Rind-09 - Schwanzräude Peritarsitis

                  

Krankheitsbericht

 

 

 

 

 

Anamnese

 

Die Kuh zeigt seit längerem Lahmheit und sie liegt viel. Ebenso wurden Hautveränderungen beobachtet.

 

 

Signalement

 

Tierart: Rind

Rasse: Deutsches Schwarzbuntes Rind

Zeichnung: weisser mandarinengrosser Stirnfleck

                   Unterbrust und Bauch weiss

                   Vordergliedmassen weiss (lateral bis an das Karpalgelenk, medial bis unter den  

                                                                  Ellbogen reichend)

                   linke Hintergliedmasse bis über das Sprunggelenk weiss

                   rechte Hintergliedmasse bis zum Sprunggelenk weiss

                   Euter weiss

Besondere Kennzeichen:                                         enthornt

Geschlecht: weiblich

Gewicht: ca.500 kg

Alter: geschätztes Zahnalter 4 Jahre

 

 

Status praesens

 

Allgemeine Untersuchung

Dia Kuh wurde liegend vorgefunden. Nach längerem Auftreiben steht sie aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmässig. Das Verhalten ist etwas getrübt. Der Entwicklungszustand ist dem Alter angemessen. Der Ernährungszustand ist gut, der Pflegezustand mässig bis schlecht (vor allem die Klauenpflege betreffend).

Die Körperinnentemperatur beträgt 38,6° C. Die Körperoberflächentemperatur nimmt zu den Extremitäten hin ab; die Oberfläche des Rumpfes fühlt sich mäßig warm an.

 

 

 

 

 

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Haarkleid und Haut

 

Im Bereich des Kreuzbeins zeigen sich Alopezie und Schuppenbildung mit Juckreiz. Hier zeigt sich die Haut grau und trocken. Am Hals zeigten sich Veränderungen der Hautbeschaffenheit in Form einer Verdickung mit Faltenbildung. Im Bereich beider Sprunggelenke sind kreisförmige Alopezie, Verdickung der Haut und Krustenbildung (tennisballgross) festzustellen.

 

Das Haarkleid an sich ist glatt, glänzend, anliegend, mittellang und geschlossen. Die Haare sind ansonsten intakt und sitzen fest; es lassen sich keine Haarbüschel ausziehen. Die Haut ist elastisch. Eine aufgezogene Hautfalte verstreicht rasch und ohne Verzögerung. Der Geruch der Haut ist tierartspezifisch aromatisch.

 

Schleimhäute

 

Die Schleimhäute der Ober- und Unterlippe, der Maulhöhle und des Vestibulum vaginae sind feucht, glatt, glänzend und rosarot. Die Nasenschleimhaut ist dunkel pigmentiert, jedoch ebenfalls feucht, glatt und glänzend, ebenso die porzellanfarbenen Konjunktiven. Die Episkleralgefässe sind deutlich gezeichnet, die kapilläre Füllungszeit liegt unter 3 sec.

 

Lymphapparat

 

Die Lymphknoten des Kopfes sind nicht palpierbar. Die Buglymphknoten sind beiderseits etwa 7 cm lang, fingerförmig, von derb-elastischer Konsistenz und mit glatter Oberfläche. Sie sind frei verschieblich und nicht schmerzhaft. Die Kniefaltenlymhknoten sind etwa 5 cm lang und entsprachen den Buglymphknoten ansonsten.

 

 

Kreislaufapparat

 

Der Puls am Herzen ermittelt beträgt 68 Schläge pro Minute, das Herz selbst ist bei der Auskultation unauffällig. Die Herztöne sind mäßig laut hörbar; sie sind regelmäßig und gut voneinander abgesetzt. Nebengeräusche sind nicht zu hören. Der Herzseitenstoß ist nicht sichtbar, jedoch schwach fühlbar.

Die Pulsfrequenz an der Arteria facialis gleicht der am Herzen gemessenen. Der Puls ist regelmäßig, gleichmäßig und mittelkräftig. Das Gefäß ist gut gespannt und gefüllt.

 

An den Jugularvenen ist beiderseits keine Stauung und kein Venenpuls sichtbar. Die Venen lassen sich anstauen, das Blut fliesst zum Herzen hin gut ab.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Atmungsapparat

 

Die Atemfrequenz beträgt 36 Atemzüge/min bei costoabdominalem Atemtyp und regelmäßiger, rhythmischer, und mäßig tiefer Atmung.

Das Flotzmaul ist kühl, feucht, glatt, glänzend und dunkel pigmentiert. Es ist eine geringe Menge eines wässrig-klaren Nasensekretes zu sehen. Die Ausatmungsluft strömt gleichmäßig aus beiden Nasenlöchern und riecht aromatisch. Die harte Perkussion der Nasennebenhöhlen ergiebt einen hohlen Schall und löst keine Schmerzreaktionen aus.

Bei der Perkussion der Lunge ist innerhalb der physiologischen Lungengrenzen ein voller Lungenschall hörbar. Die Auskultation ergibt keine pathologischen Geräusche.

 

Verdauungsapparat

Im Laufe der Untersuchung konnte Wiederkauen beobachtet werden, dieses verlief ohne Auffälligkeiten.

Der Foetor ex ore ist aromatisch. Die Zunge ist frei beweglich und ohne Besonderheiten. Physiologischer Speichelfluß ist vorhanden. Die Adspektion der Mundhöhle und des Rachenraumes ergibt keine besonderen Befunde.

Das Abdomen ist symmetrisch und leicht nach außen gewölbt. Die Bauchdeckenspannung ist locker. Die linke Hungergrube ist leicht eingefallen. Es sind dort deutliche Pansenkontraktionen von physiologischer Dauer fühlbar. Bei der Palpation erweist sich die Mitte des Abdomens als teigig eindrückbar und der untere Abschnitt als fluktuierend, was auf eine physiologische Schichtung schließen lässt. Die Percussion des Abdomens bestätigte dies, indem dorsal ein tympanischer Schall zu hören ist, der nach unten zunehmend gedämpfter wird. Bei der Auskultation ist während der Pansenkontraktion sowohl in der Hungergrube als auch in den letzten beiden Intercostalräumen ein deutliches an- und abschwellendes Knisterrauschen zu hören (3 Kontraktionen in 2 Minuten).

Die Untersuchung der Haube auf Fremdkörper mittels Rückengriff und Schmerzperkussion ist negativ. Die Perkussion von Psalter und Labmagen sind unauffällig.

Während der Untersuchung setzt das Tier mehrmals in physiologischer Weise Kot ab, der breiig ist und dunkelolivgrün.

 

Harnapparat

 

Während der Untersuchung setzt das Rind in der dafür physiologischen Körperhaltung einen kontinuierlichen Schwall goldgelben, klaren Urins ab.

 

Geschlechtsapparat und Euter

Die äußere Besichtigung der Scham zeigte keine Auffälligkeiten. Die Vulva ist senkrecht und geschlossen.

Das Euter ist weich und feinkörnig. Die Euterhaut ist abziehbar.

 

 

 

 

 

 

 

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Bewegungsapparat

 

Das liegende Tier zeigt eine Brustseitenlage, das gestreckt gehaltene rechte Hinterbein zeigt eine tennisballgrosse, lateral sitzende, abgrenzbare Umfangsvermehrung mit Haarlosigkeit, verdickter, harter Haut und Krusten in diesem Bereich. Nach dem physiologisch erfolgten Aufstehen steht das Rind aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Auch am anderen Sprunggelenk befindet sich eine lateral sitzende Umfangsvermehrung ähnlicher Grösse.

Der Klauenschnitt ist überfällig, was sich an der gebrochenen Klauenachse zeigt. Hinten rechts ist ein Klauenverband angebracht. Bei gerader Strecke und verstärkt bei Wendungen sind deutliche Lahmheit hinten (beidseits, rechts stärker) und Trittunsicherheit feststellbar.

Bei der Palpation erweisen sich die Umfangsvermehrungen an den Sprunggelenken als vermehrt warm, es ist eine Fluktuation fühlbar. Die Punktion ergibt ein müköses, gelblich weisses Sekret.

 

 

Diagnosen

 

Die Veränderungen der Haut in der Kreuzbeingegend lassen auf Schwanzräude schliessen. Zur weiteren Abklärung ist ein Hautgeschabsel zu entnehmen und unter dem Mikroskop zu untersuchen.

Beide Sprunggelenke zeigen eine Peritarsitis mit Abszedierung

Differentialdiagnosen

 

Warzen

Echte Warzen sind rein epidermale Gebilde ohne Blut- und Nervenversorgung, während Papillome Ausstülpungen des Koriums sind. Die relativ starke Blutung beim manuellen Entfernen einer der Veränderungen zeigt deutlich ihre Vaskularisation.

 

Trichophytie

Hierbei handelt es sich um eine Dermatomykose, deren Erreger v.a. Arten der Gattung Trychophyton sind, besoders häufig Trychophyton verruucosum. Deren Keratinasebildung irritiert die oberflächlich verhornten Hautschichten, so daß Entzündungen entstehen oder starke Krusten infolge Parakeratosen, die später asbestartige Borken bilden. Auch im Anfangsstadium aber sind diese Krusten gut von Papillomen zu unterscheiden, da sie das Hautniveau kaum überragen, ohne Substanzverlust ablösbar und nicht gestielt sind.

 

Dermatophilose

Diese Hautentzündung wird verursacht durch das Bakterium Dermatophilus congolensis. Das Krankheitsbild ähnelt stark der Trychophytie, ist bei uns aber selten. Auch sind hierbei die regionalen Lymphknoten vergrößert.

 

Hautleukose

Hierbei treten Hautveränderungen auf, die mehr Urticaria-artig sind als warzenähnlich, und auch in tieferen Hautschichten liegen. Die Lymphknoten sind dabei deutlich verändert. Diese Erkrankung ist sehr selten und nicht ansteckend, es treten nur Einzeltiererkrankungen auf. Die Papillomatose ist jedoch häugih ein Bestandsproblem, und auch im vorliegenden Fall sind ja gleich drei Tiere betroffen.

 

Andere Hauttumore

Auch gegen sie spricht, daß nicht nur ein Einzeltier betroffen ist, und daß keine Lymphknotenveränderungen feststellbar sind.

 

Therapie

Die Papillomatose des Rindes zählt zu den gutartigen neoplastischen Erkrankungen. Sie ist virusinduziert. Der Erreger ist das zu den Papova-Viren gehörende Rinder-Papillom-Virus, das nach Mikroläsionen in die Haut oder Schleimhäute eindringt. Verschiedene Typen dieses Virus rufen verschiedene klinische Erscheinungsformen hervor.

Die fungiforme Hautpapillomatose tritt v.a. beim Jungrind auf und ist die häufigste Form. Die an verschiedenen Stellen der Haut (Kopf, Hals, Triel, Extremitäten, auch Euter) auftretenden Papillome sind pilzförmig. Oft erkrankt ein hoher Anteil des Bestandes.

Die filiforme Papillomatose ist auf Euter und Zitzen beschränkt. Die Veränderungen sind fadenförmig. Auch hier sind bestandsweise gehäuft v.a. Jungtiere betroffen.

Die Schleimhautpapillomatose kann die Genitalien betreffen (Präputium, Glans, Penis, Vagina) oder die oberen Verdauungswege und die Harnblase (viscerale Form). Es treten meist nur sporadische und nur wenige Veränderungen auf, die bei allen Altersstufen anzutreffen sind.

Bei dem vorgestellten Patienten handelt es sich um die fungiforme Hautpapillomatose. Häufig tritt 3 - 6 Monate nach Erstmanifestation Spontanheilung auf, jedoch kann es bei starker Ausbreitung der Papillome zu Entwicklungsstörungen und Störungen des Allgemeinbefindens kommen, oder, je nach Lokalisation der Papillome, zu Behinderung des Deckaktes oder Melkvorganges. Eine operative Entfernung der Papillome wird dann erforderlich, bei der diese stumpf manuell an der Basis abgedreht werden. Kleinere können mit der Pinzette ausgezupft, größere durch einen Scherenschlag abgetrennt werden. Nach dem Abdrehen der Papillome verbleibt ein Rest des Virusmaterials in der Haut, und es entsteht eine Virämie mit nachfolgender Antikörperbildung und Immunität. Aus den entfernten Papillomen kann eine stallspezifische Vakzine hergestellt werden, mit der unbehandelte, leicht befallene Tiere geheilt werden können, und die als Prophylaxe beim Aufstallen gegeben werden kann, um die Erregerausbreitung einzudämmen.

Beim vorgestellten Patienten sind noch keine Störungen des Allgemeinbefindens aufgetreten, und die Ausbreitung der Papillome ist nicht allzu weit fortgeschritten. Dennoch ist eine operative Entfernung anzuraten, allein, um die Ausbildung einer Immunität zu beschleunigen, die Ausbreitung der Papillome zum Stillstand zu bringen und die anderen erkrankten Tiere des Bestandes bzw. die noch nicht erkrankten mit einer Vakzine versorgen zu können. Außerdem kann man so Sekundärinfektionen durch Zerfall der Papillome oder teilweises Abreißen beim Scheuern des Tieres an Balken o.ä. zuvorkommen.

 

Prognose

Die Papillomatose ist eine gutartige neoplastische Erkrankung. Kommt es zur Spontanheilung nach 3 - 6 Monate nach Erstbefall, bildet sich eine Immunität aus, ebenso nach operativer Entfernung der Papillome. Die Prognose ist somit günstig.

 

Epikrise

Nach der Behandlung kann das Tier als geheilt entlassen werden. Es unterliegt keiner Nutzungseinschränkung. Eine Rezidivgefahr besteht aufgrund der sich einstellenden Immunität nicht.

Empfehlenswert ist die Behandlung auch der beiden anderen befallenen Tiere und eventuell die Herstellung einer stallspezifischen Vakzine aus den entfernten Papillomen des behandelten Tieres, mit der die ganze Herde geimpft werden könnte, um die Ausbreitung des Erregers einzudämmen. Andernfalls ist mit immer erneutem Ausbrechen der Erkrankung zu rechnen, die unbehandelt durchaus zu Beeinträchtigungen der Gesundheit der Tiere oder zu Nutzungseinschränkungen führen kann. Neben Behinderung des Melkvorganges oder des Deckaktes ist dabei auch die Qualitätsminderung der Ware Leder aus Rinderhaut zu erwähnen.

 

  

 

 

 

 

 

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