Fortpflanzungsbericht
Zuchttauglichkeitsuntersuchung
I. Anamnese
Der Bulle soll an eine Besamungsstation in den Niederlanden verkauft und vorher auf Zuchttauglichkeit und Geschlechtsgesundheit untersucht werden.
II. Signalement
Name: x
Tierart: Rind
Rasse: Holstein-Friesian
Geschlecht: männlich
Alter: 4.5 Jahre
Ohrmarken: links Plastik x
rechts Metall x
Stockmaß: ca. 150 cm
Gewicht: ca. 1100 kg
Das Tier ist unbehornt und weist folgende Fellzeichnung auf: Der Kopf ist, bis auf einen handtellergroßen weißen Fleck auf der Stirn, schwarz. Er besitzt eine weiße Bauchlinie, die Beine sind ebenfalls ab Schulter und Sprunggelenk weiß. Am Schwanzansatz befindet sich ein faustgroßer, unregelmäßig weißer Fleck.
III. Klinische Untersuchung
Allgemeine Untersuchung
Da das Tier schwierig im Umgang ist, wurde es für die Untersuchung sediert und zeigt ein dementsprechend ruhiges Verhalten. Es ist aber aufmerksam und nimmt an der Umgebung teil. Der Ernährungszustand kann als gut bezeichnet werden, ebenso der Pflegezustand, abgesehen von einer Liegeschwiele am rechten Tarsalgelenk. Das Tier macht 32 Atemzüge/min. Die Herz- und Pulsfrequenz beträgt 68 Schläge/min. Bei der Auskultation des Pansens sind 3 Kontraktionen/ 2 Minuten gut zu vernehmen. Die Körperinnentemperatur beträgt 38.4°C, die Körperoberflächentemperatur fühlt sich mit Ausnahme der physiologischen Warm- und Kaltzonen gleichmäßig warm an.
Spezielle Untersuchung
Haarkleid, Haut und Unterhaut
Das Haarkleid ist geschlossen, glatt, anliegend und glänzend.
Die Unterhaut läßt sich leicht vom Rippenbogen abheben, eine aufgezogene Hautfalte verstreicht zügig und vollständig.
Auf der linken Körperseite befindet sich im unteren Drittel der 13. Rippe eine etwa faustgroße Umfangsvermehrung. Außerdem ist am rechtem Karpalgelenk cranial eine etwa 5 DM-Stück große Abschürfung der Haut.
Sichtbare Schleimhäute
Die Schleimhäute sind blaßrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen.
Lymphapparat
Die Kopflymphknoten lassen sich nicht palpieren. Die Stammlymphknoten sind ohne Befund. Sämtliche palpierten Lymphknoten sind unter der Haut verschieblich, glatt, von prallelastischer Konsistenz und nicht schmerzhaft.
Kreislaufapparat
Der Herzspitzenstoß ist an der linken ventralen Brustwand gut fühlbar, wobei die Auskulta-tion des Herzens eine Frequenz von 68 Schlägen pro Minute ergibt. Die Herzaktion ist regelmäßig, die Herztöne sind deutlich voneinander abgesetzt. Es sind keine Nebengeräusche zu vernehmen. Die Pulsfrequenz, palpiert an der A. facialis, entspricht der des Herzens. Der Puls ist regelmäßig und kräftig. Die Episkleralgefäße sind fein gezeichnet und mäßig gefüllt.
Die V. jugularis ist anstaubar, d.h. bei der Venenstauprobe fließt die Vene herzwärts völlig leer.
Atmungsapparat
Bei der Adspektion ist eine rhythmische, costoabdominale Atmung feststellbar, die Frequenz beträgt 34 Atemzüge pro Minute. Die Bewegung des Brustkorbes ist symmetrisch und die Ausatmungsluft strömt aus beiden Nasenlöchern gleichmäßig aus. Die Nasenöffnungen sind feucht und das Flotzmaul fühlt sich kühl an. Sowohl Perkussion als auch Auskultation des Lungenfeldes sind ohne besonderen Befund.
Verdauungsapparat
Die Freßlust des Tieres ist gut und der abgesetzte Kot von breiiger Konsistenz. Tränkeaufnahme wurde im Untersuchungszeitraum nicht beobachtet. Die Schleimhäute von Maulhöhle, Zahnfleisch und Zunge zeigen sich bei der Adspektion blaß und unversehrt.
Das Abdomen ist symmetrisch, die Bauchdecke weist eine physiologische Spannung auf. Die Auskultation des Pansens ergibt 3 deutliche Kontraktionen in 2 Minuten.
Sowohl Schmerzperkussion als auch Rückengriff sind ohne besonderen Befund.
Die Perkussion des Leberfeldes ergibt keinen besonderen Befund.
Harnapparat
Harnabsatz wurde während der Untersuchung nicht beobachtet.
Bewegungsapparat
Das Tier belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Am linkem Tarsalgelenk ist lateral eine pflaumengroße Umfangsvermehrung sichtbar. Die weitere Untersuchung des Bewegungsapparates ist ohne besonderen Befund.
Nervensystem und Sinnesorgane
Es sind keine auffälligen Befunde zu erheben.
Geschlechtsapparat – Geschlechtsgesundheit
A. Präputium
Bei der Adspektion ist festzustellen, daß das freie Ende des Präputiums kurz und straff ist mit 3 fingerbreitem Abstand zur Bauchdecke. Es ist gut und in seiner vollen Länge am Unterbauch befestigt. Die Öffnung ist waagerecht und nach cranial gerichtet. Umfangsvermehrungen sind nicht zu erkennen. Der Haarpinsel ist ca. 5 cm lang und feucht aufgrund des vorher erfolgten Deckaktes.
Bei der Palpation war keine Schmerzhaftigkeit, Verengung, Verdickung oder Neubildung festzustellen.
B. Penis
Im nicht ausgeschachteten Zustand kann der Penis nur durch Palpation untersucht werden. Die Penisspitze liegt ungefähr in der Mitte des Präputiums. Der Peniskörper ist etwa daumenstark und weist eine derbelastische Konsistenz auf. Schmerz kann durch die Palpation nicht erzeugt werden. Weiter caudal, im Zwischenschenkelspalt, oberhalb der Basis des Scrotums, ist der ventrale Bogen der S-Biegung palpierbar. Das parietale Schleimhautblatt ist gut gegen das viszerale verschiebbar. Umfangsvermehrungen oder Lageveränderungen können nicht festgestellt werden.
C. Scrotum
Adspektion: Das Scrotum ist caudal im Oberschenkelspalt gut sichtbar, was für diese Spezies charakteristisch ist. Die Aufhängung des Skrotums ist asymmetrisch. Der distale Bereich ist in Falten gelegt. Auf der unpigmentierten Haut des Scrotums, die vollständig, aber schwach von kurzen, weißen Haaren bedeckt ist, sind keine Veränderungen bezüglich Farbe und Umfang zu sehen. An der Skrotumbasis im Inguinalbereich befinden sich beiderseits je zwei haselnußgroße Zitzen.
Bei der Palpation ergibt sich eine prallelastische Konsistenz des Scrotums. Die Hautschichten des Hodensackes (Tunica dartos, Tunica vaginalis) sind gut gegeneinander verschiebbar. Es gibt keine Hinweise auf Entzündungen (Wärme, Schmerzhaftigkeit).
D. Testes
Hoden
Adspektion: Die beiden Hoden sind ca. 10cm lang und ca. 6cm breit, sie haben längsovale Form mit vertikaler Längsachse und mit guter lateraler Bauchung, sie sind hinsichtlich Größe und Form symmetrisch und beidseitig vollständig in den Hodensack abgestiegen. Aufgrund der asymmetrischen Aufhängung des Scrotums liegt der rechte Hoden weiter caudal als der linke.
Bei der Palpation ergibt sich zusätzlich eine prallelastische Konsistenz und gute Verschiebbarkeit der Hoden. Es können keine Wärmebildung, Schmerzhaftigkeit und auch keine Auflagerungen festgestellt werden.
Nebenhodenkopf
Palpation: Die Nebenhodenköpfe sitzen kappenförmig auf dem proximalen Hodenpol und schieben sich craniolateral etwas auf dem Hoden vor. Der linke Nebenhodenkopf ist sehr klein und deshalb schwer palpierbar. Der recht Nebenhodenkopf ist ohne Befund. Beide weisen eine derbelastische, feinkörnig granulierte Konsistenz auf. Sie sind physiologischerweise nur zusammen mit den Hoden innerhalb der Tunica vaginalis verschiebbar. Schmerzhaftigkeit, Wärmebildung oder Umfangsvermehrungen konnten nicht festgestellt werden.
Nebenhodenkörper
Palpation: Sie sind beiderseits die Fortsetzung der Nebenhodenköpfe und steigen caudomedial am Hoden herab. Ihre Konsistenz ist derbelastisch und ihre Oberfläche glatt. Der rechte Nebenhodenkörper ist etwa strohhalmstark, der linke ist kleiner und schwer palpierbar. Es gibt weder einen Hinweis auf Entzündung (Wärme, Schmerz), noch sind Umfangsvermehrungen feststellbar.
Nebenhodenschwanz
Die Nebenhodenschwänze, die sich am jeweiligen distalen Hodenpol befinden, sind deutlich vom Hoden abgesetzt. Der rechte Nebenhodenschwanz ist ca. wallnußgroß und der linke deutlich kleiner. Durch Druck ist keine Schmerzempfindung auslösbar, außerdem sind die Nebenhodenschwänze nicht vermehrt warm. Die Konsistenz ist derbelastisch und die Oberfläche glatt.
Samenstränge
Durch Palpation konnte festgestellt werden, daß der rechte Samenstrang eine rundlich-konische Gestalt besitzt, mit einer breiten Basis auf den proximalen Hodenpol sitzt und mit einem schlanker werdenden proximalen Teil zum Leistenspalt zieht. In der Mitte dieses Verlaufes ist der rechte Samenstrang ungefähr daumenstark. Seine Konsistenz ist derbelastisch und er ist innerhalb des Scheidenhautfortsatzes leicht verschiebbar.
Innerhalb des Funiculus spermaticus ist medial der ca. 2mm starke Ductus deferens palpierbar, ein derber, kordelähnlicher Strang, der gut zwischen Daumen und Zeigefinger verschoben werden kann. Der Ductus deferens geht vom Nebenhodenschwanz aus und steigt medial des Hodens auf. Der linke Samenstrang war nicht palpierbar.
Wärme, Schmerzhaftigkeit, Ein- oder Auflagerungen konnten an den Samensträngen nicht festgestellt werden.
E. Rektale Untersuchung
Auf eine rektale Untersuchung der Samenleiterampullen, Samenblasendrüsen, Prostata, Bulbourethraldrüse, Peniswurzel und Lymphknoten wurde im Rahmen dieser Untersuchung verzichtet.
F. Untersuchung der Potentia coeundi
Beim Probedeckakt wurde eine hervorragende Libido und ein regelhafter Ablauf der Paarungsreflexkette (Erkennen, Kontaktaufnahme, Erektion, Ausschachten, Abgang der Vorsekrete, Aufsprung, Umklammerung, Einsprung, Nachstoß mit Ejakulation) festgestellt.
G. Untersuchung der Potentia generandi
Der Bulle wurde am 25.05.1999 abgesamt. Da bei diesem Probedeckakt erst beim zweiten Sprung eine Samenprobe entnommen werden konnte, wurde das Absamen am 27.05.1999 wiederholt. Die Untersuchung des Spermas, das mit der künstlichen Scheide gewonnen wurde, ergab folgendes Spermiogramm:
Grobsinnliche Untersuchung
Volumen: 1.7 ml (25.05.99)
6.5 ml (27.05.99)
Aussehen, Konsistenz:rahm- bis milchähnlich, nicht homogen
Farbe: elfenbeinfarbend, undurchsichtig
Geruch: geringgradig aromatisch
Beimengungen: Mikroorganismen
Mikroskopische Untersuchung
Die Dichte des Ejakulats wird mit der Thoma-Zählkammer bestimmt.
0.9 Mrd. Spermien/ml (25.05.99)
1.1 Mrd. Spermien/ml (27.05.99)
Die Bewegungsaktivität wurde mit einem Phasekontrast-Mikroskop bestimmt.
Massenbewegung: ++ (25.05.99)
+++ (27.05.99)
Einzelbewegung: 60/15/25 (25.05.99)
65/10/25 (27.05.99)
Die Supravitalfärbung ergab einen Prozentsatz von 38% gefärbten (toten) Spermien.
Der Anteil der morphologisch defekter Spermien beträgt 25%.
Chemisch-physikalische Untersuchung
Der pH-Wert der Samenprobe wurde nicht ermittelt.
IV. Erbgesundheit
Um eventuelle Erbmängel aufzudecken, ist nach Möglichkeit die Vererbungslinie des Bullen im Zuchtbuch nachzuprüfen. Äußerlich ist auffällig, daß das Tier für seine Rasse etwas zu kurz gebaut ist.
V. Diagnose
Die von der Norm abweichende Massen- und Einzelbewegung sowie die hohe Zahl toter und morphologisch defekter Spermien und die palpatorischenBefunde weisen auf eine degenerative linksseitige Nebenhodenstörung hin.
VI. Differentialdiagnose
Infektiöse Erkrankung
Da bei einer infektiösen Erkrankung selten nur eine Gonade betroffen ist, ist diese
Diagnose fast völlig auszuschließen.
Hypoplasie
Da der Bulle bereits am Testbullenprogramm teilgenommen hat und dabei keine Auffälligkeiten beobachtet wurden, ist eine Hypoplasie unwahrscheinlich.
VII. Ätiologie
Die Nebenhodendegeneration kann durch verschiedene Ursachen bedingt sein, wie z.B. Störungen des Hormonhaushaltes, Temperatureinflüsse, Allergien, Störungen der Blutversorgung oder Traumata.
VIII. Prognose
Der linke Nebenhoden ist irreversibel geschädigt und wird seine volle Funktionsfähigkeit nicht mehr wiedererlangen. Aus diesen Gründen entfällt eine Therapie.
IX. Epikrise
Die Differenz zwischen vollentwickeltem linken Hoden und verkleinertem linken Nebenhoden läßt auf eine irreversible Degeneration des Nebenhodens schließen, was sich negativ auf die Spermaqualität auswirkt. Aufgrund dessen kann keine Zuchttauglichkeit bescheinigt werden.
Sollte der Bulle dennoch in die Niederlande exportiert werden, ist eine weiterführende mikrobiologische Untersuchung (Präputial-, Spül-, Vorsekret-, Samen- und Blutprobe) zum Ausschluß von übertragbaren Deckseuchen notwendig. Als weiteres wären die Quarantänebestimmungen der Niederlande zu berücksichtigen.
Was mit dem Bullen geschieht ist nun abhängig davon, ob der Besitzer ihn für Natursprünge betriebsintern einsetzt oder aus wirtschaftlichen Gründen der Schlachtung zuführt.