Fortpflanzung-10 - Kuh: Galactophoritis et Mastitis catarrhalis chronica purulenta

 

  Fortpflanzungsbericht

  

 

 

 

 

 

 

 

 

         I. Anamnese

Bei der zu untersuchenden Kuh wurde am 14.06.2000 ein Kaiserschnitt durchgeführt. Weitere vorberichtliche Daten sind nicht bekannt.

 

 

 

II. Signalement

Tierart:                        Rind

Rasse:                                      DRB

Geschlecht:                              weiblich

Alter:                                       ca. 7 Jahre

Ohrmarken:                             links gelbe Plastikohrmarke      x

                                               links gelbe Plastikohrmarke      x

 

Das Tier ist unbehornt und überwiegend weiß mit folgender rotbrauner Fellzeichnung: Ein handtellergroßer Fleck im Bereich des rechten Sitzbeinhöckers sowie ein etwas größerer Fleck am linken Sitzbeinhöcker. Weitere, kleinere Flecken befinden sich rechts im Bereich der Hungergrube, an der unteren Bauchseite, am Unterarm und am Hals, auf der linken Seite im Bereich der Rückenlinie, am Handwurzelgelenk, am Hals sowie im Bereich der Drosselrinne. Unterhalb der Schwanzwurzel befindet sich ebenfalls ein rotbrauner Fleck. Am Kopf ist das rechte Auge von einem rotbraunen Fleck umrandet, der bis zum rechten Ohr zieht. Das rechte Ohr ist ebenso wie das linke vollständig rotbraun gezeichnet. Auf der linken Kopfseite befindet sich ein Fleck im Bereich der Kaumuskulatur, ein weiterer umrahmt das linke Auge.

 

 

 

III. Klinische Untersuchung

 

 

Allgemeine Untersuchung

Das Tier belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig, es ist aufmerksam und nimmt an seiner Umgebung teil. Der Ernährungszustand kann als gut bezeichnet werden, der Pflegezustand ist eher mäßig. Das Tier macht 44 Atemzüge/min. Die Herz- und Pulsfrequenz beträgt 64 Schläge/min. Bei der Auskultation des Pansens sind 3 Kontraktionen in 2 Minuten gut zu vernehmen. Die Körperinnentemperatur beträgt 38,7 °C, die Körperoberflächentemperatur fühlt sich mit Ausnahme der physiologischen Warm- und Kaltzonen gleichmäßig warm an.

 

 

Spezielle Untersuchung

 

Haarkleid, Haut und Unterhaut

Das Haarkleid ist geschlossen, glatt, anliegend und glänzend. Die Unterhaut läßt sich leicht vom Rippenbogen abheben, eine aufgezogene Hautfalte verstreicht zügig und vollständig. Im Bereich der linken Hungergrube befindet sich eine etwa 30 cm lange, senkrecht verlaufende Narbe mit krustigen, rotbraunen Auflagerungen, die sich im oberen Bereich ablösen. Die Wundränder sind weder schmerzhaft noch vermehrt warm.

 


Sichtbare Schleimhäute

Die Schleimhäute der Augen, des Naseneingangs, der Maulhöhle sowie der Vulva sind blaßrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen.

 

Lymphapparat

Die Kopflymphknoten lassen sich nicht palpieren. Der Buglymphknoten ist fingerstark und ca. 7 cm lang, der Kniefaltenlymphknoten ist ebenfalls fingerstark und ca. 3 cm lang. Die Euterlymphknoten sind taubeneigroß. Sämtliche palpierten Lymphknoten sind unter der Haut verschieblich, glatt, von prall-elastischer Konsistenz und nicht schmerzhaft.

 

Kreislaufapparat

Der Herzspitzenstoß ist an der linken ventralen Brustwand gut fühlbar, die Auskultation des Herzens ergibt eine Frequenz von 64 Schlägen pro Minute. Die Herzaktion ist regelmäßig, die Herztöne sind deutlich voneinander abgesetzt. Es sind keine Nebengeräusche zu vernehmen. Die Pulsfrequenz, palpiert an der A. facialis, entspricht der des Herzens. Der Puls ist regelmäßig und kräftig. Die Episkleralgefäße sind fein gezeichnet und mäßig gefüllt. Die V. jugularis ist beidseitig anstaubar, d.h. bei der Venenstauprobe fließt die Vene herzwärts völlig leer.

 

Atmungsapparat

Bei der Adspektion ist eine rhythmische, costoabdominale Atmung feststellbar, die Frequenz beträgt 44 Atemzüge pro Minute. Die Bewegung des Brustkorbes ist symmetrisch und die Ausatmungsluft strömt aus beiden Nasenlöchern gleichmäßig aus. Die Nasenöffnungen sind feucht und das Flotzmaul fühlt sich kühl an. Die Perkussion ergibt eine kaudale Begrenzung des Lungenfeldes von der 11. über die 9. Rippe zum Ellbogengelenk. Bei der Auskultation des Lungenfeldes ist ein leises bronchovesiküläres Atemgeräusch hörbar.

 

Verdauungsapparat

Die Freßlust des Tieres ist gut, der abgesetzte Kot ist olivgrün und von breiiger Konsistenz. Tränkeaufnahme wurde im Untersuchungszeitraum nicht beobachtet. Die Schleimhäute von Maulhöhle, Zahnfleisch und Zunge sind unversehrt. Das Abdomen ist symmetrisch, die Bauchdecke weist eine physiologische Spannung auf. Die Auskultation des Pansens ergibt 3 deutliche Kontraktionen in 2 Minuten. Sowohl Schmerzperkussion als auch Rückengriff lösen keinerlei Schmerzreaktion aus. Das Leberperkussionsfeld ist ca. vier Finger breit, es liegt unterhalb der Wirbelsäule und hinter dem Lungenperkussionsfeld. In diesem Bereich ist eine vollständige Dämpfung vernehmbar.

 

Harnapparat

Harnabsatz wurde während der Untersuchung nicht beobachtet.

 

Bewegungsapparat

Das Tier belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Es sind keine Umfangsvermehrungen oder Verletzungen der Gliedmaßen festzustellen. Der Pflegezustand der Klauen ist als gut zu bezeichnen.

 

Nervensystem und Sinnesorgane

Das Tier verhält sich ruhig und aufmerksam, Bewegungen werden koordiniert ausgeführt. Der Korneal-, Schwanz- und Afterreflex sowie die Obenflächensensibilität sind vorhanden. Die Augen sind symmetrisch, Lidschlag- und Pupillenreflex sind vorhanden.


Geschlechtsapparat

 

Die Vulva ist symmetrisch, gerade und geschlossen. Die äußere Haut ist im Bereich der Vulva in leichte Falten gelegt.

 

Die Schleimhaut der Scheide und der Portio vaginalis ist blaßrosa, feucht, glatt, glänzend und von einer geringen Menge fadenziehendem, klarem Schleim überzogen. Am Boden der Vagina ist ein Schleimsee sichtbar. Der Tonus des Hymenalringes ist deutlich ausgeprägt. Die Portio vaginalis cervicis ist rosettenförmig; der Zervikalkanal ist vollständig verschlossen.

 

Der Uterus ist mit der Hand abgrenzbar; es liegt eine leichte Asymmetrie der Hörner vor; das linke ist ca. dreifingerstark und das rechte ca. vierfingerstark. Die Gebärmutter ist von weich-elastischer Konsistenz und weist eine mäßige Kontraktionsbereitschaft auf. Hinweise auf etwaigen Inhalt in der Gebärmutter liegen nicht vor. Das rechte Ovar ist walnußgroß, es ist ein ca. haselnußgroßes, derb-elastisches, glattes Gebilde tastbar, das sich von der Ovaroberfläche absetzt. Das linke Ovar ist taubeneigroß. Auf seiner Oberfläche ragt ein ca. erbsengroßes Gebilde hervor, das eine deutliche Fluktuation aufweist.

 

Das Euter ist der Form nach ein Melkmaschineneuter, die Hinterviertel weisen jeweils eine Afterzitze auf. Die Zitzen sind zylindrisch, die Zitzenspitze ist tellerförmig. Die Hauttemperatur des Euters ist gleichmäßig warm. Die Haut ist elastisch und abziehbar. Der Strichkanal sowie die Drüsenzisterne weisen bei der Palpation keine Besonderheiten auf. Das Euterdrüsengewebe ist feinkörnig. Die Melkbarkeit des rechten Hinterviertels ist mäßig, die anderen Euterviertel lassen sich gut melken. Im Sekret des rechten Hinterviertels sind feine, kleine, weiße Flocken sichtbar.

 

Schalmtest:              li          vo        -         

                               re         vo        +          (leichte Schlierenbildung)
                               li          hi         -
                               re         hi         ++       (deutliche Schlierenbildung)

 

 

 

IV. Diagnose

 

Galactophoritis et Mastitis catarrhalis chronica purulenta

 

Zur weiteren Diagnosesicherung wird eine bakteriologische Untersuchung einer steril entnommenen Milchprobe empfohlen.

 

Diese Form der Mastitis entwickelt sich aus subklinisch verlaufenden katarrhalischen Mastitiden oder aus einer nicht oder ungenügend behandelten akuten katarrhalischen Mastitis. Sie kommt in jedem Laktationsstadium und auch während des Trockenstehens vor. Als Erreger kommen vor allem Streptokokken (Str. agalactiae) und Staphylokokken in Frage, seltener koliforme Keime oder C. pyogenes. Bei länger anhaltender Erkrankung kommt es zu bindegewebigen Alterationen im Drüsengewebe, die letztendlich zur Atrophie des erkrankten Drüsenviertels führen können. Die Milchleistung geht je nach Schwere der Erkrankung zurück. Das Sekret zeigt noch Milchcharakter, weist aber feine oder grobe Flocken auf.

 

V. Differentialdiagnosen

 

Entzündungen des Euters werden in erster Linie von Bakterien, seltener von Mykoplasmen, Hefen und Pilzen verursacht. Die Erreger gelangen entweder galaktogen, lymphogen oder hämatogen in das Euter, wobei dem galaktogenen Infektionsweg die größte Bedeutung zukommt. Je nachdem, ob das eigentliche Drüsenparenchym oder die Milchsammelgänge betroffen sind, spricht man von einer Mastitis oder einer Galaktophoritis. Häufig treten jedoch beide Formen gemeinsam auf.

 

Als Differentialdiagnosen kommen in diesem Fall folgende Formen der Euterentzündungen in Betracht:

 

Mastitis apostematosa

Diese durch Corynebacterim pyogenes verursachte Mastitis verläuft meist chronisch. Es kommt zu diffusen Verhärtungen des Eutergewebes, häufig brechen Abszesse nach außen auf. Nach Abheilung vernarbt die Euterhaut. Das Sekret ist bei dieser Mastitisform wäßrig-serös, mit eitrigen Flocken sowie nekrotischem Gewebe durchsetzt und übelriechend.


Hefemastitis

Die Hefemastitis wird durch einige Schimmel- und Sproßpilzarten verursacht. Man unterscheidet eine akute und eine chronische Form. Bei der akuten Form ist eine starke Schwellung des Euters mit gummiartiger Konsistenz feststellbar. Das Sekret ist wäßrig mit molkeartigem Aussehen und enthält schleimige Flocken. Im chronischen Stadium ist das Drüsengewebe fleischig-derb verhärtet bei unverändert erscheinender Milch.

 

Mykoplasmenmastitis

Die akute Phase der durch Mykoplasmen verursachten Mastitis ist durch eine starke Vergrößerung und Verhärtung des Euters gekennzeichnet, die innerhalb weniger Tage meist alle Euterviertel umfaßt. Mit zunehmender Erkrankungsdauer entwickeln sich Abszesse.

 

Aufgrund der erhobenen Befunde stelle ich in diesem Fall die Diagnose „chronische katharralisch-eitrige Galaktophoritis und Mastitis“. Zur Diagnosesicherung sollte eine bakteriologische Untersuchung des Milchsekrets erfolgen.

 

 

VI. Prognose

Die Prognose ist im Hinblick auf die subklinische Mastitis als günstig zu bezeichnen. Es ist jedoch zu bedenken, daß es sich sehr oft (insbesondere bei einer Kokkenmastitis) um ein Bestandsproblem handelt. Eine erneute Ansteckung durch andere im Bestand erkrankte Kühe, die weiterhin die Erreger ausscheiden, ist nicht auszuschließen. In solchen Beständen ist eine Bestandssanierung als sinnvoll zu erachten. Bei einer Galtmastitis ist dabei etwa ein Jahr anzusetzen, während bei Staphylokokkenmastitiden mit mehreren Laktationsperioden gerechnet werden muß.

 

Die Prognose bezüglich der Eutergesundheit muß als schlecht bezeichnet werden. Eine Wiederherstellung der bindegewebig verhärteten Bezirke ist nicht zu erwarten. Zudem kann mit einer permanenten Keimausscheidung und einer Verbreitung des Erregers über die Melkanlage gerechnet werden. Das Tier stellt somit eine permanente Ansteckunsquelle für die anderen Tiere dar. Dies ist aus bestandshygienischen und wirtschaftlichen Gründen nicht zu vertreten.

 

 

 

 

VII. Therapie

Während der Laktation beschränkt sich die Therapie auf hygienische Maßnahmen. Prädisponierende Faktoren sollten so weit wie möglich ausgeschaltet werden. Weiterhin sollten die erkrankten Tiere von den klinisch gesunden getrennt aufgestallt werden. Mehrmals tägliches Ausmelken fördert die Heilung. Außerdem können antiphlogistische und hyperämisierende Salben (Eutersalben) aufgetragen werden. Nach dem Melken sollten die Zitzen desinfiziert werden. Das Trockenstellen sollte unter Antibiotikaschutz erfolgen.

 

Die Therapie der Mastitis sollte nach Durchführung einer bakteriologischen Untersuchung einschließlich Antibiogramm erfolgen. Für die Behandlung in Frage kommmt die parenterale Gabe von Mamycin ( Benzylpenicillinester) oder von Makroliden. Die parenterale Gabe bietet eine bessere Verteilung der Antibiotika im Eutergewebe, da diese oft durch die bindegewebigen Verhärtungen gestört ist. Intrazysternal bietet sich Penicillin-G an oder bei Vorliegen von penicillinasebildenden Staphylokokken Isoxacolyl-Penicilline. Die Therapie sollte durch häufiges Melken unterstützt werden. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß eine "restitutio ad integrum" nicht mehr möglich ist. Sollte eine antibiotische Therapie nicht erfolgreich sein ist eventuell eine Verödung des Viertels in Erwägung zu ziehen. Dies kann durch die Verabreichung eines Langzeitantibiotikums und gleichzeitiger Ruhigstellung oder durch die Infusion einer Akridinfarbstofflösung erreicht werden. 

 

 

 

VIII. Zuchttauglichkeitsbeurteilung

Das rechte Ovar weist einen Gelbkörper in Rückbildung auf, am linken Ovar konnte eine Blase palpiert werden, wobei es sich wahrscheinlich um einen parazyklischen Follikel handelt. Das Rind ist also zyklisch, der Zyklusstand entspricht dem Diöstrus. Der Uterus ist frei in der Bauchhöhle beweglich. Es scheinen keine Verklebungen und Verwachsungen stattgefunden zu haben. Durch den vorgenommenen Kaiserschnitt ist es also zu keiner feststellbaren Minderung der Zuchttauglichkeit gekommen. Sollte es allerdings bei der nächsten Trächtigkeit wiederum zu Geburtskomplikationen kommen, so ist davon auszugehen, daß diese Störungen vom Muttertier ausgehen. In diesem Fall ist das Tier von der weiteren Zuchtnutzung auszuschließen, um weitere Geburtskomplikationen sowie die Vererbung dieser Störung zu verhindern.

 

 

 

IX. Epikrise

Bei dem vorgestellten Patienten handelt es sich um eine etwa siebenjährige rotbunte Kuh, die am 14.06.2000 durch einen Kaiserschnitt entbunden hat. Es wurde eine chronische katharralisch-eitrige Galaktophoritis und Mastitis diagnostiziert. Da die Untersuchung keine weiteren krankhaften Veränderungen ergeben hat, scheint die Zuchttauglichkeit nicht beeinträchtigt.

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