Krankheitsbericht
I.Anamnese
Der Patient wurde am 25.6.95 in die Klinik für kleine Haustiere eingewiesen. Er hat seit 8 Tagen Durchfall und eine Konjunktivitis. Seit 2 Tagen weist er Husten auf0, und seit einem Tag zeigt er Inappetenz. Seit dem 25.6.hat der Patient Nasenausfluß, Erbrechen, Durchfall mit wechselnder Konsistenz und eine Körpertemperatur von 41.2 °C.An diesem Tag wurden ihm 400 ml Sterofundin, 1,5 ml MCP, 4ml Clamoxyl und Augensalbe Floxal verabreicht.
II.Signalement
Bei dem Patienten, der uns von x am x zugewiesen wurde, handelt es sich um einen männlichen 20 kg schweren und 5 Monate alten Rottweiler mit dem Rufnamen x. Die Fellfarbe ist rassetypisch. Die Besitzerin des Tieres ist x..
III.Status präsens
a.Allgemeinzustand
Das Tier macht auf uns einen kraftlosen Eindruck und nimmt wenig an seiner Umwelt teil. Der Patient ist nicht stehfähig. Aufgrund seines achttägigen Durchfalls ist der Ernährungszustand mäßig. Die Körpertemperatur beträgt 38.6 °C.
Der Puls beträgt 208 Schläge/min und ist kräftig und regelmäßig. Die Atemfrequenz beträgt 36 Atemzüge/min.
b.Haut/Haarkleid
Das Haarkleid ist glatt anliegend und matt. Es bedeckt dicht und geschlossen die gesamte Körperoberfläche. Die Haut ist elastisch und gut verschiebbar..
c.Schleimhäute
Die Schleimhäute der Konjunktiviven sind geschwollen und stark gerötet.
d.Lymphapparat
Die Untersuchung der palpierbaren,oberflächigen Lymphknoten ergibt folgende Befunde:
Ln.mandibularis: erbsen-bohnengroß. derb-elastisch,
verschieblich
Ln.cervicalissupf.: klein paranußgroß,derbelastisch.,ver-
schieblich
Ln.popliteus: erbsen-bohnengroß,derb
Ln.retropharyngeales,axillares und inguinales sind nicht palpierbar.
e.Zirkulationsapparat
Die Pulsfrequenz, gemessen an der A.femoralis, beträgt 208 Schläge/min. Der Puls ist gleichmäßig, kräftig wieder an-und abschwellend und unregelmäßig. Die Episkleralgefäße sind fein gezeichnet und mäßig gefüllt. Die kapilläre Füllungszeit beträgt 2 Sekunden. Der Herzspitzenstoß ist mit der im Herzdämpfungsfeld aufgelegten Hand palpierbar, nicht verlagert und regelmäßig. Bei der Auskultation ergibt sich eine HF von 200 Schlägen/min. Nebengeräusche sind nicht zu hören. Die Auskultation an den Puncta maxima bleibt o.b.B..
f.Atmungsapparat
Die Atemfrequenz beträgt 36 Atemzüge/min. Der Atemtyp ist costo-abdominal. Es ist ein in- und exspiratorischer röchelnder Stridor wahrnehmbar. Der Brustkorb ist symmetrisch und ohne Skelettanomalien; die Zwischenrippenräume sind nicht schmerzhaft.
Der Naseneingang und dessen Umgebung ist mit eingertrocknetem, krustigen Auflagerungen behaftet. Es besteht ein zäher, eitriger Nasenausfluß.
g.Verdauungsapparat
Die Adspektion der Maulhöhle zeigt ein dem Alter entsprechendes Gebiß. Schleimhaut und Zunge sind ohne besondere Auffälligkeiten. Der Bauchumfang ist symmetrisch, die Bauchdecken sind vermehrt gespannt. Die Palpation des Abdomens ist schmerzhaft. Der Kot zeigt wechselnde Konsistenz. Der Harnabsatz ist physyologisch.
h.Geschlechtsapparat
Beide Hoden sind vollständig in das Skrotum abgestiegen. Aus dem Präputium kommt ein gelblich trübes Sekret. Beim Ausschachten des Penis fallen keine Besonderheiten auf.
i.Nervensystem
Das Verhalten ist dem Gesundheitszustand des Patienten entsprechend. Der Hund ist ein Angstbeißer. Die Hautsensibilität ist ausgeprägt. Folgend Reflexe wurden geprüft und sind prompt auslösbar.
Hornhaut-, Pupillar-, Anal-, Zwischenzehen- und Patellareflex.
4.Spezielle Untersuchungen
Laborbefunde
25.4.95
Hb 11,6
Erythrocyten 4,85
Leukocyten 11.300
Thrombocyten 332.000
Natruim 142
Kalium 5,1
Blutzucker 101
28.4. 2.5.95
Hb 11,2 11,7
ery 4,36 4,83
Leuko 7.300 7500
Hkt 41 32
Thromboc. 332.000 349000
Na 144 146
Kalium 4,6 4,6
Harnstoff 25 16
Kreatinin 0,7
Bz 98 90
GPT 12 13
GE 6,8
Albumin 2,7
Röntgenaufnahme des Thorax: Starke Spitzenlappenpneumonie
5.Zusammenfassung der krankhaften Befunde
Starke Spitzenlappenpneumonie
Rhinitis
Conjunctivitis catarrhalis acuta
6. Diagnose
Respiratorische und gastrointestinale Form der Staupe
Die Staupe ist eine panorganotrope Infektionserkrankung mit einem Paramyxovirus des Genus Morbillliviridae, dem caninen distemper virus.
Das CDV zerstört lymphatisches Gewebe und ruft so eine anhaltende Immunsuppression hervor, die oft tötlich endet.
Die Ansteckung erfolgt oral oder aerogen durch Sekrete oder Exkrete von kranken Hunden oder Dauerausscheidern. Das CDV vermehrt sich zunächst im lymphatischen Gewebe des Rachenringes und der Bronchiallymphknoten. Dann wird es durch Lymphocyten und Makrophagen ins Knochenmark, Lymphgewebe und in die Lamina propria der Schleimhäute, insbesondere des Respirations-,. Verdauungs- und Urogenitaltraktes verschleppt und vermehrt sich dort.
Die Symptome hängen stark vom Individuum, Alter, Organotropismus des CDV, Immunkompetenz und vom Vorhandensein und Art der Sekundärerreger ab. Oft wird durch die virämische Phase ein erster Fieberschub ausgelöst, der oft unbemerkt bleibt oder leichte Allgemeinstörungen mit Anorexie, Duchfall und Konjunktivitis hervorruft.
Nach Organbesiedlung- und schädigung kommt es zu Sekundärinfektionen und damit zu einem zweiten Temperaturanstieg. Diese zweigipflige Fieberkurve wird oft als typisch für die Staupe angesehen.
Gastrointestinale Form:
Erbrechen, Durchfall, Austrocknung mit rascher Abmagerungen. Erkrankungen während der Zahnschmelzbildung verursachen bleibende Schmelzdefekte.
Respiratorische Form:
Eitrige Sekrete an den Nasenöffnungen, Rhinitis, Bronchopneumonie mit anfangs trockenem, dann feuchtem Husten, Atemnot mit evt. Kreislaufkollaps.
Augenveränderungen
Lichtscheue, Uveitis, Retinadegeneration, Keratitis, Ulcerabildung und in schweren Fällen auch Erblindung.
Hautform
Vesikel-, und Pustelbildung mit hochgradigen Hautrötungen v.a. am Unterbauch, Schenkel-, und Ohrinnenflächen, Otitis externa. Demodikosen können begünstigt werden.
Nervöse Staupe
Meistens erst nach dem Abklingen der respiratorischen Form, oft auch erst nach vorrübergehender Genesung. Nichteitrige Encephalomyelitis, Neuritis, Malazie, und Demyelinisierung führen zum unbegrenzten Spektrum von Ausfällen (epilept. Anfälle, Kieferkrrämpfe, psychische Störungen, Myoklonien, Tics, Ataxien, Paresen und Paralysen)
Hartballenform
Hyperkeratose des Nasenspiegels und der Zehenballen, die oft mit nervöser Störung gepaart auftritt.
Bei dem Patienten wurde die Diagnose durch die Laborbefunde bestätigt. Es besteht ein Antikörpertiter von 1:20.
7.Differentialdiagnosen
Respiratorische Form: Zwingerhustenkomplex, Parasitose, Toxoplasmose
Gastrointestinale Form:Parvovirose, Leptospirose, Hepatitis, Parasitosen, bakteriell bedingte Durchfälle
Bei unserem Patienten wurden diese Differentialdiagnosen durch die Laborbefunde ausgeschlossen bzw. die Diagnose Staupe bestätigt.
8. Therapie
Bei der Staupe ist nur eine symptomatische Behandlung möglich, die sich aufgrund der Immunsuppression v.a. gegen Sekundärerreger richtet.
Der Hund wurde nacheinander mit Clamoxyl, Gentamycin und Cephaseptin behandelt, doch keines der Antibiotika führte zu einer Besserung der Symptome. Außerdem wurden dem Patienten regelmäßig Florax Augensalbe, MCP, Fluimucil und Sterofundin zugeführt, doch auch bei den entsprechenden Symptomen wurde keine anhaltende Besserung erreicht.
Der Prophylaxe kommt bei der Staupe eine wichtige Bedeutung zu. Mit der konsequenten Einhaltung des Impfschemas kann eine Infektion mit dem CDV weitgehend vermieden werden. Welpen sollten im Alter von 8 Wochen ihre erste Impfung (ohne Parvov.) erhalten. Eine zweite Impfung ist nach weiteren 3-4 Wochen nötig. Nach dieser Grundimmunisierug ist eine jährliche Wiederholung der Staupeimpfung einzuhalten.
9. Prognose
Die Prognose bei unserem Patienten ist als ungünstig zu beurteilen, da die Staupe schon weit fortgeschritten ist und der Hund unter einer starken Immunsuppression leiden. Der Hund ist stark geschwächt bis apathisch.
10.Epikrisis
Aufgrund der Tatsache , daß der Patient auf keine der versuchten Behandlungen reagiert und der Allgemeinzustand des Hundes als schlecht zu beurteilen ist, wurde das Tier mit Zustimmung des Besitzers euthanasiert.