Pferd-38 - Peritonitis

 

 

Krankheitsbericht

 

 

 

Der Fall wurde mir am x von Herrn Dr. x im Rahmen der klinischen Demonstrationen der Klinik für Pferde zugeteilt.

 

 

Anamnese

 

Das Pferd wurde am x in der Klinik für Pferde aufgenommen. Es zeigte Kolikerscheinungen und war mit Novalgin vorbehandelt. Rechts waren auf dem oberen und unteren Quadranten keine Darmperistaltikgeräusche hörbar. Bei der rektalen Untersuchung waren beide Leistenringe fingerstark geöffnet. Der linke Hoden war vergrößert und druckdolent. Das Pferd hatte eine leichte Acidose. Es wurde eine stattgehabte Hernia inguinalis vermutet.

Das Pferd wurde noch am gleichen Tag operiert. Es wurde eine Kastration nach Müller beidseitig durchgeführt. Dabei stellten sich der linke Hoden hochgradig gestaut und vergrößert und der linke Samenstrang sulzig, hochgradig ödematisiert und an zwei Stellen eingerissen dar.

Nach der Operation zeigte das Pferd gute Appetenz, Kotabsatz aber keine Darmgeräusche auf dem rechten oberen und unteren Quadranten.

Der Wallach fiel in den darauffolgenden Tagen im Hämatokrit stark ab. Vor der Operation lag der Wert bei 0,49, das Gesamteiweiß bei 8,2 g/dl, was zusammen auf eine mittelgradige Dehydratation hinweist. Am 16.10.2000 lag der Hämatokrit bei 0,36 und am 17.10.2000 bei 0,34. Am 17.10.2000 bekam x Fieber, die Temperatur betrug 39,5  C. Daraufhin wurde eine Bauchhöhlenpunktion durchgeführt. Das Punktat zeigte “massenhaft” Leukozyten, von denen 94% segmentkernige neutrophile Granulozyten und 6 % Lymphozyten waren. Des weiteren waren im Punktat 0,47 x 1012 Erythrozyten und 5,2 g/dl Protein. Es wurde in der Linea alba ein Foleykatheter gesetzt und 2 mal mit je 10 l  physiologischer NaCl-Lösung eine Peritoneallavage durchgeführt.

Am 18.10.2000 wurde eine Laparoskopie von der linken Flanke aus durchgeführt. Es wurde eine gelblich-trübe vermehrte Bauchhöhlenflüssigkeit und eine deutliche Gefäßzeichnung auf dem linken Samenstrang, Teilen des Colons und dem Peritoneum gesehen. Es wurde eine weitere Peritoneallavage vorgenommen.  Die Körperinnentemperatur fiel von vor der Laparoskopie 38,5  C auf 38  C 12 Stunden nach der Peritoneallavage.

In den folgenden Tagen zeigte x kein Fieber mehr.

 

 

 

 

Signalement

 

Bei dem zu untersuchenden Pferd x handelt es sich um einen 8jährigen braunen Traberwallach. Zwischen den Nüstern links der Medianen befindet sich eine kleine fleischfarbene Schnippe. Er hat eine walnußgroße knochenharte Auftreibung ventral am rechten Unterkieferast auf Höhe des P2. Das Alter des Pferdes wurde anhand der Zähne geschätzt.

 

 

Untersuchungsbefunde

 

Allgemeinbefunde

 

Der Wallach atmet ruhig costoabdominal mit 12 Zügen/min und hat einen gleichmäßigen flachen weichen Puls mit einer Frequenz von 28 Schlägen/min. Die Venenstauprobe ist beidseitig negativ. Der Appetit des Pferdes ist gut, sein Kot geballt und die rektale Temperatur beträgt 37,7 C. Die Schleimhäute sind blaßrosarot, feucht, glatt und glänzend, die kapilläre Füllungszeit liegt unter 2 Sekunden. Die Herzfrequenz des Patienten beträgt 28/min und die Herzschläge sind intensiv, rhythmisch, gut voneinander abgesetzt und ohne Herzgeräusche. Er ist aufmerksam und reagiert auf die Geschehnisse in seiner Umgebung.  Das Allgemeinbefinden des Wallachs ist ungestört. Darmgeräusche sind auf allen 4 Quadranten leise vorhanden. Das Einspritzgeräusch der Iliocaecalklappe ist nicht zu hören. Der Ernährungszustand ist gut, der Pflegezustand ist ebenfalls gut. Sein Haarkleid ist glatt anliegend und glänzend. Auf der Innenseite des linken Unterarmes ist die Haut über der V. cephalica auf einem 5 x 8 cm großen Bereich geschoren.  Der Wallach ist beidseits im Bereich der Hungergrube auf einer Fläche von 25 x 20 cm geschoren. Die Oberflächentemperatur ist warm, zu den Extremitätenenden abfallend. Seine Beine sind klar.

 

Relevante klinische Befunde aus dem Status präsens

 

Der Hodensack ist beidseits ohne Inhalt, die Haut etwas geschwollen und teigig eindrückbar. Beidseitig ist der Hodensack mit je einer etwa 6 cm langen Wunde versehen, die fast parallel zur Linea alba verlaufen und rechts mit 6 Einzelheften beziehungsweise links mit 5 Einzelheften verschlossen ist. Bei der Palpation des Skrotums zeigt das Pferd Juckreiz im Bereich der Wunden. Das Präputium ist geringgradig teigig eindrückbar und geschwollen. Die Bauchdecke ist leicht gespannt und geringstgradig schmerzhaft. Bug- und Kniefaltenlymphknoten sind nicht zu fühlen.

An der Linea alba befindet sich eine Handbreit caudal des Xiphoids eine 3 cm lange Hautwunde, aus der auf einer Länge von 2 cm ein bleistiftstarker Wulst zu sehen ist. Links ist in der Hungergrube eine weniger als 1 cm im Durchmesser große verkrustete Wunde zu sehen.

Die Vena jugularis ist beidseitig nicht anstaubar, die Region ist auf einer Länge von 15 cm als derber 2 cm im Durchmesser großer Strang fühlbar. Die Ultraschalluntersuchung ergibt beidseitig einen Thrombus der das Gefäßlumen fast vollständig verlegt.

 

Spezielle klinische Befunde im Rahmen des Krankheitsbildes

 

Die speziellen klinischen Befunde im Rahmen des Krankheitsbildes kann ich nur aus der Anamnese erheben.

Am 17.10.2000, 3 Tage nach der Kastration von x bekommt er Fieber von 39,5  C. Das Bauchhöhlenpunktat zeigt “massenhaft” Leukozyten, von denen 94% segmentkernige neutrophile Granulozyten und 6 % Lymphozyten sind. Außerdem sind im Punktat 0,47 x 1012 Erythrozyten und 5,2 g/dl Protein.

Am 18.10.2000 wird mit Hilfe einer Laparoskopie eine gelblich-trübe vermehrte Bauchhöhlenflüssigkeit und eine deutliche Gefäßzeichnung auf dem linken Samenstrang, Teilen des Colons und dem Peritoneum gesehen.

 

 

Diagnose

 

Peritonitis

 

Nebenbefund:

 

Thrombophlebitis beidseitig

 

 

Ätiologie

 

Eine Peritonitis kann durch viele Ereignisse verursacht werden:

 

Eine Darm- oder Magenruptur kann ausgeschlossen werden, da das Bauchhöhlenpunktat keine Darminhaltsstoffe aufwies.

Penetrierende Wunden von außen oder von den Bauchorganen aus waren vor Beginn der Peritonitis nicht zu sehen oder wurden durch das Bauchhöhlenpunktat widerlegt.

Ein intestinaler Infarkt durch Gefäßverschluß konnte bei der Laparoskopie nicht nachgewiesen werden.

Ein Darmtrauma bei einer stattgehabten Inguinalhernie wird vermutet.

Eine Pankreatitis ist aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes unwahrscheinlich. Eine Blutuntersuchung auf  -Amylase und Lipase liegt nicht vor.

Eine Ruptur eines abdominalen Abszesses kann ausgeschlossen werden da im Bauchhöhlenpunktat zwar Entzündungszellen gefunden wurden, jedoch kein Detritus.

Als zweite mögliche Ätiologie kann in diesem Fall eine Peritonitis als Kastrationsfolge angenommen werden.

Bauchhöhlenchirurgie in Form der Punktion wurde erst nach Manifestation der Peritonitis angewand, kommt als Ursache also nicht in Frage.

Ein Trauma das von außen auf den linken Hoden einwirkte ist nicht bekannt, aber möglich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Differentialdiagnosen

 

Differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen sind alle schmerzhaften Prozesse im Abdomen, z.B.:

 

Abdominalschmerz nach einem stumpfen Trauma. Über traumatische Einwirkung von außen ist nichts bekannt.

Eine Pankreatitis liegt aus oben genannten Gründen nicht vor.

Kolikformen ohne Peritonitis wie Krampfkolik oder Opstipationskoliken wurden durch Kotabsatz und das Verhalten des Pferdes ausgeschlossen. Auch sind diese nicht mit einem Körpertemperaturanstieg gekoppelt.

 

Therapie/ Therapiekonzept

 

Das Therapiekonzept setzt sich aus 4 verschiedenen Punkten zusammen:

1. Antibiotika

2. Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID’s)

3. Adhäsionsprophylaxe

4. Peritoneallavage

 

1. Als Antibiotika soll eines mit breitem Wirkungsspektrum eingesetzt werden, z.B. Gentamicin. Gentamicin wird einmal täglich in einer Dosis von 6,6 mg/kg KGW intravenös verabreicht. Bei dieser Art der Dosierung wird im entzündeten Gewebe die minimale Wirkkonzentration über 24 Stunden aufrecht erhalten, auch wenn sie im peripheren Blut schnell unterschritten ist. Die einmal tägliche Injektion schon die Venen, da sie nicht so oft traumatisiert werden müssen. Nach 5 Behandlungstagen sollte die Nierenfunktion überprüft werden und die Behandlungszeit sollte insgesamt 10 Tage nicht überschreiten.

2. NSAID’s werden im Falle einer Peritonitis zur Entzündungshemmung genutzt. Flunixin hat eine starke analgetische Komponente und ist deshalb in diesem Fall zu empfehlen. In einer Dosis von 1 mal täglich 1 mg/kg KGW wird es als Paste oral gegeben. Wegen des Nebenwirkungspotentials, es verursacht vor allem gastrointestinale Läsionen, sollte es nicht länger als 5 Tage verabreicht werden oder erst nach 4 Ruhetagen weitere 3 Tage gegeben werden.

3. Zur Adhäsionsprophylaxe wird Heparin eingesetzt. Heparin verhindert die Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin. Es wird eine “low-dose-Therapie” angewendet. Das heißt, daß unter dieser Therapie noch keine erhöhte Blutungsneigung zu erwarten ist, da die Blutgerinnung nur in noch zu kompensierendem Umfang eingeschränkt ist.  Durchgeführt wird diese Therapie folgendermaßen:

1. Injektion subkutan (s.c.) am ersten Tag mit 150 IE/kg KGW, 2. Injektion s.c. am ersten Tag 12 Stunden nach der 1. Injektion mit 120 IE/kg KGW.

Am zweiten und dritten Tag je zwei mal je eine Injektion s.c. von 120 IE/kg KGW im Abstand von 12 Stunden.


            Zwei mal täglich je eine Injektion s.c. von 100 IE/kg KGW ab dem vierten Tag.

Ebenso verhindert Darmperistaltik Adhäsionen in der Bauchhöhle. Wenn das Pferd gut frißt und gute Peristaltik zeigt, ist eine low-dose-Heparintherapie ausreichend. Ist die Peristaltik stark vermindert, können Metoclopramid, Neostigmin oder andere Properistaltika gegeben werden.

 

4. Eine Peritoneallavage ist ein sehr gutes Mittel zur Keimverdünnung in der Bauchhöhle und um Fibrinausschwitzungen auszuwaschen. Es wird dazu in der Linea alba an der tiefsten Stelle der Bauchdecke ein Foleykatheter gesetzt. Bei diesem Pferd ist das eine handbreit caudal des Xiphoids. Dort erfolgt ein 4 cm langer Hautschnitt und dann wird eine Trokarhülse nach vorsichtigem Präparieren stumpf durch die Bauchdecke gestoßen. Durch diese Trokarhülse wird der Foleykatheter eingesetzt. Mittels dieses Katheters werden 10 Liter (l)  physiologische NaCl-Infusionslösung in die Bauchhöhle eingeleitet. Danach wird das Pferd 10 Minuten Schritt geführt, damit sich durch die Darmbewegung die Flüssigkeit verteilt und eine Art Wascheffekt entsteht. Danach werden diese 10 l  durch den Katheter wieder abgelassen. Der Katheter bleibt liegen und nach 12 Stunden wird die Lavage wiederholt. Da am 18.10.2000 eine Laparoskopie von der linken Flanke aus durchgeführt wurde ist die zweite mögliche Form einer Peritoneallavage über einen Foleykatheter in der linken Flanke ausgeführt worden. Dazu wird 10  l physiologischer NaCl-Infusionslösung  über den Katheter in der Flanke in die Bauchhöhle gegeben. Das Pferd wird 10 Minuten geführt und die Flüssigkeit über den Katheter in der Linea alba abgelassen. Vor dem Eingehen in die Bauchhöhle von der linken Flanke aus ist rektal zu überprüfen ob die Milz in ihrer normalen Größe und Form vorliegt.

 

 

Prognose

 

Bei einer alleinigen Peritonitis ist bei einem Heilungsverlauf der diesem vorliegenden entspricht die Prognose für die Nutzung als Rennpferd günstig einzuschätzen.

Die Prognose ist in diesem Fall wegen der Komplikation durch eine Thrombophlebitis nur als günstig für das Überleben des Pferdes anzusehen.

Ob x weiter als Rennpferd genutzt werden kann hängt vom Heilungsverlauf der beidseitigen Thrombophlebitis ab. Sollten sich die beiden Venae jugulares rekanalisieren ist die Prognose für die Nutzung als Rennpferd günstig. Erfolgt die Rekanalisation nicht ist die Prognose für die Nutzung als Rennpferd ungünstig.

 

 

Epikrise

 

Als Ätiologie der Peritonitis kann hier eine vorübergehende Inguinalhernie angesehen werden. Da zu keinem Zeitpunkt Darm im Leistenspalt nachgewiesen werden konnte wird vermutet, daß Dünndarm in den Leistenspalt vorgefallen war, jedoch wieder in die Bauchhöhle gelangte und sich daraufhin dieser Teil des Dünndarmes und der linke Hoden entzündeten. Nach dem Stress der Kastration entwickelte sich eine Peritonitis.

Erstaunlich ist, daß Darm durch die beiden fingerstark weiten Leistenringe hindurch gelangen konnte. Die Kastration mußte durchgeführt werden, da der linke Hoden vergrößert und druckdolent war.

Währen der Kastration nach Müller stellten sich der linke Hoden hochgradig gestaut und vergrößert und der linke Samenstrang sulzig, hochgradig ödematisiert und an zwei Stellen eingerissen dar. Bei der Kastration wurde der Processus vaginalis weit proximal verschlossen, so daß ein Rezidiv einer Inguinalhernie verhindert wird.

Drei Tage nach der Operation bekam das Pferd Fieber von 39,5  C. Daraufhin wurde eine Bauchhöhlenpunktion durchgeführt. Es ist sinnvoll schon bei Verdacht auf eine Peritonitis ein Bauchhöhlenpunktat zu gewinnen. Ist eine Peritonitis erst klinisch ausgeprägt, ist es für einen Therapiestart zu einer erfolgreichen Therapie im allgemeinen schon zu spät. Die Veränderung des Bauchhöhlenpunktats ist ein viel sensiblerer Indikator für eine sich anbahnende Peritonitis als eine Blutbildveränderung oder ein klinisches Erscheinungsbild, die beide erst verzögert auftreten. Das Punktat zeigte “massenhaft” Leukozyten, von denen 94% Segmentkernige neutrophile Granulozyten und 6 % Lymphozyten waren. Des weiteren waren im Punktat 0,47 x 1012 Erythrozyten und 5,2 g/dl Protein. Dieses Punktionsergebnis läßt auf ein entzündliches Exsudat schließen. Die Diagnose Peritonitis war damit gestellt. Durch die Laparoskopie am 18.10.2000 konnte die Diagnose bestätigt werden. Die Serosa auf dem linken Samenstrang, Teilen des Colons und Teilen der Bauchwand war hyperämisch, also entzündet.

Die Therapie wurde nach dem Schema des Therapiekonzeptes durchgeführt.

Gentamicin bekam das Pferd 5 Tage lang, was im Rahmen der Empfehlung liegt.

Flunixin wurde 4 Tage lang verabreicht, wobei morgens und abends je eine halbe Dosis gegeben wurden.  Diese Strategie bringt die entzündungshemmende und toxinneutralisierende Wirkung des Flunixins in den Vordergrund.

Die low-dose-Heparintherapie wurde bis zum 4. Tag durchgeführt und dann abgesetzt. Properistaltika erübrigten sich, da das Pferd gut fraß und Peristaltik aufwies.

Eine Peritoneallavage wurde insgesamt dreimal durchgeführt. Jedesmal sank das Fieber danach rapide ab, was eindrucksvoll den Erfolg der Manipulation widerspiegelte. Bei der Lavage wird die mechanische Reinigung der Bauchhöhle bewirkt. Ein Zusatz von Antibiotika wird diskutiert. Ich erachte dieses nicht als sinnvoll, da Medikamente das Bauchfell reizen und die Entzündung dadurch fördern können. Mehr Lavages wurden aus zwei Gründen nicht durchgeführt. Erstens war das Fieber für längere Zeit gesenkt und stieg nicht wieder über 38, 5 °C. Zweitens fiel durch die Wunde in der Linea alba Netz vor. Es war sicherer dieses abzusetzen und die Wunde sofort zu verschließen als noch weitere Peritoneallavages durchzuführen und einen größeren Netz- oder Darmvorfall zu riskieren.

In den folgenden Tagen zeigte x kein Fieber mehr wodurch die Entscheidung als richtig bestätigt wurde.

In den weiteren Tagen wurden Wundtoiletten vorgenommen und die Thrombophlebitis behandelt.

Die Peritonitis kann als geheilt angesehen werden.

 

KGW - Körpergewicht

 

 

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