Schwein-05 - Gesäugeaktinomykose

 

K R A N K H E I T S B E R I C H T

 

 

 

 

I. Signalement

 

Bei dem am 07.11.1996 ausgegebenen Patienten handelt es sich um eine nicht tragende, ungefähr 250 kg schwere Altsau der Deutschen Landrasse. Sie trägt in ihrem rechten Ohr eine gelbe Plastikmarke mit der Nummer x.

 

 

II. Anamnese

 

Die Sau, die aus einem Ferkelerzeugerbetrieb stammt, wurde in die Klinik wegen einer Umfangsvermehrung im Gesäugebereich eingestellt. Ein weiteres Manko, das in diesem Bestand mit einer bestimmten Regemmäßigkeit auftaucht, ist die Klauenproblematik. Diese wird aber von einem anderen Bericht erörtert werden.

 

 

III. Status praesens

 

a) Adspektion:

 

Die Sau nimmt rege an ihrer Umwelt teil. Sie zeigt einen guten Ernährungszustand. Die Haltung ist aufrecht, aufgrund des Klauenproblemes ist der Gang jedoch hinkend. Die Klauen sind zu lang, an der rechten äußeren Klaue hat sie ausgeschuht, so daß sie eine Stützbeinlahmheit zeigt. Ein Dekubitus mit einem erworbenem Schleimbeutel am vorderen rechten Ellenbogen ist zu sehen. Die Haut dort ist aufgrissen und blutig.

 

Bei der weiteren Betrachtung fällt eine Umfangsvermehrung in der rechten Gesäugeleiste um die Komplexe 4, 5 und 6 auf. An drei 10-Pfennig-Stück großen Stellen um den Komplex 4 ist die Haut rot-bläulich verfärbt, und es hat sich Schorf darüber gebildet.

Das Allgemeinbefinden ist aufgrund der Klauenerkrankung geringgradig gestört.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

b) Auskultation:

 

Die Herzfrequenz  beträgt 60 Schläge pro Minute und die Atmung 15 Atemzüge pro Minute. Die Sau atmet wegen der Aufregung schnell und oberflächlich, deshalb ist auch der Rhythmus unregelmäßig.

 

c) Palpation:

 

Bei der Palpation stellt sich die Umfangsvermehrung als diffuse in Haut und Unterhaut verteilte, derbe Gebilde dar, deren Umfang von Hirsekorn- bis Hühnereigröße reicht. Diese Knötchen sind voneinander abgrenzbar und kugelförmig. Der Bereich ist weder schmerzhaft noch vermehrt warm. Die Haut ist schwer abziehbar.

 

 

IV. Diagnose

 

Bei der hier  vorliegenden Veränderung handelt es sich um die Gesäugeaktinomykose des Schweines, die durch den Erreger Aktinomyces suis hervorgerufen wird. (Nach Rolle/Mayr und der 8.Auflage von Bergey´s Manual of Determinative Bacteriologiy ist A. suis nicht als selbstständige Art anerkannt, sondern wird als A. bovis-ähnlich bezeichnet). Das Krankheitsbild taucht meist nach dem Absetzen am rückgebildeten Gesäuge auf.

 

Die Ursache hierfür sind  Hygienemängel im Haltungsbereich , aber auch Euterhaut- und Zitzenläsionen durch Bisse der Ferkel an der Gesäugeleiste. Sie kommen meist durch Rangordnungskämpfe zustande, wenn Milchmangel vorherrscht, oder eine zu große Anzahl an Ferkeln geboren wurde. Durch die Bißverletzungen wird dem Bakterium die Eintrittspforte geöffnet, da er sich regelmäßig im Rachenraum der Säugetiere befindet. Er ist ein mikroaerophiler, grampositiver, fadenförmiger, nicht säurefester, unbeweglicher, nicht sporenbildender Keim, der außerhalb des Wirtes und unter 20 Grad Celsius nicht lebensfähig ist.

Die Erregerkolonien, welche zu bis zu 1mm großen Granula (Drusen) heranwachsen können, liegen in Mikroabszessen (Granulomen), die von entzündlichen infiltriertem Bindegewebe umgeben sind. Diese können im schlimmsten Falle Kindskopfgröße erreichen und bis zu 7 kg schwer werden. Diese Abszesse suchen sich gerne einen Weg nach außen. Bei dieser Sau existieren noch keine Fistelgänge nach außen.

 

Als Begleitkeimflora findet man oft Staphylokkoken, Streptokokken und Corynebacterium. pyogenes.

 

 

V. Differentialdiagnose

 

Als Differentialdiagnose müssen chronische Mastitiden ausgeschlossen werden. Auch sie sind als knotige bis strangartige Gebilde palpierbar, die mit der Zitze jedoch in engem Zusammenhang stehen und unter der Haut verschieblich sind. Das unterscheidet sie von der Aktinomykose, bei der ein Teil der Knoten stes mit der Haut oder Hautläsionen eng verbunden ist.

Zur Abklärung, welche granulomatöse Entzündung mit Drusenbildung vorliegt, (Aktinomykose, Aktinobazillose, Staphylokokken oder Pseudomonas), wird die histopathologische Untersuchung herangezogen.

 

 

Grafik war zu viel für die Diskette!!!!

 

 

Abb.: Drusenmorpholgie versch. granulombildender Erreger
(aus Beer, Infektionskrankheiten der Haustiere, Band II, Gustav-Fischer-Verlag)

 

 

VI. Prognose

 

Bei der Gesäugeaktinomykose des Schweines muß entschieden werden, ob der Zuchtwert des Tieres den hohen Behandlungsaufwand rechtfertigt. Theoretisch können Knoten bis faustgröße chemotherapeutisch, umfangreichere nur chirurgisch behandelt werden. Hinzu kommt, daß klinisch veränderte Drüsenkomplexe ohnehin verloren und Rezidive nicht ausgeschlossen sind. Nicht behandlungswürdige Sauen müssen umgehend ausgemerzt werden, um eine Anreicherung der Umgebung mit pyogenen Begleitkeimen zu verhindern und eine Weiterverbreitung der Actinomykose im Stall auszuschließen.

 

 

VII. Therapie

 

Bei diesem Tier hier wird die Schlachtung angeraten, da es sich nicht lohnt, die Gesäugeaktinomykose zu behandeln. Die Sau ist zu alt und würde zudem 3 Milchkomplexe verlieren. Die Verletzung durch die ausgeschuhte Klaue wird noch zur Abheilung gebracht, bevor sie den Weg zum Schlachthof antritt.

 

Als Chemotherapie würde man ein systemisch wirksames Präparat (Penicillin ist das Mittel der Wahl) täglich oral über einen längeren Zeitraum verabreichen. Eine lokale Therapie ist wenig erfolgversprechend, weil das Geschehen diffus ist und man nicht sicher sein kann, alle Knoten zu treffen.

Die chirurgische Therapie besteht in spindelförmiger Umschneidung und stumpfem Herauspräparieren der veränderten Gewebsteile unter Narkose und zusätzlicher Lokalanästhesie. Jedoch verlaufen in dem Operationsgebiet zahlreiche, stark blutführende Gefäße (“Milchvene”), so daß die OP nicht ganz einfach verlaufen wird. Diese OP wird in praxi äußerst selten durchgeführt.

 

 

VIII. Prophylaxe

 

Zur Prophylaxe könnten gute hygienische Bedingungen und das Verhindern von Rangordnungskämpfen um die milchgebenden Zitzen mit den daraus resultierenden Bißverletzungen beitragen. Durch bessere Fütterung könnte der Hypogalaktie vorgebeugt werden, überzählige Ferkel sollten an sogn. “Ammensauen” angesetzt werden.

Weiterhin sind Sauen mit aktinomykotischen Veränderungen am Gesäuge sofort zu behandeln oder auszumerzen. In stark befallenen Sauenbeständen sind symptomfreie und erkankte Tiere gesondert zu halten, was diesem Betrieb anzuraten wäre, da es ja ein Bestandsproblem ist.

 

 

IX. Epikrisis

 

Die mir am 07.11.1996 vorgestellte Sau litt an Gesäugeaktinomykose, welche durch den Bacillus Aktinomyces suis hervorgerufen wird. Da diese Erkrankung eine Tendenz zeigt, sich enzootisch im Betrieb auszubreiten (Krankheithäufigkeit von 0,5 - 10 %), wird angeraten, solche Tiere auszumerzen, oder zumindest, abgesondert von den gesunden Tieren, zu behandeln, da sich die Ursachen (siehe VIII.) nicht unbedingt leicht lösen lassen.

Diese Sau wird nach Abheilung ihrer ausgeschuhten Klaue auf den Schlachthof gebracht.

 

 

 

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