Pferd-41 - Druse, AV-Block zweiten Grades

 

 

1. Anamnese

 

 

Das Pferd kommt aus einem Stall, in dem Mitte April 2001 ein Pferd an Druse erkrankt war. Am 28. April 2001 zeigt das Tier plötzlich Koliksymptome mit Absatz von weichem Kot, Kreislaufschwäche, Fieber und Unruhe, beruhigt sich aber nach Gabe von Novalgin. Bei der rektalen Untersuchung läßt sich eine Umfangsvermehrung im Bauchraum ertasten. Aufgrund dieser Befunde weist der Haustierarzt XXX die Stute in die Klinik für Pferde ein.  Aufnahmedatum ist der 28. April 2001 gegen Mitternacht; der behandelnde Kliniktierarzt ist Herr XXX.

 

 

2. Signalement

 

 

Das Pferd „x“ ist eine braune Warmblutstute, deren Widerristhöhe auf 160 cm geschätzt wird. Das Körpergewicht beträgt 332 kg.

Abzeichen sind außer einem markstückgroßen Fleck in der Fesselbeuge der linken Hinterextremität nicht vorhanden; Brandzeichen liegen nicht vor.

Bei der Zahnalterbestimmung wird ein rundlicher Zahnbogen festgestellt, die Molaren sind durchgebrochen. Im Unterkiefer sind Zangen und Mittelzähne, im Oberkiefers nur die Zangen gewechselt; das Tier hat ein Zangengebiß. Anhand dieser Befunde wird das Pferd auf etwa vier Jahre geschätzt, was sich mit den Angaben des Einstellungsbogens deckt, nach dem das Pferd 1997 geboren wurde.

 

 

3. Untersuchungsbefunde der Aufnahmeuntersuchung vom 28. April 2001

   

 

3.1 Allgemeine Untersuchung:

 

Bei Einlieferung zeigt „Luna“ bläuliche Schleimhäute, einen Puls von 72 Schlägen in der Minute, eine Atemfrequenz von 24 Zügen pro Minute und eine kapilläre Füllungszeit von 3 Sekunden. Die innere Körpertemperatur kann wegen des offenen, aber nicht gelähmten Sphinkter ani nicht bestimmt werden. In keinem der vier Quadranten (oberer und unterer jeweils rechts und links) kann ein Darmgeräusch festgestellt werden. 

 

3.2 Weiterführende Untersuchungen:

 

·        Blutuntersuchung:

 

Hämatokrit

50,0

%

Gesamteiweiß

6,0

g/dl

Base excess

-2,0

mmol/l

Leukozyten

25,1

Tausend/µl

Hämoglobin    

8,5

g/dl

Erythrozyten  

3,6

Millionen/µl

Eosinophile Granulozyten           

2,0

%

Stabkernige Granulozyten         

49,0

%

Segmentkernige Granulozyten         

19,0

%

Lymphozyten         

28,0

%

Monozyten       

2,0

%

 

Als vom physiologischen Habitat abweichende Blutwerte zeigen sich bei „Luna“ ein hochgradig erhöhter Hämatokritwert, eine ausgeprägte Leukozytose mit Neutrophilie und Linksverschiebung und eine dezente Anämie.

 

·        Rektaluntersuchung:

 

Bei der rektalen Untersuchung findet sich im Mastdarm weicher breiiger Kot. Das Colon ascendens ist wenig gefüllt und in der Lage unverändert. Die Milznierenregion ist frei, das Caecum ohne besonderen Befund. Die Sandaufschwemmungsprobe ist positiv. Median in der Bauchhöhle findet sich eine höckerige ca. gänseeigroße Umfangsvermehrung, die bei Palpation deutlich schmerzhaft ist.

 

·        Sonographie:

 

Bei der Sonographie der Bauchhöhle lassen sich einige gekammerte, mehrere Zentimeter große, fluktuierende, gefüllte, unruhige Zubildungen erkennen.

 

·        Punktion des Abdomens:

 

Zur Punktion des Abdomens wird das Pferd mit 15 ml Xylazin, 5 ml Ketamin und 2 Ampullen Diazepam in Narkose gelegt. In der Bauchhöhle finden sich mehrere Liter eitriger Peritonealflüssigkeit; das Punktat enthält 120.000 Leukozyten pro ml.

 

·        Mikrobiologische Untersuchung des Bauchhöhlenpunktates:

 

Aus den genommenen Bauchhöhlenpunktat-Proben kann Streptokokkus equi subspezies equi isoliert werden.

 

 

4. Weiterer Verlauf

 

 

In den ersten drei Tagen nach der Aufnahme (29.04. – 01.05.) ist der Allgemeinzustand des Pferdes gut; es hat Appetit und setzt Kot und Urin ab. Bei der Peritoneallavage ist die Spülflüssigkeit relativ klar. Der Base excess wird zunächst bis zu –5,8 mmol/l negativer; die weiteren Blutwerte normalisieren sich allmählich.

Am 02. Mai ist das Pferd morgens munter mit einer inneren Körpertemperatur von 37,7 °C, einem Puls von 44 Schlägen in der Minute und einer Atemfrequenz von 16 Zügen pro Minute. Der Appetit ist gut, der Kot ist geballt. Die Spülflüssigkeit der Peritoneallavage ist klar. Der Foleykatheter wird gewechselt, wobei eine phlegmonöse Schwellung nahe des Zuganges auffällt. Außerdem zeigt das Pferd an der rechten Halsseite eine eitrige Periphlebitis. Mittags zeigt das Pferd Koliksymptome ohne hörbare Darmgeräusche in allen vier Quadranten und mit einem Puls von 68 Schlägen in der Minute; aus der Bauchhöhle werden ca. 2 Liter eitriges Exsudat abgelassen. Der Zustand bessert sich nach intravenöser Gabe von 25 Millilitern Buscopan compositum deutlich, so daß nach einer Stunde das Pferd wieder munter mit einem Puls von 48 Schlägen in der Minute ist. Abends ist das Pferd munter, in allen vier Quadranten sind deutliche Darmgeräusche zu ermitteln; allerdings hat die Stute nur wenig Appetit.

Vom 03. Mai 2001 bis zur nachstehend beschriebenen Untersuchung am 08. Mai sind keine Störungen des Allgemeinzustandes der Stute verzeichnet. Am 04. Mai kann der Foleykatheter herausgenommen werden. Bis zum Ende der Kliniktherapie haben sich auch die Blutwerte wieder normalisiert.

 

5. Untersuchungsbefunde der eigenen Untersuchung am  08. Mai 2001 im Rahmen der klinischen Demonstrationen

 

5.1 Allgemeinbefunde

 

Die Pulsfrequenz beträgt 48 Schläge pro Minute, die Pulswellen sind kräftig, regelmäßig und gleichmäßig. Die Atemfrequenz beträgt 16 Atemzüge pro Minute. Der Atemtyp ist costoabdominal. Die innere Körpertemperatur beträgt 38,3°C; die Temperatur der Körperoberfläche ist gleichmäßig verteilt und nimmt an Nasenrücken, Schweifwurzel und distaler Gliedmaßenregion ab. Das Pferd ist sehr mager mit deutlich herausstehenden Dornfortsätzen und Hüfthöckern.

 

5.2 Status praesens

 

5.2.1 Allgemeinverhalten:

 

Bei der Untersuchung am 08. Mai verhält sich das Pferd ruhig und aufmerksam. Es steht aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Der Appetit ist gut.

 

5.2.2 Kot-und Harnabsatz:

 

Während der Untersuchung setzt das Pferd einmal mittelbraunen, weichen, leicht wässrigen Kot ab. In der Box ist weicher, geformter Kot zu finden. Harnabsatz kann nicht beobachtet werden.

 

5.2.3 Schleimhäute:

 

Die Augenbindehäute sind rosafarben, feucht und glänzend, im Bereich des dritten Augenlids sind auf der rechten Seite geringgradige Erhöhungen zu sehen. In den medialen Augenwinkeln befinden sich Tränenspuren. Die Maulschleimhaut ist zum großen Teil schwarzgrau pigmentiert, ansonsten blaßrosa, feucht, glatt und glänzend, die kapilläre Füllungszeit liegt bei  zwei Sekunden. Die Nasenschleimhaut ist schwarz pigmentiert.

 

5.2.4 Lymphknoten:

 

Die Kehlgangslymphknoten sind im Durchmesser bis zu zwei Zentimeter groß und erbsenförmig und weisen bei fester Konsistenz eine unregelmäßige Oberflächenstruktur auf. Sie sind geringgradig druckempfindlich, gegen die Haut verschieblich und der Körpertemperatur entsprechend warm. Außerdem ist der rechte Retropharyngeallymphknoten tastbar, der ca. 0,5 cm groß und fest ist.

 

 

 

5.2.5 Konstitution,Kondition und Pflegezustand:

 

Bei der Untersuchung fallen keinerlei konstitutionelle Mängel auf. Der konditionelle Zustand kann nicht beurteilt werden. Der Ernährungszustand ist als schlecht, der Pflegezustand ist als gut zu beurteilen.

 

5.2.6 Haut und Haarkleid:

 

Das Deckhaar ist abgesehen von einer etwa 5 x 7 cm großen haarlosen, höckerigen Stelle im Kehlgang und einer Operationswunde in der Linea alba an der gesamten Körperoberfläche glatt, glänzend, dicht und anliegend. Die Haut läßt sich problemlos vom Unterhautgewebe abheben, die dadurch gebildete Hautfalte verstreicht sofort. Um die Operationswunde herum ist die Haut fest-geschwollen, vermehrt warm und gerötet.

 

5.2.7 Herz-Kreislauf-System:

 

An der A. facialis beträgt der Puls 48 Schläge in der Minute, die Pulswellen sind kräftig, gleichmäßig, regelmäßig und gut abgesetzt; die Arterie ist gut gefüllt, die Gefäßwandspannung im physiologischen Rahmen. Die Jugularvenen sind beiderseits gut anstaubar und zeigen dabei negativen Venenpuls. Der Herzstoß ist bei der Palpation spürbar. Die Herzfrequenz liegt entsprechend der Pulsfrequenz bei 48 Schlägen in der Minute. Die Auskultation des Herzens zeigt Unregelmäßigkeiten mit zwischenzeitlichem Ausfall einer Kammerkontraktion, welche ansonsten deutlich abgesetzt, von gleicher Intensität und frei von Herzgeräuschen sind. Nach vorsichtigem Umtreiben des Pferdes in der Box erfolgen die Kammerkontraktion dann regelmäßig. Die kapilläre Füllungszeit liegt bei zwei Sekunden.

 

5.2.8 Atmungsapparat:

 

Die Atemfrequenz beträgt 16 Atemzüge pro Minute. Der Atmung ist rhythmisch und gleichmäßig und vom costoabdominalen Typ. Die Umgebung der Nüstern ist trocken und sauber; die Luft strömt aus beiden Nüstern gleichmäßig aus und ist geruchlos. Der Kehlkopf ist symmetrisch, ein Hustenreflex läßt sich nicht auslösen. Bei der Perkussion des Lungenfeldes ist beidseitig voller Lungenschall hörbar. Bei der Auskultation ist beim Einatmen ein leichtes vesikuläres Geräusch vernehmbar; an der Luftröhre läßt sich ein bronchiale Atemgeräusch ausmachbar. Es liegen keine Hinweise auf gestörte Atmungstätigkeit vor.

 

5.2.9 Verdauungsapparat:

 

Der Ernährungszustand der Stute ist schlecht, das Pferd ist sehr mager mit deutlich herausstehenden Dornfortsätzen und Hüfthöckern. Die Umgebung der Maulhöhle ist sauber, der Lippenschluß vollständig. Die Zunge ist unverletzt und frei von Auflagerungen. Die Adspektion des Abdomens zeigt eine symmetrische Ausbildung; die Palpation zeigt keine vermehrte Bauchdeckenspannung. Es sind in allen vierQuadranten deutliche Darmgeräusche zu ermitteln. In der Box liegt brauner, weicher, geformter Kot vor; während der Untersuchung setzt „x“ weichen, leicht wässerigen Kot ab. Hinweise auf im Verdauungstrakt beheimatete akute Störungen liegen nicht vor.

 

5.2.10 Urogenitalapparat:

 

Während der Untersuchung setzt die Stute keinen Harn ab; den Untersuchungsprotokollen der Klinik zufolge wurde aber ein regelmäßiger Harnabsatz beobachtet. Die Schamspalte der Stute ist vertikal geschlossen, sauber und trocken. Hinweise auf Probleme am Urogenitalapparat können nicht gefunden werden.

 

5.2.11 Bewegungsapparat:

 

Im Stand belastet das Pferd alle vier Gliedmaßen gleichmäßig; in der Bewegung im Schritt auf gerader Strecke sowie in 90°-Wendungen nach rechts und links setzt die Stute alle Beine in gleichem Maß und ohne Anzeichen von Schonung oder Schmerz. Die Winkelungen in den Gelenken und die Stellungen der Gliedmaßen zur Längsachse geben keinen Hinweis auf dadurch bedingte Störungen. Alle vier Beine sind gleichmäßig trocken, kühl und schmerzfrei ohne vermehrte Pulsation. Anzeichen für das Vorliegen eines Lahmheitsgeschehens liegen nicht vor.

 

5.2.12 Nervensystem:

 

Getestet werden jeweils beidseitig Drohreflex und Lidreflex, zusätzlich der Perianalreflex und der Schweiftonus; hierbei werden keine Anhaltspunkte für neurologisch bedingte Probleme gefunden. Das Überkreuzen der Vorderbeine wird jeweils beidseitig vom Pferd korrigiert. Das Kreuzen der Hinterbeine wird vom Pferd verweigert.

 

 

5.3 Spezielle klinische Befunde

 

5.3.1 Rektale und sonographische Untersuchung:

 

Zwischen Rektum und Aorta finden sich nahe der Medianen mehrere harte, kastaniengroße, frei bewegliche Gebilde, die sich nach Angabe von Dr. XXX im Vergleich zur Einstellung vor ca. drei Wochen kleiner darstellen, und paramedian im rechten oberen Quadranten eine handballgroße, eindrückbar-feste Umfangsvermehrung. Per Ultraschall lassen sich eindeutig die Kammerungen der Abszesse erkennen. 

 

 

 

5.4 Weitere Verlaufsbeobachtung

 

Da eine positive Heilungstendenz erkennbar ist, kann die Stute zur weiteren Behandlung durch den Haustierarzt nach Hause entlassen werden.

 

 

6. Diagnose

 

·        Druse

·        AV-Block zweiten Grades

 

 

7. Ätiologie

 

7.1 Ätiologie der Druse

 

Unter Druse (Coryza contagiosa, Adenitis equorum) ist im allgemeinen eine akute, eitrige, von Fieber begleitete ansteckende Entzündung der Nasen- und Rachenschleimhaut mit Vereiterung der ableitenden Lymphknoten zu verstehen, die überwiegend bei jüngeren Pferden unter fünf Jahren auftritt und durch Streptokokkus equi subspezies equi verursacht wird. Diese Streptokokken können insbesondere in eitrigem Sekret mehrere Wochen in der Außenwelt überleben und sind sehr kontagiös, weshalb bei Einschleppung in einen Bestand innerhalb weniger Tage mehrere Pferde erkranken können. Die Übertragung erfolgt überwiegend durch aerogen durch Tröpfcheninfektion, kann aber unter Umständen auch über Wunden, kontaminierte Gegenstände oder den Deckakt erfolgen. Im allgemeinen gelangen die Streptokokken nasal oder oral über das lymphatische Gewebe in die ableitenden Lymphknoten, wo sie sich extrazellulär vermehren können. Chemotaktisch angelockte Leukozytenmassen werden zerstört, was zu Einschmelzungserscheinungen im Gewebe und in Folge zu Abszeßbildung führt. Der Erreger entzieht sich einer Phagozytose hauptsächlich durch das antiphagozytäre M-Protein, ein leukozytäres Toxin und die Kapsel, weshalb die Streptokokken weiter vordringen und in verschiedenen weiteren Organen eitrige Entzündungen bzw. Abszesse verursachen können. Bei einer Infektion mit Streptokokkus equi subspezies equi kommt es nach einer Inkubationszeit von 1 – 8 Tagen zu der Erkrankung, die durch deutliche Leukozytose und hohes, bis zu 41,5 °C betragendes Fieber bezeichnet wird. Das Fieber hält ohne Behandlung bis zu 20 Tage an. Nach der Fieberphase kommt es zu beidseitigem, serös-schleimigen Nasenausfluß und angeschwollenen Lymphknoten, häufig in Verbindung mit Konjunktivitis und Stomatitis, Apathie und Inappetenz. In dieser Phase, der sogenannten „leichten Druse“, kann es noch zu einer spontanen Heilung kommen. Im Gegensatz dazu kommt es bei der so bezeichneten „schweren Druse“ im weiteren Verlauf  zu einer eitrig-schleimigen Nasenrachenentzündung mit erheblicher Schwellung der Kehlgangs- bzw. Luftsacklymphknoten. Bei Kehlgangsdruse führt die mandibuläre Lymphadenitis zu Abszessen; das begleitende Fieber sinkt im allgemeinen, wenn die Abszesse durchbrechen oder eröffnet werden. Während die Kehlgangsabszesse nach außen durchbrechen, entleeren sich die Luftsackdrusen in den Luftsack oder in den Rachen bzw. brechen unter Fistelbildung nach außen durch. Die Entzündung kann auf Luftsäcke, Muskulatur und Kehlkopf übergreifen und erschwerte, röchelnde Atmung mit schmerzhaftem Husten bedingen.

Eine weitere Druseform, die sogenannte „kalte Druse“, verläuft unauffälliger ohne Fieber und mit nur geringem Nasenausfluß. Durch die „kalte Form“ kann der Erreger in Bestände eingeschleppt werden; begünstigend hierfür können zu niedrige Antibiotikagaben sein.

Gefürchtete Druse-Komplikationen sind Folgen der Metastasierung, zu der es insbesondere bei mangelhafter Ruhigstellung der betroffenen Pferde kommen kann. Eher selten kommt es über eine Pyämie zu einer Verschleppung in den Liquor mit folgender Meningoenzephalitis, zu letalen Septikämien oder zu einer Infektion der Luftwege durch Aspiration von Eiter vornehmlich aus abszedierten Luftsacklymphknoten; eine größere Bedeutung hat – wie im vorliegenden Fall - die Metastasierung in die Lymphknoten der vorderen Gekrösewurzel. Hierbei kommt es zu Verdauungsstörungen mit starker Abmagerung und Kolikerscheinungen; gegebenenfalls in schweren Fällen ohne Behandlung daraus sich entwickelnd zu Peritonitis oder Nephritis.

 

7.2 Ätiologie des AV-Blockes zweiten Grades

 

Der AV-Block zweiten Grades tritt bei Jungpferden häufig auf und kann als klinisch unbedeutend angesehen werden. In diesem Fall handelt es sich um eine Trainingsbradycardie, die bei einer Erhöhung des Vagotonus z.B. durch Belastung oder Aufregung verschwindet.

 

 

8. Differentialdiagnosen

 

 

8.1 Differentialdiagnosen für die Normalform der Druse

 

·        Fohlenlähme

·        Pyämische Form der Salmonellose

·        Rhodokokkus-equi-Infektion

·        Rotz

·        Rhinovirusinfektion

·        Influenzavirusinfektion

·        Infektiöse Anämie

 

 Zur Abgrenzung der Differentialdiagnosen kann als erstes der mikrobiologische Erregernachweis herangezogen werden. Druse wird von Streptokokkus equi subspezies equi hervorgerufen, der sich aus dem Punktat nachweisen läßt. Neben dem typischen schleimigen Wachstum auf Blutagar nach aerober Bebrütung zeigt Streptokokkus equi subspezies equi im Gram-Präparat gram-positive Kokken.

 

Die Fohlenlähme trifft im Falle der durch Streptokokkus equi subspezies zooepidemicus verursachten Spätlähme Fohlen im Alter von zwei bis sechs Wochen, im Falle der durch das gramnegative, kokkoide Actinobacillus equuli verursachten Frühlähme Fohlen in den ersten Lebenstagen. Durch Streptokokkus equi subspezies zooepidemicus kann allerdings bei Jungpferden eine Pharyngitis oder eine eitrige Bronchopneumonie verursacht werden, weshalb zur Unterscheidung von Streptokokkus equi subspezies equi eine Differenzierung über die Laktoseverwertung – Sc. zooepidemicus kann sie im Gegensatz zu Sc. equi verwerten – erfolgen muß. 

Salmonellen sind gramnegative Stäbchen. Die pyämische Ausprägung hat eher geringere Bedeutung und kann als Begleiterscheinung einer Infektion mit dem Salmonella-Serovar Abortusequi angesehen werden, wobei hier Polyarthritis oder Tendinitis im Vordergrund stehen. Von dieser Nebenform der Salmonellose sind in den meisten Fällen nur Fohlen bzw. Jährlinge betroffen. Auch begleitend einer Infektion mit dem Salmonella-Serovar Typhimurium können Abszesse bei Fohlen beobachtet werden, gehen aber in den meisten Fällen mit schweren Durchfällen einher.

Rhodokokkus equi verursacht eitrige Bronchopneumonien überwiegend beim Fohlen; der Erreger ist ein grampositives Stäbchen und wächst in rötlich-schleimigen Kolonien.

Bei der Infektionskrankheit Rotz werden geschwürige Knötchen in der Haut, den Schleimhäuten der oberen Luftwege und der Lunge gebildet. Verursacht wird Rotz durch Pseudomonas mallei, ein gramnegatives, unbewegliches Stäbchen, das aerob langsam auf Blutagar wächst. Rotz ist in Mitteleuropa getilgt, durch den wachsenden Pferdehandel u.a. mit der ehemaligen Sowjetunion ist die Gefahr der Erregereinschleppung aber gegeben.

 

Die viralen Erkrankungen durch Rhino- und Influenzaviren grenzen sich eindeutig zur Druse ab durch ein Nichtansprechen auf die antimikrobielle Therapie bzw. den nicht erfolgenden bakteriellen Erregernachweis.

 Die Infektiöse Anämie der Einhufer wird durch ein Retrovirus verursacht. Im Unterschied zur Druse fehlen hier der typische purulente Nasenausfluß, die Abszedierung und die deutliche Leukozytose.

 

 

8.2 Differentialdiagnosen für die Abdominalform der Druse

 

·        Neoplasien des Gekröses

·        Abszesse anderer Genese

 

Das Vorliegen von Gekröse-Neoplasien kann durch den erfolgten Erregernachweis und das Ansprechen auf eine mikrobielle Therapie ausgeschlossen werden.

Im Gegensatz dazu lassen sich Abszesse anderer Genese nicht so einfach ausschließen. Abszesse können u.a. durch Staphylokokken, Streptokokken, Rhodokokkus equi oder Salmonellen verursacht werden; hier kann eine mikrobiologische Diagnostik weitere Auskunft geben. Aber auch ein Abszeßgeschehen verursacht durch Streptokokkus equi subspezies equi spricht nicht in jedem Fall für Druse. Da das Pferd, über das der Bericht geschrieben wird, aber aus einem Drusebestand kommt, kann auch hier von der Diagnose Druse ausgegangen werden.

 

 

9. Therapie

 

 

9.1 Therapie der Druse

 

9.1.1 Beschreibung der durchgeführten Behandlung:

 

Zur Soforttherapie bei der Einlieferung am 28. April nachts wird zunächst eine Braunüle gelegt; darüber werden zunächst 10 Liter NaCl, dann weitere 5 Liter NaCl mit 10 Millionen I.E. Aulicinlösung als Dauertropfinfusion verabreicht. Zur Peritoneallavage wird ein Foleykatheter eingesetzt und die Bauchhöhle mit 10 Litern NaCl gespült. Außerdem werden 75.000 I.E. Heparin subcutan verabreicht.

Am 29. April erhält das Pferd morgens per Dauertropfinfusion 10 Liter NaCl mit 10 Millionen I.E. Aulicin, 1,5 Liter Gelafundin und 3 Liter Ringerlaktat; subcutan werden 50.000 I.E. Heparin gespritzt, zur Peritoneallavage werden insgesamt 20 Liter NaCl verwendet. Am Abend des selben Tages bekommt „x“ nochmals 5 Liter NaCl, 1,5 Liter Natriumbicarbonat, 1,5 Liter Gelafundin und 3 Liter Ringerlaktat per Dauertropfinfusion sowie 20 Milliliter Penicillin-Streptomycin intramuskulär; eine Lavage wird – wie auch an den beiden folgenden Tagen - mit 10 Litern NaCl durchgeführt. Zusätzlich zur NaCl-Infusion (8 Liter) erhält das Pferd am 30. April einen Liter 10 %ige Glucose und 10 Millionen Penicillin G in 1 Liter Sterofundin. Von diesem Tag an bis zur Entlassung des Pferdes werden täglich 10 Milligramm Acetylsalicylsäure oral gegeben. Wie auch am nächsten Tag wird die Peritoneallavage mit 10 Litern NaCl durchgeführt.   

Ab dem 02. Mai bekommt „x“ täglich zusätzlich zweimal am Tag jeweils 1200 Milligramm (entsprechend jeweils den Inhalt von zwei Dragees) Rifampicin oral und morgens jeweils 20 Milliliter Penicillin-Streptomycin intramuskulär. Neben der Fütterung mit eingeweichten Pellets und Heu werden täglich zusätzlich 3 Meßlöffel Pfizer Horse Supplement übers Futter verabreicht. Außerdem wird jeden Tag morgens und abends– bis zur Entfernung des Foleykatheters am 04. Mai 2001 – eine Peritoneallavage mit jeweils 5 Litern NaCl-Lösung durchgeführt.

Nach der Entlassung am 08. Mai soll das Pferd im Heimatstall täglich jeweils morgens und abends 1200 Milligramm Rifampicin oral über noch mindestens drei Wochen erhalten. Da das Pferd auf einer Weide stehen wird, muß keine ergänzende Fütterung zur Verbesserung des Allgemeinzustandes erfolgen, da das Gras im Frühjahr sehr protein- und energiereich, dabei gleichzeitig rohfaserarm ist, d.h. eine sehr gute Verdaulichkeit besitzt. Wichtig ist, daß das Pferd in den ersten Wochen nach der Entlassung nicht belastet wird, damit die im Abszeß abgegrenzten Streptokokken nicht im infektiösen Zustand freigesetzt werden bzw. durch das belastete Immunsystem keine Sekundärinfektion begünstigt wird.

 

 

 

 

9.1.2 Erläuterung der Therapie:

 

a)     Zur antibiotischen Behandlung der Streptokokkus equi subspezies equi-Infektion werden mit Penicillin, Streptomycin und Rifampicin drei Antibiotika eingesetzt.

Penicillin gehört zu den ß-Laktam-Antibiotika und wirkt über Hemmung der Murein-Transpeptidase lysierend auf die Zellwand gram-positiver Bakterien; diese Wirkung wird aber im zu sauren oder zu basischen Klima abgeschwächt. Aminoglykosidantibiotika wie Streptomycin sind polykationische, basische, stark polare Oligosaccharide. Bei längerer Verabreichung wirken sie oto-, nephro- und neurotoxisch, schon nach einigen Gaben können Resistenzen auftreten; als Monopräparate sind sie kaum gegen Streptokokken wirksam.

Das Streptomycin wirkt wie alle Amoinoglykosidantibiotika überwiegend bakteriostatisch, indem es Einfluß auf die Translation zur Proteinsynthese der Bakterien nimmt; durch vermutete Permeabilitätsänderungen wirkt es aber zum Teil auch bakteriozid.

Mit der Kombination von Penicillin mit Streptomycin, also der Kombination von ß-Laktam-Antibiotika mit Aminoglykosiden, werden synergistische Effekte insbesondere bei gram-positiven Bakterien wie Streptokokkus equi subspezies equi erreicht, wobei die ß-Laktam-Antibiotika durch die Schädigung der Zellwand der Bakterien die Penetration der Aminoglykosidantibiotika erleichtern. Allerdings können Mehrfachresistenzen gegen beide Wirkstoffe auftreten, weshalb ein Einsatz von Penicillin-Streptomycin-Kombinationspräparaten in jedem Fall sorgfältig abgewogen werden muß.

Rifampicin gehört zur Gruppe der Ansamycine und wirkt durch eine Hemmung der DNA-abhängigen RNA-Polymerase bakterizid hauptsächlich gegen gram-positive Bakterien, aber auch gegen Mykobakterien. Rifampicin hat ein enges Wirkungsspektrum und weist schnelle Resistenzentwicklung auf, weshalb es im allgemeinen nur nach Antibiogramm und bei Penicillin-resistenten Infektionen angewendet wird. Im vorliegenden Fall wird der Einsatz dadurch gerechtfertigt, daß im Bauchraum noch Abszesse bestehen, die chirurgisch nicht zugänglich sind, in denen die Erreger aber weiterhin persistieren. Da Penicillin aber nicht in die Abszeßhöhle gelangen kann, muß alternativ zur Erregerabtötung im Abszeß mit Rifampicin ein stark lipophiles Antibiotikum eingesetzt werden und auch nach Entlassung des Pferdes aus der Klinik mindestens noch drei Wochen – mindestens bis die Abszesse steril sind – verabreicht werden, da ansonsten bei Abszeßdurchbruch in die Bauchhöhle die Stute erneut andere Pferde anstecken kann.

 

b)     Zum Ausgleich der durch den negativen Base-excess gekennzeichneten Azidose werden Natriumbicarbonatlösung und Ringerlaktat verabreicht, wobei letzteres über den Abbau des Laktates zu Bicarbonat wirkt. Für die Volumensubstitution werden 0,9 %-ige Natriumchloridlösung, 10 %-ige Glucoselösung und als kolloidosmotisch wirksamer Plasmaersatz Gelafundin (Succinylgelatine) über eine Dauertropfinfusion gegeben.

 

c)      Gegen die sekretorische Diarrhoe bekommt „Luna“ Acetylsalicylsäure, was neben der antisekretorischen Wirkung auch noch analgetisch, antipyretisch, antiphlogistisch und antithrombotisch wirkt. Zur Verhinderung von Thromben wird in den ersten Tagen zusätzlich Heparin gegeben.

 

d)     Zur Peritoneallavage wird physiologische (0,9 %-ige) Kochsalzlösung genutzt, da sie blutisoton ist und so keinen Einfluß auf die ohnehin gestörte Volumenbalance hat und außerdem sehr gut verträglich ist.

 

9.2 Therapie des AV-Blockes zweiten Grades

 

Der AV-Block zweiten Grades bedarf bei diesem vierjährigen Pferd zunächst keiner Behandlung, sollte aber zukünftig beobachtet werden.

 

 

10. Prognose

 

Sofern das verordnete Antibiotikum Rifampicin in entsprechender Dosierung konsequent über weitere drei Wochen gegeben wird, bestehen gute Chancen einer völligen Abtötung der Streptokokken in den Abszessen und somit einer Verhinderung von Rezidivinfektionen. Dennoch kann die Prognose nur vorsichtig gestellt werden, da die überstandene Infektion einerseits durch starke Beanspruchung des Immunsystems zu Sekundärinfektionen führen kann, andererseits das Pferd sehr abgemagert und demzufolge momentan nicht belastbar ist. Zudem besteht auch weiterhin die Gefahr von Koliken durch die Abszesse bzw. die bindegewebigen Rückstände der ausgeheilten Abszesse im Darmgekröse, weshalb das Pferd gut beobachtet werden muß, insbesondere im Hinblick darauf, daß das Pferd in Zukunft nur junges, eiweiß- und energierreiches Gras zu fressen bekommt. 

Der AV-Block hat für das vierjährige Pferd zunächst keine prognostische Bedeutung.

 

 

 

11. Epikrise

 

Die vierjährige braune Warmblutstute „x“ wird am 28. April 2001 in die Klinik für Pferde eingewiesen, nachdem sie plötzlich Koliksymptome mit Absatz von weichem Kot, Kreislaufschwäche, Fieber und Unruhe gezeigt und der Haustierarzt rektal eine Umfangsvermehrung im Bauchraum gefühlt hat. Laut Besitzer war Mitte April ein anderes Pferd dieses Bestandes an Druse erkrankt.

Klassische Formen der Druse werden bei „x“ nicht beobachtet; durch den Vorbericht, der auf ein an Druse erkranktes Pferd im Bestand hinweist, sowie die starke Abmagerung, die Koliksymptome und die im Ultraschall deutlich erkennbaren gekammerten Abszesse kann dennoch deutlich eine Verdachtsdiagnose auf Druse gestellt werden, die durch das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung – Streptokokkus equi subspezies equi – eindeutig gestützt wird. Der Allgemeinzustand des Pferdes verbessert sich im Laufe des Klinikaufenthaltes, auch die Blutwerte normalisieren sich zusehends, und die Spülflüssigkeit weist keine Trübungen mehr auf. Da davon ausgegangen wird, daß sich durch die Penicillintherapie außer in den Abszessen keine lebenden Streptokokken mehr im Pferd befinden, kann es am 08. Mai aus der Quarantäne nach Hause entlassen werden, soll aber im Heimatstall täglich jeweils morgens und abends 1200 Milligramm Rifampicin oral über noch mindestens drei Wochen erhalten, um auch die Erreger in den Abszessen abzutöten, damit es nicht zu einer Reinfektion kommen kann. Da das Pferd auf einer Weide stehen wird, muß keine ergänzende Fütterung zur Verbesserung des Allgemeinzustandes erfolgen, weil das Gras im Frühjahr sehr protein- und energiereich, dabei gleichzeitig rohfaserarm ist, d.h. eine sehr gute Verdaulichkeit besitzt. Wichtig ist, daß das Pferd in den ersten Wochen nach der Entlassung nicht belastet wird, damit die im Abszeß abgegrenzten Streptokokken nicht im infektiösen Zustand freigesetzt werden bzw. durch das belastete Immunsystem keine Sekundärinfektion begünstigt wird.

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