Schwein-01 - Rhinitis atrophicans

Krankheitsbericht

 

 

1.    Signalement

 

Tierart:                                    Schwein

Rasse:                                                 Hybrid aus Deutscher Landrasse und Deutschem

Edelschwein

Geschlecht:                                          männlich, kastriert

Gewicht:                                              ca. 80 kg

Alter:                                                   ca. 6 Monate

Patientennummer:                                x

 

 

2. Anamnese

 

Das Mastschwein wurde in die Klinik eingewiesen, da es eine Asymmetrie am Oberkiefer aufweist. Dabei handelt es sich um ein Bestandsproblem in dem Ferkelerzeuger/Mastbetrieb, das insgesamt zu einer Mastverzögerung führt.

 

 

3.    Status praesens

 

3.1  Allgemeine Untersuchung

 

Das Tier ist aufmerksam und nimmt an seiner Umgebung teil. Es befindet sich in einem mäßigen Pflege- und Ernährungszustand. Das Tier macht 40 Atemzüge pro Minute, die Herz- und Pulsfrequenz beträgt 76 pro Minute. Die Körperinnentemperatur, rektal gemessen, beträgt

38,8 °C. Die Körperoberfläche fühlt sich mit Ausnahme physiologischer Warm- und Kaltzonen gleichmäßig warm an.

 

3.2  Spezielle Untersuchung 

 

Haut und Haarkleid: Das Haarkleid ist geschlossen, glatt, enganliegend und leicht verschmutzt. Die Haarfarbe ist einheitlich hellbeige. Die Haut ist blaß-rosarot, glatt und fest. Hautelastizität und Hautsensibilität sind erhalten. Juckreiz kann nicht festgestellt werden.

 

Schleimhäute: Die Schleimhäute von Maul und Nase sind blaßrosa, feucht, glatt und glänzend, die Konjunktiven sind rosarot und mäßig feucht.

 

Zirkulationsapparat:  Der Herzstoß ist linksseitig neben dem Sternum deutlich fühlbar. Die Auskultation ergibt eine Herzfrequenz von 76 Schlägen pro Minute. Die Herztöne sind von mittlerer Intensität, gleichmäßig und gut voneinander abgesetzt, es sind keine Nebengeräusche wahrnehmbar. Die kapilläre Füllungszeit liegt unter 2 Sekunden.

 

Respirationsapparat: Bei der Adspektion fällt eine stark verkürzte, in Falten gelegte  Profillinie auf. Die Rüsselscheibe ist blaß-rosarot, aus beiden Nasenöffnungen tritt seröser Schleim vermengt mit Blut aus. Bei einer costo-abdominalen Atmung hat das Schwein eine Atemfrequenz von 40 Zügen pro Minute. Die Atmung ist ungleichmäßig und unregelmäßig und wird häufig von Niesen und Husten unterbrochen.

 

Digestionsapparat:  Der Lippenschluß ist unvollständig, da der Oberkiefer verkürzt ist, die Umgebung der Maulhöhle ist durch Speichel, Nasensekret, Blut und Essenreste verschmutzt. Die Zunge ist unverletzt und frei von Auflagerungen. Die Adspektion des Abdomens ist unauffällig, die Palpation ergibt eine physiologische Bauchdeckenspannung. Der After ist geschlossen und sauber. Der abgesetzte Kot hat eine feste Konsistenz, ist geformt und von olivgrüner Farbe.

 

Harn- und Geschlechtsapparat: Penis und Präputium sind gut palpierbar und nicht schmerzhaft. Der beobachtete Harnabsatz ist unauffällig, der Harn ist gelblich-klar und ohne Beimengungen.

 

Bewegungsapparat: Das Tier belastet im Stand alle vier Gliedmaßen gleichmäßig und zeigt beim Laufen keine Lahmheit. Temperatur, Winkelung und Stellung der Gliedmaßen sind physiologisch. Sowohl Weichteile als auch Knochen der Gliedmaßen sind palpatorisch unauffällig. Im Bereich der Klauen sind keine Hornspalten oder andere Veränderungen wahrnehmbar. Das Klauenhorn ist fest-elastisch und von physiologischer Beschaffenheit.

 

Nervensystem: Das Tier verhält sich unauffällig, Lähmungen oder Krämpfe sind nicht zu beobachten. Lid- und Analreflex sind vorhanden. Auch auf den Hautsensibilitätstest erfolgt eine entsprechende Reaktion. Beigebrachte ungewöhnliche Stellungen werden sofort korrigiert.  

 

 

4. Diagnose 

 

Bei der Erkrankung handelt es sich um eine bakterielle Infektion, die Rhinitis atrophicans.

 

 

5.    Differentialdiagnosen

 

Ein rassebedingt verkürzter oder sattelförmiger Oberkiefer ist für dieses Hybrid-Schwein auszuschließen.

Auch eine Entzündung der Pulpahöhlen der Eckzähne, die bei Abszeß- und Granulationsgewebs-Bildungen zu solchen Deformationen des Oberkiefers führen kann, liegt nicht vor.

Weiterhin konnte eine Verhaltensstörung in Form des “Stangenbeißens”, die auch Oberkiefer-verbiegungen hervorrufen kann, nicht beobachtet werden.

 

6.    Ätiologie 

 

Der entscheidende pathogenetische Faktor für die Rhinitis atrophicans sind toxinbildende Stämme von Pasteurella multocida. Das Toxin verursacht eine katarrhalisch-eitrige Entzündung der Nasenschleimhaut und führt zu einer Hemmung der Osteoblasten. So werden die dünnen Knochenlamellen der Nasenmuscheln schnell wachsender Schweine abgebaut und durch Bindegewebe ersetzt. Bordetella bronchoseptica wirkt begünstigend bei der Ansiedlung der Pasteurellen auf der Nasenschleimhaut.

Infiziert werden Saugferkel meist von der Muttersau in den ersten Lebenstagen. Diese Ferkel sind im Laufe der Erregervermehrung die Hauptinfektionsquelle für andere Würfe im gleichen Abferkelstall.

Die Nasenmuschelhypoplasie und die Deformation des Septum nasi sind in der Regel beim Absetzen bereits nachweisbar.

 

 

7. Prognose

 

Die Prognose ist aufgrund der Unwirtschaftlichkeit dieses Tieres eher schlecht. Durch die Toxinwirkung kommt es beim Ferkel zu einer Wachstumsverzögerung. Außerdem sind Mastschweine aufgrund der Oberkieferdeformation und dem durch den Futterstaub häufig ausgelösten Niesreiz beim Fressen in der Gruppe benachteiligt.

Zusätzlich treten bei an Rhinitis atrophicans erkrankten Tieren aufgrund der mangelhaften Filterung der Atemluft häufig Infektionen des Respirationstraktes auf, die wiederum eine Mastverzögerung zur Folge haben können.

 

 

8.    Therapie

 

Die Veränderungen der Kopfknochen sind, wenn sie schon äußerlich wahrnehmbar sind, bereits irreversibel. Da dies bei diesem Mastschwein der Fall ist, ist eine Therapie nicht mehr möglich. Da es sich um ein Bestandsproblem in dem Ferkelerzeuger/Mastbetrieb handelt, ist es notwendig, diagnostische Untersuchungen in diesem Bestand durchzuführen. Diese bestehen daraus, daß Nasentupferproben für den Erregernachweis der toxinbildenden Pasteurellen-Stämme genommen werden und eine Gruppe von 20-50 Schweinen, die älter als 8 Wochen sind, getötet wird, um, nach erstellen eines Oberkieferquerschnitts auf Höhe des ersten Praemolaren, das vorliegen einer Nasenmuschelhypoplasie nachzuweisen. 

 

 

 

 

 

9.    Epikrise 

 

Bei der Rhinitis atrophicans handelt es sich in der Regel um ein Bestandsproblem. Um die Häufigkeit und Schwere derartiger Erscheinungen zu verringern, ist eine Verbindung von hygienischen, chemotherapeutischen und immunologischen Maßnahmen notwendig.

In einem gefährdeten Bestand kann die Prophylaxe daraus bestehen, daß die Muttersauen vor der Geburt mit einer Vakzine, die Antikörper gegen das Pasteurellen-Toxin enthält, passiv immunisiert werden. Zusätzlich sollten die Sauen vor der Geburt (oder besser alle Sauen des Bestandes in regelmäßigen Abständen) und die Ferkel am 1., 3. und 10. Lebenstag chemotherapeutisch behandelt werden. Wichtig ist es auch, im Aufenthaltsbereich der Ferkel sowohl auf eine besondere Hygiene zu achten als auch Zugluft und zu kalte Temperaturen  zu vermeiden.

Da weder die Chemotherapie noch die Vakzination zu einer Befreiung des Bestandes von Erregern der Rhinitis atrophicans führen können, ist in Zuchtbetrieben mit eindeutig nachgewiesenem Befall, eine Räumung und Neuaufbau des Tierbestandes zur Vermeidung der Infektionsausbreitung nicht zu umgehen.   

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