale Lebens-dauer. Allerdings bleibt eine Bewegungsfähigkeit zeitlebens bestehen.

>