Pferd-43 - Enterotoxische Enteropathie

Krankheitsbericht

 

 

 

XXX

 

 

Zugeteilt am 10.05.2001 von x

 

 

 

 

1) Signalement:

 

Patienten-Nr.: x

Tierart: Pferd

Rasse: Warmblut

Geschlecht: Hengst

Größe: (geschätzt) 115- 120 cm

Gewicht: (geschätzt) ca. 120 kg

Geb.dat.: 24.03.2001

Farbe: Brauner

Abzeichen: Stern; senkrechter, leicht schräg von re. oben nach li. unten verlaufender Strich

                  auf der Oberlippe

Erworbene Kennzeichen: keine

Brandzeichen: keine

Beschlag: keiner

Gebrauchszweck: keine Angaben (Mutter ist Reitpferd)

Besitzer: XXX

 

 

 

2) Anamnese:

 

Das Fohlen wurde am 8.5.01 um 22.33 Uhr aufgrund  pastösen Durchfalls in der Klinik für Pferde vorgestellt.

Beginn des Durchfalls war laut Angaben des Besitzers während der Fohlenrosse.

Der Haustierarzt hatte das Fohlen bereits antibiotisch mit BaytrilÒ (Enrofloxazin) behandelt.

 

 

 

 

3) Untersuchungsbefunde:

 

Allgemeine Untersuchung:

 

Das Fohlen zeigt sich munter und aufmerksam,  Ohrenspiel ist vorhanden. Es sucht den regelmäßigen Kontakt zur Mutter und saugt.

Es steht aufrecht mit geradem Rücken und erhobenem Kopf, alle vier Gliedmaßen werden in korrekter Stellung gehalten und gleichmäßig belastet.

 

Der Ernährungs-, Pflege- und Entwicklungszustand sind als gut einzustufen.

Die Körperinnentemperatur beträgt rektal gemessen  38,9 °C.

Die Körperoberfläche fühlt sich mäßig warm an und wird zu den Gliedmaßenenden hin etwas kühler.

Eine Schweißsekretion ist nicht festzustellen.

Die Pulsfrequenz (A. facialis) beträgt 76/ min,

die Atemfrequenz 22/ min.

Die Maul- und Nasenschleimhäute sind blassrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen, die Konjunktiven sind blassrosa und die Episkleralgefäße mäßig gefüllt.

Die KFZ beträgt <2sec.

Die Kehlgangslymphknoten sind unter der Haut verschieblich, glatt, derb-elastisch, deutlich abgrenzbar, nicht vergrößert und nicht schmerzhaft.

Husten ist nicht auslösbar.

 

 

Spezielle Untersuchung:

 

Haut/ Haarkleid:

Das Haarkleid ist glänzend, geschlossen, anliegend und sauber und trocken.

Die Haut ist glatt, fest, aufgezogene Hautfalten verstreichen zügig und vollständig.

 

Zirkulationsapparat:

Der Herzstoß ist bei der Palpation spürbar, die Auskultation des Herzens ergibt eine Herzfrequenz von 76/ min.

Die Intensität der Herztöne ist stark, sie sind regelmäßig, klar voneinander abgesetzt und es sind keine Herzgeräusche hörbar.

Die Pulsfrequenz (A. facialis) stimmt mit der Herzfrequenz überein.

Der Puls ist gleichmäßig und kräftig, die Gefäßwandfüllung und -spannung ist physiologisch.

Die V. jugularis ext. ist beiderseits äußerlich nicht sichtbar und zeigt keine Undulationen.

Die Venenstauproben sind links und rechts negativ.

                                

Atmungsapparat:

Das Fohlen zeigt eine ruhige und regelmäßige costoabdominale Atmung, mit einer Frequenz von 22 AZ/min .

Dabei bewegt sich der Brustkorb symmetrisch, die Ausatmungsluft strömt aus beiden Nüstern gleichmäßig und ist geruchslos.

Die Umgebung der Nüstern ist trocken und sauber.

Bei der Perkussion des Lungenfeldes ist ein voller Lungenschall hörbar.

Die Auskultation der Lunge ergibt ein vesikuläres Atemgeräusch und ein bronchiales Atemgeräusch über Larynx und Trachea.

 

Digestionsapparat:

Das Fohlen zeigte am Aufnahmetag guten Appetit und normale Flüssigkeitsaufnahme.

Der Lippenschluß ist vollständig, die Umgebung der Maulhöhle ist trocken und sauber.

Beim Öffnen der Maulhöhle sind die bereits durchgebrochenen Zangen und Mittelzähne sichtbar. An den Mittelzähnen sind noch keine Kunden sichtbar, demnach kann das Fohlen höchstens 2- 3 Monate alt sein (angegebenes Geb.dat.: 24.3.01).

Bei der Adspektion des Abdomens sind keine Umfangsvermehrungen sichtbar.

Bei der Palpation ist die Bauchdecke nicht übermäßig gespannt, eindrückbar und die Palpation ist nicht schmerzhaft.

Im li. dors.und ventr. Quadranten sind physiologische Dünndarm- und Colongeräusche zu hören. Rechts dors. ist das Einspritzgeräusch deutlich 2x/min, rechts ventr.die Blinddarmpe-

ristaltik zu hören.

Im Analbereich können ventral des Afters oberflächliche Hauterosionen festgestellt werden.

Am Aufnahmetag (8.5.01) waren  die Feaces weich und breiig, seit dem  9.5.01 setzt das Fohlen wieder geformten Kot ab.

Eine am 10.5.01 durchgeführte Sandaufschwemmung fiel positiv aus.

 

Harn- und Geschlechtsapparat:

Harnabsatz wurde während der Untersuchung nicht beobachtet.

Penis und Praeputium sind sauber und weisen keine Verletzungen auf.

Die Hoden sind vollständig abgestiegen.

 

Bewegungsapparat:

Das Fohlen hält alle vier Gliedmaßen in physiologischer Stellung und belastet sie gleichmäßig.

Es kann keine Umpfangsvermehrung oder Wärmeentwicklung ertastet werden.

Die Hufe sind sauber, glatt und zeigen weder Splitterungen noch Unregelmäßigkeiten.

 

ZNS:

Das Fohlen zeigt Anteilnahme an der Umwelt und sucht den regelmäßigen Kontakt zur Mutterstute.

Die Konturen im Bereich des Gehirn- und Gesichtsschädels sind symmetrisch, die Rückenlinie ist gerade.

Anal-, Pupillar-, Korneal-, Ohr- und Panniculus- und Drohreflex sind auslösbar.

Seh- und Hörvermögen sind nicht beeinträchtigt.

 

Weitere Untersuchungen:

 

 

In der Klinik für Pferde wurde eine Kotprobe des Fohlens sowie eine Milchprobe der Mutterstute bakteriologisch untersucht.

Ferner wurde am 9.5.01 ein Blutbild des Fohlens erstellt.

 

 

Die BU der Kotproben ergab eine massive Besiedelung mit ß-hämolysierenden             

E.  coli- Bakterien, die BU der Milchprobe eine Besiedelung mit Mikrokokken.

Es wurde für beide Stämme ein Resistogramm erstellt.

 

 

E.coli

sensibel:                     resistent:             intermediär:          nicht untersucht:

Tetracycline               Ampicillin           Glutamycin           Chloamphenicol

Sulfameth. Trime       Neomycin                                        Florfenicol

Marbofloxazin           Streptomycin                                    Nitrofurantoin

Enrofloxazin              Apramycin

                                  Colistin

                                  Penicillin

                                  Erythromycin

                                  Tylosin

                                  Lincomycin

 

 

Mikrokokken:

reagierten auf alle getesteten AB sensibel:

 

Oxytetracyclin             Neomycin           Cefquinan

Sulfameth. Trime         Streptomycin      Cefacyclin

Ampicillin                    Penicillin            Erythromycin

Amoxycillin                 Cloxacillin          Tylosin

Marbofloxazin             Cefoperazon

Gentamycin                 Cefacetril

 

 

Blutwerte:

Hb: 11,7

Erythrozyten: 11,7

Leukozyten: 14

stabkern. Granulozyten: 7

segmentkern. Granulozyten: 60

Lymphozyten: 31

Monozyten: 2

Hkt: 35

 

 

 

4) Diagnose:

 

Enterotoxische Enteropathie

 

Es liegt eine Dysbakterie der Darmflora vor, mit massivem Überschuß an ß-hämolysierenden

E.  coli- Bakterien.

Ferner können Sandanschoppungen im Darm festgestellt werden, die allerdings bislang keine klinischen Symptome verursachen.

 

 

 

 

 

5) Differentialdiagnose:

 

Septikämie

Eine Septikämie bei Fohlen, die sich post natum infizieren, äußert sich durch Vitalitätsverlust,

später durch Bronchopneumonie, wässrige Diarrhoe, Leukopenie, bläuliche Verfärbung der Schleimhäute und Nabelentzündung in Verbindung mit Polyarthritis und Polyserositis.

Da der Patient keine Vitalitätsverluste zeigt und der Durchfall von breiiger Konsistenz ist, kann eine Septikämie ausgeschlossen werden.

 

Viral bedingte Diarrhoe

Die Aufnahme von Viren (v.a. Rotaviren) erfolgt per os oder per inhalationem.

Durch Erregervermehrung im Dünndarmepithel wird dieses atrophisch und später zerstört.

Der damit verbundene Funktionsverlust äußert sich klinisch in Resorptionsstörungen und wässrigem Durchfall.

Eine Virusinfektion kann aufgrund der Kotkonsistenz ausgeschlossen werden.

 

Parasitäre Ursachen

Parasiten wie z.B. Strongyloides westeri gelangen im Wirtstier über Blut- u. Lymphwege in die Lunge, um von dort aus, über Trachea und Pharynx, in den Magen abgeschluckt zu werden.

In der Mukosa des Dünndarms und Jejunums entwickelt sich die Larve (IV), die in das Darmlumen zurückkehrt, um Eier abzulegen.

Das Fohlen kann die Parasiten über die Stutenmilch aufnehmen. Eine parasitäre Ursache kann aber ausgeschlossen werden, da vom Haustierarzt entwurmt wurde und Strongyloides westeri

für Fohlen wenig pathogen ist. Es ist auch ein Befall ohne Kotkonsistenzänderung möglich.

 

Nicht-infektiöse Ursachen

Durchfall bei Fohlen kann durch übermäßige Wasseraufnahme ausgelöst werden, die wohl eher auf den Spieltrieb an der Tränke als auf übermäßigen Durst zurückzuführen ist.

Diese Ursache kann aber ausgeschlossen werden.

Ungeeignete Haltungbedingungen, rascher Futterwechsel oder schwer verdauliche Futtermittel

können das Ggw. der Darmflora verschieben und so zu Durchfällen führen.

Da über die Fütterungs- und Haltungsbedingungen keine Angaben vorliegen, kann diese Ursache nicht ausgeschlossen werden.

 

Fohlenrosse- Diarrhoe

Während der Fohlenrosse können Durchfälle u.U. durch die Änderung der Milchzusammensetzung oder die Ausscheidung von rossebegleitenden oder -bedingten Hormonen in die Milch ausgelöst werden.

Diese Ursachen können nicht ausgeschlossen werden. Es ist durchaus möglich daß einige dieser Faktoren für die Entstehung der Dysbakterie verantwortlich sind.

 

Antibiotika-assoziierte Diarrhoe

Nach langen Antibiotikabehandlungen kommt es durch die Verschiebung des Ggw. der Darmflora zu Durchfallerscheinungen.

Diese Ursache kann aufgrund der antibiotischen Vorbehandlung nicht ausgeschlossen werden.

 

 

 

 

6) Ätiologie:

 

E.  coli gehört zur Familie der Enterobacteriaceae.

Sie sind gramnegative stäbchenförmige Bakterien, die fakultativ anaerob wachsen und bis zu 1% der physiologischen Darmflora ausmachen.

Zu Durchfällen, meist ohne Schädigung der Darmschleimhaut, kommt es wenn die Bakterien den oberen Dünndarmbereich befallen.

Die Keime produzieren Enterotoxine, die die Wassersekretion ins Darmlumen massiv verstärken.

Der Auslöser der Dysbakterie kann nicht eindeutig festgestellt werden. Möglicherweise sind Haltungs- oder Fütterungfehler verantwortlich zu machen.

 

Die Sandanschoppung im Darm kommt durch weiden auf sandigem Boden zustande, wobei mit jedem Bissen etwas Sand aufgenommen wird und im Darm aufgrund seiner Schwere liegen bleibt.

 

 

7) Therapie:

 

Bei der Therapie von Durchfällen muß je nach Schweregrad der Dehydratation Flüssigkeit, Elektrolyte und Vitamine substituiert werden.

Dieses Fohlen zeigte allerdings noch keine akuten Dehydratatiossymptome ( z.B. trockene Schleimhäute, verlängerte KFZ, erhöter Hämatokrit, Bestehenbleiben aufgezogener Hautfalten).

Zur Bekämpfung der Dysenterie wird mit Trimetoprim- Sulfonamid ( 30 mg/kg KGW am Tag) behandelt.

 

Zur prophylaktischen Behandlung der Sandanschoppung empfiehlt sich Flosamen (Plantago psyllium, Strauchwegerich).

Die äußere Hülle der Samen enthält Schleimstoffe, die hohes Wasserbindungsvermögen besitzen. Psylliumsamen wirken abführend und peristaltikregulierend.

 

Man gibt 20-30 Gramm/100 kg KGW, gelöst in ausreichend Wasser (50 g/1,5 Liter).

In leichten Fällen wie diesem ist eine einmalige Behandlung meist ausreichend.

 

 

8) Prognose:

 

Die Prognose bezüglich des Lebens, der Genesung und der Wiederherstellung ist als günstig einzustufen.

 

 

9) Epikrise:

 

Das Fohlen wurde aufgrund pastösen Durchfalls in die Klinik für Pferde eingewiesen.

Die durchgeführte bakteriologische Untersuchung wies einen Überschuß an ß-hämolysierenden E. coli- Bakterien auf.

Ferner fiel eine durchgeführte Sandaufschwemmprobe positiv aus.

Das Fohlen wird mit Trimetoprim- Sulfonamid antibiotisch behandelt.

Ferner wird die Sandanschoppung im Darm prophylaktisch mit MucofalkÒ (Psylliumsamen)

beseitigt.

 

Der Besitzer sollte aber auf die Risiken einer Haltung auf sandigem Boden hingewiesen werden. Lässt sich eine andere Haltung nicht realisieren, ist in regelmäßigen Abständen eine prophylaktische Gabe von Psylliumsamen anzuraten.

 

Außerdem sollte, falls schlechte Haltungs-, Hygiene- oder Fütterungsbedingungen Ursache für die Dysbakterie d. Darmflora waren, diese soweit wie möglich verbessert werden.

 

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