1. Signalement
n Tierart: Pferd „x“
n Rasse: Shetlandpony
n Alter: 6 Jahre
n Geschlecht: Wallach
n Größe: ca. 90 cm Widerristhöhe
n Körpermasse: ca. 180 kg
n Farbe, Abzeichen: Rappschecke
Augen weiß umrandet, Oberlippe weiß bis in die Nüstern hinein
linker Vorderfuß unregelmäßig hoch weiß
rechter Vorderfuß unregelmäßig weiß
beide Hinterfüße unregelmäßig hoch weiß
n Patientennummer: x
n Tierbesitzer: x
2. Vorbericht
n Aufnahmedatum: x. Oktober 2000, Tagebuchnummer: x
n Grund der Vorstellung: akute Schmerzäußerung, Apathie, fehlender Kotabsatz , ein Tritt durch ein
weiteres, auf der Weide gehaltenes Pferd am Vortag schien wahrscheinlich:
Überweisung durch den Haustierarzt mit Verdacht auf Trauma bzw. Kolik
n Vorbehandlung: Schmerzbehandlung mit Metapyrin® (Metamizol), diese jedoch nur kurzzeitig
erfolgreich
weiterhin Effortil® (Etilefrin) zur symptomatischen Therapie der
Kreislaufschwäche
n Tetanus-Impfstatus: Impfung vorhanden und aktuell
n Aufnahmeuntersuchung:
· Puls: 80, mittelkräftig
· Atmung: 26, verstärkt abdominal
· Allgemeinzustand: ruhig, teilnahmslos, Ataxie, Schwäche
· Temperatur: 36, 2°C
· Hautoberfläche: Hautelastizität geringgradig vermindert
Akren kühl
· Kopfschleimhäute: Konjunktiven weiß
Maulschleimhaut blaß
Kapillarfüllungszeit unter 3 Sekunden
· Drosselrinne: Blutangebot geringgradig vermindert und verzögert
· Kreislauf: Herztöne pochend
· Abdomen: Umfang unauffällig
Bauchdeckenspannung erhalten
Bauchhöhlenpunktat hämorrhagisch
· Peristaltik: hochgradig vermindert
3. Allgemeine Untersuchung am 16. Oktober 2000
n Vitalfunktionen: · Puls 52
· Atmung 38
· Temperatur 37,9°C
n Allgemeinzustand: geringgradig apathisch
n Ernährungszustand: sehr gut
n Pflegezustand: gut
n Haarkleid: glatt, glänzend, anliegend
linkes Abdomen und Unterbauch bis über Mediane geschoren
in rechter Flanke ca. 10x10cm großes Rechteck geschoren
Drosselrinne auf kurzer Länge geschoren
n Hautoberfläche: o.b.B.
Hautelastizität erhalten
Hauttemperatur gleichmäßig verteilt
n Kopfschleimhäute: Konjunktiven geringgradig gerötet
Nasenschleimhäute rosarot
Maulschleimhaut gerötet
Kapillarfüllungszeit unter 3 Sekunden
n obere Halsgegend: durchtastbar und nicht schmerzhaft
Husten weder spontan noch auf Reiz auslösbar
n Drosselrinne: Blutangebot geringgradig verzögert und vermindert
rechts Katheter vorhanden
links Verhärtung und Umfangsvermehrung im Bereich der V. jugularis
n Lymphknoten: Lnn. mandibulares gelappt, verschieblich und nicht schmerzhaft
n Harn- und Kotabsatz: Harnabsatz o.b.B.
Kot geballt
n Kreislauf: Herz kräftig, regelmäßig, Herztöne gut abgesetzt, ohne Herzgeräusche
Herzstoß palpierbar
Puls mittelkräftig, regel- und gleichmäßig
Gefäß gut gespannt und gefüllt
n Atmung: geringgradig abdominal betont, flach und unregelmäßig
beidseitig geringgradig verschärftes expiratorisches Atemgeräusch
n Thorax: mittlere kaudale Lungengrenze 12. Interkostalraum
Herzdämpfung nachweisbar
n Abdomen: · Adspektion: symmetrisch
· Palpation: Bauchdecke leicht angespannt
· Auskultation: Darmgeräusche beidseitig geringgradig vermindert
Die bei der Aufnahmeuntersuchung festgestellte Dyspnoe ist ein Anzeichen für den Versuch einer respiratorischen Kompensation einer bestehenden metabolischen Azidose.
Die bei der Untersuchung am 16.20.00 festgestellten geröteten Schleimhäute sind Ausdruck eines Reperfusionsschadens nach Auffüllung des Kreislaufes mit Eigenblut.
4. Spezielle Untersuchungen
n Hämatologische Untersuchung
Parameter | 15.10.2000 | 16.10.2000 | 17.10.2000 | 18.10.2000 | 20.10.2000 |
Erythrozyten | --- | erniedrigt | erniedrigt | erniedrigt | erniedrigt |
Hämoglobin | --- | erniedrigt | erniedrigt | erniedrigt | erniedrigt |
Hämatokrit (physiologisch: 0,32-0,44) | hochgradig erniedrigt (0,14) | erniedrigt (0,23) | erniedrigt (0,21) | erniedrigt (0,20) | erniedrigt (0,20) |
MCV | --- | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. |
MCH | --- | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. |
MCHC | --- | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B . |
Leukozyten | --- | o.b.B. | --- | o.b.B. | o.b.B. |
Stabkernige | --- | geringgradig erhöht | --- | --- | --- |
Segmentkernige | --- | geringgradig erhöht | o.b.B. | o.b.B. | --- |
Eosinophile | --- | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. |
Basophile | --- | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. |
Lymphozyten | --- | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. | o.b.B. |
Monozyten | --- | o.b.B. | --- | --- | --- |
| | | | | |
Harnstoff (physiologisch: 3,3-6,7 mmol/l) | --- | hochgradig erhöht (13,83 mmol/l) | hochgradig erhöht (9,38 mmol/l) | erhöht (6,93 mmol/l) | o.b.B.
(4,81 mmol/l) |
Kreatinin | --- | o.b.B. | --- | --- | --- |
Bilirubin | --- | geringgradig erhöht | --- | --- | --- |
Gesamteiweiß | --- | erniedrigt | --- | --- | --- |
Albumin | --- | erniedrigt | --- | --- | --- |
| | | | | |
ASAT (physiologisch: 153-411 U/l) | --- | hochgradig erhöht (858 U/l) | --- | --- | --- |
ALAT | --- | erhöht | --- | --- | --- |
AP | --- | erhöht | --- | --- | --- |
GLDH | --- | erhöht | --- | --- | --- |
GGT | --- | o.b.B. | --- | --- | --- |
LDH (physiologisch: 162-412 U/l) | --- | hochgradig erhöht (3144 U/l) | --- | --- | --- |
CK (physiologisch: 92-307 U/l) | --- | hochgradig erhöht (10.888 U/l) | --- | --- | --- |
| | | | | |
aPPT | erhöht | erhöht | --- | --- | --- |
Thrombinzeit | --- | erhöht | --- | --- | --- |
Fibrinogen | --- | erniedrigt | --- | --- | --- |
Quick-Test | --- | erniedrigt | --- | --- | --- |
Der stark erhöhte Harnstoffgehalt im Blut läßt sich durch eine Niereninsuffizienz begründen, dabei fällt jedoch der im Referenzbereich liegende Kreatinin - Wert aus dem Rahmen. Ursächlich für diese Insuffizienz ist die während des hypovolämischen Schocks aufgetretene Minderdurchblutung mit der Folge einer sogenannten Schockniere.
Die Hyperbilirubinämie ist ein Zeichen für einen prähepatischen Ikterus. Die mit dem Blutverlust einhergehende Hypoproteinämie mit Hypalbuminämie führt dazu, daß das indirekte Bilirubin nicht mehr ausreichend an das Albumin gebunden werden kann.
Die Erhöhung der Enzymaktivitäten ist auf die zeitweilig in den Organen bestehende Hypoxie zurückzuführen. Dadurch kam es zu Zellschädigung mit Zerstörung der Zellmembranen und damit zur Freisetzung von intrazellulären Enzymen.
Die Parameter der Blutgerinnung waren vermindert, weil es infolge des Krankheitsgeschehens zu einer Verminderung des Fibrinogengehaltes und einer Verbrauchskoagulopathie kam.
n Sonographische Untersuchung
n 15.10.2000: Im Ultraschall sind deutliche Hinweise auf freie Flüssigkeit im Bauchraum zu erkennen, da
der Abstand zwischen den einzelnen Organen im Vergleich zum physiologischen Befund
eindeutig erhöht ist. Darin sind einige freie wolkenförmige echogene Strukturen zu sehen,
die als geronnene Blutbestandteile zu interpretieren sind.
n 16.10.2000: Am Folgetag erfolgte zur Kontrolle der Situation eine erneute sonographische
Untersuchung. Auch hier ist noch freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle zu erkennen, des
weiteren sind auch noch die als Fibrinprodukte zu interpretierenden echogenen Strukturen
nachzuweisen.
n 17.10.2000: Zur erneuten Kontrolle der Bauchhöhle wurde noch einmal eine Untersuchung per
Ultraschall durchgeführt. Hier ist ein nahezu physiologisches Bild der inneren Organe zu
sehen. Dies läßt darauf schließen, daß keine weitere Nachblutung in den Bauchraum hinein
erfolgt ist.
n Bauchhöhlenpunktion
n 15.10.2000: In Anbetracht des Verdachtes auf ein Trauma der Bauchhöhle bzw. einer Kolik erfolgte zu
diagnostischen Zwecken eine Punktion der Bauchhöhle. Dabei erfolgte der Abfluß von
reinem Blut mit eher venösem Charakter, das mit einigen Koagula versetzt war. Das
Volumen der abgelassenen Flüssigkeit betrug in etwa vier Liter, wovon ein großer Teil
sofort über die V. jugularis reinfundiert wurde.
n 16.10.2000: Am folgenden Tag wurde aufgrund des Ultraschallbefundes ein weiteres Mal eine
Punktion der Bauchhöhle am Patienten vorgenommen. Dabei konnten noch einmal
viereinhalb Liter Blut abgelassen und in Citrat abgefüllt werden. Ein Teil wurde später
über die V. jugularis infundiert.
5. Differentialdiagnosen
n Traumata
Der Befall mit Strongylus vulgaris beim Pferd führt oftmals zur Ausbildung von Aneurysmen im Bereich der A. mesenterica cran.. Eine Ruptur dieses Aneurysmas kann eine massive Blutung zur Folge haben. Die akut einsetzende Schock- und Anämiesymptomatik spricht für diese Diagnose, jedoch kann diese bloß durch eine parasitologische Untersuchung ausgeschlossen werden.
Eine weitere traumatische Ursache wäre eine Milzruptur infolge des Trittes durch ein weiteres Pferd. Dabei kann es auch zu einer kolikähnlichen Symptomatik kommen. Diese Annahme wird durch den Vorbericht bestätigt.
Ein Hinweis auf eine Leberruptur könnte die erhöhte Serumaktivität der GLDH sein.
Auch eine Darmruptur kommt nach dem Vorbericht als Differentialdiagnose in Betracht. Da jedoch im Bauchpunktat keine Futterpartikel nachzuweisen waren, scheidet diese Möglichkeit aus.
n Kolik
Infolge einer Flexio, Strangulation, Torsio oder Obturation kann es zu einem mechanischen Ileus kommen, infolge dessen es zur hämorrhagischen Infarzierung und später zu Blutungen kommt. In einem solch fortgeschrittenem Stadium der Kolik muß jedoch mit weitaus stärkeren Koliksymptomen gerechnet werden.
n Neoplasien
Beim Pferd in den Blutgefäßen vorkommende Hämangiome stören die Blutzirkulation und können in manchen Fällen durch Läsionen zu chronischen Blutverlusten führen. Es ist aber auch denkbar, daß sich ein solches Geschwür nach außen hin öffnet und dann zu akuten Blutungen in die Bauchhöhle hinein führt. In der sonographischen Untersuchung konnte jedoch kein Hinweis auf einen Tumor entdeckt werden.
Eventuell bestehende maligne Mesotheliome können unter Umständen in größere Gefäße einbrechen und dann zu Blutungen führen. Auch hier ergab sich im Ultraschall kein Hinweis.
Magentumoren in Form von Plattenepithelkarzinomen können beim Pferd mitunter nach außen durchbrechen und dann ebenfalls zu massiven Blutverlusten führen, die dann akut auftreten und meist letal enden. Diese Verdachtsdiagnose hätte man mit einer Gastroskopie erhärten bzw. ausschließen können.
n Intoxikation
Durch orale Aufnahme von Warfarin bzw. Kumarin kann es zur Entstehung von hämorrhagischen Diathesen kommen. Diese zeigen sich in Form von diffusen Blutungen an verschiedenen Stellen und allgemeiner Blutungsneigung. In der klinischen Untersuchung konnten jedoch keine Hinweise wie Petechien oder Ekchymatosen gefunden werden; außerdem ist auch vorberichtlich nichts derartiges bekannt geworden.
n Gefäßerkrankungen, Parasitosen
Die labordiagnostisch gesicherte Hypokoagulabilität und die Ischämie der inneren Organe zeigen eine Disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC) an. Diese entstand aber eher durch die Blutung und den daraus folgenden Schockzustand, als eine Ursache zu sein. Gegen dies Differentialdiagnose sprechen die klinisch unauffälligen Schleimhäute bezüglich Petechien und Ekchymatosen.
Die Wanderung der Larven von Strongylus vulgaris kann einerseits zu mesenterialen Hämatomen führen, die sich ihrerseits als Blutung in die Bauchhöhle öffnen können. Andererseits können die wandernden Larven eine Verminöse Arteritis in der A. mesenterica cran. oder in den Aa. renales provozieren. Eventuell kommt es dann zur Aneurysmenbildung und deren Ruptur. Zur Abklärung dieser beiden Verdachtsdiagnosen hätte man eine parasitologische Untersuchung vornehmen können.
6. Diagnose
Der Patient erlitt massive, akute Blutungen in die Abdominalhöhle hinein, wobei die genaue Ursache nicht ermittelt werden kann. Aus diesem Geschehen heraus entwickelte sich ein hypovolämischer Kreislaufschock und eine metabolische Azidose.
Durch den Schock und die entstandenen Gewebetraumata wurde die Entstehung einer DIC begünstigt. Diese wiederum verstärkte die durch die Blutung entstandene Verbrauchskoagulopathie.
Der akute Flüssigkeitsverlust im Organismus macht sich auch in den stark eingetrockneten Kotballen im Bereich des Rektums bemerkbar.
7. Prognose
n Prognosis pro ad vitam: bona
n Prognosis pro ad functionem: bona
n Prognosis pro ad restitutionem ad integrum: bona
8. Therapie
Allgemeines Ziel bei solch starken Blutverlusten ist die Kreislaufstabilisierung durch Volumensubstitution. Möglich ist die venöse Infusion von Elektrolytlösungen, im Idealfall wären hypertone Lösungen zu wählen, um die Mobilisierung von Interstitialflüssigkeit in den Gefäßraum zu erreichen. Angesichts des niedrigen Hämatokrits und dem niedrigen Gesamteiweiß ist dies allerdings eher kontrainduziert, da es dabei zur Ödembildung infolge des „produzierten“ Bluthochdrucks und verminderten onkotischen Drucks kommen würde. Durch den erhöhten Blutdruck wird außerdem die Blutungsneigung erhöht. Zudem würde der Hämatokrit weiter absinken und damit die Sauerstoffversorgung der Gewebe nicht verbessert werden.
Eine Alternative wäre die Applikation von Blutplasma. Dabei würde dem vermindertem Gesamteiweißgehalt und damit der Ödembildung entgegengewirkt, jedoch besteht dann immer noch das Problem der Sauerstoffunterversorgung.
Idealerweise sollte bei starkem Blutverlust Volumen in Form von Vollblut substituiert werden. Dadurch wird eine Volumenauffüllung und gleichzeitig eine Verbesserung des Sauerstofftransportfähigkeit des Blutes erreicht.
Aufgrund des bestehenden Schocks und der freigesetzten Entzündungsmediatoren ist es vorteilhaft, ein Glucocorticoid zu applizieren. Möglich wäre dabei die Anwendung von Dexamethason in einer Dosierung von 2-5 mg/kg KM langsam i.v., eine Wiederholung ist nach 8 bis 12 Stunden möglich. Eine Alternative wäre ein Depotpräparat, das seine Wirkung über mehrere Tage entfaltet.
Zur Bekämpfung einer höchstwahrscheinlich vorhandenen metabolischen Azidose ist die intravenöse Applikation von Bicarbonat-Puffer sinnvoll. Die Dosierung erfolgt am besten nach der Feststellung des Base-Excess nach der Formel BEx0,3xkgKM. Ist der Basenüberschuß nicht bekannt, kann man eine sogenannte Blindpufferung mit 1-2 mmol/kg KMdurchführen.
Kann die genaue Lokalisation der Blutung nicht festgestellt werden, sollte die Behandlung konservativ durchgeführt werden. Dazu gehört die Applikation von Hämostyptika (z.B. PAMBA) direkt ins Gefäßsystem hinein zur Förderung der intravasalen Blutgerinnung. Dies kann jedoch eine evtl. bestehende DIC verstärken.
Ein chirurgisches Vorgehen bei einer Blutung in die Bauchhöhle ist nur sinnvoll, wenn durch Ultraschall oder andere Untersuchungen die Lokalisation der Blutung festgestellt werden konnte. Dann kann in
Allgemeinanästhesie je nach betroffenem Blutgefäß die Legierung erfolgen oder, bei größeren Gefäßen, die Naht des Defektes. Dies wird in Form einer ausstülpenden, perforierenden Naht mit Einzelheften vorgenommen.
Metaphylaktisch und begleitend zur immunsuppressiven Glucocorticoidwirkung sollte die Applikation von einem Breitbandantibiotikum wie zum Beispiel das Aminopenicillin Ampicillin in einer Dosierung von 10 mg/kg KM dreimal täglich i.m. erfolgen. Die Dauer der Antibiose sollte diejenige des Glucocorticoideinflusses um zwei Tage überschreiten.
Außerdem sollte aufgrund der beeinträchtigten Allgemeinbefindens und der allgemeinen körperlichen Schwäche eine Boxenruhe verordnet werden, dabei sollte der Patient gelegentlich geführt werden. Dies hat eine positive Wirkung auf das Immunsystem und wirkt zudem einer Ödembildung entgegen. Weiterhin sollte nach zwei bis drei Wochen eine weitere Kontrolle des Blutbildes zwecks Beurteilung der Rekonvaleszens angefertigt werden.
9. Ätiologie und Pathogenese
Die vermutete Zusammenhangstrennung einer Vene im Bereich der Bauchhöhle kam in diesem Fall durch ein Einwirken eines mechanischen Traumas auf ein primär unverändertes Blutgefäß zustande. Die Blutung in den Bauchraum hinein hat die Bildung eines sogenannten Hämoperitoneums zur Folge.
Durch den Verlust an Blut aus dem Gefäßsystem bildet sich ein hypovolämischer Schock heraus. Infolge des Schockgeschehens kommt es formalpathogenetisch zur Kreislaufzentralisierung mit peripherer Minderdurchblutung. Diese wiederum führt durch die einsetzende anaerobe Glykolyse zur Laktatazidose mit dem Versuch der respiratorischen Kompensation.
Außerdem kommt es zur Ausbildung einer Blutungsanämie, die eine normochrome, normozytäre Anämie darstellt. Die Proteinsynthese in der Leber und die Hämatopoese sind nicht in der Lage, so schnell auf den eingetretenen Blutverlust zu reagieren. Deshalb wird es einen gewissen Zeitraum dauern, bis sich die Blutparameter wieder normalisiert haben.
Das Zusammenkommen von Gewebetraumata, Zirkulationsstörungen und Gewebeunterversorgung bewirkt das Entstehen einer Disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC). Dies könnte auch die relativ schnell entstandenen Thrombophlebitiden beider Vv. jugulares begründen.
10. Epikrise
Das Kleinpferd „x“ wurde am 15.10.00 in der Chirurgischen Tierklinik nach Überweisung durch den Haustierarzt aufgenommen. Am Vortag konnte durch den Besitzer ein auf der Weide erfolgter Tritt durch ein anderes Pferd beobachtet werden. Aufgrund des sich rapide verschlechternden Allgemeinbefindens wurde der Haustierarzt konsultiert, der sich nach einem Behandlungsversuch zu einer Überweisung an die Universität Leipzig mit dem Verdacht eines Traumas bzw. einer möglichen Kolik entschloß. Bei der Aufnahmeuntersuchung konnten anämische Schleimhäute und ein hochgradig vermindertes Allgemeinbefinden festgestellt werden. Weiterhin gab es einige Hinweise auf eine veränderte Kreislauflage. Es wurde eine Bauchhöhlenpunktion durchgeführt, wobei das ablaufende Blut gleichzeitig über die V. jugularis reinfundiert wurde. Weiterhin wurde eine sonographische Untersuchung des Abdomens unternommen. Daraufhin wurde die Diagnose einer akuten Blutung in die Bauchhöhle und einer Verbrauchskoagulopathiegestellt. Es wurden Ampicillin in einer Langzeitformulierung i.m. injiziert und 500ml einer hypertonen Kochsalzlösung infundiert. Weiterhin wurden 5ml Predixon® i.v. (entspricht 50 mg Prednisolon und 17,5 mg Dexamethason in einer Langzeitformulierung) injiziert. Am späten Abend hatte sich das Allgemeinbefinden des Patienten bereits gebessert und er fraß mit Appetit.
Am 16.10.00 wurde eine Blutentnahme zur Erstellung eines Blutbildes angeordnet. Erwartungsgemäß konnte eine Blutungsanämie festgestellt werden. Weiterhin war eine starke Erhöhung des Harnstoffwertes und eine Erhöhung der leberspezifischen Enzyme zu erkennen. Der Patient zeigte eine Dyspnoe, die Atmung war pumpend. Es wurde eine erneute Punktion der Bauchhöhle vorgenommen; das gewonnene Blut wurde ebenfalls reinfundiert, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt mit langsamer Geschwindigkeit. Erneut wurde Ampicillin i.m. appliziert. Gegen Mittag waren bei dem Pony leichte Koliksymptome mit Scharren, Unruhe und nach dem Abdomen blicken zu erkennen. Daraufhin wurde eine manuelle rektale Untersuchung durchgeführt mit dem Befund von harten, trockenen Kotballen im Bereich des Rektum und dem Ende des Kleinen Kolons. Im Anschluß daran wurden 3 Liter Wasser und ein halber Liter Paraffinum subliquidum rektal per Klistier appliziert. Am Abend waren noch leichte Koliksymptome und der Absatz von geballtem, trockenen Kot zu beobachten, jedoch wurde auch Hafer gefressen.
Am frühen Morgen des 17.10.00 war das Verhalten des Ponys wieder unauffällig, die Darmgeräusche waren rege, jedoch nicht immer auslaufend. Die Antibiose mit Ampicillin wurde fortgeführt. An diesem Tag wurde eine dritte sonographische Untersuchung des Abdomens durchgeführt, jedoch konnte keine weitere Nachblutung in den Bauchraum hinein festgestellt werden. Eine weitere Untersuchung des Blutes ergab, daß immer noch eine Blutungsanämie vorliegt, die Werte hatten sich aber bereits wieder stabilisiert. Die weiteren Parameter waren im Großen und Ganzen noch unverändert.
Am 18.10.00 wurde noch einmal ein Kontrollblutbild angefertigt. An diesem Tag war zu erkennen, daß die Zahl der Leukozyten in den physiologischen Bereich gesunken war. Die Konzentration des Harnstoffs läßt eine deutliche Absenkung erkennen, dennoch ist der Wert noch leicht erhöht. Bei der Allgemeinen Untersuchung konnten keine pathologischen Befunde erstellt werden. Lediglich im Bereich beider Vv. jugulares waren geringe Umfangsvermehrungen mit vermehrter Wärme zu papieren. Es lag jedoch keine Schmerzhaftigkeit in diesem Bereich vor und beide Gefäße waren anstaubar. Daraufhin erfolgte dreimal täglich das Einmassieren von Tensolvet® (Heparin, Hydroxyethylsalycilat) mit seiner antiphlogistischen und antithrombotischen Wirkung. Die Antibiose mit Ampicillin erfolgte weiterhin.
Am 19.10.00 konnte nichts Auffälliges am Patienten festgestellt werden, die gelegentlich festgestellten exspiratorischen Atemgeräusche auf beiden Seiten konnten nicht mehr auskultiert werden. Die Antibiose wurde beendet.
Am 20.10.00 konnten erneut geringgradig verschärfte exspiratorische Atemgeräusche festgestellt werden, sonst war die klinische Untersuchung jedoch ohne besonderen Befund. Es wurde noch einmal eine Blutentnahme zur Kontrolle des Blutbildes durchgeführt. Es war weiterhin erwartungsgemäß eine Blutungsanämie festzustellen, der Harnstoff jedoch lag wieder im physiologischen Bereich.
Am 21.10.00 war die klinische Untersuchung ebenfalls ohne besonderen Befund. Das Tier wurde mehrmals täglich, wie schon in den letzten zwei Tagen, bewegt.
Am 22.10.00 war die klinische Untersuchung ohne pathologische Befunde und das Tier konnte nach Hause entlassen werden. Der Allgemeinzustand war gut, jedoch wurde der Besitzer darauf hingewiesen, daß es nötig ist, die Boxenruhe für einen weiteren Zeitraum von circa drei Wochen einzuhalten und das Pony nur langsam zu bewegen. Außerdem wurde empfohlen, das Blutbild zu einem späteren Zeitpunkt vom Haustierarzt kontrollieren zu lassen. Eine ausgewogene Ernährung in der Zeit der Rekonvaleszens ist selbstverständlich ebenfalls einzuhalten.
x, den 02.11.2000