Nager-01 - Hepatose( Leberverfettung ), Leberkoma, Anämie und einer Zahnanomalie

 

                                                           Krankheitsbericht

 

 

 

 

 

1. Signalment:

 

 

Tierart: Meerschweinchen

Farbe: schwarz - weiß - braun

Geschlecht: weiblich

Alter: 3 Jahre

Rufname: x

Gewicht: 640 g

Patient TgNr.: x

Rö. - Nr.: x

Besitzer:

 

 

 

2. Anamnese:

 

 

Das untersuchte Meerschweinchen wurde am 04. 02. 97 in der Klinik für Kleintiere der FU vorgestellt. Das Tier fraß seit 2 Wochen schlecht. Es wurde vorher beim Haustierarzt gezeigt und dreimal mit �Stoffwechselspritzen� behandelt. Vor 12 Tagen erfolgte eine Zahnkorrektur.

In der Klinik für Kleintiere zeigte sich das Meerschweinchen matt und es fiel eine Umfangsver-

mehrung an der rechten Bauchwand auf. Die Atmung war ruhig und die Schleimhäute blaßrosa.

Am 05. 02 97 waren die festgestellten Befunde Hepatomegalie, und eine Umfangsvermehrung an der rechten Bauchwand, Eierstockzyste. Die Zyste wurde am gleichen Tag punktiert und 3 ml Inhalt abgezogen.

 

 

 

 

3. Status Präsens:

 

 

3.1. Allgemeine Untersuchung:

 

 

Das Tier zeigt ein ruhiges, abwesendes und apathisches Verhalten. Der Pflegezustand ist gut und der Ernährungszustand als mäßig ( palpierbar am Rippenbogen und Abdomen ) zu bezeichnen. Die Körperinnentemperatur beträgt 32.6°C, die Atemzüge liegen bei 120 pro Minute und der Puls zeigt eine Frequenz von etwa 260 Schlägen pro Minute. Das Meerschweinchen wird von einer Rotlichtlampe gewärmt.

 

 

3.2. Spezielle Untersuchung:

 

 

Haut und Haarkleid:

Das Haarkleid ist geschlossen, anliegend und von 1 bis 1,5 cm Länge. Der Hautturgor und die Hautelastizität ist nicht mehr ganz erhalten, denn eine über dem Rippenbogen leicht zu bildende Hautfalte verstrich nicht gleich. Juckreiz ist weder spontan vorhanden noch auslösbar.

 

Schleimhäute:

Die Konjunktiven sind blaßrosa, feucht, glatt und glänzend sowie ohne Auflagerungen, ebenso die Schleimhäute von Maul und Nase.

 

Augen:

Der Lidschluß ist vollständig, die Hornhaut feucht, glatt, glänzend und durchsichtig. Die Pupillen sind scharf gezeichnet und verengen sich beim Lichteinfall. Die Episkleralgefäße sind mäßig gefüllt, haarfein gezeichnet und blaßrosa.

 

Lymphapparat:

Im Bereich der Lymphknoten sind keine auffälligen Veränderungen zu finden.

 

Zirkulationsapparat:

Der Puls hat eine Frequenz von etwa 260 Schlägen pro Minute. Er ist regelmäßig, mittelgroß und schwach. Die Gefäße sind schlecht gefüllt und wenig gespannt. Bei der Auskultation des Herzens sind etwa 260 Schläge pro Minute hörbar, wobei sie regelmäßig, voneinander abgesetzt, ohne Nebengeräusche aber schwach sind.

 

Atmungsapparat:

Das Tier atmet mit 120 Atemzügen pro Minute. Die Atmung ist regelmäßig und ohne hörbare Nebengeräusche.

 

Verdauungsapparat:

Der Appetit des Tieres ist sehr schlecht, eine Futteraufnahme ist nicht zu beobachten. Bei der Palpation der weichen Bauchdecke sind die Leberränder zu fühlen. In der Maulhöhle sind scharfe Zahnränder zu sehen. ( palpatorisch - endoskopische Untersuchung durch Dr. Göbel )

 

Harnapparat:

Während der Untersuchung setzte das Tier keinen Harn ab.

 

 

Bewegungsapparat:

Das Tier war nicht in der Lage sich zu bewegen. ( Schwäche ) Die Krallen aller Zehen sind zu lang, was stellenweise zu einer Auswärtsdrehung der Zehen geführt hat.

 

Nervensystem:

Das Verhalten ist ruhig und apathisch. Korneal- und Pupillenreflexe sind auslösbar.

 

Thorax:

Bei der Palpation des Thorax sind weder Schmerzhaftigkeit, Verletzungen oder Umfangsvermehrungen zu registrieren.

 

Abdomen:

Außer den palpierbaren Leberrändern sind keine Veränderungen festzustellen.

 

 

3.3. Weiterführende Untersuchung:

 

 

Blutuntersuchung:

Nr.: 185        6                   ausgeführt am 05. 02. 97.

6 ID: 185

Urea: 57,0 mg / dl

Crea: 1,25 mg / dl

GPT: 12 U / l

AP: 48 U / l

GOT: 58 U / l

 

 

Radiologische Untersuchung:

Sowohl die laterolaterale wie auch die ventrodorsale Thorax - Abdomen Aufnahmen zeigen eine stark vergrößerte Leber.

 

 

Endoskopische Untersuchung:

Die Zunge ist stark gelb verfärbt, die Schleimhaut ist blaßrosa, die Backenzähne haben scharfe Ränder.

 

 

 

4. Diagnose:

 

 

Aufgrund der festgestellten Befunde handelt es sich im vorliegendem Fall um eine Hepatose

( Leberverfettung )mit darauffolgendem Leberkoma, Anämie und einer Zahnanomalie.

 

Unter Hepatosen versteht man primär nicht von entzündlichen Veränderungen begleitete Stoffwechselstörungen. Sie können ohne besondere Folgen bleiben, schnell zum Tod führen oder in ein chronisches, von entzündlichen Reaktionen begleitetes Stadium übergehen und letztlich in einer Zirrhose enden. Die Übergänge sind fließend und eine exakte Trennung zwischen Hepatose, Hepatitis und Zirrhose kann mitunter schwierig sein.

Unter Leberverfettung versteht man die absolute Erhöhung des Fettgehaltes der Leberzellen. Die Quantität solchermaßen sichtbarer Lipide steht in direktem Zusammenhang mit dem allgemeinen Ernährungszustand und der jeweils aktuellen Stoffwechsellage. Makroskopisch ist die krankhaft verfettete Leber durch eine je nach Grad unterschiedlich ausgeprägte Vergrößerung, brüchige Konsistenz und hellbraun - graugelb bis weiße Farbe des Organs gekennzeichnet. Leberverfettungen können pathogenetisch auf verschiedene Weise zustande kommen. Man unterscheidet alimentäre, metabolische, toxische und hypoxische Hauptformen. Durch die engen Wechselwirkungen zwischen Fett-, Kohlenhydrat- und Proteinstoffwechsel können sich diese Störungen sehr komplex auswirken. Von größter Bedeutung in diesem Fall ist die metabolische Form der Leberverfettung im Rahmen der Ketose ( Azetonämie ). Auslösender Faktor ist ein Kohlenhydratmangel (relativ oder absolut ). Die Leber versucht zunächst, die notwendige Energie über die Glukoneogenese zu erzeugen. Ist diese erschöpft so wird verstärkt die Lipolyse in Anspruch genommen, wodurch es zur Hyperlipämie kommt. Da aber bei der Glukoneogenese das Oxalazetat weitgehend verbraucht wurde bzw. nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stand, kann Acetyl - CoA nicht mehr in Zitrat umgewandelt werden. Statt dessen entsteht Azetoazetat als Ausgangssubstanz der Ketonkörper Azeton und ß - Hydroxybutyrat. Wahrscheinlich entsteht die Leberverfettung durch die direkte toxische Wirkung der Ketonkörper mit Hyperlipämie und Hypoxie sowie einem eventuellen Mangel lipotroper Substanzen.

Diese primär vorhandene Anorexie des Meerschweinchens kann Ursachen vielfältiger Natur haben, z.B. Wasserentzug, falsche Fütterung, Futterumstellung, Vitaminmangel, Malokklusion oder Leberverfettung. Die klinischen Symptome sind in allen Fällen Gewichtsverlust, Krankheitsanfälligkeit, Dehydratation. Trotz erneuter Futteraufnahme kann sich beim Meerschweinchen schnell eine irreversible Ketose entwickeln. Es besteht auch die Möglichkeit daß es sich in diesem Fall um eine Graviditätsketose handelt, da es sich um ein weibliches Tier handelt. Allerdings enthält der Vorbericht nichts unterstützendes für diese Variante. Sie tritt besonders bei fetten oder gestreßten Tieren gegen Ende der Trächtigkeit auf oder 3 bis 4 Tage post partum, ebenso nach großen Würfen. Die klinischen Symptome sind Apathie, Anorexie, rauhes Haarkleid, Azidose, starke Proteinurie und Ketonurie, verminderter Blutglukosegehalt und Tod innerhalb von 24 Stunden, selten nach 2 bis 5 Tagen. Da aber das Tier vom Haustierarzt schon länger behandelt wurde scheidet diese Möglichkeit endgültig aus.

Auch eine diätetisch bedingte Hepatose wäre denkbar. Hier spielt die Hauptrolle die Unterversorgung mit essentiellen Nährstoffen, z.B. mit schwefelhaltigen Aminosäuren,

Vitamin E oder dem Spurenelement Selen die Hauptrolle.

Am wahrscheinlichsten erscheint die Möglichkeit, daß das Tier durch seine Zahnprobleme nicht in der Lage war genügend Futter zu sich zu nehmen. Auf dieser Weise entstanden die Keton-

körper, Ketose, Leberverfettung und anschließend das Versagen der Leber. Das Leberversagen und Koma wurde nicht nur durch die röntgenologisch festgestellte und palpierte vergrößerte Leber unterstützt, sondern hat sich auch bei der endoskopischen Untersuchung ( gelbe Zunge )

und die sehr lange Aufwachphase nach der Isofluran - Inhalationsnarkose gezeigt. Bei dem anschließenden Versuch Blut für einen Lebertest zu entnehmen war es nicht mehr möglich eine Vene zu punktieren ( auch V. Jugularis nicht ).

Eine Malokklusion beruht ätiologisch auf mangelnde Abnutzung, Fehlstellungen oder auch Längenveränderungen der Mandibula, die bis zum 4 Lebensjahr physiologischer Weise auftreten. Der Spitzenwachstum der Backenzähne verursacht Verletzungen der Zunge und Backenschleimhaut. Dies führt zu Anorexie und u.U. zur Abszeßbildung. Eine Korrektur der Zähne erfolgte während der Narkose.

 

 

 

 

 

5. Differentialdiagnosen:

 

 

Leukose:

Für leukoseerregende Viren hat sich die Bezeichnung �Onkoviren� eingebürgert. Die Inkubationszeit ist unbekannt. Die klinische Symptome sind Inappetenz, Anämie, Palpation der vergrößerten Leber und peripherer Lymphknoten ( auch im ventralen Halsbereich ). In unserem Fall sind die Lymphknoten nicht vergrößert, die aber zwingend zu diesem Krankheitsbild gehören und somit scheidet diese Erkrankung als mögliche Ursache aus.

 

Salmonellose:

Die Ansteckung mit Salmonella typhimurium und S. enteritidis erfolgt durch perorale Aufnahme von infiziertem Futter oder Wasser. Prädisponierend wirken Streß, schlechte Fütterung, Vitamin C Mangel, Trächtigkeit oder Begleiterkrankungen. Es gibt einen symptomlosen, akuten oder chronischen Verlauf. Die Symptome sind auch hier Anorexie, Apathie, Abmagerung, Diarrhoe, eine Leber- und Milzschwellung und vergrößerte Lymphknoten. Da wie schon vorher erwähnt weder die Milz noch die Lymphknoten bei unserem Tier verändert sind scheidet auch diese Möglichkeit aus. Um 100% Sicherheit zu haben müßte ein Erregernachweis erfolgen.

 

TyzzerŽs Disease:

Der Erreger ist Bacillus piliformis. Die Ansteckung erfolgt durch perorale Aufnahme von infektiösen, sporenähnlichen Gebilden, die mehr als ein Jahr im Einstreu oder Futter überleben.Prädisponierend erweisen sich unhygienische Haltung und schon bestehende Erkrankungen. Beim chronischen Verlauf dominieren Abmagerung, struppiges Haarkleid, vergrößerte Leber subkutane Ödeme und eine Entzündung von Zäkum und Kolon. Der Darm ist häufig atonisch und mit gelblicher Flüssigkeit gefüllt. Auch diese klinische Symptome treffen auf unser Meerschweinchen nicht zu.

 

Obstipation:

Diese Krankheit ist bedingt durch eine falsche Fütterung. Die klinische Symptome sind Inappetenz, zunehmende Apathie und es werden keine Kotballen mehr abgesetzt. Die Bauch-

palpation ist schmerzhaft. Den uns vorliegenden Unterlagen ist nichts über Kotabsatzprobleme zu entnehmen.

 

Vitamin C Mangel:

Die ungenügende Vitamin C Versorgung führt zu schlechter Wundheilung und Kallusbildung, gestörter Dentinbildung, Blutergüssen in der Glutealmuskulatur, Periarthritiden und Myositiden und zu einer Entzündung in den Maulecken. Mangels Vorhandensein der klinischen Symptome scheidet auch diese Krankheit aus.

 

 

 

6. Therapie:

 

 

04. 02. 97                               0,3 ml Borgal ( Sulfanilamidmezhoxypyrimidin )

                                               20 ml Sterofundin

                                               Tricrescovit ( Multi Vit. Präparat )

05. 02. 97                               0,3 ml Borgal

                                               30 ml Sterofundin

                                               0,4 ml Tricrescovit

                                               0,3 ml Ovogest

                                               5 ml Hipp als Futter

06. 02. 97                               0,3 ml Borgal

                                               30 ml Sterofundin

                                               0,4 ml Tricrescovit

                                               0,2 ml Dexathamonal ( Romifenazon, Phenylbutazon,                                                                                       Dexamethason, Benzylalkoniumchlorid )

                                               Wasser mit Spritze eingegeben

07. 02. 97                               0,3 ml Borgal

                                               30 ml Sterofundin

                                               0,4 ml Tricrescovit

                                               5 ml Hipp

 

 

 

7. Prognose:

 

 

In Anbetracht des schlechten Zustandes und des Leberkomas des Tieres, sollte es am gleichen Tag der Untersuchung noch eingeschläfert werden.

 

 

 

8. Epikrisis:

 

 

Da eine Therapie wegen des schlechten Zustandes des Tieres nicht mehr sinnvoll ist, kommt auch aus tierschützerischen Gesichtspunkten nur die Erlösung des Tieres durch Euthanasie in Frage.

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