Fortpflanzung-02 - Kuh: Zuchtuntauglichkeit

Krankheitsbericht

Fortpflanzungsklinik

 

 

 

 

 

SIGNALEMENT

   

Es handelt sich um ein ca. achtjähriges, weibliches Deutsches Rotbuntes Rind.

Es ist ca. 130 cm groß und 500 kg schwer.

 

Als angeborene Abzeichen trägt es weiße Flecken auf rotem Grund:

Am Kopf befindet sich ein Keilstern. Auf der linken Seite ist eine vierhandspannenlange  Schulter-

binde. Unterbrust, Unterbauch und Euter sind weiß. Das linke Vorderbein ist unregelmäßig hochweiß,

das rechte Vorderbein ist weiß gefesselt. Beide Hinterbeine sind unregelmäßig  hochweiß. Außerdem

ist die untere Schwanzhälfte weiß.

                                                                                                                                                

Als erworbene Abzeichen trägt die Kuh links eine gelbe Plastikohrmarke mit dem Aufdruck x

und eine Metallohrmarke mit dem Aufdruck: x.

Am rechten Ohr befindet sich eine Metallmarke mit der Nummer x.

Das linke Ohr ist an der Spitze 10 cm weit eingeschlitzt.

 

 

VORBERICHT

 

Am 14. 6. 97 hat ein Kaiserschnitt stattgefunden.

Die Kuh ist am 30. 11. 97 künstlich besamt worden.

Die Milchleistung beträgt derzeit 11 Liter pro Tag und es sind wiederholt Flocken in der Milch beo-

bachtet worden.

 

Im folgendem soll eine Untersuchung auf Trächtigkeit, Zuchttauglichkeit und Eutergesundheit statt-

finden.

 

 

ALLGEMEINE UNTERSUCHUNG

 

Körperhaltung: Alle vier Beine werden gleichmäßig belastet, es sind keine Abweichungen an den

Gliedmaßenachsen zu beobachten, der Rücken bildet eine gerade Linie und die Bauchdeckenspannung

ist weich.

 

Die Kuh verhält sich ruhig und nimmt aufmerksam an ihrer Umgebung teil.

 

Ernährungs- und Pflegezustand sind gut.

 

Der Habitus ist der Jahreszeit und dem Laktationsstadium angepaßt

 

Die Atemfrequenz beträgt 26 Atemzüge / min.,

der Puls 50 Schläge / min. und

die Körpertemperatur 38,3°C.

 

Die Milchleistung beträgt 11 Liter / Tag.

SPEZIELLE ÄUSSERE UNTERSUCHUNG

 

Der Leib ist auf beiden Seiten symmetrisch und nicht vermehrt dick. Die Hungergruben sind leicht

eingefallen. Die Bauchdecke läßt sich eindrücken.

 

Die Kuh hat ein Stufeneuter. Die Zitzen sind jeweils eine handbreit lang und werden zu ihrer Basis

ca. 3 cm breit. Die Zitzenachsen verlaufen senkrecht. Die vorderen Zitzen haben eine abgerundete

Kuppenform, die Kuppen der hinteren Zitzen sind abgeflacht (Tellerzitzen). Caudal der vorderen

linken Zitze befindet sich eine Nebenzitze.

Die Euterhaut hat eine gleichmäßige nicht vermehrt warme Temperatur, ist nicht  schmerzhaft

und weist weder Verdickungen noch Verhärtungen, Auflagerungen oder irgendwelche Zusam-

menhangstrennungen auf. Im Übrigen ist die Euterhaut abziehbar.

Das Eutergewebe ist fein- bis grobkörnig, weich und nicht schmerzhaft. Die Schleimhaut im Zisternen-

bereich ist an allen vier Vierteln verdickt. Ansonsten ist das Zitzenlumen frei beweglich und der

Strichkanal ist derb und reiskorngroß. Auch die Zitzen sind weder vermehrt warm noch vermehrt

schmerzhaft.

Das hintere rechte Viertel ist schwermelkig. Dort tritt die Milch in mehreren dünnen Strahlen hervor.

Der linke Euterlymphknoten ist taschenuhrgroß, der rechte ist etwas größer. Beide Lymphknoten sind

glatt, prall-elastisch, verschieblich und nicht druckempfindlich.

Der Milchcharakter ist sinnfällig erhalten. Zur Zeit sind keine Flocken zu beobachten. Der Schalm-

Test ist im vorderen rechten Viertel deutlich positiv, in den beiden hinteren Vierteln schwach positiv

und im vorderen linken Viertel negativ.

 

Der caudale Rand der breiten Beckenbänder ist straff gespannt. Die Beckenausgangsgrube ist etwas

vergrößert. Die Vulva ist etwas schräggestellt. Die Scham ist nicht vergrößert, sie ist symmetrisch

und gefältet. Der Schluß der Schamspalte ist vollständig.

Verklebungen, Sekrete bzw. Sekretkrusten sind nicht zu beobachten.

 

 

SPEZIELLE INNERE UNTERSUCHUNG

 

Vaginale Inspektion:

 

Die Schleimhaut des Scheidenvorhofes ist gering feucht, glänzend, blaßrosa und ohne Auflagerungen.

Die Klitoris ist erbsengroß. Der Eingang zur Harnröhre bzw. zum Diverticulum suburethrale ist finger-

kuppengroß.

Die Portio vaginalis cervicis ist rosettenförmig und etwas vorgefallen. Der äußere Muttermund ist

stohalmstark geöffnet. Die Schleimhaut ist in diesem Bereich wie auch in der restlichen Vagina

gering feucht, glänzend, blaßrosa, ohne Auflagerungen, Verklebungen und Einziehungen. Der Hymenal-

ring ragt 2-3 cm in die Scheide hinein.

 

Rektale Palpation:

 

Die Zervix ist ca. 8 cm lang und 5 cm dick, derb und frei beweglich. Der Uterus liegt in der Becken-

höhle. Der Gebärmutterkörper ist ca. 5 cm lang. Das linke Uterushorn ist zweifingerdick. Das rechte

Uterushorn ist dreifingerstark und seine Schleimhaut ist verdickt. Der Uterus ist schlaff, gering

kontraktil, ohne Einziehungen, frei von fremden Inhalt und frei in der Becken- bzw. Bauchhöhle

beweglich. Der Eihautgriff kann nicht angewendet werden.

Die Eileiter sind nicht zu palpieren.

Das linke Ovar ist mandelgroß und abgeflacht. Das rechte Ovar ist walnußgroß, eiförmig und hat

am caudomedialen Rand eine Erbsengroße, gummiartige Vorwölbung. Beide Ovarien sind sonst

von derber Konsistenz.

An der Beckeninnenfläche sind keine Unebenheiten zu fühlen.

Uterinschwirren ist nicht zu fühlen.

 

 

 

 

 

DIAGNOSEN

 

Untersuchung auf Eutergesundheit:

 

Das Allgemeinbefinden ist nicht gestört.

Die Euterlymphknoten sind nicht geschwollen. Das Eutergewebe ist palpatorisch unauffällig.

Die verdickte Schleimhaut der Zisternen aller vier Viertel und die gelegentlich beobachteten Flocken

der Milch weisen auf eine chronische Zisternitis hin, die z.B. durch mechanische Reizung beim Melk-

prozeß entstehen kann oder von einer akuten Entzündung übrig geblieben ist. Durch derartige Reizungen

kann zudem die erhöhte Zellzahl der Milch im vorderen rechten Viertel und in den hinteren Vierteln

hervorgerufen werden. Durch diese Entzündung läßt sich auch die zu geringe Milchmenge von 11 Litern

pro Tag erklären.

Die Schwermelkigkeit an dem hinteren rechten Euterviertel wird durch eine chronische Zitzenkanal-

stenose hervorgerufen, wie sie nach einer Entzündung, einer Verletzung oder einer Epidermiswucherung

des Strichkanals entsteht.

Prädisponierend für eine Entzündung wirkt auch die Tellerzitzenform der hinteren Zitzen, da dort nach

dem Melken Milchtropfen hängen bleiben können, und so das Ansiedeln von Keimen begünstigt wird.

Die Nebenzitze am vorderen linken Euterviertel ist derart positioniert, daß sie den Melkprozeß nicht

stört.

 

 

Untersuchung auf Trächtigkeit:

 

Die Kuh ist am 30. 11. 97 künstlich besamt worden und müßte sich jetzt am Anfang des Großsäckchen-

stadiums befinden.

Zur Zeit zeigt die Kuh keine Brunstanzeichen, der Duldungsreflex ist nicht auszulösen, die Scham ist

gefältet und nicht vergrößert. Die Schleimhaut der Vagina und der Portio vaginalis cervicis ist gering

feucht, glänzend und blaßrosa. Brunstschleim ist nicht zu sehen.

Die Portio vaginalis cervicis ist rosettenförmig. Sie ist vorgefallen durch einen Muskelring (Burdi- Ring)

der Zervix, wodurch der äußere Muttermund strohhalmstark geöffnet ist.

Der Uterus ist schlaff und gering kontraktil.

Das linke Uterushorn ist zweifingerdick. Das rechte Uterushorn ist durch die verdickte Schleimhaut

dreifingerdick. Dieses spricht für eine chronische Endometritis.

Uterinschwirren ist nicht festzustellen. Der Eihautgriff kann nicht angewendet werden. Die erbsen-

große gummiartige Vorwölbung auf dem rechten walnußgroßen Ovar ist ein Gelbkörper.

 

Diese Befunde zeigen, daß die Kuh nicht brünstig, aber auch nicht trächtig, ist.

 

 

Untersuchung auf Zuchttauglichkeit:

 

Erblich bedingte Mängel:   Die Kuh besitzt ein Stufeneuter, welches das Melken mit der Maschine erschwert. Die hinteren Zitzen sind sog. Tellerzitzen und erhöhen durch Hängenbleiben von Milchtropfen mit anschließender Keimansiedlung das Mastitis-Risiko. Auch die Nebenzitze am vorderen linken Viertel ist melkhygienisch unerwünscht.

 

Erworbene Mängel:   Die vergrößerte Beckenausgangsgrube und die dadurch bedingte Schrägstellung  der Vulva sind wahrscheinlich durch eine Lockerung des perianalen und perivaginalen Bindegewebes bei dieser schon älteren Kuh bedingt. Dadurch wird jedoch die Vulva ständig mit Kot verschmutzt und die Gefahr der Keimansiedlung in die Vagina steigt. Da zudem der äußere Muttermund durch den vorgefallenen Burdi-Ring - wahrscheinlich auch eine Folge vorausgegangener Trächtigkeiten - offen steht, können die Keime bis in den Uterus vordringen und sowohl die Frucht als auch die Kuh schädigen. Die verdickte Schleimhaut des rechten Horns weist auf eine chronische Endometritis hin, die aufgrund des offenstehenden äußern Muttermundes entstanden sein kann. Weitere denkbare Ursachen sind der Kaiserschnitt am 14. 6. 97, andere Komplikationen während des Partus und im Puerperium oder eine unsauber durchgeführte Besamung.

           

Zudem sind die Prognosen für die Befunde im Euterbereich mit Vorsicht zu stellen.

                            

Aufgrund dieser erblich bedingten und erworbenen Mängel und in Anbetracht des Alters des Tieres

ist von einem weiteren Zuchteinsatz abzusehen.

 

 

 

 

DIFFERENTIALDIAGNOSEN

 

Zur chronischen Zisternitis:

 

Die Thelitis acuta und die Zisternitis acuta lassen sich schon alleine  wegen fehlender Entzündungs -erscheinungen ausschließen. Bei der chronischen Thelitis erstreckt sich der Prozeß auf die ganze Zitze

und nicht nur auf die Zisterne.

 

Gegen die subklinische katarrhalische Mastitis sprechen die gelegentlich auftretenden Flocken in der

Milch.

Die Mastitis catarrhalis acuta ist durch vermehrt warme, gerötete und schmerzhafte Euterviertel ge-

kennzeichnet,

während bei der Mastitis catarrhalis chronica lokale oder diffus verteilte, knotige oder strangförmige

Verhärtungen des Eutergewebes auftreten.

 

Die Mastitis apostematosa läßt sich wegen fehlender Abszeßbildungen und fehlender Gewebsein-

schmelzungen ausschließen.

 

Die Mastitis phlegmonosa ist ein akutes Geschehen mit Störungen des Allgemeinbefindens.

 

Bei der Mastitis granulomatosa zeigen die betroffenen Euterviertel eine Umfangsvermehrung mit

puffiger Beschaffenheit, eine fibrinöse Entartung des Drüsengewebes und Granulombildung.

 

Die Mykoplasmen - Mastitis ist im akuten Stadium durch eine Vergrößerung und Verhärtung der

betroffenen Viertel gekennzeichnet. Später treten Abszesse auf und schließlich wird Drüsengewebe

abgebaut.

 

 

Die chronische Zitzenkanalstenose läßt sich von der akuten Zitzenkuppenthelitis durch fehlende

akute Entzündungsanzeichen abgrenzen.

 

 

Bei der akuten Endometritis währe im Gegensatz zu dieser chronischen Form der äußere Muttermund

entzündlich gerötet und je nach Schweregrad würde Sekret austreten oder es wäre vermehrter Inhalt

nachweisbar.

 

 

PROGNOSE

 

Die chronische Zisternitis und die chronische Endometritis sind kaum zu beeinflussen. Außerdem ist

durch die chronische Endometritis die Prognose für eine erneute Trächtigkeit ungünstig.

 

Die chronische Zitzenkanalstenose läßt sich nur operativ beseitigen.

 

Die schräggestellte Vulva und der vorgefallene Burdi - Ring sind bleibende Veränderungen, die sich

nicht therapieren lassen.

 

Durch die erblichen und erworbenen Mängel ist ein weiterer Zuchteinsatz nicht angezeigt. Außerdem

sind die Therapien der erworbenen Mängel sehr langwierig und die Aussichten auf eine einwandfreie Wiederherstellung sind schlecht. Zu bedenken ist auch das relativ hohe Alter des Tieres. Deshalb ist

es unwirtschaftlich, die Kuh weiter zu halten.

 

 

 

THERAPIE

 

Die chronische Zisternitis durch eine mehrtägige intrazisternale Penicillinapplikation  (1 -3 Mio. I.E.

pro Euterviertel) zu behandeln. Zusätzlich kann eine Eutermassage versucht werden.

 

Die chronische Zitzenkanalstenose kann nur operativ beseitigt werden.

 

Die schräggestellte Vulva und der vorgefallene Burdi - Ring sind nicht therapierbar.

 

Bei der Endometritis kann ein Therapieversuch mit Chemotherapeutika (3 - 5 Mio. I.E.) in einem

Volumen von 20 - 40 ml intrauterin vorgenommen werden.

 

Da die Prognose insgesamt sehr schlecht ist, würde ich eine Therapie ablehnen und eine Verwertung

des Tieres anraten.

 

 

WEITERER VERLAUF

 

Am 10. 2. 98 - eine Woche nach Fallübernahme - hatten sich die Befunde nicht verändert.

 

 

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