Fortpflanzung-08 - Genitalkatarrh II. Grades

Krankenbericht Fortpflanzung Rind

 

 

 

 

I. Signalement

 

Bei dem Tier handelt es sich um ein schwarz-buntes, hornloses Milchrind, überwiegend schwarz mit weißem Bauch, weißem Euter und weißer Schwanzspitze. Die Beine sind vorne ab dem Karpalgelenk, hinten ab dem Kniegelenk weiß. Auf der linken Schulter befindet sich ein ca. fünfmarkstück-großer weißer Fleck und darunter einige weiße Stichelhaare. In beiden Ohren befinden sich orange-farbene Ohrmarken mit der Nummer x, im rechten Ohr zusätzlich eine gelbe Ohrmarke mit der Nummer x.

Dem Zahnalter nach ist die Kuh ca. 15 Jahre alt, das Gewicht beträgt nach Schätzung 500 kg. Das Stockmaß beläuft sich auf ca. 150 cm.

 

 

II. Anamnese

 

"Kuh im Puerperium"

Gemäß dem Schild über der Box hat die Kuh Anfang April gekalbt.

 

 

III. Status praesens

 

In der Klinik für Fortpflanzung wurden am Tag der Untersuchung (11.05.1999) folgende Be­funde erhoben:

 

1. Allgemeinuntersuchung

 

       Das Tier belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig, es steht mit nach vorne-unten ge-­       strecktem Hals. Das Verhalten ist ruhig und aufmerksam. Ernährungs- und Pflege-       zustand sind mäßig. Das Tier zeigt guten Appetit. Kot- und Harnabsatz sind regelmäßig,         wobei die Kotkonsistenz dünn bis breiig ist.

       Die Körperinnentemperatur beträgt 38,7°C, die Herzfrequenz 48 Schläge, die Atem-­           frequenz 24 Züge pro Minute. Die Pansenmotorik ist rege (3 / 2 min.).

       Der Bug- und der Kniefaltenlymphknoten sind zigarrenförmig, besitzen eine glatte Ober-­    fläche und eine derbe Konsistenz, sind verschieblich, schmerzfrei und körperwarm. Die Euterlymphknoten sind leicht vergrößert, aber glatt, schmerzfrei und verschieblich.

       Die Schleimhäute sind blaßrosa, feucht, glatt und glänzend. Die kapilläre Füllungszeit        beträgt 2 Sekunden. Die Episkleralgefäße sind gezeichnet und mäßig gefüllt.

       Das Haarkleid ist dicht, geschlossen, anliegend, aber stumpf. Unter dem linken Sitzbein     befindet sich eine ca.10 cm lange Narbe. Die Haut ist elastisch und mäßig warm.

 

 

 

 

 

 

 

 

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2. Spezielle Untersuchungen

 

Adspektion

Das Tier zeigt keine Brunstäußerungen. Die Beckenbänder sind straff gespannt.

Die Vulva steht senkrecht und ist vollständig geschlossen. Die Vulvafalten sind verstrichen. Ausfluß ist nicht vorhanden. An der linken Schamlippe befindet sich eine bohnengroße, wei­che Umfangsvermehrung über einer alten Narbe, auf der rechten Schamlippe eine zwei­markstück-große, derbe Umfangsvermehrung. Auf beiden Schamlippen befinden sich diver­se kleinere Narben.

Die Schleimhaut des Vestibulums ist blaßrosa, feucht und ohne Auflagerungen. Die Klitoris ist erbsengroß, blaßrosa und glatt.

 

Vaginale Untersuchung

Der Hymenalring ist glatt, rund und mit mäßigem Tonus.

Die Portio vaginalis cervicis ist rosettenförmig bis verstrichen und vollständig geschlossen. Die Schleimhaut der Vagina und der Portio vaginalis cervicis ist blaßrosa. In der Vagina be­findet sich eine schleimig-trübe, mit Eiter durchsetzte Flüssigkeitsansammlung, die einen stechenden Geruch verbreitet.

 

Rektale Untersuchung

Die Cervix ist ca. zweifingerbreit. Der Uterus ist frei beweglich und läßt sich unter der Hand versammeln, die Uterushörner sind etwa dreifingerstark und beide etwa gleich groß. Der Uterus zeigt eine mäßige Kontraktionsbereitschaft und ist ohne fühlbaren Inhalt.

Das linke Ovar ist etwa taubeneigroß, leer und fluktuierend; das rechte Ovar ist etwa wal­nußgroß und trägt einen etwa bohnengroßen Gelbkörper.

 

Die palpierbaren Lymphknoten sind ohne besonderen Befund. Das Peritoneum ist glatt. Die ertastbare linke Niere hat eine gelappte Oberfläche.

 

Euteruntersuchung

Die vorderen Euterviertel sind prall-elastisch und mäßig warm. Die beiden hinteren Viertel sind von derber bis harter Konsistenz, leicht gerötet und vermehrt warm. Die Zitzen sind ab­gerundet und weich, außer die Zitze vorne rechts, die eine derbere Konsistenz aufweist. Die vorderen Viertel lassen sich gut, das Viertel hinten rechts mäßig und das Viertel hinten links fast gar nicht melken. Am Viertel hinten links scheint das Tier bei der Manipulation Schmerz zu empfinden.

Das Sekret der vorderen Viertel ist weiß und ohne sichtbare Inhaltsstoffe, das der hinteren trüb mit deutlichen Flocken. Der Schalm-Test ergab vorne rechts und links jeweils 1+ und hinten rechts und links jeweils 3+.

 

 

IV. Verdachtsdiagnosen

 

1. Endometritis postpuerperalis mucopurulenta chronica (Genitalkatarrh II. Grades)

       Aufgrund der verzögerten Rückbildung des Uterus und der mucopurulenten Flüssig-­           keitsansammlung in der Vagina kann auf eine bakterielle Infektion post partum ge-        schlossen werden. Da das Tier kein gestörtes Allgemeinbefinden und insbesondere kein

 

 

 

 

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       Fieber zeigt, ist die Entzündung als chronisch anzusehen. Als Erreger kommen Strepto-    kokken, Staphylokokken, Mikrokokken, Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa,         Chlamydien, Mykoplasmen bzw. Mischinfektionen aus oben genannten Erregern in   Frage.

 

 

2. Mastitis et Galaktophoritis catarrhalis acuta

       Da die beiden Hinterviertel des Euters vermehrt warm, leicht gerötet und schmerzhaft        sind und das Sekret flockig ist, muß von einer akuten Form der katarrhalischen Mastitis           ausgegangen werden. Ebenso sind die Euterlymphknoten leicht vergrößert.

       Als Erreger kommen Streptococcus agalactiae, Streptococcusuberis und/oder      Staphylococcus aureus in Frage.

 

In beiden Fällen müßten die verursachenden Erreger durch eine bakteriologische Unter­suchung ermittelt werden.

 

 

V. Differentialdiagnosen

 

ad 1.

 

·      Endometritis postpuerperalis catarrhalis chronica (Genitalkatarrh I. Grades)

       Hierbei tritt in der Vagina eine vermehrte Sekretion von klarem, dünnflüssigem Schleim      ohne Eiterbeimengungen auf.

 

·      Endometritis postpuerperalis purulenta chronica (Genitalkatarrh III. Grades)

       Bei dieser Form ist das Vaginalsekret überwiegend eitrig.

 

·      Pyometra (Genitalkatarrh IV. Grades)

       Eine Pyometra ist aufgrund der rektalen Untersuchung weitgehend auszuschließen, da      in diesem Falle eine Flüssigkeitsansammlung im Uterus fühlbar gewesen wäre.

 

·      Metritis

       Hierbei handelt es sich um eine entzündliche Veränderung des Myometriums, die sich       bei der Rektaluntersuchung als verdickte und derbe Uteruswand dargestellt hätte.

 

 

ad 2.

 

·      Mastitis catarrhalis chronica

       Aufgrund der vermehrten Wärme und Schmerzhaftigkeit der hinteren Viertel kann ein         chronisches Stadium z.Zt. ausgeschlossen werden. Vermutlich ist die aktuelle, akute Form aber aufgrund des Geburtsstresses und der Puerperalstörung aus einer zuvor   chronischen Mastitis entstanden.

 

·      Mastitis apostematosa

       Bei dieser Form der Mastitis sind in den betroffenen Eutervierteln knotige Abszeßbildun-­     gen fühlbar. Bei der bakteriologischen Untersuchung wäre eine Infektion bzw. Misch-  infektion mit Actinomyces pyogenes nachweisbar.

 

 

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·      Mastitis phlegmonosa (Mastitis acuta gravis)

       Diese Mastitis zeigt im allgemeinen einen akuten, oft lebensbedrohlichen Verlauf mit           schweren Allgemeinstörungen (hohes Fieber, erhöhte Puls- und Atemfrequenz). Bei der     bakteriologischen Untersuchung wäre eine Infektion/Mischinfektion mit koliformen     Keimen (E. coli, Klebsiella sp., Enterobacter sp.), Pseudomonas aeruginosa oder         Clostridien (Cl. perfringens, Cl. septicum) nachweisbar.

 

·      Hefemastitis

       Eine akute Infektion mit Hefepilzen ist durch eine sich schnell entwickelnde Euterschwel­    lung sowie hohes Fieber gekennzeichnet, wobei diese Symptome auch ohne Behand-        lung nach einigen Stunden wieder abklingen. Bei der chronischen Form ist das Milch-sekret makroskopisch normal.

 

·      Mykoplasmenmastitis

       Bei einer Infektion mit Mycoplasma bovis sind meist alle vier Euterviertel betroffen. Die      Milchdrüse ist stark vergrößert und auffallend hart. Das Sekret verliert jeden Milch-      charakter und besteht nur noch aus dicken, gelbgrünen, gallertigen Flocken.

 

 

VI. Prognose

 

Die Prognosen für beide Erkrankungen sind bei entsprechender Therapie als günstig anzu­sehen.

 

 

VII. Therapie

 

ad 1.

 

Zur Therapie der Endometritis eignen sich:

·      intrauterine, desinfizierende oder adstringierende Spülungen (100 - 200 ml) mit z.B. Lo-­     tagen, Lugolscher Lösung oder anderen Jodpräparaten,

·      Brunstauslösung durch Prostaglandin F2a (reinigende Wirkung durch Leukozytose) so-­       wie

·      Antibiotika-Applikation nach bakteriologischer Untersuchung und Resistenzbestimmung.

 

Eine Kombination dieser Behandlungsmöglichkeiten ist meist sinnvoll.

 

 

ad 2.

 

Die Therapie der Mastitis richtet sich nach dem verursachenden Erreger. Allgemein sind aber intrazisternale oder intramuskuläre Antibiotika-Applikationen gegen gram-positive Bak­terien angezeigt. Vor jeder Instillation müssen die betroffenen Euterviertel gründlich ausge­molken werden.

 

 

 

 

 

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VIII. Epikrise

 

Bei beiden hier vorliegenden Erkrankungen handelt es sich oft um ein Herdenproblem. Es sollten daher, bei gehäuftem Auftreten dieser Erkrankungen im Bestand, auch die prädispo­nierenden Faktoren wie Fütterungs- und Haltungsfehler sowie Mängel in der Geburts- bzw. Melkhygiene überprüft und ggf. geändert werden.

 

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