Pferd - Kolikdiagnose

Klinische Untersuchung und Diagnostik des Kolikpatienten

 

 

 

 

Einleitung

 

 

Die klinische Untersuchung eines Kolikpatienten ist immer die Untersuchung eines potentiellen Notfallpatienten.

Glücklicherweise handelt es sich bei der überwiegenden Anzahl um transierende okkulte Schmerzzustände, deren Ursache und Entstehung im Dunkeln bleiben. Unglücklicherweise kann sich der Zustand aber spontan, unvorhersehbar und dramatisch verschlechtern. Das erschwert den Umgang und die Voraussicht.

 

Leider läßt sich beim Koliker in vielen Fällen weder eine exakte Untersuchung durchführen noch eine exakte Diagnose stellen. Das tierärztliche Handeln entbehrt damit seiner wesentlichsten Grundlage.

 

Die Schmerzäußerung ist einer der besten Indikatoren für den Grad der zugrunde liegenden Erkrankung. Leider verhindert gerade diese extreme Schmerzhaftigkeit bestimmter Kolikformen eine exakte Untersuchung.

Aber auch bei optimalen Untersuchungsbedingungen ist es vielfach unmöglich zu einer exakten Diagnose zu kommen.

 

Kolikpatienten sind Notfälle und sollten in jedem Falle auch als solche behandelt werden. Das bedeutet, das keine Zeit verloren gehen darf. Ein Pferd mit milden intermittierenden Schmerzen stellt gewiß keine extreme Notsituation dar und kann in Ruhe und gewissenhaft untersucht werden. Pferde mit unkontrollierbaren Schmerzen lassen keinerlei Untersuchung zu. Es besteht der Verdacht auf eine vollständige Darmdrehung, verlorene Zeit geht hier unmittelbar zu Lasten der Überlebensrate.

 

Das Ziel der Untersuchung eines Kolikpatienten ist nicht so sehr die Festlegung einer exakten Diagnose, sondern vielmehr die Zuordnung zu einem der " Kolikformenkreise " sowie die Beantwortung folgender Fragen:

 

1.        Handelt es sich um einen konservativen Fall? 

(die Behandlung kann unter Praxisbedingungen durchgeführt werden)

2.        Handelt es sich um einen chirurgischen Fall?

(der Zustand ist kritisch, eine Überweisung zur chirurgischen Versorgung in eine Klinik muß unmittelbar erfolgen)

3.        Handelt es sich um einen unklaren Fall?

a)       der Patient kann vorerst unter Praxisbedingungen weiter beobachtet werden

b)       der Patient wird zur weiteren speziellen Untersuchung in eine Spezialklinik eingewiesen.

 

Die richtige und schnelle Beantwortung dieser Fragen kann lebensentscheident sein. In jedem Fall sollte bei einem unklaren Verlauf zur Sicherheit des Patienten immer eine Einweisung erfolgen. Die Zurateziehung eines Spezialistenteams, das tagtäglich mit der Entscheidung Chirurgie “ja oder nein” konfrontiert wird, ist einer abwartenden Haltung vorzuziehen. Verbleibt das Pferd nämlich solange im Stall, bis die anfänglich unklaren Erscheinungen sich soweit ausgebildet haben, daß es für jedermann offensichtlich ist, kommt häufig jede Rettung zu spät.

 

Glücklicherweise verlaufen die meisten Kolikerkrankungen (~80%), mit denen der praktizierende Tierarzt konfrontiert wird, harmlos und wenig dramatisch, dennoch sollte in jedem Fall eine exakte Untersuchung durchgeführt werden. Es ist üblich aber leichtsinnig, die positive Reaktion des Patienten auf eine krampflösende Injektion als Ausdruck für eine "harmlose” Kolikform überzubewerten. Die Untersuchung sollte immer vollständig erfolgen.

 

In den spezialisierten Kliniken ist innerhalb der letzten 10-15 Jahren die Erfolgsquote der Behandlungen, nicht zuletzt wegen des geänderten, rechtzeitigen Überweisungsverhaltens, kontinuierlich angestiegen.


Kolikformenkreise

 

 

Die Zuordnung der Kolik zu einem der folgenden Formenkreise ist in Ermangelung einer exakten Diagnose dennoch anzustreben:

 

1.        Milde abdominale idiopathische Kolik

 

2.        Darmtympanie – Dünndarm/Dickdarm gemischt

 

3.        Einfacher Darmverschluß – “simple obstruction” – z.B.: Ileum Obstipation

 

4.        Strangulierender Darmverschluß (Volvulus, inkarz. Hernie)

 

5.        Nicht strangulierender Infarkt

 

6.        Peritonitis

 

7.    Enteritis

 

8.    Ulcerationen

 

9.        Kolikschmerzen aus anderen Organsystemen

 

 

 

Anamnese

 

 

Der klinischen Untersuchung des Patienten geht die Aufnahme des Vorberichtes voran. Der Fragenkatalog gliedert sich in zwei Komplexe:

 

Angaben zur generellen Situation

 

1.        Wie ist das Pferd untergebracht?

 

2.        Wie und wie oft und mit welchem Futter wird das Pferd normalerweise gefüttert?

 

3.        Wie wird das Pferd eingesetzt?

        (Reiten, Rennen, Zucht-Trächtigkeit ja/nein)

        Wann wurde es zuletzt eingesetzt?

 

4.        Wie, womit und wann wurde die letzte Entwurmung vorgenommen?

 

5.        An welchen Erkrankungen hat das Pferd früher gelitten, leidet es heute noch daran?

 

 

 

Angaben zur aktuellen Situation

 

1.    Wie lange dauert die jetzige Kolik? Wie stark sind / waren die Schmerzen?

2.        Wann wurde das Pferd zuletzt getränkt, gefüttert, wann hat es zuletzt welchen Kot abgesetzt?

3.        Gab es einen Wechsel in Fütterung, Wasser, Behandlung, Einstreu, Arbeit, etc. ?

4.        Hat das Pferd geschwitzt?

5.        Welche Schmerzsymptome wurden beobachtet? (Kratzen, Scharren, Rollen, Rückenlage, Schlagen zum Bauch, Umdrehen zum Bauch etc.)

6.        Hat Führen des Pferdes an der Hand geholfen?

7.        Hatte das Pferd früher schon einmal Kolik? Hat das Pferd damals/heute auf die Behandlung angesprochen?

8.        Wurde das Pferd schon einmal an Kolik operiert?

 

 

 

Die klinische Untersuchung

 

 

Die klinische Untersuchung des Kolikpferdes gliedert sich in drei Abschnitte:

 

 

Primäre Untersuchungsgänge

 

(Diese Untersuchungen sollten immer, immer zuerst und bei jedem Patienten durchgeführt werden)

 

Allgemeinbefinden

(Schmerzen kontinuierlich/diskontinuierlich – Verhalten reduziert/erregt – Konstitution)

 

Pulsfrequenz

(Qualität und Rhythmus)

 

Atemfrequenz

(Atemtyp)

 

Untersuchung der Schleimhäute

(Farbe und Wiederfüllungszeit)

 

Bestimmung des Dehydratationsgrades

(Hämatokrit und Gesamtprotein)

 

Rektale Untersuchung

 

Magensondierung

(Flüssigkeit, Gas, Farbe, Geruch, Menge, evt.pH)

 

 

Sekundäre Untersuchungsgänge

 

(Diese Untersuchungen sind fakultativ und erfordern spezielle apparative Ausstattung und Erfahrung)

 

Bauchhöhlenpunktion

(Menge, Aussehen, Laboranalyse)

 

Blutuntersuchung

(weiterführende hämatologische, resp. biochemische Analysen)

 

 

Tertiäre Untersuchungsgänge

 

(Diese Untersuchungen haben entweder eine stark eingeschränkte Aussagekraft bzw. sind Spezialkliniken vorbehalten)

 

Auskultation der Bauchhöhle

(vier Lokalisationen entlang des Rippenbogens)

 

Perkussion der Bauchhöhle

 


Spezielle Untersuchungstechniken

-          Endoskopie

-          Laparaskopie

-          Sonographie

-          Radiographie

-          Kotuntersuchungen

 

 

 

Schmerzen

 

 

Schmerzen sind Leitsymptome für Kolikerkrankungen. Keine Kolik ohne Schmerzen, wobei die Schmerzäußerungen in Form und Stärke variieren. Kolikschmerzen können mild sein, sie können jedoch auch das Pferd veranlassen, mit allen nur denkbaren Übergängen zu toben. Die Schmerztoleranz scheint auch von Individuum zu Individuum zu variieren. Schmerzen können anfallsweise oder kontinuierlich auftreten. Das Verhalten des Pferdes ist über weite Bereiche der Stärke des Schmerzes angepaßt und als Regel gilt:

    

        Je schwerwiegender die Erkrankung, um so stärker die Schmerzäußerung.

 

An sich jedoch ist die Schmerzäußerung eher unspezifisch und kann nicht einer bestimmten Erkrankung zugeordnet werden.

Manche Grunderkrankungen zeigen jedoch in ihrem äußeren Bild hinweisgebende Charakteristika.

 

 

Hinweisgebende Charakteristika mancher Grunderkrankungen:

 

Rückenlage beim Fohlen

Minutenlange Rückenlage bei neugeborenen Fohlen, die unmittelbar nach dem Saugen eingenommen wird, ist häufig Hinweis für ein Magengeschwür. Die Fohlen liegen auch oft in Seitenlage, winkeln die Vorderbeine im Carpalgelenk ab und ziehen sie in die Nähe des Sternums. Weiterer charakteristischer Hinweis ist Zähneknirschen.

 

Rückenlage beim erwachsenen Pferd

Ständiges Rollen und Festliegen der Pferde in Rückenlage sind in der Regel Ausdruck stärkster Schmerzen. Nur noch die Rückenlage bringt kurzzeitige Schmerzverminderung durch Verringerung des Zugs auf das Gekröse.

 

Mekoniumverhalten beim Fohlen

Fohlen stehen immer wieder auf und versuchen unter Pressen und Stöhnen erfolglos Kot und Harn abzusetzen. Der Schweif wird in charakteristischer, bogenförmiger Haltung getragen.

 

Milder Kolikschmerz

Pferd versammelt die Beine unter dem Schwerpunkt, um sich hinzulegen. Diese Bewegung wird immer wieder angesetzt und abgebrochen. Anheben der Vordergliedmaße zum Scharren kann auch beobachtet werden.

 

Brustlage mit rückwärtsgewendetem Kopf

Häufig protrahierter Krankheitsverlauf verbunden mit Stöhnen. Aus der Richtung der Kopfhaltung kann kein sicherer Hinweis für die Lokalisation der Erkrankung gewonnen werden.

 

Hundesitzige Stellung

Wird sehr selten beobachtet, gibt Hinweis auf extreme Füllung bzw. Dehnung des Magens.

 

Miktionsstellung

Pferde nehmen wiederholt Stellung zum Harnabsatz ein 

 

 


Rektale Untersuchung

 

 

Die rektale Untersuchung ist die zentrale und wichtigste Untersuchung beim Kolikpatienten. Sie erlaubt in einigen Fällen eine beinahe unmittelbare Berührung mit den erkrankten Organen bzw. Organteilen, in anderen Fällen mit den Darmteilen die sekundär betroffen sind.

Sie erlaubt ferner Rückschlüsse auf den Formenkreis der Kolik und ist für die Beurteilung der Progredienz, der Kontrolle des Behandlungserfolges bzw. der Prognose zwingend. Sie sollte in jedem Fall und schon bei der Erstuntersuchung durchgeführt werden. Wiederholte rektale Untersuchungen geben Auskunft über die spezifische Dynamik eines Krankheitsgeschehens. Rektale Untersuchungen sind zur Beantwortung der Frage:

Klinikeinweisung und damit ggf. chirurgische Weiterbehandlung unersetzlich..

 

Sie ist bei unvorsichtiger Vorgehensweise sowohl für den Patienten als auch den Untersucher gefährlich. Fatale Schädigungen der Darmwand sind möglich, der Untersucher steht hinter dem Pferd und kann sich bei Abwehrbewegungen verletzen.

 

Werden die allgemein gültigen Vorsichtsmaßnahmen beachtet, sind dennoch auftretende Darmperforationen schicksalhaft bzw. unvermeidbar.

 

 

Äußere Voraussetzungen für die rektale Untersuchung

 

So vorhanden lassen sich rektale Untersuchungen Idealerweise in einem Zwangsstand durchführen (z.B. auf Deckstationen), aber auch Boxen mit halbierter Tür erfüllen denselben Zweck (Cave: auf ausreichenden Abstand zwischen oberen Rand der Halbtür und untersuchendem Arm achten). Die Nasenbremse ist probat und in Kombination mit einem zum Untersucher hin gleichseitig aufgehobenen Vorderbein weitverbreitet.

Bei sensiblen Blutpferden kann sie allerdings einen gegenteiligen Effekt erzielen, insbesondere dann, wenn sie zu fest angelegt wurde. Solche Pferde tolerieren diese Zwangsmaßnahme nur bedingt, und eine medikamentöse Ruhigstellung (Xylazin) bzw. Extraduralanästhesie kann notwendig werden. Fußfesseln können zusätzlich benutzt werde, sind aber eher unüblich.

 

Niemals unter Zwang weiteruntersuchen, Untersuchung lieber abbrechen bzw. auf späteren Zeitpunkt verschieben. Langsam peristaltischen Wellen weicht man aus, stürmische Wellen läßt man über den regungslos liegenden Unterarm bis zur Darmerschlaffung ablaufen.

Der untersuchende Arm wird mit einem Plastikhandschuh geschützt, es sollte niemals ohne ausreichenden Gebrauch von Gleitmittel untersucht werden. Besteht der Verdacht einer Vorschädigung des Darmes, trennt man das Handstück des Plastikhandschuhs ab und ersetzt es durch einen chirurgischen Handschuh. Man erreicht dadurch eine größere Sensibilität zur Untersuchung des fraglichen Darmbereiches. In Ausnahmefällen kann auch mal mit der bloßen, ungeschützten Hand untersucht werden.

 

Die Gefahr einer Darmperforation wird auch dadurch gesteigert, daß zu lange untersucht wird bzw. zwei Untersucher unmittelbar hintereinander dasselbe Pferd rektalisieren. Der reflektorische Darmwandspasmus ändert nach einer gewissen Zeit die Wandelastizität, sie wird rigider und damit verletzbarer. Es empfiehlt sich, die Untersuchung nach einigen Minuten abzubrechen, um sie nach einem ausreichenden zeitlichen Intervall fortzuführen.

 

Eine systematische Untersuchung der Bauchhöhle hat sich als nützlich erwiesen. Dazu wird das Untersuchungsfeld, von kaudal betrachtet, in vier Quadranten unterteilt und nacheinander abgetastet. Man beginnt jeweils mit den tiefer liegenden, schwerer erreichbaren Strukturen und schließt mit den weiter kaudal liegenden Abschnitten ab. Bei besonders großrahmigen Pferden wird die Untersuchung u.a. dadurch erleichtert, daß der Untersucher seinen Standpunkt erhöht. Die Diagnose der Aufhängung der linken Kolonlagen auf dem Milznierenband erfordert u.U. eine solche Position des Untersuchers.

 

Primär oder sekundär meteorisierte Anteile des Caecums resp. des Colon ascendens können die rektale Untersuchung erschweren. Die erneute Untersuchung nach Trokarierung und Druckentlastung bringt dem Patienten spontane Erleichterung und verbessert die Untersuchungsmöglichkeiten erheblich.

 

 

 

 

 

Regelbefunde in den vier Bauchhöhlenfeldern

      

*** regelmäßig    ** wahrscheinlich    * selten auffindbar

 

1. linkes dorsales Feld                                                   2. rechtes dorsales Feld

    Colon descendens ***                                                     Colon descendens **

    Linke Niere ***                                                               mediale Caecumtänie ***

    Milzrand ***                                                                    Caecumkopf, -körper *

    Aorta ***                                                                          Duodenum *

    Vordere Gekrösewurzel **                                               Aorta ***

    Milznierenband **                                                            vordere Gekrösewurzel ***

 

3. linkes ventrales Feld                                                  4. Rechtes ventrales Feld

    Colon ascendens **                                                          Colon descendens ***

    Beckenflexur **                                                                Beckenflexur *

    Colon descendens **                                                        mediale Caecumtänie **

    Inguinalring beim männlichen Tier ***                           Inguinalring beim männlichen Tier ***

                                                                                              Vor dem Beckenrand werden die Harnröhre, die

                                                                                              Harnblase, die Gebärmutter mit Eierstöcken und

                                                                                              Gebärmutterbändern aufgesucht und befundet.

 

 

Caekumpunktion.

 

Das tympanische Caecum wird von der rechten Flanke aus punktiert. Dazu rasiert man eine ca. handtellergroße Fläche zwischen Hüfthöcker und letzter Rippe und präpariert diese Stelle für einen sterilen Eingriff. Eine lokale Anästhesie ist in der Regel nicht erforderlich, milde Zwangsmaßnahmen wie Nasenbremse sind zwingend. Mit spitzem Skalpell wird eine Stichincision handbreit unterhalb der Rippenquerfortsätze und halbwegs zwischen Hüfthöcker und letzter Rippe angebracht. Die Caecumtrokarhülse hat eine Länge von mindestens 15cm und einen Durchmesser von 4mm und wird stoßartig mit dem scharfen Trokar eingebracht. Der Ellbogen der linken Körperseite dient als Zielpunkt der Stoßrichtung. Nach Entfernen des Trokars gibt das Entweichen größerer Mengen Gas eine Garantie für den korrekten Sitz des Trokars. Die Verabreichung von oberflächenaktiven Medikamenten durch die Trokarhülse in den Blinddarm hat sich bewährt. Sistiert der Gasaustritt vorübergehend, führt man den Trokar erneut ein und entfernt schließlich Hülse mit Trokar. Caecumtrokarierungen können wiederholt durchgeführt werden; wie bei allen Bauchhöhlenpunktionen sollten die Pferde zur Prophylaxe der Stichkanalinfektion bzw. einer circumscripten Peritonitis für mindestens drei Tage parenteral antibiotisch versorgt werden.

Die Punktion des aufgegasten Kolons – von rektal oder durch die linke Flanke – ist eine absolute Ausnahme. Die Verletzungsgefahr des Patienten ist groß, Fremdpunktionen beinahe unvermeidbar. Wenn erforderlich, benutzen wir eine wesentlich dünnerlumige, lange Kanüle, um den unvermeidbaren Austritt von Darminhalt in die freie Bauchhöhle zu minimieren.

 

Nach Abschluß der rektalen Untersuchung sollte es möglich sein, die intestinale Störung einem spezifischen Formenkreis bzw. einem bestimmten Darmabschnitt zuzuordnen.

Mindestanforderung ist jedoch die Beantwortung der Fragen:

Liegt die Störung im Dünndarmbereich?

Liegt die Störung im Dickdarmbereich?

Die Störung kann einem bestimmten Darmabschnitt nicht exakt zugeordnet werden. Sind weitere Untersuchungen resp. Nachuntersuchungen erforderlich?

 

 

Durchführung

 

Die Punktionsstelle liegt in der Mitte zwischen dem rechten Hüfthöcker und der letzten Rippe ca. handbreit distal von den Querfortsätzen der Lendenwirbel. Die Punktionsstelle wird rasiert und desinfiziert, anschließend erfolgt eine Stichincision durch die Haut mit spitzem Skalpell. Stichrichtung ist der Ellenbogenhöcker der gegenüberliegenden Körperseite. Cave: Wenn gefüllte Dünndarmschlingen im rechten dorsalen Feld fühlbar, auf Punktion verzichten, ausreichend langen (15cm) und großlumigen(Durchmesser 4mm)

Trokar verwenden.

 

 

Regelbefunde bei charakteristischen Situationen

 

Milznierenbandaufhängung

(Verlagerung des Colon ascendens, in den Milznierenraum, nephrosplenic entrapment)

 

Linke Kolonlagen (steno-stenotisch) gefüllt, palpierbare Tänien ziehen konvergierend ins linke dorsale Feld, Milz in Nähe der Medianlinie palpierbar, Milznierenband weit kranial gespannt (evt. Rektale Untersuchung vom Hocker aus erforderlich), schmerzhaft und "aufgehängter " Darm fühlbar.

Magensonde häufig positiv, da Kompression des Duodenums, Bauchhöhlenpunktion häufig rein blutig, da Punktion der ventral verlagerten Milz.

Regel: Unbedingt das Milznierenband bzw. die linke Niere aufsuchen!!! Wenn rektale Untersuchung eindeutig, stimmt die Diagnose, wenn nur Verdacht auf Milznierenbandaufhängung, liegt meistens eine andere Störung zugrunde.

 

 

Obstipation des Colon ascendens

 

Prall gefülltes Colon im linken dorsalen und den beiden ventralen Feldern, Darmwand unverdächtig, glatt, eindrückbar. Die Darmposchen sind weitgehend verstrichen. Caekumtympanie rechts als häufiger sekundärer Befund

 

 

Sekundäre Koteintrocknung des Colon ascendens

 

Stark gefülltes, spastisches Colon im linken dorsalen bzw. ventralen Feld. Darmwand ohne besonderen Befund. Auf Grund der starken Austrocknung des Inhalts ist die Oberfläche tiefgefurcht.

Cave: Wird gerne mit Obstipation verwechselt – die Grunderkrankung ist in der Regel ein Dünndarmverschluß – die Verabreichung von Abführ- bzw. mechanischen Gleitmitteln per Nasenschlundsonde kann in einem solchen Falle fatal sein.

 

 

Caekumtympanie

 

Stark gefüllter Darm im rechten dorsalen und in den beiden ventralen Feldern, Darmwand normal, mediale Caekumtänie hochgradig querverspannt von rechts dorsolateral nach links medioventral ziehend. (Diese Tänie ist gefäßlos und erinnert an eine straff gespannte Wäscheleine). Colon kann ebenfalls tympanisiert sein.

Regel. Caecumpunktion und erneute rektale Untersuchung.

Bei der Wahl der Punktionsstelle die durch die Tympanie veränderten anatomischen Anhaltspunkte berücksichtigen –  es wird in der Regel zu weit nach ventral punktiert. Auf Dünndarmschlingen im rechten dorsalen Feld achten, wenn vorhanden, auf Punktion verzichten.

 

 

Caecumobstipation

 

Mittelgradig bis stark gefüllter, eindrückbarer Dickdarm im rechten dorsalen und ventralen Feld, Darmwand manchmal ödematisiert, Tänien fühlbar. Bei Caecumkopfobstipationen ist die Bauchhöhle "leer" und nur sehr weit cranial dorsal eine rundliche, ausweichende Umfangsvermehrung nur mit den Fingerspitzen fühlbar.

Wird selten diagnostiziert, weil zu weit cranial gelegen.

Wird gerne mit Eierstockstumor bzw. Abszeß verwechselt.

 

 

Dünndarm-Obstruktion

(einfach – strangulierend)

 

Anfänglich einzelne, später zahlreiche, straffe, mit Flüssigkeit gefüllte Dünndarmschlingen. Die einzelnen Schlingen liegen wie “gestapelt” über- bzw. nebeneinander.

Cave: Keine Bauchhöhlenpunktion, da unkontrollierbarer Austritt von Darminhalt möglich – in der Regel ist eine chirurgische Weiterbehandlung erforderlich.

 

Einfache Dünndarm-Obstruktion

(z.B. Ileumobstipation)

 

Rechtes dorsales Feld blinendende, halbkreisförmige, unterarmstarke Darmschlinge mit festem eindrückbarem Inhalt; anfänglich einzelne dann rapid zunehmende Anzahl von flüssigkeitsgefüllten Dünndarmschlingen fühlbar.

Regel: Wiederholte rektale Untersuchung lassen bei dieser Erkrankung eine hochwahrscheinliche Verdachtsdiagnose zu.

 

 

Strangulierende Dünndarm-Obstruktion

(z.B. Inkarzeration ins Foramen epiploicum)

 

Rechts- bzw. linksseitig vor dem Beckenrand ziehen Dünndarmanteile in den inneren Leistenring Richtung Skrotum. Die Darmschlingen sind anfänglich prästenotisch nicht flüssigkeitsgestaut. Späterhin werden sie fleischig und reagieren auf Zug schmerzhaft.

Die Diagnose kann durch sorgfältige Untersuchung des Skrotums samt Inhalt abgesichert werden.

 

 

Einfache Dünndarm-Obstruktion

(Duodenitis – prox. Jejunitis)

 

Hoch dorsal im rechten resp. linken dorsalen Feld sehr weit cranial eine bzw. mehrere mäßig flüssigkeitsgefüllte Dünndarmschlingen. Der Füllungszustand der Darmschlingen ist geringer als bei den anderen einfachen oder strangulierenden Obstruktionen. Linkes ventrales Feld Colon ascendens mit Koteintrocknung, ebenso wie rechtes ventrales Feld – eingetrockneter Caecuminhalt.

Cave: Magensondierung – häufig große Mengen rötlich verfärbten Reflux (> 20 l).

 

 

 

Magensondierung

 

Die Überprüfung des Magens auf Füllungszustand und Inhalt ist ein absolutes MUSS bei der Untersuchung des Kolikpatienten.

Sie kann einer Magenüberladung bzw. Magenruptur vorbeugen und hat damit neben ihrem großen diagnostischen Wert auch einen unmittelbaren therapeutischen Nutzen.

Leider scheitert diese Sondierung in der Praxis allzuoft entweder am Widerstand der Besitzer oder aber weil kein geschultes Hilfspersonal vorhanden ist. Gerade der apathische, ruhige, im Allgemeinbefinden reduzierte Koliker läßt einen Rückschluß auf eine “Duodenitis proximale Jejunitis” zu und bedarf dringend der Magensondierung.

Die Sondierung wird am nasengebremsten Tier vorgenommen. Bei einem abnormen Füllungszustand – gasförmiger oder futterfester Inhalt – kann die Druckentlastung bzw. Sondierung lebensrettend sein, wobei sich gasförmiger Inhalt spontan entleert, fester Inhalt vorsichtig und sukzessive herausgespült werden muß. Auf die Sondierung sollte genügend Zeit (~10min.) verwandt werden, manchmal gelingt es erst nach mehreren vergeblichen Versuchen , die Sondenspritze in den okkulten Flüssigkeitssee zu verlagern.

Um diesen flüssigen Inhalt dann zu entfernen, muß im Sondenlumen ein signifikanter Unterdruck erzeugt werden.

Das einfachste und sicherste System ist das Luft-Ansaugen am Sondenmundstück. Eine durchsichtige, wandstabile Plastiksonde mit ausreichendem Lumen und einer zusätzlichen seitlichen Öffnung in der Nähe der Sondenspitze ist dafür Vorraussetzung.

 

 

 

Mechanische – Absaugpumpe

 

Der Einsatz einer mechanischen Absaugpumpe bei der Magensondierung erfordert besonderes Fingerspitzengefühl. Eingangs- und Ausgangsmenge müssen sorgfältig bilanziert werden, um zusätzliche kritische Druckbelastungen zu vermeiden. Die Position der Sondenspitze muß häufig durch Eigendrehung der Sonde gewechselt werden, zu starker Sog bewirkt ein Festsaugen an der Magenwand und damit Sistieren des Abflusses.

An- und Absaugen über die Mundhöhle ist ebenfalls möglich, aber hygienisch kritisch zu beurteilen.

Unterdruck kann aber auch über eine mechanische Pumpe bzw. das Anspülen mit Wasser und plötzliches starkes Absenken des extrakorporalen Sondenendes erzeugt werden. Die abfließende Wassersäule wirkt wie ein Siphon und zieht flüssigen Inhalt nach sich.

Bei festem Mageninhalt – wie z.B. bei der sehr seltenen primären Magenüberladung – muß mit äußerster Vorsicht angespült und abgesaugt werden. Hinweise auf eine solche abnorme Futterüberladung gewinnt man u.a. dadurch, daß die Sonde beim Herausziehen an der Spitze mit festem Futter verstopft ist. In einem solchen Fall sollte die Menge der eingespülten und ausgespülten Flüssigkeit sorgfältig bilanziert werden, da jede zusätzliche Druckerhöhung die Gefahr einer Magenplatzwunde hervorruft.

Normaler Mageninhalt ist grünlich, süßlich duftend und besteht überwiegend aus aufgeschwemmten Futterbestandteilen. Bei sekundärer Überladung als Folge eines Reflux aus dem Dünndarm ändert sich die Farbe ins gelblich-bräunliche, der Geruch wird stechend und der pH-Wert liegt im Bereich 6-8 (physiologisch 3-6).

Große Mengen Reflux induzieren einen hohen –sprich magennahen- Verschluß, können aber auch Hinweise für eine Darmlähmung bzw. eine Duodenitis proximale Jejunitis sein. Bei dieser Erkrankung mit streßverwandter Ätiologie verfärbt sich der in großen Mengen (40-80 Liter / 24 h) abfließende  Magen-Darm Inhalt ins rötliche, bedingt durch Blutbeimengungen

Größere Mengen Reflux aus dem Magen über einen längeren Zeitraum erzeugen eine behandlungswürdige Hypochlorämie begleitet von Alkalosis.

 

 

 

Gewinnung und Beurteilung von Bauchhöhlenflüssigkeit

 

Die Bauchhöhlenflüssigkeit ist in ihrer äußeren Erscheinung und Zusammensetzung ein spezifischer Indikator für den aktuellen Zustand des Patienten. Ihre makroskopische, mikroskopische und biochemische Analyse liefert in der Regel – falsch positive bzw. falsch negative Ergebnisse sind möglich – wesentliche Entscheidungshilfen für die Beurteilung bzw. das weitere Vorgehen.

Cave: Die rektale Untersuchung sollte immer vor der Punktion der Bauchhöhle erfolgen.

Zum einen kann und sollte auf die Punktion völlig verzichtet werden, dann nämlich, wenn prall-flüssigkeitsgefüllte Dünndarmschlingen palpierbar sind  und damit die Gefahr einer Darmpunktion wahrscheinlich ist. Zum anderen erübrigt sich vorerst die Bauchhöhlenpunktion, wenn auf Grund der rektalen Untersuchung eine eindeutige Diagnose, wie z.B. Obstipation des Colon ascendens gestellt werden kann.

Eine Bauchhöhlenpunktion erfordert Übung und ist auch bei sachgemäßer Ausführung nicht ungefährlich,

weder für den Tierarzt noch für den Patienten. Gefährlich für den Tierarzt, weil die Punktionsstelle in der Medianlinie an der tiefsten Stelle der Bauchdecke liegt, in der Regel etwa 10-15 cm kranial des Nabels und weil durch den Kolikschmerz die spontanen Abwehrbewegungen verstärkt und unkontrollierbar sein können.

Beim Patienten kann sich aus der Punktionsstelle einer flüssigkeitsgefüllten Darmschlinge Inhalt in signifikanter Menge entleeren und damit den weiteren Krankheitsverlauf erheblich komplizieren.

Die Punktionsstelle wird rasiert und desinfiziert, dem Pferd wird eine Nasenbremse angelegt und damit Kopf und Hals auf die Seite des Untersuchers gezogen. Nach Möglichkeit sollte ein Vorderbein während der Punktion von einer Hilfsperson angehoben werden. Der Einstich erfolgt durch die Haut und die Sehnenplatte der Linea alba der Bauchdecke bis hin zum retroperitonealen Fettgewebslager. Paramediane Zugänge sind möglich, bergen aber die Gefahr von Blutungen aus dem Muskel der Bauchwand in sich.

Wir verwenden für die Punktion 16-gauge Einwegbraunülen bzw. autoklavierbare Verreskanülen. Bei Verwendung einer Braunüle sollte das Stilett bei Erreichen des Peritoneums zunächst schrittweise und dann nach Durchstoßung des Peritoneums vollständig zurückgezogen werden. Eine Perforation der Darmwand – erkennbar am Austreten von grünlicher, faulig riechender Flüssigkeit – läßt sich allerdings nicht immer vermeiden.

Wurde der Darm versehentlich punktiert, ist in jedem Fall eine mehrtägige parenterale Antibiose erforderlich.

Wesentlich sicherer ist die Verwendung einer sogenannten Verresnadel.

Bei dieser Nadel wurde in den scharfen Außentrokar eine federnde stumpfe Innenkanüle inkorporiert.

Bei ansteigendem Gewebsgegendruck an der Kanülenspitze schiebt sich die atraumatische Innennadel zurück und erlaubt dem scharfen Trokar die Durchdringung von Muskeln und Sehnenplatten. Fällt der Gegendruck an der Kanülenspitze – wie z.B. nach Durchstoßung des Peritoneums – springt die stumpfe Innennadel vor und schützt den Darm vor Berührung mit dem scharfen Trokar.

Fließt nach erreichen der Bauchhöhle spontan keine Flüssigkeit ab, so sollte die Nadelspitze vorsichtig bewegt bzw. in sich rotiert werden. Auch weiteres Vorschieben bzw. Zurückziehen der Kanülenspitze bis ans Peritoneum kann den erfolgreichen Austritt von Bauchhöhlenpunktat bewirken. Luftinsufflation mit einer 10ml Spritze sowie anschließendes Ansaugen können bei der Gewinnung des Punktats hilfreich sein. Ist es trotzdem nicht möglich, Punktat aus der Bauchhöhle zu gewinnen, so sollte als ultima ratio die Einstichstelle in der Sagitallinie gewechselt werden.

Austretende Bauchhöhlenflüssigkeit  wird in einem Zentrifugenspitzglas aufgefangen und anschließend wie folgt untersucht:

1.        makroskopische Beurteilung und Beurteilung der ausgetretenen Menge

2.        makroskopische Beurteilung des Zentrifugats und des Überstandes

3.        biochemische Untersuchung des Punktats – Bestimmung des Gesamtproteins

4.        mikroskopische Untersuchung

Die Farbe des Punktats liefert Hinweise auf die folgenden pathologischen Hintergründe:

 

Farbe des Punktats                                    Beurteilung des Punktats

 

Klar-blaßgelb                                              physiologisch, ohne besonderen Befund

 

Orange-serosanguinös                                ischämische Darmwandnekrose

 

Rotbraun mit Pflanzenanteilen                   Magen- resp. Darmwandruptur, Achtung: Darmpunktion

 

Blutig                                                          Milzpunktion, Verletzung eines Bauchwand- resp. Darmwandgefäßes

 

 

Normwerte der mikroskopischen Untersuchung

 

Leukozyten                         <5000/l

Erythrozyten                       nicht vorhanden

Gesamtprotein                    <3,0g/dl

Bakterien                            nicht vorhanden

     

Mikroskopische Untersuchungen des Bauchhöhlenpunktats – als Direktausstrich oder aus dem Zentrifugat, gefärbt oder ungefärbt – setzten spezielle Kenntnisse in der histo-pathologischen Beurteilung der Zellbilder voraus. Ihre Ergebnisse sind akkurater als die rein makroskopische Beurteilung und besonders aussagekräftig hinsichtlich des Verlaufs einer Erkrankung. Gleiches gilt für die biochemische Untersuchung, bei der die Aktivitäten der Creatininphosphokinase(CPK), der alkalischen Phosphatase(AP), der Laktatdehydrogenase(LDH) und des Laktatgehaltes erfaßt und in einen Zusammenhang gebracht werden.

Innere sowie äußere inkarzerierte Hernien (z.B. Zwerchfellshernien, Inkarzeration durch das Foramen epiploicum mit erhaltenem Netzbeutel, Skrotalhernie) liefern falsch negative Punktate, weil bei der Regelpunktion das pathologische Punktat nicht gewonnen werden kann. Falsch positive Ergebnisse liefern Darmpunktionen und Fehlpunktionen anderer Viscera abdominalis.

 

 

 

Puls, Atmung, Schleimhäute, Temperatur, Dehydrierung

 

 

Herzfrequenz

 

Die Bestimmung der Puls- resp. Herzfrequenz ist ein verläßlicher Indikator für den Schweregrad einer Kolikerkrankung. Ganz allgemein gilt folgendes. Je höher allein die Pulsfrequenz, um so stärker ist die eingetretene Läsion am Darm und Gefäßsystem und um so schlechter ist damit die Prognose. Einige Anhaltspunkte gibt die folgende Tabelle:

 

Diagnose                                                            Pulsfrequenz/min.

Einfache Obstruktion                                          40 – 70

Strangulierende Obstruktion früh                       50 – 90

Strangulierende Obstruktion spät                       70 - 120

Enteritis-Peritonitis                                             40 – 100

 

 

Aus der Qualität der Pulswelle lassen sich Rückschlüsse über den Zustand der Gefäßwände und damit über den Schockzustand ziehen. Ein schwacher Puls zeigt reduziertes Kreislaufvolumen an und ein pochend, drahtiger Puls eine beginnende Zentralisierung des Schockgeschehens. Akute Elektrolytdefizite sowie Prämedikationen mit Sedativa erzeugen die selteneren Pulsarrythmien. Der primäre Pulsanstieg in Zusammenhang mit Kolikerscheinungen ist schmerzbedingt. Umfangreiche generalisierte Tympanien oder Thrombosen der mesenterialen Gefäße sind hochschmerzhaft und lassen die Pulsfrequenz auf Werte bis über 90/min.. hochschnellen Schreitet die Erkrankung voran, sind es mehr die Störungen im Zusammenhang mit der Endotoxinwirkung und dem reduzierten Blutvolumen, die den hohen Puls bewirken.

Die nachfolgende Tabelle aus einer BOLSHOI Universitäts-Studie von 1986 zeigt den Zusammenhang zwischen der Pulsfrequenz und einigen spezifischen Krankheiten. Die Gruppen der überlebenden Pferde werden denen der nicht überlebenden gegenübergestellt. Die angegebenen Mittelwerte sind nicht unbedingt repräsentativ, weil die Pulsfrequenz individuell einer großen Varianzbreite unterliegt.

 

Krankheit                               Pulsfrequenz/ min. Überlebende           Pulsfrequenz/ min. nicht Überlebende

Strangulationen

Ileocaecale Invagination                                                   mittel = 79                                             mittel = 91            

Ileum Obstipation                                                              mittel = 67                            mittel = 77

Inkarz. Dünndarm Mesenterialhernie                              mittel = 73                                             mittel = 83

Strangulierendes Lipoma pend.                                       mittel = 69                                             mittel = 85

Inkarzeration ins For. Epiploicum                   mittel = 79                                             mittel = 83

Dünndarm Volvulus                                           mittel = 77                                             mittel = 89

Torsio coli ascend.                                             mittel = 60                                             mittel = 78

Inkarz. Inguinalhernie                                        mittel = 65                                             mittel = 77

 

Obstruktionen

Darmpechverhaltung                                                         mittel = 121                                           mittel = 162

Sandobstipation                                                 mittel = 54                                             mittel = 82

Obstipation des Kolon ascend.                                       mittel = 51                                             mittel = 63

Darmstein                                                            mittel = 66                                             mittel = 77

Blinddarmobstipation                                        mittel = 49                                             mittel = 70

Kolonverlagerung                                              mittel = 59                             mittel = 71

Tympanie                                                             mittel = 59                                             mittel = 88

Verklebungen                                                      mittel = 63                                             mittel = 74

 

Unterschiedliche Formen

Mesenterialabszeß                                           mittel = 61                                                 mittel = 91

Duodenitis-prox.. Jejunitis                              mittel = 65                                                 mittel = 77

Kolitis                                                              mittel = 65                                                 mittel = 75

 

Eine hohe Pulsfrequenz ist immer verdächtig. Sie sollte in jedem Fall besonders ernst genommen werden. Im Gegensatz dazu ist eine niedrige Pulsfrequenz nicht immer Ausdruck einer harmlosen Situation, selbst Dickdarmverlagerungen oder Drehungen gehen zu Beginn mit nur geringer Pulserhöhung einher.

                      

                              


Die Beurteilung setzt sich aus unterschiedlichen Parametern zusammen, einer davon ist ganz sicher die hohe bzw. ständig hohe Pulsfrequenz.

 

Dehydrierung

Die Bestimmung des Hämatokrits stellt eine sinnvolle Ergänzung zur Pulsfrequenzmessung und damit zur Schockdiagnostik dar. Sie kann auch unter Praxisbedingungen schnell und verläßlich durchgeführt werden.

Geeignete transportable Mikrohämatokrit-Zentrifugen werden von der Industrie angeboten. Sie arbeiten mit unabhängiger Stromversorgung und liefern Werte innerhalb weniger Minuten. Gleiches gilt für die Bestimmung des Gesamtproteins. Handrefraktometer sind preiswert in der Anschaffung und einfach im Gebrauch. Dasselbe Mikrozentrifugenröhrchen, das für die Bestimmung des Hämatokrits benutzt wurde, liefert mit seinem Überstand den Tropfen Serum, der für die Bestimmung des Gesamtproteins gebraucht wird. Über das Ausmaß der eingetretenen Dehydrierung ist die Relation Hämatokrit/Kapillarfüllungszeit von besonderem Wert.

Im Zusammenhang mit einer ablaufenden Dehydrierung  - dabei geht das Wasser sowohl dem Blut als auch dem extrazellulären Raum verloren - steigen der Hämatokritwert und das Gesamtprotein parallel zueinander an.

Milzkontraktionen können das Bild verfälschen, ebenso ein signifikanter Verlust von Gesamtprotein wie bei Peritonitis bzw. umfangreicher Darminfarzierung. Niedriges Gesamtprotein in Zusammenhang mit einem gestiegenen Hämatokrit müssen daher als bedenkliches Zeichen gewertet werden.

 

Im Rahmen einer Schockdiagnostik ist die Feststellung der aktuellen Dehydrierung ein wesentlicher Vorgang.

Dazu kann auch die Untersuchung und Beurteilung der Maulschleimhäute beitragen.

 

Schleimhäute

Normale Schleimhäute sind blaßrosa in der Farbe. Bei Dehydrierung entstehen auch abhängig von den begleitenden Erkrankungen unterschiedliche Farbbilder. Endotoxinausschüttungen bzw. venöse Verstopfungen machen die Schleimhäute rot bis ziegelrot. Ist der Sauerstofftransport behindert, verändern sich die Schleimhäute und werden bläulich cyanotisch. Präfinal erscheinen sie oftmals blaß blaugrau.

 

Atmung

Eine ähnliche Beziehung wie zwischen Pulsfrequenz und Erheblichkeit der Erkrankung existiert bei der Atemfrequenz nicht. Raumgreifende Prozesse in der Bauchhöhle, wie Tympanien und abnorme Magenfüllung, behindern die Zwerchfellsexkursionen und erhöhen die Atemfrequenz. Zwerchfellshernien sowie Störungen im Säuren- Basengleichgewicht, wie sie sich erst im weiteren Verlauf bestimmter Kolikformen einstellen, erhöhen die Atemfrequenz. Ganz generell ist sie jedoch bei allen schmerzhaften Prozessen in der Bauchhöhle erhöht.

Tachypnoe – und dazu gehöhren alle Frequenzen über 30/min. – begleitet von cyanotischen Schleimhäuten weisen auf eine Hypovolämie, endotoxinbedingte Lungenschädigung oder aber Kompression der Vena cava caud. hin. Ein solcher Zustand ist lebensbedrohlich und bedarf unmittelbarer gezielter Behandlung.

 

Körpertemperatur

Körperliche Anstrengung in Kombination mit  einer gestörten Thermoregulation (beginnende Dehydrierung) können zu einer Erhöhung der Körpertemperatur führen.

Derartige Erhöhungen sind aber nicht sonderlich signifikant und bewegen sich in einem Rahmen von 38,0 bis 38,6°C.

Erst wenn sich Infektionen hinzugesellen bzw. Endotoxine in den Kreislauf gelangen, steigt die Temperatur auf Werte über 39,0°C an. Darmnekrosen rufen eine vorübergehende Erhöhung der Körperinnentemperatur hervor, wiederholt vorangegangene rektale Untersuchungen erniedrigen den meßbaren Wert.

 

                                                                   Hämatokrit Vol.%          Gesamtprot. g/dl                 Kapillarfüllungszeit

 

Geringgradige Dehydrierung ca. 6%               43 – 50                        7,0 – 8,2                                           3 sek.

Mittelgradige Dehydrierung  ca 8%                50 – 57                        8,3 – 9,2                                           4 – 5 sek.

Hochgradige Dehydrierung   ca. 10%             >57                              >9,5                                                  5 – 6 sek.

 

 


Prognose

 

Die Verläßlichkeit einer Prognose für den Ablauf der Kolikerkrankung ist nicht generell eingeschränkt.

Aussagekräftige Laborergebnisse können in der Praxis nicht herangezogen werden. Basierend auch auf früheren retrospektiven Untersuchungen hat WITHE (1990) eine Einteilung in drei Kategorien vorgenommen:

                               Gute Überlebenschancen (>90 %)

                               Mäßige Überlebenschancen (~50%)

                               Schlechte Überlebenschancen (<25%)

Die folgende Zusammenstellung kann allenfalls als Leitfaden dienen, und man sollte sich über den subjektiven

Einfluß bei der Beurteilung und die vielfältigen Variationsmöglichkeiten im Ablauf bewußt sein.

 

Klinische Parameter als Grundlage einer Überlebens-Prognose

 

Prognose                                              gut                                         vorsichtig                             schlecht

 

Pulsfrequenz                                        40-60/min.                             60-100/min.                           >100/min

Schleimhäute                                       rosa                                       rot                                          cyanotisch

Kapillarfüllungszeit                            1 – 2 sek.                               3 – 4 sek.                               > 4 sek.

Hämatokrit                                           34-45 Vol. %                         45-65 Vol %                          >65 Vol. %

Peritoneales Gesamtprotein              >2,5 g/dl                                2,5-4,5 g/dl                            >4,5 g/dl

 

 

Kolikprophylaxe

 

Kolikerkrankungen entwickeln sich in den meisten Fälle aus einem multikausalen Zusammenhang. Nur äußerst selten lassen sich die Ursachen eindeutig und schlüssig herleiten.

Die kolikauslösenden Faktoren reichen von Witterungsänderungen über familiäre Dispositionen bis hin zu Futter- und Haltungswechsel und Wurmbefall.

Gerade der regelmäßigen und wirksamen Entwurmung kommt eine entscheidende Rolle in der Prophylaxe von Kolikerkrankungen zu. Regelmäßig bedeutet mindestens 6-mal im Jahr d.h. alle zwei Monate, wobei vor bzw. nach der Weideperiode jeweils eine Doppelentwurmung in 14-tägigem Abstand stattfinden sollte. Diese Wurmkuren sollten in Kombination mit erfolgskontrollierenden Kotuntersuchungen geschehen; weide- bzw. stallhygienische Maßnahmen erniedrigen ebenfalls den Infektionsdruck der Tiere. Die Laienmedikation mit Wurmpasten – heutzutage in der Regel – garantiert keinesfalls immer die sichere und ausreichende Applikation des Mittels, ferner führen zu spät erkannte Resistenzen immer wieder zum Versagen der Entwurmungen. Bei hartnäckigen Bestandsproblemen kann die frequente, hochdosierte Reihenentwurmung per Nasenschlundsonde erforderlich werden.

Die Voraussetzungen an eine haltungs- und artgerechte Fütterung der Pferde ist in vielen Ställen nur schwer zu erreichen. Einerseits wird das Angebot von industriegefertigten Alleinfuttermitteln und Futtermittelzusätzen täglich umfangreicher und unübersichtlicher, andererseits sind qualifizierte fütterungstechnische und personelle Voraussetzungen nur noch schwer zu erfüllen. "Stehtage” sind keine Erfindung der Pferde, um einen Tag “frei” zu haben, sie sind allzuoft Ausdruck einer unzureichenden, dünnen Personaldecke.

Die Ansprüche an Kraftfutter und Rauhfutter sind besonders hoch, qualitative Abstriche sollten nicht eingegangen werden. Schlechte, minderwertige, verdorbene Futtermittel lassen den prozentualen Anteil der Kolikerkrankungen in einem Betrieb sprunghaft ansteigen. Gleiches gilt für die Unregelmäßigkeiten im technischen Fütterungsablauf. Pferde kennen keine gesetzlichen Feiertage, sie wollen und müssen tagaus, tagein zum selben zeitpunkt gefüttert werden.

Dieses gilt insbesondere für kolikempfängliche Pferde. Für derartige Pferde empfiehlt es sich, einen individuellen, vielseitigen Futterplan aufzustellen. Die Kombination von leichtverdaulichen Saftfuttermitteln mit Futtermitteln, die einen hohen Anteil an natürlichen Schleimstoffen enthalten, und der Verzicht auf pelletiertes Futter kann in einigen Fällen die Kolikhäufigkeit wirksam reduzieren. In Anbetracht der schon erwähnten vielfach dünnen Personaldecke kann hier auch auf bereits gebrauchsfertiges Mash-Futter (z.B. Equistro Gestamash) zurückgegriffen werden.

Die Zufütterung von Paraffinöl (eine Tasse pro Mahlzeit) oder Glaubersalz (einen Eßlöffel pro Mahlzeit) zur Passageerleichterung wird leider nicht von allen Pferden toleriert. Eine besondere Problematik stellt die rezidivierende Blinddarmobstipation des älteren Pferdes dar. Diese sehr hartnäckigen, langanhaltenden Verdauungsstörungen sind häufig nur mit milden Koliksymptomen kombiniert. Sie werden allzuoft in ihrer Gefährlichkeit unterschätzt. Die Darmwand fibrosiert, sukzessive treten spontane Rupturen auf. Eine Reduktion der Rauhfutteraufnahme in Form von Stroh und die Verfütterung von fermentiertem Getreide erleichtert die kritische Blinddarmverdauung.