Schildkröte-01 - Bakterielle Enteritis

    Berlin, 19.06.96

 

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Matrikel - Nr.:

8. Sem. SS �96

 

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Matrikel - Nr.:

8. Sem, SS �96

 

 

 

 

1. Signalement

 

Bei dem vorgestellten Tier handelt es sich um eine 38 Jahre alte griechische Landschildkröte weiblichen Geschlechts.

Die Schildkröte hat ein Gewicht von 0,5Kg.

 

 

2. Anamnese

 

1993 wurde das Tier an einer Legenot operiert.

Nach dem Erwachen aus dem letzen Winterschlaf hat das Tier nur geringe Futtermengen zu sich genommen. Seit einigen Tagen beobachten die Besitzer eine völlige Inappetenz. Daraufhin erfolgt die Vorstellung des Tieres in der Kleintierklinik.

 

 

3. Status präsens

 

3.1. Allgemeine Untersuchung

Das Tier zeigt kaum Interesse an seiner Umwelt, sondern eher ein apathisches Verhalten.

Der Pflegezustand ist dem Allgemeinbefinden des Tieres entsprechend gut.

Der Ernährungs- und Kräftezustand sind als schlecht zu beurteilen.

In der Bewegung zeigt das Tier eine deutliche Schwäche in beiden Gliedmaßen der Hinterextremitäten.

 

 

3.2. Spezielle Untersuchung:

Haut und Panzer:

Die Haut der Schildkröte ist trocken und faltig. Beiderseits an den Oberschenkeln erscheint die Haut naß, was auf einen Ausfluß noch unbekannter Genese aus der Kloake zurückzuführen ist.

Eine aufgezogene Hautfalte verstreicht nicht sofort wieder, was auf eine                                                      Austrocknung des Körpers hindeutet.

Der Panzer ist auf seiner Oberseite frei von Läsionen oder Auflagerungen und weist auf seiner Unterseite eine ca. 2Ž3cm große Narbe auf, seine Konsistenz ist jedoch fest.

Sichtbare Schleimhäute:

Beim Öffnen der Maulhöhle wird die blasse Schleimhaut sichtbar, außerdem stellt sich der Rachen verschleimt dar.

Die Nasenöffnungen sind frei von Fremdkörpern und trocken; eine Beurteilung der Schleimhaut ist nicht möglich.

Die Augen sind eingefallen trübe und stark verschleimt, die ist besonders deutlich auf der rechten Seite zu sehen.

Verdauungsapparat:

Die Schildkröte verweigert seit mehreren Tagen die Futteraufnahme, die Kloakenöffnung ist mit übelriechendem Kloakeninhalt verschmiert.

Der Kotanteil des Kloakeninhaltes ist von breiiger Konsistenz und hellgelber Farbe, um diesen Kotanteil findet sich ein wäßriger, Urin enthaltender Bereich.

Nervensystem und Bewegungsapparat:

Das Tier ist wach, sein Bewußtsein ist jedoch stark getrübt. Es macht insgesamt einen matten, apathischen Eindruck.

Das spontane Einziehen des Kopfes beim Näherkommen eines Gegenstandes fehlt. Auch die Motorik der Hintergliedmaßen ist außerordentlich eingeschränkt.

 

Blutergebnisse vom 22.05.96 und 24.05.96:

Die Blutentnahme erfolgte jeweils aus der V. saphena.

22.05.1996:

Na: 111 mval/l                       Normalwert: 121-132 mval/l

K:    5,9  mval/l                      Normalwert: 5,1-5,8 mval/l

Crea: 0,33 mg/dl                   Normalwert: 0,1-0,35 mg/dl

BZ: 62 mg/dl                         Normalwert: 50-90 mg/dl

GPT: 2 U/l                             Normalwert:      ?

GOT: 79 U/l                           Normalwert: 42-134 U/l

GLDH: 20,1 U/l                     Normalwert:      ?

Harnsäure: 9,8 ??                 Normalwert: 3-4????

AP: 70 U/l                              Normalwert: 72-120 U/l  

 

 

24.05.1996:

Crea: 0,18 mg/dl                   Harnsäure: 12 ????

 

Röntgenergebnisse:

Es handelt sich um eine ventrodorsale Aufnahme, in welcher die Narbe der Legenotoperation sehr gut erkennbar ist.

Desweiteren stellt sich im mittleren Bauchraum rechterseits, in Höhe der Blase eine ca. 1-Pfennig-große Verschattung dar. Auf gleicher Ebene linkerseits befindet sich eine bohnenförmige Aufhellung, diese ist physiologisch und entspricht dem Magen.

 

Bakteriologische Untersuchung

Aufgrund des nach fischgeruch übelriechenden Kloakenausflusses

wurde eine Tupferprobe entnommen und der bakteriologischen sowie mykologischen Untersuchung zugeführt. Die bakteriologische Beurteilung der Probe hat eine große Anzahl Gram-negativer ß-hämolysierender E. Coli ergeben.

Das erstellte Antibiogramm zeigte bei folgenden Wirkstoffen zweifach  positive Empfindlichkeit:

Chloramphenicol                                       Tetrtacyclin

Gentamycin                                               Enrofloxacin

Neomycin                                                  Trimethoprim/Sulfadiazin

 

Das Ergebnis der mykologischen Untersuchung war negativ.

 

 

4. Diagnose

a) Bakterielle Enteritis

b) Verdachtsdiasgnosen: Blasenstein ( Cystiolithiasis )

                                         Legenot

Zu a)

Bei Schildkröten treten bakterielle Infektionen des Magen-Darm-Traktes bevorzugt nach dem Winterschlaf auf.

Während des Winterschlafes werden sämtliche Funktionen des Organismus auf ein Minimum reduziert, was nicht gleichbedeutend damit ist, daß das Tier seine Energiereserven nicht verbraucht. Nach dem Aufwachen befindet sich der Winterschläfer in einem dementsprechend entkräfteten Zustand, in welchem er für ubiquitär vorhandene Keime besonders anfällig sein kann. Erschwerend kommt hinzu, daß der Patient bereits 38 Jahre alt war, wobei die normale Lebenserwartung einer Griechischen Landschildkröte im allgemeinen zwischen 30 bis höchstens 50 Jahre beträgt.

Da dem Vorbericht nicht zu entnehmen ist, wie die Erkrankung enstanden sein könnte, ist von einer nahrungsbedingten Infektion auszugehen.

Da es sich bei den griechischen Landschildkröten um Pflanzenfresser handelt ist eine vorherige Reinigung des Grünfutters unabdingbar, da die heutzutage für Schildkröten geeigneten Nahrungsmittel oft mit Pestiziden Bakterien u.a. kontaminiert sind. Auf diesem Wege ist die Möglichkeit einer durch Nahrungsmittel verursachten Darminfektion durchaus gegeben. Die Erregerübertragung kann desweiteren auch durch die Aufnahme von verunreinigtem Trinkwasser erfolgen.

Aus der Tatsache heraus, daß es sich bei unserem Patienten um ein sehr altes Tier handelt, welches in einem schlechten Allgemeinzustand aus dem Winterschlaf erwacht, steht einer ungehinderten Vermehrung der

E. coli nichts mehr im Wege. Die Infektion kann sich vom Magenausgang über den gesamten Darm hinweg bis zur Kloake erstrecken.

Diese enteropathogenen Bakterien produzieren vermehrt Enterotoxine, die auf folgende Art und Weise die Darmschleimhaut schädigen:

Es erfolgt eine Stimulation der Adenylatcyckaseaktivität in den Epithelzellen des Darmes, wodurch es zu einer Hypersekretion von Elektrolyten und damit zu einem vermehrten Wasseraustritt kommt.

Mit der durch die Bakterien verursachten Umkehr der physiologischen Prozesse ( Wassersekretion anstatt -resorption ) ist der exsikotische Zustand des Tieres zu erklären. Infolge der hohen Wasseransammlung im Darm hat der abgesetzte Kot flüssig-breiige Konsistenz und einen stinkenden Geruch.

Durch die rapide Verschlechterung des Allgemeinbefindens, die durch den apathischen Zustand des Tieres gekennzeichnet ist, kommt es schließlich zur völligen Inappetenz, welche alsbald mit dem Tod enden kann.

Desweiteren sind durchaus 2 weitere Ursachen dieser Erkrankung in Betracht zu ziehen.

- Bevor eine Schildkröte in den Winterschlaf verbracht wird muß zunächst eine 1-wöchige Hungerperiode erfolgen damit eine völlige Entleerung des Magen-Darmtraktes und der Kloake gewährleistet ist.

Verbleiben hingegen Futterreste im Verdauungstrakt, ist die Möglichkeit der Verdauung durch die niedrige Körpertemperatur nicht mehr gegeben wodurch Fäulnisprozeße in Gang gesetzt werden, was eine massive Vermehrung fakultativ-pathogener Bakterien begünstigt.

- Sollte die für den Winterschlaf notwendige Umgebungstemperatur von 10-13°C, welcher sich die Körperkerntemperatur anpasst, überschritten werden, befindet sich das Tier in einem �Schlaf-Wachzustand�, der keine Futteraufnahme und Immunabwehr erlaubt, aber dennoch die metabolische Stoffwechselleistung ansteigen läßt. Hierdurch ergibt sich ebenfalls die Möglichkeit für die Bakterien sich ungehindert zu vermehren.

In Anbetracht der Tatsache, daß das Tier ein Alter von 38 Jahren erreicht hat, sind diese beiden Möglichkeiten als Krankheitsursache weitestgehend auszuschließen.

 

Zu b)

Unter den Reptilien, können Blasensteine gelegentlich bei Schildkröten auftreten.

Zu den anatomischen Verhältnissen der Schildkrötenblase ist zu sagen, daß diese 2-gelappt ist und eine dünne membranöse, elastische Wand aufweist. Ihre Funktion liegt bei Landschildkröten vor allem in der Rückresorption und Speicherung von Wasser.

Die Größe der Blase kann je nach Füllungszustand variieren, so daß ebenfalls die Lokalisation eines Blasensteines verschieden sein kann.

Vornehmlich jedoch befinden sich Blasensteine im linken Lappen der Blase.

Nach Beurteilung des erstellten Röntgenbildes, müßte sich die 1-Pfennig

große Verschattung innerhalb des linken Anteils der Blase befinden.

Da jedoch nur in einer Ebene geröntgt wurde, ist eine genaue Zuordnung zu einem bestimmten Organ nicht möglich. Für diese Diagnose würden die stark erhöhten Ca-Blutwerte sprechen, wodurch Ca-Phosphat oder Ca-Oxalatsteine entstehen können.

Wurde bei der vor 3 Jahren durchgeführten Legenotoperation der Uterus nicht entfernt, könnte es sich genausogut um ein neugebildetes, persistierendes Ei handeln, das mit der Zeit verkalkt ist.

Mit diesen beiden Verdachtsdiagnosen kann die deutliche Inaktivität der Hinterhand, aufgrund von Schmerzzuständen oder durch Druck auf motorische Leitungsbahnen, in Zusammenhang gebracht werden.

 

 

5. Differentialdiagnosen

 

a) Winterschlafanorexie

Wie schon oben erwähnt, besteht durchaus die Möglichkeit, daß sich das Tier aufgrund von Temperaturschwankungen nicht in einem typischen Winterschlaf, sondern in einem ständigen �Schlaf-Wachzustand� befand.

Dadurch bedingt kommt es zum massiven Verbrauch der Energie-reserven und damit einhergehend zum Kräfteverfall. Es ist davon auszugehen, daß dieser unnatürliche Winterschlaf generell dramatische Folgen für das Tier nach sich zieht; da sich unser Patient zusätzlich noch in einem hohen Alter befand ist davon auszugehen, daß er nicht mehr in der Lage war, diesen Zustand u. a. wegen Altersschwäche zu kompensieren. Wegen der oben genannten Gründe, war die Schildkröte nicht mehr in der Lage Nahrung zu sich zu nehmen. Dieser Zustand führt über kurz oder lang unweigerlich zum Tode.

 

 

 

 

 

b) Parasiten

Die Möglichkeit des Befalls einer Schildkröte mit Helminthen und Protozoen ist durchaus gegeben.

z. B. Der Befall mit Entamöben oder Kokzidien führt zum gleichen klinischen Bild wie bei unserem Patienten. Auch andere parasitäre Erkrankungen können hier diskutiert werden, da aber eine parasitologische Kotuntersuchung nicht erfolgte, sind diese Ursachen rein spekulativ.

 

c) Der röntgenologische Befund in Form einer 1-Pfennig großen Verschattung wurde in der Verdachtsdiagnose bereits erörtert.

 

 

6. Therapie

Zunächst wurden dem Tier zur Behandlung der Exsiccose am 21.05. und 22.05.96 zwei mal tgl 10ml Sterofundin intraperitoneal injiziert.

Außerdem erhielt die Schildkröte an beiden Tagen je 0.35ml Baytril 2.5%.

Der Wirkstoff dieses Medikamentes ist Enrofloxacin und gehört zu den Vertretern der Gyrasehemmern. Sein Wirkungsspektrum umfaßt viele Gram (-) Bakterien, darunter auch E. coli. Wie die durchgeführte bakteriologische Untersuchung ergab, weisen diese E.coli - Stämme eine deutliche Empfindlichkeit dem Wirkstoff gegenüber auf.

 

 

7. Prognose

Hätte sich das Tier nicht in so einem gravierend schlechtem körperlichen Zustand befunden, wären die Therapiemaßnahmen durchaus erfolgreich gewesen.

Eine positive Therapiebeendigung konnte aber nicht erreicht werden, da der Patient bereits zwei Tage nach stationärer Aufnahme verstarb.

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