Rind-07 - Peritonitis caudalis

 

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1. Anamnese:

 

Die Kuh zeigt einen aufgekrümmten Rücken und Abmagerungserscheinungen, ebenfalls zeitweise Probleme beim Kotabsatz.

Nach der Kalbung am 22.08.1995 stellte sich eine Gebärmutterentzündung ein und es zeigten sich Ansätze einer Pueperalsepsis.

 

 

2. Signalement:

 

Es handelt sich um eine deutsche Schwarzbunte weiblichen Geschlechts mit ungefähr 500 kg, enthornt. Sie ist zweieinhalb Jahre alt (Zange gewechselt, innerer und äußerer Schneidezahn noch Milchgebiß und in Reibung).

Am rechten Ohr trägt sie eine gelbe Ohrmarke der Klinik mit der Nummer x, am linken Ohr zwei orangefarbene Ohrmarken mit den Ziffern x.

Brandzeichen und Tätowierungen zeigt das Tier nicht.

Die Abzeichen sind folgende:

 

 

3. Klinische Untersuchungen:

 

 

--Allgemeine Untersuchungen

 

 

a) Allgemeinzustand

 

- Das Tier wird stehend angetroffen.

- Die Kuh zeigt reges Interesse an der Umwelt.

- Der Ernährungszustand des Tieres ist mäßig (Abmagerungen an der Kruppenmuskulatur und
  um die Dornenfortsätze erkennbar).

- Guter Pflegezustand, keine Beanstandung der Klauen. Die Kuh zeigt lediglich an beiden
  Hinterextremitäten einen Dekubitus in Höhe des Tarsalgelenkes.

 

b) Körperinnentemperatur

 

- Rektal gemessen beläuft sich die Körperinnentemperatur auf 38,4 Grad Celsius, liegt also im
  physiologischen Bereich.

 

 

 

-- Spezielle Untersuchungen

 

 

a) Haarkleid und Haut

 

Das Haarkleid ist dicht und geschlossen, seidig-matt glänzend und zeigt keine knotigen Veränderungen oder Brüchigkeiten. Es sind kurze, feste Haare, die keinem Haarausfall unterliegen. In der rechten Flanke liegt ein rasiertes Rechteck (20 x 20 cm) mit einer Schittwunde von ca. 2 cm cranioventral unter den Transversalfortsätzen der Lendenwirbel.

Am Bauch liegen die Haare dicht an, die Unterhaut ist weiß, trocken.

Der Analbereich ist mäßig sauber.

 

Die Haut ist hellgraurosa (am Unterbauch beurteilt), elastisch und zeigt eine gewisse Fettigkeit. 

An der rasierten Stelle ist die Haut entsprechend der Pigmentierung schwarz.

Der Hautturgor ist gut; eine am Hals aufgezogene Hautfalte verstreicht sofort.

Es gibt bzgl. der Haut weder Umfangsvermehrungen oder -verminderungen noch Substanzverluste, Effloreszenzen oder Parasiten.

Der Klauenring ist parallel zum Kronsaum sichtbar; es gibt keine sichtbaren Veränderungen (Spalten, Kluften), und auch palpatorisch läßt sich nichts Schmerzhaftes nachweisen.

 

b) Schleimhäute

 

Die Maulschleinhaut ist blaßrosarot, feucht, glatt, glänzend, ohne Auflagerungen. Die Kapilläre Füllungszeit liegt unter 1 Sekunde.

Die Konjunktiven sind schwach injiziert, blaßrosa und feucht.

Die Vaginalschleimhaut zeigt ebenfalls diese schwachrosarote Färbung auf.

 

c) Augen

 

Die Pupillen zeigen keine Lichtscheue; die Bulbi sind symmetrisch; es zeigen sich weder Ausfluß noch Trübung, auch keine Verletzung der Kornea.

 

d) Lymphapparat

 

- Die Kehlgangslymphknoten / Lnn. mandibulares sind nicht palpierbar (physiologisch:
   haselnußgroß, derb-elastisch, verschieblich, nicht schmerzhaft).

- Die Buglymphknoten / Lnn. cervicales superficiales sind walzenförmig, 8 - 10 cm lang,
  derb-elastisch, verschieblich und nicht schmerzhaft.

- Die Kniefaltenlymphknoten / Lnn. subiliaci sind ungefähr 10 cm lang, fingerstark,
  verschieblich und nicht schmerzhaft.

- Die Achsellymphknoten / Lnn. axillares sind nicht palpierbar.

- Die Euterlymphnknoten / Lnn supramammarici sind hier nicht auffindbar.

- Bei der rektalen Untersuchung stellen sich die Darmbeinlymphnkoten / Lnn. iliaci medialis als
  mandarinengroße Strukturen dar.

 

e) Zirkulationsapparat

 

- Der Puls, beurteilt an der A. coccygea, beträgt 72 / min. Er ist rhythmisch (regularis),
  gleichmäßig und gut fühlbar (fortis). Die Gefäßfüllung sowie die Wandspannung liegen im
  physiologischen Rahmen (gut gefüllt, stark gespannt).

- Die A. maxillaris ist schwer zu palpiern.

- Die V. jugularis ist ohne Manipulation nicht sichtbar; nach Stauung tritt sie hervor. Es ist kein
  Venenpuls zu sehen.

- Die Kapillaren, stellvertretend die Episkleralgefäße, sind, wie schon gesagt, schwach injiziert,
  aber deutlich zu sehen.

- Die kapilläre Füllungszeit liegt unter einer Sekunde.

- Der Herzstoß ist fühlbar zwischen 3.und 4. Intercostalraum.

- Die Herzperkussion ergibt eine relative Herzdämpfung im physiologischen Herzfeld. Es wird
  begrenzt nach cranial durch die Anconäenmuskulatur, ventral durch eine horizontale Linie, die
  durch das Ellenbogengelenk bis in Höhe des 6. Interkostalraumes führt und nach
  dorsokaudal durch einen Bogen, der von der Anconaenmuskulatur ausgehend in Höhe des
  Buggelenks beginnt und die ventrale Linie schneidet.

- Die Auskultation des Herzens ergibt 72 Schläge / min (Frequenz) mit gleichbleibender
  Intensität, Regelmäßigkeit und Abgesetztheit, ohne Nebengeräusche (FIRAN).

- Belastungsproben wurden nicht durchgeführt.

 

f) Atmungsapparat

 

- Atmung:

Die Frequenz beläuft sich auf 36 Atemzüge / min; hier wird ein abdominaler Atmungstyp festgestellt. Es sind keine Atemgeräusche oder Dyspnoe vorhanden. Der Strom der Ausatemluft entgleitet beiden Nasenlöchern gleichmäßig.

 

- Nase:

Naseneingang und Umgebung sind feucht und ohne Ausfluß. Das Einatmen geschieht ohne Nüsternbewegung.

Das Flotzmaul (Planum nasolabiale und die Naseneingänge) ist feucht-glänzend, von klarer seröser Flüssigkeit überzogen und mäßig kühl, ohne Auflagerungen.

 

- Ausatmungsluft:

Gleichmäßig, von typischem Geruch.

Strömt gleichmäßig aus.

 

- Nasenhöhlen und -nebenhöhlen:

Die Perkussion ergibt einen lufthaltigen, resonanten, hohl klingenden Klopfschall, ohne Schmerzhaftigkeit.

 

-Husten, Stimme:

Husten ist nicht auslösbar; auch sonst gibt die Kuh keine Schmerzlaute von sich.

 

- Brustkorb:

Es besteht Symmetrie, auch gleichmäßiges Bewegen bei Ein- und Ausatmung. Zum Zeitpunkt der Untersuchung steht die Kuh nicht mehr mit aufgekrümmten Rücken da.

 

-Perkussion:

Beim Rind existieren ein thorakales und ein präskapuläres Lungenfeld. Letztgenanntes cranial der Schultermuskulatur, wo es vom Buggelenk bis etwa zur halben Höhe des Schulterblattes reicht. Bei der Perkussion des thorakalen Feldes ergibt sich beidseitig ein voller Lungenschall. Bereiche mit vermehrter Dämpfung oder überlauter Schall werden nicht festgestellt.

 

-Auskultation:

Im gesamten Lungenfeld deutliches bronchiovesikuläres Atemgeräusch bei In- und Exspiration auskultierbar.

 

g) Verdauungsapparat:

 

- Appetit:

Der Appetit ist zum Zeitpunkt der Untersuchung normal. Das Tier frißt und kaut wider  (über die Fütterung liegen keine Angaben vor).

 

 

- Mund- und Rachenhöhle:

Die Maulspalte ist geschlossen. Bei der Adspektion der Maulhöhle zeigen die Schleimhäute, wie schon beschrieben, die üblichen Beschaffenheiten auf: blaßrosarot, feucht, glatt, glänzend; die Zunge zeigt keine Auflagerungen, und die Zähne stehen in physiologischer Stellung; Zange gewechselt, innere und äußere Milchzähne in Reibung. Es sind alle Zähne vorhanden und, soweit zu sehen, gibt es keine Spitzen oder Kanten. Es zeigt sich keine auffällige Salivation.

 

- Abdomen:

Das Abdomen zeigt eine gewisse Asymmetrie: die rechte Seite ist eingefallen, die linke wölbt sich nach außen vor. Die Bauchwandspannung in der rechten unteren Flankengegend erweist sich als weich und eindrückbar.

Die Perkussion des Abdomens ergibt keinen auffälligen Befund. Die Auskultation des Pansens in der Hungergrube (Fossa lumbalis) beläuft sich auf drei Pansenkontraktionen in zwei Minuten, die sich als an- und abschwellendes Knisterrauschen darstellen.

 

-> Rektale Untersuchung:

 

Nach dem Eingehen sollte man auf die Oberflächenbeschaffenheit, Dicke, Sapnnung der Wand, Inhalt, Druckempfindlichkeit und womögliche Adhäsionen (Verklebungen) achten.

Das Eingehen verursacht der Kuh Schmerzen. Sie steht mit aufgekrümmten Rücken.

Der Beckenrand dient als Ausgangspunkt. An ihm entlangwandernd, trifft man auf die Darmlymphknoten (Lnn. iliaci medialis / Lnn. iliofermorales), die sich als mandarinengroße Gebilde links und rechts vor dem Becken darstellen sollten. Der Pansen mit seinen Pansenpfeilern ist tastbar, mit mäßigem Füllungszustand.

Die Pulsation der Aorta ist fühlbar.

Die Oberfläche der linken Niere ist palpierbar und stellt sich als gelappt dar.

Der Uterus ist zu groß, als daß er unter der Hand versammelbar wäre.

Das Peritoneum, das sich als seröse Haut normalerweise glatt und feucht anfühlen sollte, ist hier rauh.

 

-> nähere Untersuchung:

 

Um diesem Befund nachzugehen, wird eine Endoskopie gemacht. Der Schnitt wird in die rechte Flanke gesetzt, cranioventral ein Handbreit unter den Transversalfortsätzen der Lendenwirbel. Es wird in caudaler Richtung  eingegangen. Die Bilder zeigen starke Rötung, Verklebungen des Bauchfells mit dem Uterus, Fibrinausschwitzungen. Gefäßzeichnungen sind nicht mehr sichtbar, ebenso sind Uterus, Ovar und Blase nicht zu sehen.

 

- Harnapparat:

Zum Harnabsatz nimmt das Rind die physiologische Haltung ein. Der Harn wird in einem kräftigen Strahl kontinuirlich abgesetzt. Die Harnbeschaffenheit ist klar, bernsteinfarben, von typischem Geruch.

 

h) Bewegungsapparat:

 

Das Aufstehen und Niederlegen bereitet keine Probleme oder Schmerzen. Auch das Gehen zeigt keine Abweichungen von der physiologischen Gangart.

 

i) Nervensystem:

 

Das Tier zeigt sich im wachen Zustand den Lebensverhältnissen entsprechend.

Es wurden keine weiteren Untersuchungen dahingegend eingleitet.

 

 

4. Diagnose

 

Aufgrund des rektalen Befundes (rauhes Peritoneum) und der eindeutigen Endoskopie kann bei dieser Kuh die Diagnose einer Peritonitis caudalis erhoben werden. Wahrscheinlich rührt die Bauchfellentzündung von einer Verletzung her, die sich die Kuh während ihrer Kalbung am 22.08.1995 zugezogen hat.

 

 

5. Differentialdiagnose

 

Eine generalisierte Pleuritis ist aufgrund des Endoskopiebefundes auszuschließen.

 

 

6. Prognose

 

Die Prognose ist ungünstig. Das Tier könnte theoretisch mit Antibiotika versorgt werden, der Uterus würde aber zeitlebens mit dem Peritoneum verklebt bleiben. Hier steht die Rentabilität im Vordergrund. Diese Kuh könnte keine Kälber mehr gebären; somit rechnet sie sich nicht mehr für ihren Betrieb.

Wahrscheinlich wird die Kuh Ende dieser Woche geschlachtet.

 

 

7. Therapie

 

Wie schon gesagt, wäre eine Antibiotikatherapie möglich, die Verklebungen sind jedoch irreversibel.

 

 

8. Weiterer Verlauf

 

Die Kuh wird auf den Schlachthof gegeben.

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