Krankheitsbericht
1.Anamnese
Das Pferd „x" wurde am 27.April 2001 von der Besitzerin „x“in die „Klinik für Pferdekrankheiten,allgemeine Chirurgie und Radiologie überführt.Grund der Einweisung war die apathische Seitenlage des Fohlen seit
ca. 4 Stunden,wobei es zitterte und sehr flach und beschleunigt atmete.
2.Kennzeichnung des Tieres
Farbe: braun
Rasse: Westfale
Geschlecht: Stute
Zahnalter: 8 Wochen (geb. am 11.03.2001)
3.Untersuchungsbefunde
Zum Zeitpunkt der Aufnahme lag das Tier steif in der Seitenlage mit
gestreckten Gliedmaßen und konnte nicht aufstehen.Die Körperinnentemperatur
betrug 39,2oC und bei der Untersuchung der Körperoberflächentemperatur fielen
die kalten Gliedmaßen auf.Die Pulsfrequenz betrug 120 und die Atemfrequenz war
erhöht auf 60.Die Schleimhäute hatten eine blaßrosa Farbe.Die Kehlgangs-
lymphknoten waren von physiologischer Größe,Konsistenz und nicht schmerzhaft.
Die Beobachtung des Kotabatz war ohne besonderen Befund.Außerdem wurde
ein blutiger Harn festgestellt und eine weiche Beschaffenheit der Kruppen-
muskulatur.
4.Status praesens
Verhalten:Das Tier ist aufgeregt und nimmt mit Interesse an seiner Umgebung
teil.
Körperhaltung:"xe" ist in der Lage ohne Hilfe aufzustehen und sich im
Schritt fortzubewegen.Dabei belastet sie alle vier Gliedmaßen gleichmäßig,
steht aufrecht und gerade.
Ernährungszustand:Er ist als mäßig zu bezeichnen.
Pflegezustand:Das Haarkleid ist dicht,glatt anliegend und glänzend.
Körpertemperatur:Die Körperinnentemperatur beträgt 38,2oC und die
Oberflächentemperatur weißt keine unphysiologisch kalte Peripherie mehr auf.
Pulsfrequenz: 64 Schläge/min.
Atemfrequenz: 44 Atemzüge/min.
Schleimhäute:Die Lidschleimhaut ist rosarot,die Maulschleimhaut blaßrosa,die
Nasenschleimhaut bläulich-rosa,feucht,glatt,glänzend und ohne Auflagerungen.
KFZ:Die kapilläre Wiederfüllung nach Kompression erfolgt prompt.
Lymphknoten:Die Kehlgangslymphknoten sind ca. erbsengroß,fest-elastisch
und unter der Haut verschieblich.
Auslösbarkeit des Hustens:negativ
5.spezielle klinische Untersuchung
Haut und Haarkleid:
Die Unterhaut im Bereich der beiden Röhren und Fesselköpfe der Hinterglied-
maßen sind verdickt und von fluktuierender Konsistenz.
Bewegungsapparat:
Kruppe und Oberschenkel sind sehr schwach bemuskelt.Die Muskulatur ist in
diesem Bereich weich-elastisch,die Oberflächentemperatur ist unauffällig.
„x" belastet sowohl im Stand als auch in der Bewegung alle vier
Gliedmaßen gleichmäßig.
Zirkulationsapparat:
Die Herzfrequenz entspricht der Pulsfrequenz,die Herztöne sind deutlich
hörbar,gleichmäßig und abgesetzt.
Die linke Vena jugularis weißt eine kirschgroße,harte Umfangsvermehrung
mit bläulich-roter Farbe und dunkler Pigmentierung der Haut auf.Bei der
Venenstauprobe ist ein venöser Abfluß und damit die Durchgängigkeit der
Vene festgestellt worden.
Blutuntersuchung: vom 27.04.2001 vom14.05.2001
Hämatokrit: 38% 26%
Hämoglobin: 14,3 g/dl 8,9 g/dl
Erythrozyten: 10,84 x1012/l 7,63 x1012/l
Leukozyten: 12,4x109/l 18,2x109/l
stabkernige Neutrophile: 1%
segmentkernige Neutrophile: 71%
Lymphozyten: 28%
Blutgasanalyse: vom 27.04.2001
ph-Wert: 7,344
pO2: 43,4 mmHg
pCO2: 41,0 mmHg
Basenexzeß: -2,5 mmol/l
Muskelenzymuntersuchung: vom 30.04.2001 14.05.2001 28.05.2001
Kreatinkinase: 28061 IU/l 130 56
Aspartataminotransferase: 5478 IU/l 245 160
Laktatdehydrogenase: 17270 IU/l 608 504
Alkalische Phosphatase: 552 IU/l 527
Selenkonzentration im Blutserum: 53,2µg/l (Referenzbereich:50-150)
Eiweiß-Elektrophorese: vom 16.05.2001
Gesamteiweiß: 51,8 g/l
Albumin: 46,7 %
alpha-Globuline: 32,8 %
beta-Globuline: 10,6%
gamma-Globuline: 9,9 %
A/G-Quotient: 0,88
Sonographie:
Bei der Ultraschalluntersuchung der linken Vena jugularis ist ein Trombus im
oberen Drittel festgestellt worden,wobei der Blutabfluß aber noch möglich ist.
6.Diagnose
iatrogene Thrombophlebitis
alimentäre Muskeldystrophie
hydrämisches Ödem im Bereich der Röhren und Fesselköpfe der Hintergliedmaßen
7.Ätiologie
Ursache einer Thrombophlebitis kann eine fehlerhafte Injektion,aber auch bei
kunstgerechter Durchführung entwickelt das Pferd leicht eine Thrombophlebitis.
Die alimentäre Muskeldystrophie beruht auf einem Selen- und/oder Vitamin
E-Mangel im Futter,Antioxydantien,die freie Sauerstoffradikale blockieren.
Prädisponierender Faktor ist hierbei die Schnellwüchsigkeit des Fohlen.
Es kommt zu Muskelzellmembranschäden,welche den Stoffausstausch mit der
Zellumgebung stören und die Myofibrillen nicht genug Sauerstoff aufnehmen können.
Das Ergebnis ist die Muskelfaserdegeneration bis hin zur Muskelfasernekrose.
Die entstehende Hypoxie verhindert,daß die gebildete Milchsäure oxydativ verwertet
wird.Eine Gewebeazidose ist die Folge.Sie reizt sensible Nervenendigungen und
führt über Schmerzen zur Bewegungsstörung.Außerdem bewirkt sie eine primäre
Schädigung der Muskelfasern und schränkt damit das Kontraktionsvermögen ein.
Auswirkung auf den Gesamtorganismus hat die alimentäre Muskeldystrophie,
indem eine allgemeine metabolische Azidose auftritt und muskelspezifische Enzyme
im Blut erhöht nachweisbar sind.Bei Lysis der Myofibrillen entsteht zusätzlich eine
Myoglobinurie.
Die Ödembildung wird von zahlreichen Erkrankungsprozessen begünstigt.
Eine mögliche Ursache ist die erhöhte Kapillarpermeabilität infolge der
Hypoxie und Entzündung.Die Störung der Kapillarpermeabilität beeinträchtigt
den transvaskulären onkotischen Druckgradienten und fördert die
Bildung der interstitiellen Flüssigkeit.Weiterhin ist es möglich,daß eine
intensive Infusionstherapie zu einer Hyperhydratation geführt hat.
8.Differentialdiagnose
ad a) alimentäre Muskeldystrophie
-Frühlähme:ist auszuschließen,da es nicht gleich nach der Geburt aufgetreten ist
-Spätlähme:es traten jedoch keine Veränderungen an den Gelenken auf
- metabolische Myopathie,z.B.PSSM
-belastungsbedingte Myopathie
-post-anästhetische Myopathie
ad b) hydrämisches Ödem
- traumatisch bedingtes Ödem
- kardial bedingtes Ödem
9.Therapie
Die Therapie der alimentären Myopathie besteht in der Zufuhr von Vitamin E
(750 mg) und vor allem Natrium-Selenit (8mg).Die Therapie wirkt antioxidativ,
sie soll Sauerstoffradikale beseitigen.Dem Fohlen werden 5,0 mg Vitamin E/kg
und 0,2 mg Selen/kg mit dem Futter verabreicht.Die Dosierung von Selen darf
nicht überschritten werden,sonst kommt es zu toxischen Reaktionen.
Die Thrombose wird zuerst durch Heparin,Dimethylsulfoxid und Acetylsalicyl-
säure versucht aufzulösen.Der jedoch weiterbestehende Abzeß muß chirurgisch
behandelt werden.Dies besteht in einer Spaltung des Abzeßes und der Spülung
mit Braunol.
10.Prognose
Die Befunde der klinischen Untersuchung des Bewegungsapparates weisen
darauf hin,daß „x" das akute Stadium der Myositis überwunden hat.
Die Erholung der atrophischen Muskulatur wird jedoch trotz Behandlung
noch einige Wochen in Anspruch nehmen.Die Prognose ist bei ausreichender
Schonung als sehr günstig anzusehen.Bei später notwendig werdenden
Injektionen in die Vena jugularis ist daran zu denken,daß die iatrogene
Thrombophlebitis wieder auftreten kann.
11.Epikrise
„x" wurde am x in die „Klinik für Pferdekrankheiten"
eingewiesen.Sie lag fest,zitterte und atmete oberflächlich und schnell.
Aufgrund der Muskelenzymwerte und der massiven Atrophie der
Kruppen- und Oberschenkelmuskulatur konnte die Diagnose,alimentäre Muskel-
dystrophie,gestellt werden.Im Verlauf der Therapie entwickelten sich eine
Thrombophlebitis und ein Ödem an der Hintergliedmaße,welche jedoch
erfolgreich behandelt werden konnten.Aufgrund des guten Allgemeinbefindens
und der ungestörten Magen-Darm-Tätigkeit kann das Fohlen entlassen werden.