Obduktion-44 - Katze: Parvovirose

Ausführlicher Bericht über die Zerlegung einer Katze.

 

 

 

A.

          Nationale des Tieres

          Gattung: Katze

          Rasse: Europäisch Kurzhaar

          Geschlecht: männlich

          Zahnalter: < 6 Monate

          Kennzeichen: rot mit weißen Stichelhaaren

         

 

1.       Besitzer und Auftraggeber: xEinsender: keine Angaben

 

2.       Ort der Zerlegung: Institut für Veterinär-Pathologie des

                                           Fachbereichs Veterinärmedizin der

                                           Freien Universität Berlin

                                          

          Zeit der Zerlegung: 14.08.2001 in der Zeit von 8.00 Uhr bis 10.00 Uhr

 

3.       Untersucher:x

          Zeugen: x,x

 

 

4.  Vorbericht:- relativ lange Schnupfen gehabt, viel Nasenausfluß, auch eitrig

                                - u.a. Chloramphenicol, Duphamox, insgesamt seit Juli Antibiotika         (mit Pause)

                                - seit 14 Tagen stark geschwollene Augen z.T. Fibrin täglich entleert

 

5.       Klinische Diagnose: Panleukopenie/ Pneumonie

 

B.  Beschreibung des Tierkörpers

 

a)    Äußere Besichtigung

 

1.    Todeszeitpunkt

gestorben am 09.08.01

 

2.    Lage des Tierkörpers

Er befindet sich in rechter Seitenlage.

 

3.    Zustand der Tierleiche

Sie liegt vollständig vor.

 

 

4.    Habitus

Der Ernährungszustand ist schlecht.

Gewicht: 1,24kg

 

5.    Todeszeichen

Der Herzspitzenstoß ist nicht fühlbar, die Körpertemperatur liegt unter der Raumtemperatur, der Tierkörper weist eine ausgeprägte vollständige Totenstarre auf. Die Augen sind trocken und eingefallen. Die Hornhäute der Augen sind blaß grau. Die Nickhaut ist beidseits vorgefallen. Die sichtbaren Schleimhäute der Augen sind blaß.

 

6.    Haut; Haarkleid

Die Haut ist gräulich und trocken. Alle Krallen sind vollständig vorhanden. Um den rechten Vorderlauf  im Bereich des Unterarmes befindet sich ein Verband mit darunter liegender blauer Verweilkanüle.

Das Haarkleid ist, bis auf eine 1-DM große, spärlich behaarte, rot verkrustete Stelle im Nacken, geschlossen und anliegend. Die Kruste ist ohne Substanzverlust ablösbar.

 

7.    Körperöffnungen

Die Lidspalten sind geöffnet. Die Nasenflügel sind symmetrisch. Die Nasenöffnungen zeigen gelbe schmierige, ohne Substanzverlust ablösbare Auflagerungen. Der Nasenspiegel ist weiß. Die Maulspalte ist geschlossen, die Schleimhaut ist gräulich und blaß.

Die Ohren und die äußeren Gehörgänge sind sauber und trocken.

Der After ist etwa strohhalmstark geöffnet und sauber.

      

b)    Innere Besichtigung

 

I.     Zustand nach Eröffnung der Haut                         

 

1.    Unterhaut

Die Unterhaut ist porzellanfarben, klebrig und matt.

 

2.    Muskulatur

Die Skelettmuskulatur ist blaß-hellrot und klebrig.

 

3.    Knochen

Die Rippen sind elastisch, brechen aber mit einem deutlichen Knacken.

 

7.    Körperlymphknoten

Die Unterkieferlymphknoten sind rot.

 

II.   Bauch- und Beckenhöhle

 

1.    Stand des Zwerchfells

Das Zwerchfell ragt kuppelförmig bis zu siebten Rippe in die Brustkorbhöhle hinein. Es ist glatt und gespannt.

 

2.    Lage der Organe

Die Bauchhöhle zeigt nach dem Eröffnen folgende Organe:

     

1/3 Leber, Magen

       2/3 Dünndarmschlingen

3/3 Dünndarmschlingen, Blase

 

3.    Bauchfell, Bauchwand

Beides ist von grau-grünlicher Farbe und klebrig-trocken.

 

4.    Milz

Die Milz wiegt 3g und stellt sich als ein zungenförmiges-plattes, dunkel rotbraunes Organ mit scharfen Rändern dar. Sie hat eine Länge von 10 cm. Beim Anschnitt ist das Gewebe rotbraun und es tritt wenig himbeerfarbene Flüssigkeit aus. Die Anschnittfläche zeigt eine leichte Körnung.Die Oberfläche ist leicht gefältelt.

 

5.    Magen, Darm

Die Magenschleimhaut ist glatt, glänzend, weiß-grau und zeigt an einigen Stellen stecknadelkopf- bis erbsengroße rote Bezirke.

Beim Eröffnen tritt wenig dünnflüssige beigefarbene Flüssigkeit aus.

Die Wanddicke des Dünndarms beträgt < 1mm. Seine Oberfläche ist glatt, feucht und weiß-grau, streckenweise hellrosa. Im Lumen befindet sich eine wässrige, beigefarbene Flüssigkeit. An der Ansatzstelle des Blinddarmes befindet sich eine 3x2 cm großer, graubeiger Lymphknoten von weicher Konsistenz. Mark und Rinde sind nicht voneinander differenzierbar.

 

6.    Leber

Die Leber hat ein Gewicht von 84g. Die Oberfläche der Leber stellt sich feucht, glatt, glänzend dar. Sie weist dunkelbraune fast schwarze bis hellbraune Areale auf. Sie zeigt eine undeutliche Läppchenzeichnung und ist scharf gerändert.

Ihr Parenchym ist von fester Konsistenz und brauner Farbe.

 

7.    Nieren, Nebennieren

Rechte und linke Niere wiegen jeweils 3g.

 

8.    Hoden

       Der rechte Hoden ist etwa bohnengroß, der linke ist linsengroß.

 

III.  Brusthöhle

 

Die eröffnete Brusthöhle wird zu 80% von Brustorganen ausgefüllt.

 

1.    Luftröhre

       In der Luftröhre befindet sich wenig wässrige leicht schaumige Flüssigkeit. Es ist eine deutliche Gefäßzeichnung erkennbar.

 

2.    Lunge

In den Hauptbronchien befindet sich wenig wässrige leicht schaumige Flüssigkeit.

Die Oberfläche beider Lungen ist feucht, glatt, glänzend. Sie ist rechts vorwiegend von dunkelroter Farbe mit hellen Arealen und links durchsetzt von hellen puffigen Arealen. Sie ist rechts von fleischiger Konsistenz. Die Schwimmprobe ist überall positiv.

 

3.    Herz

Das Herz wiegt 7g. Die Herzmuskulatur ist rotbraun. Die Herzspitze wird von der linken Herzkammer gebildet. Das Wanddickenverhältnis beträgt 1:3:4. Das relative Herzgewicht beträgt 0,56. Die Zwei- und Dreizipflige Herzklappen sind leicht rötlich, an der Basis durchscheinend, glatt und nehmen zum Rand hin an Dicke zu.

 

IV.  Maul- und Rachenhöhle, Halsorgane

 

1.    Kehlkopf

Am Kehldeckel ist eine deutliche Gefäßzeichnung erkennbar.

 

V.   Schädelhöhle

Das Gehirn ist von sehr weicher Konsistenz.

 

C.  Pathologisch-anatomische Diagnosen

 

1.        Allgemeindiagnosen

 

-         Kachexia

-         Anaemia

 

 

2.    Organdiagnosen

 

-   Duodenitis et jejunitis et ileitis catarrhalis acuta diffusa

-   Gastritis catarrhalis acuta diffusa

-       Gastritis haemorrhagica acuta circumscripta multiplex

 

-       Degeneratio hepatis

 

-       Rhinitis purulenta acuta diffusa

 

-       Pneumonia alveolaris acuta diffusa

-       Oedema pulmonum dextrum et sinistrum alveolaris acuta circumscripta multiplex

-       Atelectasis pulmonum sinistrum acuta circumscripta multiplex

-       Emphysema pulmonum alveolaris acuta circumscripta multiplex

-       Pharyngitis et tracheitis haemorrhagica acuta diffusa

 

-   Dilatatio ventriculi cordis dextri

-   Hypertrophia ventriculi cordis sinistri

-       Endocarditis valvularis mitralis et tricuspidalis thromboticans acuta marginalis

 

-       Lymphadenitis mesenterialis acuta simplex

 

-       Encephalomalacia acuta diffusa

 

-       Hypoplasia testis sinistri

 

 

3.    Gesamtdiagnose

 

Panleukopenie aufgrund einer Infektion mit dem felinen Parvovirus, die virologisch verifiziert werden sollte.

 

 

 

 

D.  Differentialdiagnosen

 

1. FeLV : Bei dieser Infektion fehlen jedoch die bei diesem Tier vorgefundenen Veränderungen      der lymphatischen Organe insbesondere der mesenterialen Lymphknoten. Ein endgültiger Ausschluß dieser Differentialdiagnose ist jedoch nur mit einem Virusnachweis zu führen.

 

2. Intoxikationen: Hinsichtlich der Veränderungen an der Leber und des ZNS kann eine Intoxikation in Erwägung gezogen werden, was aber in Hinsicht  des gesamten Krankheitsbildes ausgeschlossen werden kann.

 

3. Bakterielle Infektionen: In Erwägung zu ziehen sind Infektionen mit Enterobakteriazaeen z.B. E.coli (EHEC, ETEC), Salmonellen spp. oder Streptokokken, Staphylokokken.

            Infektionen mit diesen Erregern zeigen häufig unstillbare Durchfälle verschiedenen Charakters oder sind typische Eitererreger. Sie könnten in diesem Zusammenhang als Sekundärerreger eine Rolle spielen. Der Nachweis ist mikrobiologisch zu führen.

 

4. Steatosis hepatis: Bei den Veränderungen an der Leber kann es sich um eine degenerative Leberzellverfettung handeln, die aufgrund eines allgemeinen Energiemangels entsteht  und sich so, das zur Energiegewinnung mobilisierte Körperfett in den Leberzellen ansammelt, da es aufgrund eines Mangels an Oxalacetat, das vollständig für die Gluconeogenese verwendet wird, nicht abgebaut werden kann. Aufgrund der Konsistenz der Leber und des Gesamtbildes kann dies ausgeschlossen werden.

 

E.  Postmortale Veränderungen

 

Trotz Kühllagerung des Tierkörpers sind autolytische Veränderungen der Bauchwand erkennbar.

 

F.  Weiterführende Untersuchungen

 

Keine.

 

 

 

 

 

 

G.  Gutachten

 

Die vorgefundenen pathologisch-anatomischen Veränderungen lassen auf eine Panleukopenie schließen.

Erreger dieser Krankheit ist das feline Panleukopenievirus, es ist ein kleines DNA-haltiges Virus und gehört zu der Gruppe der Parvoviridae.

Das Virus wird oropharyngeal aufgenommen und findet seine erste Manifestation in dem lymphatischen Rachenring. Die Replikation findet in den hämatopoetischen Zellen, Lymphoblasten der Lymphknoten und Tonsillen statt. Somit wird dem Virus ein Transport durch die lymphogenen Bahnen ermöglicht. Auf diesem Wege gelangt der Erreger zu seinem Hauptmanifestationsort, dem Darm. Hier folgt eine weitere Replikation in den Payer´schen Platten und den Lymphoblasten der Mesenteriallymphknoten. Von hieraus verbreitet sich das Virus erneut über die Lymphe und das Blut, es besteht also eine Virämie. Eine weitere Ansiedlung besteht im Knochenmark  und den Kryptenzellen.

In der Darmschleimhaut bewirken die Erreger eine Nekrose des Zottenepithels,  Drüsendilatation und  Kryptenatrophie. Das hat zur Folge, dass Stoffe durch die Darmwand ins Blut treten, die normalerweise ausgeschieden werden, z.B. Toxine und andere Erreger. Über die Blutbahn gelangen nun die Toxine zu anderen Organen , wie die Leber. Die Leber dient als Entgiftungsorgan und ist in diesem Fall mit ihrer Aufgabe überfordert. Die Toxine schädigen die Hepatozyten und es kommt zur Leberzelldegeneration. Eine Degeneration in der Leber führt zu einem erhöhten Strömungswiderstand im großen Blutkreislauf. Das hat zur Folge, dass das Herz vermehrt arbeiten muss um diesen Widerstand auszugleichen, es kommt zur Linksherzhypertrophie. Durch diese Hypertrophie kommt es in den Vv.pulmonales zu einer Stauung, welche ein Lungenödem nach sich zieht.

Da das Virus  in den lymphatischen Organen seine Replikation  vollzieht hat das zur Folge, dass keine Lymphozyten zur Immunabwehr bereitgestellt werden können. Folglich kommt es zu einer Immundepression und somit zu der Gefahr einer Sekundärinfektion.

Bei dem vorliegenden Tier war dies höchstwahrscheinlich der Fall. Es kam zu einer oronasalen Infektion. Um welche Erreger es sich hier genau handelt müsste mikrobakteriell abgeklärt werden. Die Infektion ist absteigend, somit kommt es zunächst zu einer Rhinitis mit Nasen- und Augenausfluß , dann zu einer Pharyngitis und Tracheitis. Schließlich ist die Lunge mitbetroffen und es zeigt sich eine alveoläre Pneumonie. Hierbei befindet sich Exsudat in Trachea und Lunge, was zu einer Ventilstenose und somit zu einem alveolären Emphysem führt. Der Verschluß einiger Bronchioli durch Exsudat oder Schleim führt außerdem zu Obturationsatelektasen, also zur Kollabierung einiger Lungenbezirke. So ist zu erklären, dass in dieser Lunge sowohl emphysematöse, atelektatische und ödematöse Veränderungen zu finden sind. Diese hochgradige Lungenveränderungen können zu einer Rechtsherzveränderung führen.

 

 

 

 

Aufgrund der Kryptenatrophie in den vor allem vorderen Darmabschnitten kommt es zu einer Maldigestion und Malabsorption,  d. h. die Enzyme für die Umwandlung der Nährstoffe in resorbierbare Stoffe fehlen und die Nährstoffe verbleiben im Darmlumen , was zur Folge hat, dass aus osmotischen Gründen Wasser im Lumen gehalten wird. Das Resultat ist, dass dem  Tier keine Nährstoffe zur Verfügung stehen und es die noch vorhandenen Reserven mobilisieren muß. Bei Erschöpfung dieser Reserven  bildet ich eine Abmagerung aus.

Durch den starken Flüssigkeitsverlust entseht eine Hypovolämie, also eine Verringerung des Blutvolumens. Da das Knochenmark durch die Vermehrung des Erregers in den hämatopoetischen Zellen ebenfalls geschädigt ist, können keine neuen Blutzellen gebildet werden und es entwickelt sich eine Anämie .

Die Toxinämie, die aufgrund der Darmveränderung und der Leberdegeneration besteht, hat im gesamten Organismus Auswirkungen. So auch im Gehirn. Es werden die Zellen der Blut-Hirn Schranke angegriffen und später gelangen Toxine und Erreger ins Gehirn. Hier werden die Nervenzellen zerstört und das führt letztendlich zu einem Hirntod und Gesamttod des Tieres.                               

Es ist noch zu erwähnen, dass die Panleukopenie trotz intensiver Therapie nicht heilbar ist. Wie auch an diesem Tier zu sehen  haben die langwierigen Therapieversuche mit Antibiotika keinen Erfolg gezeigt.

 

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