Kaninchen-02 - retrobulbärer Abszeß

        Heimtierbericht

 

 

 

 

Ausgegeben von Dr. x am 18.02. 2000

 

 

Signalement

 

Bei dem zu untersuchenden Tier handelt es sich um ein beige / schwarzfarbenes Widder Zwergkaninchen.

Es wiegt 2,6 kg, ist männlich, kastriert und am 01.01.1993 geboren.

 

Anamnese

 

Das Tier wurde am 02.02.2000 in der Klinik und Poliklinik für kleine Haustiere vorgestellt, da es laut Besitzerin seit ca. 6 Wochen ein vergrößertes linkes Auge hat. Die Futteraufnahme ist normal und es sind keine Zahnprobleme bekannt.

Der Patient wurde am 02.02.2000 zur Abklärung eines retrobulbären Prozesses eingestellt.

Aufgrund einer leichten Dehydratation wurden dem Tier 100 ml Sterofundin s.c. verabreicht.

Desweiteren wurde zur Steigerung der Immunabwehr das Breitbandantibiotikum Baytril ( Wirkstoff: Enrofloxaxin  10mg/kg s.c. ) gegeben.

Um weiterführende Untersuchungsbefunde zu erlangen, wurde ein Röntgenbild von ventrodorsal erstellt, welches die rechte und linke Bulla klar abgesetzt ( keine Verschattung ) und den Exophtalmus links erkennen ließ.

Um auch die Zahnstellung und Zahnwurzeln beurteilen zu können, wurde eine weitere Aufnahme des Kopfes von lateral erstellt. Das Bild zeigt einen unauffälligen Zahnbefund mit planarer Abriebfläche und geraden Wurzelkanälen im vorderen Bereich der Maulhöhle, im Bereich zwischen den letzten Molaren, Nasenhöhle und Bulbusbereich ist eine wolkige, unscharf abgegrenzte Verschattung erkennbar.

 

Am 08.02.2000 erfolgte eine weitere Untersuchung der Maulhöhle: Es waren keine Verfärbungen, Geruchsveränderungen oder unregelmäßige Reibeflächen vorhanden. Die Zähne waren, bis auf den letzten molaren im linken Oberkiefer, fest und unverschieblich. Um die Ursache des retrobulbären Prozesses weiter abzuklären, wurde vom linken medialen Augenwinkel ausgehend mit einer Kanüle punktiert, um gegebenenfalls Eiter oder Gewebeproben zu entnehmen. Eiter konnte aufgrund der trocken, flockigen Konsistenz des Kanincheneiters nur in sehr geringem Maße gewonnen werden. Unter Narkose wurde der dritte Molare links extrahiert. Zur Narkose wurde Ketamin ( 35mg/kg i.m. ) und Domitor ( 75mg/kg ) benutzt. Domitor ist ein a-2 Mimetikum, das man direkt mit Antisedan antagonisieren kann.

Mit einem Zahnextraktor wurde die bindegewebige Verbindung zwischen Zahn und Alveole gelöst. Danach wurde der Zahn mit einer Zahnzange durch leicht drehende Bewegungen extrahiert.

Nach der Extraktion des Zahnes trat aus der Zahnwurzelhöhle etwas eitrige Masse aus. Der Wurzelkanal wurde mit Braunol ( Polividonlsg. ), zur Desinfektion, gespült. Durch leichten Druck auf den linken Bulbus wurde nun versucht weiteren Eiter, der noch retrobulbär vorhanden sein könnte, über den Zahnwurzelgang auszudrücken. Es war jedoch nicht möglich weiteren Eiter zu entfernen. Auch postoperativ war der Bulbusdruck weiterhin erhöht.

Eine Antibiose, unter Rücksichtnahme auf die grampositive Darmflora, wurde mit dem Antibiotikum Baytril (Enrofloxaxin 10mg/kg s.c.) für zehn Tage verabreicht.

 

Am 10.02.2000 erfolgte eine postoperative Kontrolle ohne weitern besonderen Befund.

 

 

 

 

 

 

 

 

Status Praesens

 

Am Tag der Übernahme, 18.02.2000, ergab die Untersuchung folgende Ergebnisse:

 

 

Allgemeine Untersuchung

 

Bei der Adspektion des Tieres fällt eine Asymetrie des Kopfes auf. Das linke Auge weist einen deutlichen Exophtalmus auf, der mehr nach rostral, als nach lateral reicht.

Das dritte Augenlid ist links sichtbar.

Desweiteren ist im linken Auge ein eitriger Augenausfluß  zu vermerken, Nasenausfluß besteht jedoch nicht.

Der Patient ist aufmerksam aber ängstlich. Das Tier ist in einem guten Pflege- und Ernährungszustand. Die innere Körpertemperatur beträgt 37°C.

 

Haut- und Haarkleid:

Das Haarkleid ist glatt, anliegend, geschlossen und glänzend. Die Haut ist glatt und fest.

 

Schleimhäute:

Die Maulschleimhaut und die Konjunktiva des rechten Auges sind rosa, feucht, glatt und glänzend. Die Konjunktiva des linken Auges ist rosarot und ebenfalls feucht, glatt und glänzend.

 

Zirkulationsapparat:

Aufgrund der Aufregung und der bereits physiologisch hohen Herzfrequenz ist ein Auszählen der Herzfrequenz nicht möglich ( geschätzt auf 300 Schläge/min.). Der Herzrythmus und die Intensität sind regelmäßig.

Die Atmung des Tieres ist ebenfalls aufgrund der Aufregung als etwas erhöht, jedoch noch im physiologischen Bereich einzuordnen (geschätzt auf 60/min.).

 

Digestionsapparat:

Die Adspektion der Maulhöhle ist schmerzfrei und unauffällig. Kotabsatz ist vorhanden und von dunkelbrauner Farbe, fest aber eindrückbar und von kugeliger bis ovaler Form.

Das Abdomen ist weichelastisch, schmerzfrei und symmetrisch.

 

Urogenitaltrakt:

Die Blase ist palpatorisch nicht tastbar. Im Käfig des Tieres ist unauffälliger Harn erkennbar. Die äußeren Geschlechtsorgane sind unauffällig, das Tier ist kastriert.

 

Augen:

Aufgrund des ausgeprägten linksseitigen Exophtalmus prüfen wir die Sehfähigkeit des Tieres, welche noch vorhanden ist.

 

 

Diagnose

 

Das Kaninchen, Filou, hat einen retrobulbären Abszess aufgrund eines entzündlichen Prozesses des Wurzelkanals des dritten Molaren im linken Oberkiefer.

 

 

Differentialdiagnose

 

  1. Tumor ( z.B.: odontogener, von nerval, muskulär oder der Tränendrüse ausgehend)

  2. Entzündlicher Prozess anderer Genese (z.B.: verschleppter Kaninchenschnupfen, entzündete Tränendrüse)

 

Differentialdiagnosen sind durch Punktion; anschließenden histologischen Befund und Röntgenbilder abzuklären.

 

 

 

 

 

Therapie

 

Das Kaninchen wird am 25.02.2000 operiert.

 

OP-Bericht:

Das Einleiten durch eine Injektionsnarkose ist beim Kaninchen oft mit einem intensiven Exzitationsstadium verbunden, die Tiere neigen zu Atem- und/oder Herzstillstand. Um die Einleitung möglichst komplikationslos zu halten werden Ketamin und Xylazin als Narkotika gewählt. Die sedierende und muskelrelaxierende Wirkung des Xylaxins wird durch die sedierende und analgetische Wirkung des Ketamins potenziert.

Die Aufrechterhaltung der Narkose wird durch das Inhalationsnarkotikum Isofluran im Sauerstoff-Lachgasgemisch gewährleistet. Es wird ein besonders kleines Mundstück verwendet, um den Zugang zum linken Auge nicht zu behindern.

Es folgt ein Hautschnitt, lateroventral des linken Auges. Nach vorsichtigem Durchtrennen der oberflächlichen Muskulatur ist eine etwa wallnußgroße Abszesskapsel erkennbar. Es wird nun versucht die gesamte Abszesskapsel freizulegen, um ein Entfernen in toto vorzunehmen, was leider nicht gelingt, da diese zu groß ist und zu tief liegt.

Die Abszesskapsel wird eröffnet, um mit einem scharfen Löffel den fast trockenen, teigigen Kanincheneiter zu entfernen.

Anschließend werden antibiotikahaltige Implantate aus Knochenzement in den verbleibenden Hohlraum eingelegt, um eine intensive lokale Antibiose zu gewährleisten.

Die Wunde wird mit mehreren subcutanen und anschließend cutanen Stichen verschlossen. Der Bulbus ist direkt nach der Operation bereits wieder reponiert, das Sehvermögen des Kaninchens konnte erhalten werden.

 

Weiterführende Therapie:

Das cutane Nahtmaterial muß nach ca. zehn Tagen entfernt werden.

 

Komplikationen

 

Es könnte von der Operationswunde ausgehend zu einer generalisierten Infektion kommen, die das Immunsystem allgemein schwächt.

 

Prognose

 

Die Prognose ist als günstig zu bewerten, da die Ursache des retrobulbären Prozesses vollständig entfernt werden konnte und mit dem Einsetzten der antibiotikahaltigen Implantate eine ausreichende Nachsorge erfolgte.

 

 

Epikrise

 

Das Kaninchen x wurde mit einem retrobulbären Prozess in der Klinik vorgestellt. Nach einer Extraktion des dritten Molaren im linken Oberkiefer und dem Versuch den retrobulbären Prozess danach passiv mit Antibiotika zu behandeln wurde dem Tier am 25.02.2000 ein retrobulbärer Abszess erfolgreich durch Operation entfernt.

 

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