Schwein-12 - beidseitige angeborene Hernia ventralis, Binneneber

 

 

 

        Krankheitsbericht

 

  

 

 

 

 

 

 

   


1.Signalement

 

Patientennummer:                                   X

Tierart:                                                  Schwein

Rasse:                                                   DE-Hybrid

Geschlecht:                                            männlich

Gewicht:                                    ca. 70 kg

Alter:                                                     ca. 5 Monate              

angeborene Kennzeichen:                       keine

erworbene Kennzeichen:                        auf ca. 6 cm kupierter Schwanz

                                                             kupierte Ohrspitzen

                                                             links gelbe Plastikohrmarke X

                                                             rechts gelbe Plastikohrmarke X

 

 

 

2. Anamnese

 

Der Patient wurde aufgrund einer Umfangsvermehrung im Bereich des Bauches in die Klinik für Klauentiere eingewiesen. Seitdem ist er im Läuferstall in einer Einstreubox untergebracht.

 

 

 

3. Status praesens

 

 

 

Allgemeinuntersuchung

 

Das Tier ist aufmerksam und nimmt an seiner Umgebung teil. Pflege- und Ernährungszustand sind als gut zu bezeichnen. Das Tier macht 40 Atemzüge pro Minute, die Herz- & Pulsfrequenz beträgt 68 Schläge pro Minute. Die Körperinnentemperatur beträgt  38,7 °C. Die Körperoberflächentemperatur fühlt sich mit Ausnahme der physiologischen Warm- und Kaltzonen gleichmäßig warm an. Die Körperhaltung ist als normal anzusehen, es sind keine Anomalien in Bezug auf  Stellung des Kopfes zum Rumpf sowie Haltung und Stellung aller Gliedmaßen und Gelenke feststellbar.

 

 

 


spezielle Untersuchung

 

 

Haut und Haarkleid:

Das Haarkleid geschlossen, glatt, enganliegend und leicht verschmutzt. Die Haarfarbe ist einheitlich hellbeige. Die Haut ist blaß-rosarot, glatt und fest. Hautelastizität und Hautsensibilität sind erhalten. Juckreiz kann nicht festgestellt werden.

Auf der rechten Körperseite ist in halber Höhe der 11. Rippe eine haarlose Stelle mit kopfwärts wulstigem Rand zu sehen, die etwa 4 cm breit und 11 cm lang ist und von craniodorsal nach caudoventral verläuft.

 

 

Kopf:

Die Rüsselscheibe ist blaß-rosarot. Am oberen linken Rand befindet sich eine ca. 1-Pfennig-große Abschürfung.

Die Maulspalte weist keine erkennbaren Veränderungen auf, die Umgebung der Maulhöhle ist sauber. Die Zunge ist unverletzt und frei von Auflagerungen. Die Maulschleimhaut ist blaß-rosa, feucht, glatt, glänzend und frei von Auflagerungen. Speichelfluß ist nicht erkennbar.

Die Umgebung der Augen ist trocken und zeigt keine Verunreinigungen. Die Ohrmuscheln und einsehbaren äußeren Gehörgänge sind ohne Auflagerungen oder Verschmutzungen.

 

 

Brust & Bauch:

Die Brust ist adspektorisch und palpatorisch unauffällig.

Am Bauch befinden sich beiderseits der ventralen Medianlinie je 8 Zitzen, die bei der Palpation weich und unauffällig erscheinen. Auf der rechten Seite unterhalb des Rippenbogens ist eine armstarke, auf der linken Seite auf gleicher Höhe eine etwa kindsarmstarke Umfangsvermehrung feststellbar. Die Umfangsvermehrungen lösen während der Palpation keinen Schmerz aus und lassen sich ohne weiteres in die Bauchhöhle zurückverlagern. Sie fühlen sich weich und elastisch an. Die Bauchdeckenspannung ist gering.

 

 

Lymphknoten:

Es konnten keine Lymphknoten palpiert werden.

 

 

Atmungsapparat:

Adspektorisch ist eine rhythmische, costoabdominale Atmung von mittlerer Tiefe feststellbar, die Frequenz beträgt 40 Atemzüge pro Minute. Die Bewegung des Brustkorbes ist symmetrisch, die Ausatmungsluft strömt aus beiden Nasenöffnungen gleichmäßig aus.

Bei der Auskultation der Lunge sind keine Geräusche wahrnehmbar. Ein Hustenreflex läßt sich nicht auslösen.

 

 


Herz- & Kreislaufsystem:

Der Herzstoß ist linksseitig neben dem Sternum deutlich fühlbar. Die Auskultation des Herzens ergibt eine Herzfrequenz von 68 Schlägen pro Minute. Die Herztöne sind von mittlerer Intensität, gleichmäßig und gut voneinander abgesetzt. Es sind keine Nebengeräusche wahrnehmbar.

Die Pulsfrequenz, palpiert an der A. femoralis, entspricht der Herzfrequenz. Der Puls ist regelmäßig, gleichmäßig, stark und kräftig, die Gefäßwandspannung ist physiologisch. Die kapilläre Füllungszeit liegt unter 2 Sekunden.

 

 

Verdauungs- & Harnapparat:

Die Freß- und Trinklust des Tieres ist unbeeinträchtigt, das ihm angebotene Ferkelschrot wird sofort gefressen.

Der After ist geschlossen und sauber. Der abgesetzte Kot hat eine feste Konsistenz, ist geformt und von olivgrüner Farbe. Der Harn ist gelblich-klar und ohne Beimengungen.

 

 

Geschlechtsapparat:

Penis und Präputium sind gut palpierbar und nicht schmerzhaft.

Das Scrotum ist caudal im Oberschenkelspalt gut sichtbar, was für diese Spezies charakteristisch ist. Es erscheint asymmetrisch. Die unpigmentierte Haut des Scrotums weist keine Veränderungen bezüglich Farbe und Umfang auf. Es sind keine Kastrationsnarben erkennbar. Bei der Palpation ergibt sich eine prall-elastische Konsistenz des Scrotums. Die Hautschichten (Tunica dartos, Tunica vaginalis) sind gut gegeneinander verschiebbar. Es gibt keine Hinweise auf Entzündungen (Wärme, Schmerzhaftigkeit).

Im Scrotum ist ein Hoden mit dorsal aufliegendem Nebenhoden deutlich palpierbar. Die Konsistenz des Hodens ist prall-elastisch, er ist innerhalb des Scrotums verschieblich und nicht schmerzhaft. Der zweite Hoden läßt sich palpatorisch weder scrotal, noch inguinal oder abdominal nachweisen.

 

 

Bewegungsapparat:

Das Tier belastet im Stand alle vier Gliedmaßen gleichmäßig und zeigt beim Laufen keine Lahmheit. Temperatur, Winkelung und Stellung der Gliedmaßen sind als physiologisch zu bezeichnen. Sowohl Weichteile als auch Knochen der Gliedmaßen sind palpatorisch unauffällig.

Im Bereich der Klauen sind keine Hornspalten oder andere Veränderungen wahrnehmbar. Das Klauenhorn ist fest-elastisch und von physiologischer Beschaffenheit.

 

 

Nervensystem:

Es liegen keine Anzeichen einer zentralnervösen Erkrankung vor. Das Tier verhält sich unauffällig, Lähmungen oder Krämpfe sind nicht zu beobachten.

Lid- und Analreflex sind erhalten. Auch auf den Hautsensibilitätstest erfolgt eine dementsprechende Reaktion. Beigebrachte ungewöhnliche Stellungen werden sofort korrigiert.

 

4. Zusammenfassung der krankhaften Befunde

 

Beidseitig des Abdomens sind weich-elastische Umfangsvermehrungen feststellbar, die nicht schmerzhaft und in die Bauchhöhle reponierbar sind. Zusätzlich ist eine geringe Bauchdeckenspannung feststellbar.

Im Skrotalbereich fällt eine Asymmetrie auf. Die Palpation ergibt, daß sich nur ein Hoden im Skrotum befindet. Der zweite Hoden läßt sich palpatorisch weder scrotal, noch inguinal oder abdominal nachweisen.

 

 

 

5. Diagnose

 

1) beidseitige angeborene Hernia ventralis

 

2) unilateraler Kryptorchismus ® „Binneneber“

 

 

 

6. Differentialdiagnose

 

zu 1)  - traumatisch bedingte Hernia ventralis

 

Da die Doppelwandigkeit der Umfangsvermehrung, die Reponierbarkeit des Inhalts sowie die Bruchpforte deutlich palpatorisch abzugrenzen sind, ist die Diagnose „Hernia ventralis“ eindeutig. Es könnte sich allerdings auch um eine traumatisch bedingte Hernia ventralis handeln. Die eigentliche Ursache des Bauchbruchs kann letztendlich nur durch eine Sektion bestimmt werden.

 

zu 2)  - Hypoplasie des Hodens

          - Microrchie

          - vorangegangene Kastration

          - Hodenatrophie nach vorangegangener Orchitis

          - Hodenaplasie

          - Hodenektopie

 

Durch eine rektale Untersuchung läßt sich feststellen, ob hormonal aktives Gewebe vorhanden ist, indem man die Größe der Bulbourethraldrüsen bestimmt: Diese sind bei Kastraten beidseitig der Harnröhre etwa strohhalmstark. Bei geschlechtsreifen Ebern und Kryptorchiden sind die Bulbourethraldrüsen daumenstark und bedecken die Harnröhre vollständig, so daß diese nicht mehr palpierbar ist.

Vorhandene funktionslose Hoden (z.B. bei Mikrorchie oder Hodenatrophie nach vorangegangener Orchitis) bzw. vorangegangene Kastrationen lassen sich nur durch eine Laparatomie feststellen.

 

 

 

7. Ätiologie

 

zu 1) Unter einer Abdominalhernie wird das Hervortreten von Eingeweiden aus der Bauchhöhle in eine abnorme Ausstülpung des parietalen Bauchfells verstanden, die ihrerseits durch eine angeborene oder erworbene Diastase in der Bauchwand hat vordringen können. Die Öffnung der muskulösen (oder tendinösen) Abdominalwand bildet die Bruchpforte, deren Begrenzung durch den Bruchring dargestellt wird. Aus der Haut und dem Hautmuskel entsteht der äußere Bruchsack, während das vorgestülpte Bauchfell als innerer Bruchsack angesehen wird.

In diesem Fall scheint es sich um eine angeborene Hernia ventralis zu handeln, da sich äußerer und innerer Bruchsack sowie die Abgrenzung der Bruchpforte palpatorisch gut unterscheiden lassen. Diese Art von Bauchbruch kommt durch das Fehlen mehr oder weniger großer Abschnitte des Musculus rectus abdominis zustande.

 

zu 2) Kryptorchismus ist ein erblicher Defekt, bei dem eine Funktionsstörung des Gubernaculum testis vorliegt. Dadurch unterbleibt ein- oder beidseitig der Descensus testis. Der Abstieg der Hoden von der Bauchhöhle ins Scrotum sollte beim Schwein vor der Geburt abgeschlossen sein. Rein mechanische Behinderungen, wie verkürzter oder zu kurzer Samenstrang, abnorme Hodengröße, zu enger Leistenring oder Verwachsungen und Adhäsionen können ebenfalls zum Kryptorchismus führen. Weitere Gründe können hormonelle Dysregulation, Anlagedefekte und Erbfaktoren sein. Bleiben die Hoden an einer Stelle ihres vorgegebenen Weges liegen, handelt es sich um eine Retentio testis (eigentlicher Kryptorchismus), liegen sie außerhalb der Descensusbahn, liegt eine Ektopia testis vor.

 

 

 

8. Therapie

 

Bauchbrüche beim Schwein, gleich welcher Genese, sind aus wirtschaftlichen und operationstechnischen Gründen nicht operationswürdig. Zusätzlich erweist sich diese Hernie aufgrund ihrer Größe und Lage als inoperabel. Ein Narbenbruch wäre nach einer Laparatomie vorprogrammiert, so daß letztendlich nur die Schlachtung als Therapie in Frage kommt.

Aufgrund des Kryptorchismus wäre eine Kastration des Patienten zur Sicherung der Schlachttauglichkeit erforderlich, die bei einem Schwein dieser Größe nur durch eine Laparatomie in der Flanke erfolgen kann. Eine Laparatomie ist jedoch unwirtschaftlich und aufgrund der Abdominalhernie nicht durchführbar.

 

 

 


9. Prognose

 

Die Prognose für dieses Tier ist aus wirtschaftlichen Gründen schlecht, da es weder zur Zucht noch für die Mast geeignet ist.

 

 

 

10. Epikrise

 

Durch den inoperablen Bauchbruch und den einseitigen Kryptorchismus ist das Tier für die Mast nicht mehr tauglich. Es kann letztendlich nur noch zu Hobbyzwecken oder aus wissenschaftlichen Gründen gehalten werden, wobei auf eine gemäßigte Gewichtszunahme zu achten ist, damit die labile Bauchwand nicht übermäßigen Belastungen ausgesetzt wird.

Da eine operative Entfernung des außerhalb des Scrotums liegenden Hodens aufgrund der Abdominalhernie nicht möglich ist, ist davon auszugehen, daß das Fleisch den Ebergeruch angenommen hat, der durch die männlichen Geschlechtshormone bewirkt wird und die Fleischqualität bis zur völligen Untauglichkeit für den menschlichen Genuß mindern kann. Die Schlachttauglichkeit ist also nicht mehr gesichert. Sollte das Fleisch noch nicht völlig untauglich sein, kann es in bestimmte Wurstwaren gemischt werden. Die Eltern und Wurfgeschwister des Tieres sind von der Zucht auszuschließen, da für Kryptorchismus ein rezessiver Erbgang nachgewiesen wurde.

>