Pferd-09 - Aseptische Podotrochlosis

 

Krankheitsbericht

 

: 8

 

1.) ANAMNESE

 

Am x wurde das Pferd x mit dem Vorbericht Lahmheit in die Pferdeklinik der FU Berlin eingewiesen.

 

2.) SIGNALEMENT

 

Am 9.5.2000 wurde mir folgendes Tier von x zur Untersuchung vorgestellt:

Tierart : Pferd

Rasse : Warmblut

Geschlecht :Wallach

Alter : 13 Jahre

Farbe : schwarzbraun

Gewicht : 590 kg

Abzeichen: Im Kopfbereich zwischen den Augen befindet sich ein unsymmetrischer weißer Stirnfleck rechts von der Medianen. Der Fleck läuft im unteren Bereich zu drei tropfenförmigen, von Stichelhaaren geprägten Flecken aus.

Die Vordergliedmaße rechts ist unregelmäßig Fesselbein hoch weiß und weißt drei Kronflecken auf.

Die Vordergliedmaße links ist unregelmäßig fesselhoch weiß.

Die rechte Hintergliedmaße ist fußhoch weiß und weißt medial zwei Kronflecken auf.

Die linke Hintergliedmaße ist unregelmäßig fußhoch weiß und weißt lateral zwei und medial einen Kronfleck auf.

Der Kiefer weißt einen Überbiß von einer halben Kunde auf.

 

3.) UNTERSUCHUNGSBEFUNDE  STATUS PRAESENS

 

3.1.) ALLGEMEINBEFUNDE

 Körpertemperatur:

- Körperinnentemperatur: 37.5°C

-Körperoberflächentemperatur: gleichmäßig warm, zu den Extremitäten   gleichmäßig abfallend.

 

Pulsfrequenz

Die Kontrolle des Pulses ergibt 36 Schläge pro Minute.

 

Atemtyp und Atemfrequenz

Das Tier macht 16 kostoabdominale Atemzüge pro Minute.

 

3.2) RELEVANTE KLINISCHE BEFUNDE AUS DEM STATUS PRASENS

 

3.2.1) Haltung und Verhalten

 

Der Patient wirkt ruhig und zeigt ein aufmerksames Ohrenspiel. Er belastet alle vier Gliedmaßen, aber nicht gleichmäßig. Die Zehenachse ist gerade und ungebrochen, die Hufe regelmäßig und adspektorisch unauffällig. Die Vordergliedmaßen stellt der Patient zu weit nach vorne. Weiterhin stellt er den rechten Fuß nach außen, der Fesselkopf wird überkötet.

In Bewegung weißt der Patient einen klammen gebundenen Gang auf.

  

3.2.2.) Ernährungs- und Pflegezustand

 

Der Ernährungszustand und der Pflegezustand sind gut.

 

3.2.3) Schleimhäute

 

Die Lidbindehäute und  die inspizierten Anteile der Nasen- und Maulschleimhaut sind rosafarben, feucht, glatt und glänzend. Die Schleimhaut des Zahnfleisches weißt eine KFZ von 2sec. auf.

 

3.2.4) Lymphapparat

 

Die Untersuchung der palpierbaren, oberflächlichen Lymphknoten ergeben folgende Befunde

-Lnn. mandibulares                                  10-16 cm langes, ca. 2cm breites     Lymphknotenpaket, von derbelastischer und leicht körniger Konsistenz

-Lnn. Cervicales superfiziales                  20 *2*2 Paket

Alle in dieser Hinsicht nicht sonderlich erwähnten Lymphknoten sind unter der Haut gut verschieblich und nicht vermehrt warm.

 

3.2.5) Haut und Haarkleid

 

Das Haarkleid ist dicht, glatt, glänzend und bedeckt geschlossen die gesamte  Körperoberfläche.

Die Haut ist adspektorisch unauffällig. Sie ist elastisch und gut verschieblich. Bei Bilden einer Hautfalte über den Rippen verstreicht diese prompt und vollständig.

Es ist kein spontaner Juckreiz festzustellen, auch keiner auslösbar.

 

3.2.6.)Abdomen

 

Das Abdomen ist in kaudal vorgenommener Adspektion symmetrisch. Die Bauchdecke ist kräftig elastisch gespannt. Adspektion, Palpation und Auskultation aller vier Quadranten zeigten keine vom physiologischen Zustand abweichende Befunde.

 

3.2.7.) Verdauungsapparat

 

-Appetit

Das Tier zeigt guten Appetit und frißt die ihm angebotenen Portionen auf.

 

-Kot und Harnabsatz

Der Kotabsatz erfolgt während des gesamten Klinikaufenthalts regelmäßig und in geballter Form. Er bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Der Harnabsatz erfolgt ohne ersichtliche Schwierigkeiten und in größerer Menge.

 

3.3.)SPEZIELLE KLINISCHE BEFUNDE IM RAHMEN DES KRANKHEITSBILDES UNTER EINBEZIEHUNG VON KLINISCHEN HILFSUNTERSUCHUNGEN

 

3.3.1.)Lahmheitsuntersuchung

 

Die Palpation des Fesselkopfes ergibt rechts eine verstärkte Pulsation der Mittelfussarterie.

Weiterhin ist an der rechten tiefen Beugesehne distal eine knotige, walnußgroße  Verhärtung palpierbar. Sie ist zur Haut verschieblich, nicht schmerzhaft und nicht vermehrt warm.

In den Bewegungsformen Schritt und Trab weißt der Patient einen klammen gebundenen Gang auf, beiderseits wird ein Wendeschmerz festgestellt, der rechts stärker als links ist.

Eine Untersuchung mit der Hufzange, wo besonders auf das mittlere Drittel des Strahlbeins geachtet wurde, konnte keine eindeutigen Schmerzen provozieren. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, daß dem Pferd das Stehen auf einem Bein unangenehm ist. Wobei die Reaktion rechts stärker ist als links. Die Lahmheit erscheint nach dieser Untersuchung gering.

Die vorgenommene TPA (Tiefe Palmare Anästhesie- der Rami palmares des Nervus digitalis palmaris) war beiderseits positiv, das heißt die Lahmheit verschwindet unter der Leitungsanästhesie. Dazu wird dem Pferd in der Fesselbeuge beiderseits der tiefen Beugesehne ein Lokalanästhetikum ohne Sperrkörperzusatz subcutan injiziert. Allerdings ist ein `Umspringen` festzustellen, das heisst die Lahmheit springt auf die andere Gliedmaße über.

Der jeweilige Vergleich des schmerzfreien mit dem nicht behandeltem Bein zeigt eine mittelschwere beidseitige Lahmheit

 

3.3.2.) Röntgenuntersuchung (Aufnahmen: seitlich und oxspring)

 

In den Röntgenaufnahmen zeigen sich abgerundete, strahlendurchlässige Areale, die vermutlich Stellen kollabierten und aufgelösten Knorpelgewebes in der Rinde der Sehnenfläche der Srahlbeine darstellen. Weiterhin röntgenologisch darstellbar Veränderungen bestehen aus senkrecht zum distalen Strahlbeinrand verlaufenden Bahnen erhöhter Strahlendurchlässigkeit, die in unterschiedlicher Breite und Länge im Knochen zu verfolgen sind.

 

3.3.4.)Verlaufskontrolle

 

Im weiteren Klinikaufenthalt zeigte der Patient keine Auffälligkeiten. T. P. A. waren im Normbereich. Der Appetit war gut und die Faeces geballt. Kot und Harnabsatz regelmäßig und ohne Probleme.

 

4)DIAGNOSE

 

Aseptische Podotrochlosis an den Vordergliedmaßen

 

5)ÄTIOLOGIE

 

Die Podotrochlosis wird mittlerweile nicht mehr streng als eigenständige Krankheit angesehen, sondern als ein Syndrom in Hinblick auf eine Abnutzungsarthrose.

Die Podotrochlea wird vom Strahlbein, von der Bursa podotrochlearis und dem darüber gleitenden Teil der tiefen Beugesehne gebildet. Die Beugeseite ist der größten Belastung ausgesetzt. Daher finden sich die Veränderungen oftmals im distalen Teil.

Die Überstreckung des Fesselgelenkes beugt das Kronbein, das rotierende Kronbein belastet das Strahlbein bis hinunter auf die tiefe Beugesehne, die dadurch gestreckt wird. Damit wird die distale Hälfte des Srahlbeins fest gegen die tiefe Beugesehne gedrückt. Der ständige Wechsel der auf das Srahlbein einwirkende Zug- und Druckkräfte macht es bei nutzungsbedingter Überbeanspruchung des Pferdes, durch fehlerhaften Hufbeschlag, unregelmäßiger Huf und Gliedmaßenstellung anfällig für degenerative, nicht entzündliche Umbauprozesse, die sich in schmerzhaften Reaktionen an den sensiblen versorgten Anteilen insbesondere an dem Hufbein- Strahlbeinband auswirken.

Die einwirkenden Kräfte bewirken einen fortlaufenden Umbau des Strahlbeines.

Durch Osteoklastentätigkeit kommt es zu buchtenartigen Ausweitungen der Gefäßkanäle. Hier entstehen dann Knorpeleinbrüche und umschriebene Knorpeldefekte, die Läsionen der Beugesehne verursachen und im Röntgenbild als keulenförmige Aufhellung erscheinen.

Das Pferd versucht den Druck der tiefen Beugesehne auf den Knorpel zu vermindern, indem es die Vorderextremitäten nach vorne stellt.

Der degenerative Charakter der Podotrochlosis zeigt sich in variablen `Leidensweisen` der Pferde. Die Erkennung einer deutlichen Lahmheit wird dadurch erschwert, daß sie beidseitig gering bis mittelgradig auftritt.

Eine verstärkte Pulsation der Mittelfussarterie ist nur bei einem akuten Schmerzschub zu verzeichnen.

 

6.)DIFFERENTIALDIAGNOSE (in Abwägung mit der Diagnose)

 

-Podoarthrose/Podoarthritis

-Hufknorpelossifikation

-Stahlbeinfissur bzw.- fraktur

-Pododermatits aseptica

 

Aufgrund der röntgenologischen Untersuchung können die Hufknorpelossifikation, Strahlbeinfissur bzw. -fraktur eindeutig, die Podoartrhrose/Podoarthritis lediglich in Verbindung des Fehlens einer mechanische Behinderung der Gelenkaktion ausgeschlossen werden.

 

7.) THERAPIE/THERAPIEKONZEPT

 

Die Podotrochlose gehört zu den deformierenden Osteoarthropathien, für die eine Behandlung bisher nur in der Beseitigung bzw. Minderung der Schmerzen besteht.

Bei frühen erkannten klinischen Anzeichen ist ein orthopädischer Hufbeschlag anzuraten. Ein Eihufeisen neutralisiert z.B. die anfänglichen Schmerzen bei Strahlbeinerkrankungen, die durch biomechanische Imbalancen entstehen. Dabei wird die Huf-Fessel-Achse korrigiert, die Trachten unterstützt und es bleibt noch genug Raum für den Hufmechanismus.

Eine weitere Therapiemöglichkeit besteht in Arbeitsruhe in Verbindung mit medikamenteller Behandlung ( NSAID). Es wird aber nur die Lahmheit reduziert und führt nicht zur Heilung.

Als ultimo ratio der Lahmheitsbehebung gilt die Neurektomie der Nervi digitales palmares, die bei diesem Patienten vorgenommen wurde.

Dazu wurde der Patient mit alpha 2 Agonisten ( Xylazin/Sedivet-Wirkstoff: Romifidin) vorbehandelt.

Um den Patienten in Narkose zu legen wurden ihm 5ml Sedivet, 11ml Polamivet ( Wirkstoff: Levomethadon), 350 ml 15 % My (Myolaxin-Wirkstoff: Guaifenisin), 11ml 10% Ketamin, 4 ml Diazepam über eine Braunüle verabreicht. Die Inhalationsnarkose wurde über 36   ³ Isofluran erreicht.

Das Pferd wurde in die Seitenlage verbracht und 4 cm über den Fesselbeugen wurden Hautschnitte angebracht. Die Nervi digitales palmares wurden stumpf freipräperiert und ein ca. 1cm langer Nervenabschnitte wurden entfernt. Die Nervenstümpfe wurden proximal mit einer Titanklemme versehen, der die Bildung von Neuromen verhindern soll. Die Hautschnitte wurden mit je 4 Heften nach der Technik von Donati genäht.

 

8.) PROGNOSE

 

Die Verwendungsfähigkeit eines operierten Pferdes wird von der Intensität seiner weiteren Nutzung stark mitbestimmt. Die Neurektomie der Nerven führt zum Ausfall der Sensibilitäten der Hufknorpel, Teile der Sohle und Wandlederhaut, dem Strahlpolster und dem Hufbein, der tiefen Beugesehne, der Strahlbeine, der Bursae podotrochleares und der Haut. So kann die Podotrochlearis unerkannt fortschreiten, Strahlbeinfrakturen können entstehen und werden nicht erkannt. Der Therapieerfolg hält durchschnittlich 2 bis 3 Jahre an. Danach kommt es häufig zum Übergreifen der arthrotischen Prozesse auf das Hufgelenk.

Die Prognose quo ad restitutionem ist schlecht, da eine funktionelle Wiederherstellung bzw. eine anatomische Heilung nicht möglich ist. Das Fortschreiten kann wenn überhaupt nur durch orthopädischen Hufbeschlag verzögert werden.

Das Pferd darf nicht mehr am Leistungssport bzw. Turnieren teilnehmen, da zum einen die Neurektomie zum Doping zählt, zum anderen weil eine übermäßige Belastung die Podotrochlosis forcieren würde.

Die Prognose ad vitam ist gut.

 

9.)EPIKRISE

 

Der Warmblutwallach x wurde am x  mit Vorbericht Lahmheit in die Pferdeklinik  eingewiesen. Bei der klinischen Untersuchung wurde eine beidseitige Podotrochlosis diagnostiziert, welche chirurgisch angegangen wurde.

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