Krankheitsbericht
Am 6.6.00 wurde mir folgendes Tier als zur Untersuchung zugewiesen:
I.Anamnese
Der Patient wurde Anfang März durch den Haustierarzt unter Eröffnung des Processus vaginalis kastriert. Am 29.06.00 wurde er aufgrund einer Samenstrangfistel in die Klinik für Pferde der x eingewiesen. Eine Untersuchung ergab, daß die Samenstränge nach proximal nicht abgrenzbar sind und daß die Umfangsvermehrung des Präputiums eine derbe Konsistenz aufweist und mit eitrigem Exsudat gefüllt ist.
Eine Operation wurde am 31.05.00 durchgeführt:
1.) Narkose: Sedivet 3.5 ml
Polamivet 10 ml
Myolaxin 200 ml
Ketamin 10 ml
Diazepam 4 ml
2.) Inhalationsnarkose
3.) Ringerlösung(6l), Gelafundin 400 ml, Solu- Decortin 500 ml
1. Das Pferd wurde in Rückenlage gelagert.
2. Die Fistel wurde zuerst sondiert und die Fistelöffnung umschnitten.
3. Das derbe veränderte Gewebe wurde großflächig entfernt und die beiden Samenstränge nach proximal umschnitten und freipräpariert, bis zum Erreichen des gesunden Abschnittes.
4. Ein Stück oberhalb der Stelle an der erkranktes Gewebe in gesundes Gewebe übergeht wurde eine 4- fach Ligatur mit Vicryl 5 gelegt.
5. Bevor der Wundverschluß nach Donati erfolgte wurde die Wundhöhle noch mit einer Adrenalintamponade gefüllt.
II.Signalement
Tierart: Pferd
Rasse: Vollblut
Geschlecht: Hengst
Gewicht: 495 kg
Alter: 7 Jahre
Name: x
Farbe: dunkelbraun
Abzeichen: weiße Stichelhaare auf der Stirn
Erw.Kenz.: keine
III.Befunde
Allgemeine Befunde
Die Körperinnentemperatur beträgt 37,5°C.
Das Tier atmet gleichmäßig und costoabdomial mit einer Frequenz von 20 Zügen pro Minute.
Der Puls ist gut fühlbar, regelmäßig und gleichmäßig. Die Pulsfrequenz beträgt 28 Schläge pro Minute.
Relevante klinische Befunde aus dem Status präsens
Körperhaltung
Das Pferd steht aufrecht und belastet alle 4 Gliedmaßen gleichmäßig, wobei es die linke Hinterhand leicht nach außen abspreizt.
Verhalten/ Temperament
Das Pferd ist aufmerksam und macht einen lebhaften und interessierten Eindruck.
Ernährungszustand
Der Ernährungszustand ist als mäßig bis schlecht zu bezeichnen
Pflegezustand
Der Pflegezustand ist gut.
Haut- und Haarkleid
Mit Ausnahme zweier geschorener Stellen rechts (10x4cm) und links (5x4cm) am Hals ist das Haarkleid geschlossen, anliegend, glatt und glänzend.
Sichtbare Schleimhäute
Die Schleimhäute im Maul sind rosa, in der Nase pigmentiert, feucht, glatt und glänzend.
Die Konjunkti9ven sind hellrosarot, feucht, glatt und glänzend.
Die kapilläre Füllungszeit beträgt 2 Sekunden.
Lymphknoten
Die Mandibularlymphknoten sind bei Palpation kirschkerngroß, gelappt, verschieblich und nicht schmerzhaft.
Kreislauforgane
Die Auskultation des Herzens ergibt eine Frequenz von 64 Schlägen pro Minute, wobei die Herztöne deutlich zu hören, regelmäßig und gut voneinander abgrenzbar sind.
Geräusche sind nicht wahrnehmbar.
Die Episkleralgefäße sind fein injiziert.
Atmungsorgane
Der Patient atmet gleichmäßig und costoabdominal.
Die Atemfrequenz beträgt 20 Züge pro Minute.
Die Auskultation der Lunge ergibt keinen besonderen Befund.
Verdauungsorgane
Der Patient zeigt Appetit und nimmt während der Untersuchung Heu auf.
Das Abdomen ist symmetrisch.
Die Darmperistaltik ist in allen 4 Quadranten deutlich zu hören.
Der Anus ist geschlossen. Das Tier setzt während der Untersuchung geballten Kot ab.
Geschlechtsorgane
In Höhe des Präputiums befindet sich ein mit Schaumstoff gepolsterter Druckverband aus dem hellrotes Blut austritt
Der Verband ist mittels einer Schlaufe um den Hals des Tieres befestigt.
Das Präputium ist geschwollen und mit Salbe eingecremt. Vor und seitlich des Präputiums befindet sich eine im Durchmesser etwa 25cm große Umfangsvermehrung weicher bis derber Konsistenz.
Bewegungsapparat
Das Tier belastet alle 4 Gliedmaßen gleichmäßig.
An den Gelenken sind keine Veränderungen feststellbar.
Spezielle klinische Befunde im Rahmen des Krankheitsbildes unter Einbeziehung von klinischen Hilfsuntersuchungen
Zur klinischen Hilfsuntersuchung wurde ein Blutbild erstellt:
Das weiße Blutbild liegt hierbei im Normbereich.
Das rote Blutbild hingegen weist verschiedene Abweichungen auf.
- Die Zahl der Erythrozyten liegt mit 6,85x10 etwas oberhalb des Normwertes
- Der Hämoglobinwert (11,3g/dl)
- Der Hämatokritwert (0,329 L/L)
- MCV und MCH sind unverändert
Der Gesamtplasmaeiweißgehalt ist ebenfalls stark erniedrigt (4,0 µmol/l)
Außerdem wurde eine Blutgasanalyse erstellt. Die dort ermittelten Werte befinden sich im Normbereich.
IV.Diagnose
1. Hypoproteinämie
2. Normochrome, normocytäre Anämie
3. Entzündliches Unterhautdödem
V.Ätiologie
Sowohl Hypoptoteinämie als auch normochrome normocytäre Anämie entstehen durch einen akuten Blutverlust. Bei langsam verlaufenden Blutungen wird der Blutverlust zunächst durch Milzkontraktionen zu kompensieren versucht. Danach setzt die Umverteilung des zirkulierenden Blutes ein. Diese Umverteilung ist 24 Std. nach Beginn der Blutung beendet.
Sie wird von einer Wasserretention über die Nieren begleitet, wodurch das Blutvolumen langsam wieder aufgefüllt wird. Allerdijngs entsteht dadurch eine Blutverdünnung, wodurch die Blutparameter eine erniedrigte Erythrozytenzahl aufweisen. Hämoglobingehalt und Hämatokritwert sinhd gleichermaßen erniedrigt. Das MCH und MCV sind unverändert.
Der totale Plasmaeiweißgehalt ist erniedrigt.
Das Unterhautödem ist keine selbständige Erkrankung, sondern eine Sekundärerscheinung.
Es handelt sich um eine Ansammlung von seröser Flüssigkeit im subkutanen Bindegewebe.
Zum entzündlichen Unterhautödem kommt es in der Peripherie eines entzündlichen Infiltrats.
Das entzündlich Ödem geht mit einer Hyperämie einher. Dabei wird eine gesunde Wundumgebung einer accidentellen Wunde oder einer Operationswunde mit entzündlicher seröser Flüssigkeit durchtränkt.
VI.Differentialdiagnose
Keine.
VII.Therapie
2-3 mal täglich H2O- Duschen, Penstrep, Zinksalbe, Bewegung, Finapaste, Eisenpräparate gegen die Verlustanämie
Zur weiteren Therapie wird die Wunde 2-3 mal täglich mit Wasser abgeduscht und anschließend mit Braunovidonsalbe eingerieben. gegen die Verlustanämie werden Eisenpräparate gegeben(20mg Eisen je fehlendem g Hämoglobin/ l Blut). Zur Anregung des Lymphflusses und somit Abschwellung wird Bewegung empfohlen.
VIII.Prognose
Die Prognose ist als gut zu bezeichnen, da die Blutung gestillt werden konnte und die Infektion zurückgedrängt werden konnte.
IX.Epikrise
Der 7 jährige Hengst “x” wird am 29.05.00 mit einer Samenstrangfistel in die Klinik eingeliefert, welche sich aufgrund einer im März erfolgten Kastration gebildet hat.
Die Fistel wurde in der Klinik chirurgisch entfernt und versorgt. In Folge der OP entstanden große Blutverluste infolge einer Sickerblutung aus der OP-Wunde. Hieraus entwickelte sich eine Anämie. Nach Blutungsstillung wird die Wunde täglich versorgt und beobachtet.
Das Pferd muß bis zur endgültigen Wundheilung in der Klinik verbleiben.
Berlin, den 18.06.00
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