Schwein-04 - Kryptorchismus

Krankheitsbericht

 

 

 

 

1. Signalement

 

Rasse    : Pietrain, männlich

Gewicht: 7,0 kg

Alter      : ca. 2 Wochen

angeborene Kennzeichen: Großfleckige schwarze Pigmentierung

erworbene Kennzeichen  : links gelbe Ohrmarke, Nr x

                                          rechts weiße Ohrmarke, Nr. : x

                                          Ohren beidseitig kupiert, Schwanz kupiert

 

2. Anamnese

 

Der Patient wurde vor ca. 2 Wochen geboren. Er zeigte keine Verhaltensanomalien und war seinem Alter entsprechend entwickelt. Vorgestellt wurde der Patient aufgrund einer Asymmetrie im Skrotalbereich.

 

 

3. Status Praesens

 

3.1. Adspektion

Der Patient zeigt reges Interesse an seiner Umgebung, ist aufmerksam und hat einen guten Entwicklungs- und Ernährungszustand.

Kopf:

Die Rüsselscheibe ist blaßrosa, es ist kein Nasenausfluß zu beobachten. Die Schleimhäute sind feucht, glänzend, blaß- rosarot und glatt ohne Auflagerungen. Die Episkleralgefäße sind sichtbar, mäßig gefüllt, scharf gezeichnet und nicht injiziert.

Am rechten Ohr befindet sich unter der Ohrmarke, an der Durchtrittsstelle durch die Haut, eine eitrige Entzündung mit teilweiser Verkrustung.

 

Haarkleid und Haut:

Das Haar ist kurz, mattglänzend und anliegend. Die Haut ist schwarz bzw. blaßrosa gefärbt

und weist keine Schwielen, Verdickungen, Verfärbungen oder sonstiges auf.

 

Geschlechtsorgane:

Im Skrotalbereich ist eine leichte Asymmetrie zu beobachten. Kastrationsnarben sind nicht vorhanden. Im Bereich des Präputiums sind keine Auffälligkeiten festzustellen.

 

Gliedmaßen:

Der Patient belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Die Bewegung des Tieres ist nicht eingeschränkt, die Gelenke sind nicht geschwollen oder verdickt. Die Klauen zeigen keine

Hornspalten, Rißbildungen oder andere Auffälligkeiten.

 

Der Patient setzte mehrmals Harn und Kot, der eine feste Konsistenz von graubrauner Farbe

hatte, ab.

 

3.2. Auskultation

Herz  : Die Frequenz betrug 144 Schlõge/ min. von gleichbleibender Qualität und ohne      

           Nebengeräusche.

Lunge: Die Atmung ist costo- abdominal. Es sind normale Atemgeräusche mit einer Frequenz

           von ca. 13-15 Zügen/ min. zu hören. Nebengeräusche sind nicht festzustellen.

 

3.3. Temperatur

Die Körperinnentemperatur ( rektal gemessen ) beträgt 39,1_C.

 

3.4. Palpation

Bei der Palpation von Brust und Bauch wurde keine Schmerzhaftigkeit festgestellt. Die Bauchdeckenspannung war normal.Der Puls ist an der A. femoralis gut fühlbar, von gleichbleibender Qualität und Rhytmus.

Bei der Palpation der Klauen, Gelenke, Knochen der Gliedmaßen und der Hautelastizität

ergaben sich keine Auffälligkeiten.

Im Skrotum wurde aufgrund der Palpation festgestellt, da_ sich in ihm nur ein Hoden befindet.

 

 

4. Zusammenfassung krankhafter Befunde

 

Aufgrund der Adspektion wurde an dem Patienten eine Asymmetrie im Skrotalbereich fest-

gestellt. Die Palpation ergab, daß sich nur ein Hoden im Skrotum befindet.

 

 

5. Diagnose

 

Da sich bei diesem Patienten ein Hoden weder im Skrotum noch in der Inguinal- oder Knie-

faltengegend auffinden läßt, liegt hier das Krankheitsbild des Kryptorchismus vor.

 

 

6. Differentialdiagnose

 

Beim Verdacht des Kryptorchismus können Mikrorchie, Hypoplasie eines Hodens oder vorangegangene Kastrationen den Zustand des Kryptorchismus vortäuschen. Auszuschließen

sind diese Befunde nur durch eine Kastration, die mittels eines Inguinalschnitts vorgenommen

wird. Dabei wird überprüft, ob ein Processus vaginalis ausgebildet ist. Sind in ihm Ductus deferens und Gefäßstränge enthalten und führt er zum Skrotum, so lagert man sich den Proc.

vaginalis vor und eröffnet ihn. Nun überzeugt man sich, ob eine Kastration, Mikrorchie oder Hodenatrophie infolge einer Orchitis vorliegen.

In seltenen Fällen enthält der Processus vaginalis nur den Nebenhodenschwanz und eine Schleife des Ductus deferens. Hier liegt dann ein unvollständig abdominaler Kryptorchismus vor.

Auch ein in der Bauchhöhle zurückgebliebener Hoden kann atrophisch und deshalb schwer auffindbar sein. Man verfolgt dann, nach Eröffnung der Bauchhöhle vom Blasenhals ausgehend, den stets vorhandenen Samenleiter zu seinem Ursprung und kann so auch stark veränderte oder entfernt gelegene Hoden identifizieren.

Differentialdiagnostisch erwähnenswert sind dann noch Fälle einseitiger Funiculitis mit gut

verheilten Kastrationsnarben, bei denen die Form der Samenstrangveränderung einen Hoden

vortäuscht.

 

 

7. Prognose

 

Patienten mit Kryptorchismus zeigen keinerlei Verhaltensänderungen oder sonstige körperliche Gebrechen. Selbst an den Geschlechtsorganen kann man gegenüber normalen

männlichen Schweinen keinen Unterschied feststellen. Die Prognose solcher Tiere ist somit als sehr günstig zu bewerten.

Aufgrund der eberartigen Geruchsbeeinflußung des Fleisches, der vom abdominal gelegenen

Hoden ausgeht, müssen Kryptorchiden jedoch vollständig kastriert sein.

 

 

8. Therapie

 

Die Kastration des Patienten im operationstechnisch günstigen Alter von 6-8 Wochen ist zur

Sicherung der Schlachttauglichkeit erforderlich. Solange die Operation am hängend fixierten

Tier von inguinal durchführbar ist, bis maximal 40 kg  Gewicht, ist sie auch wirtschaftlich. Bei größeren Schweinen ist sie aufgrund der rationalisierten Schweineproduktion unwirtschaftlich, weil Eröffnung und Verschluß des Leistenringes dann schwierig wären. Die Kastration müßte, nach vorheriger Überprüfung des Proc. vaginalis im Leistenbereich, durch Laparatomie in der Flanke erfolgen.

Aufgrund der erblichen Genese sind Wurfgeschwister und Eltern von Kryptorchiden von der Zucht auszuschließen, was jedoch in einem Bestand oder auch generell nicht immer verhindert, daß Kryptorchismus weiterhin zu den häufigsten Defekten bei den Schweinen zählt.

 

 

9. Epikrise

 

Dem 2-Wochen alten Binneneber müssen aufgrund fleischhygienerechtlicher Verordnungen beide Hoden aus dem Skrotum sowie aus dem Abdomen entfernt werden. Diese Operation wird in ca. 4 Wochen durchgeführt. Dabei sind Narkoserisiko und möglicherweise auftretende Infektionen im Wundbereich zu bedenken. Es handelt sich dabei allerdings um eine Routineoperation, bei der weiterführende Komplikationen in der Regel nicht zu erwarten sind.

 

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