Pferd-37 - Tendinitis mit teilweiser Zerreißung und Auffaserung der Sehne

 

 

Krankheitsbericht

 

 

 

 

1.)   SIGNALEMENT

 

Am x  wurde uns folgendes Tier von x vorgestellt:

Tierart:                   Pferd

Rasse:                    Warmblut

Geschlecht:            Wallach

Alter:                       8 Jahre

Farbe:                     braun

Gewicht:                  560 kg

Abzeichen:              weißer Stichelhaarstirnfleck ca. 3 cm Durchmesser

                                beide Hintergliedmaßen Fessel weiß.

Eigentümerin:          x

Name des Tieres:    x

 

2.) ANAMNESE

 

Am 28.05.2001 wurde das Pferd x mit dem Einweisungsgrund: Umfangsvermehrung am linken Tarsus vorgestellt.

Medial des Sprunggelenkes zwischen Ende Tibia und dem Calcaneus war eine Verhärtung palpierbar. Es war seit dem 04.05.01 eine geringe – mittelgradige Lahmheit sichtbar.

 

 

3.) STATUS PRÄSENS

 

3.1)           Allgemeine Untersuchung:

Das Pferd ist aufmerksam, ruhig und befindet sich in einem guten Pflege- und Ernährungszustand.

 

 

 Die Körperinnentemperatur beträgt 37,5 °C. Die Körperoberfläche des Rumpfes ist gleichmäßig warm; zu den Extremitäten hin nimmt dieKörpertemperatur leicht ab.

Die Kontrolle des Pulses ergab 28 Schläge in der Minute.

 

 

 

 

3.2) Spezielle Untersuchung

 

Haut und Haarkleid: Das Haarkleid ist geschlossen,dicht, glatt anliegend und glänzend. Entsprechend den OP-Vorbereitungen sind folgende Stellen rasiert:

a)     am Hals im Bereich der Vena jugularis externa zwischen 2. und 3. Drittel

b)     linkes Hinterbein um das Sprunggelenk herum.

 

Schleimhäute: Die Maul- und Nasenschleimhäute sind blaßrosa, feucht, glatt und glänzend. Die Conjunctiven sind dunkelrot, feucht, glatt und glänzend und die Kapillaren sind fein injiziert.

 

Lymphknoten: Die oberflächlichen Lymphknoten sind adspektorisch unauffällig. Bei der Palpation läßt sich die Verschieblichkeit der Lymphknoten gegen die Haut feststellen. Sie sind derb-elastisch, druckunempfindlich und symmetrisch zueinander.

 

Zirkulationsapparat: Die Auskultation ergibt  eine Herzfrequenz von 28 Schlägen in der Minute. Es ist ein AV-Block 1. Grades als Herzgeräusch hörbar. Die Pulsfrequenz entspricht der Herzfrequenz. Der Puls ist gleichmäßig, regelmäßig, stark und kräftig, die Gefäßwandspannung ist physiologisch. Die kapilläre Füllungszeit beträgt < 2 Sekunden. Die Vena jugularis externa läßt sich im Halsbereich anstauen und verstreicht bei Lösen des Staus zügig.

 

Respirationsapparat: Bei einem costo-abdominalen Atmungstyp hat das Pferd eine Atemfrequenz von 12 Zügen pro Minute. Die Atmung ist gleichmäßig und regelmäßig. Die Auskultation der Lunge ergibt ein leichtes vesikuläres Inspirationsgeräusch.

 

Digestionsapparat: Das Pferd hat einen guten Appetit und setzt geformten Kot ab. Die Adspektion des Abdomens ist unauffällig.

 

Bewegungsapparat: Das Pferd belastet im Stand alle vier Gliedmaßen gleichmäßig.

Bei der vergleichenden Adspektion der Hintergliedmaßen ist eine Umfangsvermehrung in Höhe des linken Sprunggelenkes feststellbar.

Bei der vergleichenden Palpation der Hintergliedmaßen ist medial zum Calcaneus und Tibia eine Verhärtung spürbar, die verdickt, leicht verschieblich und nicht schmerzhaft ist. In diesem Bereich fiel keine vermehrte Wärme auf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weiterführende Untersuchungen:

 

Aufgrund der vorangegangenen Untersuchungsergebnisse wurden daraufhin folgende weiterführende Untersuchungen an der linken Hintergliedmaße angeschlossen.

 

Lahmheitsuntersuchung: Die Beugeprobe am Carpus links fiel negativ aus, am Tarsus links positiv. Bei dieser Provozierung war schon das Einbeugen schmerzhaft, die linke Hintergliedmaße wurde nicht belastet.

 

Röntgenuntersuchung: Es wurden am 29.05.01 sechs Aufnahmen vom linken Tarsalgelenk im Winkel 90°, 0°, 160° und gebeugt im 90° Winkel gemacht.

Sichtbar sind nur Verkalkungen an der Sehnenscheidenwand.

 

Tendovaginoskopie: Zur OP-Vorbereitung wurde das Pferd vollständig narkotisiert. Über eine Braunüle wurden Xylazin, Ketamin und Diazepam injiziert. Als Narkosegas wurde Isofluran eingesetzt.

Das Pferd wurde in linker Seitenlage abgelegt, der Zugang der Optik erfolgte von medial, proximodistal. Die Sehnenscheide des M. flexor hallucis longus zeigte folgende pathologische Veränderungen: Auffaserung der Sehne, deutliche Blutungen und Hyperämie, an der Sehnenscheidenwand zahlreiche Verknorpelungen und Verknöcherungen, blutend, bei Punktion Verkalkung festsitzend. Die Adspektion der Synovia ergab eine orange-trübe Farbe. Es wurden 3 endoskopische Aufnahmen gemacht.

Der Wundverschluß erfolgte über 2 Donati-Hefte, ein Verband wurde angelegt.

 

Blutuntersuchung: Die Blutwerte halten sich im physiologischen Bereich.

 

 

4.) DIAGNOSE

 

ursprünglich: Aseptische chronische Tendovaginitis calcificans der gemeinsamen

                     Sehnenscheide des M. flexor hallucis longus und tibialis caudalis am

                     medialen Sprunggelenk 

                     

akut: Tendinitis mit teilweiser Zerreißung und Auffaserung der Sehne

 

 

5.)     DIFFERENTIALDIAGNOSE

 

Griffelbeinfraktur: Palpation der Verhärtung und Schwellung zu weit medial

Andere Frakturen: durch Röntgendiagnose ausgeschlossen

Arthrotische Veränderungen: durch Röntgendiagnose ausgeschlossen

 

 

6.)     ÄTIOLOGIE 

  

Die Tendinitis ist eine multifaktorielle Erkrankung:

 

 

-          unterschiedlich starke Beanspruchung der Sehnen bei den verschiedenen         reitsportlichen Disziplinen, wobei die Laufgeschwindigkeit ausschlaggebend ist nicht das Gewicht des Pferdes

-          Gliedmaßenstellung (steile Fesselstellung)

-          Hufbeschlag (zu kurze Hufeisen)

-          ungenügende Kondition führt zu unkoordinierten Bewegungsabläufen, die zur Überlastung einer Gliedmaße oder eines Gliedmaßenabschnittes führen

Es wird vermutet, daß die ständige Überlastung einer Sehne zu einer Vorschädigung (Tendinose) führt, die als prädisponierende Ursache für die Tendinitis anzusehen ist.

 

 

7.)     PATHOGENESE

 

Die Tendinitis tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf. Bei kleineren Schädigungen kommt es zur Zerreißung einzelner Sehnenfibrillen, bei schweren zu Zerreißung ganzer Fibrillenbündel oder der gesamten Sehne. Mit der Ruptur der Sehnenfibrillen kommt es gleichzeitig zur Zerreißung von Blut- und Lymphgefäßen im umgebenden Paratenon oder der Sehne selbst. Durch die Blutungen innerhalb der Sehne werden auch die noch gesunden Sehnenfasern geschwächt bzw. aufgelockert. Neben der Blutung kommt es zur Ödembildung, Fibrinansammlung und damit zu einer Umfangsvermehrung. Durch die lokale Unterbrechung der Blutversorgung können im weiteren Verlauf Faserveränderungen in Form von Degenerationen oder sogar Nekrosen auftreten. Durch die Freisetzung von Enzymen tritt eine weitere Schädigung der Sehnenfibrillen ein.

An den Heilungsvorgängen ist vorwiegend das peritendinöse Gewebe beteiligt. Zunächst kommt es zur Bildung von Granulationsgewebe und anschließendem Umbau in fibrinöses Gewebe. Dieses besteht überwiegend aus dem Kollagen Typ III, gesundes Sehnengewebe aus dem Kollagen Typ I. Mit der Bildung von kollagenem Narbengewebe sind die Heilungsvorgänge abgeschlossen. Jedoch unterscheidet sich dieses Narbengewebe in seinen mechanischen Eigenschaften von gesundem Sehnengewebe. Außer der Kollagenzusammensetzung bestehen Unterschiede in seiner Struktur. Die Sehnenfibrillen sind zunächst nicht streng longitudinal ausgerichtet. Durch eine Bewegungstherapie während der Heilungsphase passen sich jedoch die Kollagenfasern der Belastung an.

Die Rezidivgefahr ist aufgrund dieser veränderten mechanischen Eigenschaften  des Narbengewebes sehr groß, da es eine geringere Elastizität bei etwa gleicher Festigkeit besitzt.

 

 

8.)PROGNOSE

 

Die Prognose für eine Lahmfreiheit und damit vollständige Wiederherstellung des Pferdes ist günstig zu stellen. Zu berücksichtigen ist allerdings die große Rezidivgefahr bei falscher Bewegungstherapie.

 

 

8.)     THERAPIE

 

Voraussetzung für eine erfolgreich Behandlung, ist das Ruhigstellen des Pferdes. Die Ruhigstellung sollte noch 14 Tage über das Entlassungsdatum (12.06.01) hinaus erfolgen. Zur Behandlung des Sehnenschadens wird Hyaluronsäure in die Sehnenscheide injiziert. Weitere 2 bis 3 Injektionen in Abständen von 2-3 Wochen, evtl. auch in größeren Abständen, sollten erfolgen.

Das Pferd darf nach Ablauf der 14-tägigen Ruhigstellung  dann im Schritt kontrolliert unter dem Reiter im weichen Boden bewegt werden. Dies sollte 30 Minuten pro Tag nicht überschreiten. Solange im Trab Lahmheit besteht, muß die Schrittbewegung beibehalten werden.

 

 

 

 

 

9.) EPIKRISE

 

Der Warmblutwallach „x“ wurde am 28.05.01 mit dem Vorbericht Lahmheit seit dem 04.05.01 und einer Umfangsvermehrung am linken Sprunggelenk vorgestellt.

Bei der klinischen Untersuchung wurde eine Verkalkung der Sehnenscheide und eine Sehnenzerreißung diagnostiziert. Da diese Verkalkung  innen zur Sehnenscheide die Wand glatt auskleidet kann dies nicht als Ursache für die Lahmheit angesehen werden, sondern der Sehnenschaden selbst.

Das Pferd ist mit Hyaluronsäure behandelt worden und ein gepolsterter Fersen – Sehnen – Strang Verband wurde angelegt. Weitere Injektionen sollen folgen.

x wurde am 12.06.01 entlassen.

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