Fortpflanzung-03 - Kuh: chronisch katarrhalische Mastitis

 

Krankenbericht

 

 

 

1.        Anamnese

Dem Besitzer der zur Untersuchung vorgestellten Kuh sind zunehmend Veränderungen am Euter aufgefallen. Zur diagnostischen Abklärung der Euterveränderungen sowie zur Prüfung der Zuchttauglichkeit erfolgte die Klinikeinweisung.

Weitere Angaben zum Abkalbedatum, früheren Erkrankungen, Fragen zu Melktechnik und Melkhygiene im Betrieb sowie zur Milchleistung wie auch Fragen zum bisherigen Zyklusverlauf und vorausgegangenen Besamungen sind nicht bekannt.

2.        Signalement

Das zu untersuchende Tier ist eine schwarzbunte Milchkuh. Laut Zahnalter ist die Kuh ca. drei Jahre alt; das geschätzte Gewicht beträgt 650 kg.

Die Kuh hat ein keilförmiges Abzeichen auf der Stirn, eine durchgängige Schulterbinde, die links auf Höhe des Schulterblattes endet, handtellergroße Sakralflecken, den Unterbauch links weiß, rechts auf Höhe der Kniefalte einen dreihandbreit großen Fleck, alle vier Gliedmaßen hochweiß, ein weißes Euter mit Pigmentierungen an allen vier Zitzen sowie einen halbweißen Schwanz.

Die Kuh ist hornlos. Sie trägt im rechten Ohr eine Ohrmarke mit der Kliniknummer R x, im linken Ohr eine Ohrmarke mit der Nummer x.

3.        Status praesens

Allgemeine Untersuchung

Zum Zeitpunkt der Untersuchung stellte sich das oben genannte Tier wie folgt dar:

Allgemeinzustand

Die Kuh steht aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Sie verhält sich ruhig und zeigt ein aufmerksames Ohrenspiel. Der Ernährungszustand ist gut (Nährzustand 3). Der Pflegezustand ist als mäßig bis gut anzusehen. Die Körperinnentemperatur beträgt 38,4 °C. Die Körperoberfläche ist warm mit einer leichten physiologischen Abkühlung zu den Akren hin. Das Allgemeinbefinden der Kuh ist unbeeinträchtigt.


Haarkleid und Haut

Das Haarkleid ist nicht eng anliegend, glanzlos und struppig. Negativ beeinflußt wird dieser Eindruck durch die Länge des Haarkleides (Winterhaar). In den Haaren finden sich trockene Schuppen. Die Elastizität (Turgor) der Haut ist unauffällig.

In der Regio umbilicalis ist eine 12 cm lange und 6 cm breite Umfangsvermehrung sichtbar. Sie enthält eine strangförmige, verhärtete Struktur. Eine Bruchpforte ist nicht palpierbar.

Sichtbare Schleimhäute

Die äußeren Schleimhäute sind blaßrosarot, feucht, glatt, glänzend und frei von Auflagerungen.

Lymphknoten

Am Kopf sind keine Lymphknoten palpabel. Der rechte und der linke Buglymphknoten sind in etwa gleich groß, 2 cm stark und 6 cm lang, verschieblich, nicht schmerzhaft und von glatter Oberfläche.

Der linke Kniefaltenlymphknoten ist etwa 8 cm lang, 2 cm stark, nicht schmerzhaft, verschieblich und glatt. Der rechte Kniefaltenlymphknoten ist ca. 12 cm lang und mehrere Zentimeter stark. Die rechte Kniefalte erscheint insgesamt umfangsvermehrt, und das Tier ist in dieser Region einschließlich Lymphknoten schmerzempfindlich.

Zirkulationsapparat

Die Pulsfrequenz liegt bei 76 Schlägen/min.

Die Episkleralgefäße sind mäßig gefüllt und scharf konturiert. Die kapilläre Füllungszeit liegt unter zwei Sekunden.

Die Herztöne sind in ihrer Stärke, Regelmäßigkeit und Abgesetztheit unauffällig. Es sind keine Herzgeräusche auskultierbar.

Sinnesorgane und Nervensystem

Das Sensorium der Kuh ist ungetrübt. Adspektion und Palpation von Kopf, Hals, Rückenpartie und Schwanz ergeben, daß an Schädel und Wirbelsäule keine Schäden vorliegen. Oberflächensensibilität ist durchweg vorhanden, ebenso der Lid- und Analreflex. Tiefensensibilität und Koordinationsvermögen konnten nicht eindeutig beurteilt werden, da die Kuh im Anbindestall steht.

Respirationsapparat

Die Kuh zeigt eine ruhige costoabdominale Atemtätigkeit mit einer Frequenz von 44 Zügen/min.

Die Schleimhaut der Nase ist unauffällig, blaßrosarot, feucht und glänzend, ohne Auflagerungen oder abnorme Sekrete. Die Perkussion der Nasennebenhöhlen ist unauffällig. Kehlkopf und Trachea weisen adspektorisch, palpatorisch und auskultatorisch keine unphysiologischen Abweichungen auf.

Die Perkussion des Lungenfeldes ist nicht schmerzhaft und zeigt vollen Lungenschall. Die Grenzen des Lungenfeldes sind auf beiden Seiten unauffällig.

Digestionsapparat

Die Kuh zeigt Appetit; Futteraufnahme, Wiederkäuen, Ruktus und Kotabsatz sind unbeeinträchtigt. Deutliche Pansenkontraktionen (3/2 Minuten) sind vorhanden.

Bewegungsapparat

Die Gliedmaßen der Kuh weisen weder Haltungs- noch Stellungsanomalien auf.

Lateral des rechten Tarsalgelenkes findet sich eine derbe Umfangsvermehrung ohne Fluktuation, auf der sich eine fünfmarkstückgroße Exkoriation mit beginnender Verkrustung befindet.

Alle vier Klauen weisen leichte Rötungen im Zwischenklauenspalt auf, wobei der Pflegezustand der Klauen insgesamt nicht zu beanstanden ist.

Spezielle äußere Untersuchung

Abdomen

Das Abdomen erscheint symmetrisch.

Becken

Der Beckenstand ist leicht abfallend. Die Fossa ischiorektalis ist mit Fett gefüllt. Der Spannungszustand der Beckenbänder ist straff.

Vulva

Die äußere Scham ist 10 cm lang und 5 cm breit. Ihr dorsaler Winkel liegt in 2 cm Abstand ventral des Anus und weist eine leichte Einziehung nach kranial auf. Die Scham ist symmetrisch und der Lippenschluß vollständig. Die Scham ist nur schwach gefältelt und leicht ödematös. Weder an der äußeren Scham noch an der Schwanzunterseite sind Sekretspuren zu erkennen.

Spezielle innere Untersuchung

Rektale Untersuchung

Cervix

Die Cervix ist 9 cm lang, 2 cm breit und von derbelastischer Konsistenz.

Uterus

Der Uterus ist leicht rechtsseitig verschoben, symmetrisch und gut unter der Hand zu versammeln. Er ist verschieblich, eindrückbar und weich. Es konnte eine mittelgradige Kontraktilität festgestellt werden. Die Uterushörner sind zweifingerstark.

Schlüssel: G2, S, K2

Ovarien

Das linke Ovar hat die Größe einer Haselnuß und weist eine pralle Blase von ca. 9 mm Durchmesser auf. Das rechte, taubeneigroße Ovar weist einen derben Funktionskörper von ca.
2 cm Durchmesser auf.

Schlüssel linkes Ovar:      Ha, Eb1  
Schlüssel rechtes Ovar:    T, C.I.1

Lymphknoten

Die inneren Darmbeinlymphknoten sind walnußgroß, leicht verschieblich und prallelastisch mit glatter Oberfläche.

Vaginale Untersuchung

Vestibulum

Die Schleimhaut des Scheidenvorhofs ist feucht, glatt undglänzend, blaßrosarot und frei von Auflagerungen

Vagina

Bei der vaginalen Inspektion stellt sich die Scheidenschleimhaut blaßrosarot, glatt, feucht und glänzend dar, frei von Auflagerungen oder Verletzungen. Es ist ein leicht muköser Film sichtbar; die Sekretmenge ist sehr gering. Die Portio vaginalis ist geschlossen und rosettenförmig.

Schlüssel: R0, B, II

Euter

Die Kuh hat ein wannenförmiges Bauch-Schenkel-Euter von 35 cm Länge, 30 cm Breite und einer Höhe von 20 cm. Der Zitzenabstand vom Boden beträgt ca. 55 cm. Beide hinteren Euterviertel sind kleiner als die vorderen. Das rechte vordere Viertel weist zudem noch eine pralle, nicht eindrückbare Umfangsvermehrung von der Größe einer Pampelmuse auf.

Der Sulcus intermammarius ist deutlich abgesetzt und läßt, ebenso wie der Euterspiegel, eine straffe bindegewebige Aufhängung der Euterviertel erkennen.

Haut

Die Euterhaut ist blaßrosarot, komplett behaart und zum Teil pigmentiert. Sie ist am ganzen Euter derbelastisch und abziehbar. Die hinteren Viertel sind wärmer als die vorderen. Im
Euter-Schenkel-Spalt befindet sich eine fünfmarkstückgroße, stark gerötete epidermale Hautveränderung mit schmierig, gelber Exsudation und oberflächlicher Nekrose.

Zitzen

Die Zitzen sind symmetrisch und weisen eine zylindrische Form auf. Sie befinden sich in senkrechter Stellung zum Euter. Sie sind ca. 6 cm lang und von ca. 2,5 cm Durchmesser an der Zitzenbasis. An den hinteren Zitzen befinden sich stecknadelkopfgroße Umfangsvermehrungen. Die Zitzenkuppen sind abgerundet, mit Ausnahme der Zitzenkuppe vorne rechts, welche eine Tellerform aufweist. Die Strichkanalöffnungen sind unauffällig.

An allen Zitzen sind reiskorngroße, etwa 7 mm lange, derbelastische Strichkanäle palpierbar. Die Wände sind von weichelastischer Konsistenz, und die Schleimhaut der Zitzenzisterne ist verschieblich, glatt und als weichelastischer Strang fühlbar. Der Übergang zur Drüsenzisterne ist an allen Vierteln für einen Finger passierbar.

Drüsenparenchym

Das Eutergewebe des vorderen linken und des hinteren rechten Viertels ist von derbelastischer, grobkörniger Konsistenz. Das vordere rechte Viertel weist ein prallelastisches Gewebe von strangartiger Konsistenzauf. Das Drüsenparenchym des hinteren linken Viertels ist weichelastisch mit leicht grobkörniger Konsistenz.

Lymphknoten

Die Euterlymphknoten sind taschenuhrgroß, verschieblich und von derbelastischer Konsistenz.

Sekret

Die Melkbarkeit ist generell gut. Es konnte ein Sekret mit Milchcharakter abgemolken werden. Das Sekret des hinteren linken Viertels war jedoch leicht flockig, das des hinteren rechten Viertels wies eine deutliche Flockenbildung auf. Es war in beiden Fällen leicht gelblich verfärbt.

Schlüssel:  vo.li.   o.B.                  hi.li.    C 
                 vo.re.  o.B.                  hi.re.  D

Bei der Durchführung des California-Mastitis-Tests konnte keinerlei Entfärbung festgestellt werden. Die Probe des vorderen linken Viertels blieb flüssig, ohne Konsistenzveränderungen oder Schlierenbildung. Eine leichte Zunahme der Viskosität konnte bei der Probe des vorderen rechten Viertels festgestellt werdenDie Mischung der hinteren Viertel wies eine starke Konsistenzänderung mit Gelbildung auf, wobei dies im Falle des rechten Viertels stärker zu beobachten warAm Euter ist also an drei Vierteln, mit Ausnahme des vorderen linken Viertels, ein unterschiedlich erhöhter Zellgehalt festzustellen.

Schlüssel:  vo.li.   -                       hi.li.    ++           
                 vo.re.  (+)                    hi.re.  +++

 


4.        Diagnose

Eutergesundheit

Die oben genannten Alterationen des Euters mit Hypertrophie des vorderen rechten Viertels, grobsinnlichen Veränderungen des Sekrets mit Flockenbildung bei erhaltenem Milchcharakter, positiver Reaktion auf den CMT-Test und palpierbaren Strangbildungen im Drüsenparenchym sowie die laut Vorbericht bereits längerfristig bestehenden Veränderungen am Euter sprechen für eine chronische katarrhalische Mastitis oder eine Sekretionsstörung.

Bei der Exkoriation im Schenkelspalt handelt es sich um ein Zwischenschenkelekzem. Dieses kann zu der beobachteten Reaktion des rechten Kniefaltenlymphknotens mit einhergehender Schwellung der rechten Kniefalte geführt haben.

Zyklusdiagnose

Auf dem rechten Ovar befindet sich ein Gelbkörper, auf dem linken Ovar ein Follikel. Unter Berücksichtigung der adspektorischen und vaginoskopischen Befunde ist die Kuh im Interöstrus (Ende des Interöstrus 15. - 18. Tag). Sicherheit erlangt diese Diagnose erst durch eine überprüfende Nachuntersuchung.

Nebendiagnosen

Die Umfangsvermehrung in der Regio umbilicalis kann von einer früheren Entzündung des Nabelstranges herrühren.

Bei den Veränderungen am Tarsalgelenk handelt es sich um eine sogenannte Liegebeule (Bursahygrom).

5.        Differentialdiagnose

Eine subklinische Erkrankung der Milchdrüse liegt nicht vor, da grobsinnliche Veränderungen des Sekrets vorhanden sind. Da keine Störungen des AllgemeinbefindensSchmerzhaftigkeit sowie unphysiologisch vermehrte Wärmebildung am Euter vorliegen, kommt eine akute Erkrankung ebenfalls nicht in Frage

Um den Verdacht einer chronischen katarrhalischen Mastitis gegenüber einer Sekretionsstörung abzugrenzen, muß eine weiterführende bakteriologische sowie mykologische Untersuchung zum Erregernachweis erfolgen. Um auch eine stoffwechsel- oder alimentärbedingte Störung der Milchdrüse auszuschließen, sollte eine Blutuntersuchung durchgeführt werden.

6.        Prognose

Erbgesundheitlich bedenkliche Befunde wurden weder in der allgemeinen, noch in der speziellen Untersuchung erhoben. Da auch das Allgemeinbefinden und der allgemeine Gesundheitszustand der Kuh ungestört sind, ist die Prognose in Bezug auf die Zuchttauglichkeit gutAuch die Prognose für die Eutergesundheit ist als gut anzusehen. In Abhängigkeit vom Ergebnis der differentialdiagnostischen Untersuchung der Euterveränderungen (Erregernachweis) und der Therapierbarkeit (evtl. Resistenzen) ist die Prognose jedoch erneut zu überdenken.


7.        Therapie

Da es sich bei den Ursachen der katarrhalischen Mastitismeist um eine Kokkeninfektionhandelt, wäre die Anwendung von Antibiotika gegen grampositive Keime angezeigt. Es sollte zusätzlich ein Antibiogramm zur Resistenzbestimmung angefertigt werden.

Sollte eine Sekretionsstörung vorliegen, muß deren Ursache (Fütterung, Stoffwechselstörung, Streß, Melktechnik) gefunden und beseitigt bzw. behandelt werden.

Die Abheilung des Zwischenschenkelekzems sollte durch gründliche Reinigung und anschließenden Einsatz antibakterieller, austrocknender und epithelisierender Mittel (Antibiotika-Emulsionen, Zinksalbe) begünstigt werden.

Das Bursahygrom kann auf Wunsch des Besitzer operativ entfernt werdenUm eine Verschlimmerung des Zustandes zu vermeiden, sollten die Haltungsbedingungen überprüft und nötigenfalls verbessert werden.

8.        Epikrise

Die Nachuntersuchung am 07.12.1999 zeigte eine deutliche Rückbildung der oben geschilderten Alterationen des Euters. Insbesondere das Drüsenparenchym war durchweg weichelastisch und leicht grobkörnig. Die Hypertrophie des vorderen rechten Viertels war größtenteils zurückgebildet. Auch die rechte Kniefalte samt Lymphknoten war unauffällig.

Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung konnte eine leichte Schwellung der Vulva und schwacher Ausfluß von klarem Schleim sowie einzelne äußere Brunstsymptome (Unruhe, Brüllen, unruhiger Blick) beobachtet werden. Dies weist darauf hin, daß sich die Kuh in einem regulär ablaufenden Zyklus befindet.

Zusammenfassend ist die Kuh als zuchttauglich und die Aussicht auf völlige Eutergesundheit als günstig zu bewerten.

>