Schwein-11 - hämorrhagische Zystistis, Endometritis, Abort

1)    

Signalement

Tierart:             Schwein

Rasse:              Dt. Landrasse x Dt. Edelschwein

Geschlecht:      weiblich

Alter:               Jungsau

Abzeichen:       Ohrmarke rechts: ...

Gewicht:          ca. 120 kg

Nutzungsart:     Zuchtschwein

Besitzer:          

 

2)     Anamnese

Besamungstermin:        29. 8. 2000

Geburtstermin: Ende Dezember 2000

wievielte Geburt:          1.

 

Die Sau zeigt seit ca. 4 Wochen zähflüssigen Ausfluß mit eitrigen Beimengungen aus der Vulva, sowie trüben Harn z.T. mit blutigen Beimengungen. Der Besitzer hatte mehrmals die Vermutung geäußert, daß es sich um Abort handeln könnte. Dies konnte jedoch mittels Ultraschall ausgeschlossen werden, da hierbei festgestellt wurde, daß die Früchte noch lebten.

Vorbehandelt wurde mit Borgal® (Antibiotikum: potenziertes Sulfonamid) und Metapyrin® (Antiphlogistikum: Metamizol) über 5 Tage. Danach war ggr. Besserung des Ausflußes zu sehen.

Seit der Mittagszeit des Einlieferungstages jedoch war der Abort von toten Früchten zu beobachten.

Aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes wurde die Jungsau von TA X und TÄ Y mit der Diagnose Cystitis und Abort in die Ambulatorische und Geburtshilfliche Tierklink überwiesen.

 

 

3)     Aufnahmebefunde

Die Sau wurde am 6. 11. 2000 um 15.50 Uhr von TA X und TÄ Y aufgenommen.

 

Puls:                                  72       

Temperatur:                       36,8°C

Atmung:                             16

Ernährungszustand:            gut

Pflegezustand:                    gut

Allgemeinbefinden:             gestört

Stehvermögen:                   eingeschränkt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

     

4)     Spezielle Untersuchungen

 

a)      vaginale Untersuchung: Es waren NG-Teile in der Rima vulvae, sowie rötlich-bräunlicher Ausfluß aus der Vulva sichtbar. Bei der digitalen Untersuchung konnten weitere Fruchtteile palpiert und entfernt werden.

b)      Ultraschall-Untersuchung: Es wurde der komplette Harn- und Geschlechtsapparat untersucht. Dabei wurden eine verdickte Harnblasenwand, Sedimente im Blaseninhalt, sowie ggr.-mgr. Flüssigkeit im Uterus festgestellt. Weitere Früchte im Uterus waren nicht zu finden.

 

 

5)     Differentialdiagnosen

a)      zu Harnwegsinfektionen:         

·        Genitalinfektion; hierbei könnte es zu einer Kontamination der Harnprobe kommen, was hier jedoch ohne Bedeutung ist, da sowohl eine Cystitis, als auch eine Endometritis vorliegen und ein Ausschluß durch eine vaginoskopische Untersuchung nicht zu erbringen wäre;

·        Kristallurie; auch hier wäre eine Trübung des Harns zu beobachten; könnte durch eine Harnuntersuchung ausgeschlossen werden;

 

b)      zu Nephritis:

·        toxische Nierenschäden: auch hier würde man Proteinurie und  einen erhöhten Harnstoffspiegel im Blut finden; je nach schädigender Noxe müßte eine toxikologische Untersuchung vorgenommen werden bzw. könnte erst eine pathohistologische Untersuchung Aufschluß geben;

 

 

6)     Diagnose

a)      hämorrhagische Zystistis

b)      Endometritis

c)      Abort

 

Die Diagnose basiert auf der klinischen und der Ultraschall-Untersuchung. Es konnten weder Blut noch Harn gewonnen werden. Daher war es nicht möglich eine bakteriologische Untersuchung durchzuführen, um die Infektionserreger zu klassifizieren. Auch das Erstellen einer Blutchemie zur Abklärung der Nierenparameter entfiel. Daher konnte der Schweregrad der Nierenschädigung nicht festgestellt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

7) Ätiologie und Pathogenese:

Durch Schmierinfektionen oder bei stark verschmutztem äußeren Genitale kommt es zur Invasion von Infektionserregern (i.d.R. E.coli, Streptokokken, Staphylokokken und/oder Actionomyces suis) in die Urethra und Aufstieg in die Harnblase, wobei beide mit einer Entzündung reagieren. Im Verlauf der Zystitis kommt es zu Defekten der Ureterenöffnungen. Dadurch versagt deren Klappenfunktion und es kommt zum Reflux des kontaminierten Harnes. Es folgen Entzündungen der Harnleiter, Nierenbecken und Nierenparenchym und letzlich versagt die Funktion der Niere. Das Allgemeinbefinden wird zusätzlich durch die folgende Urämie gestört.

 

Durch die eitrige Zystistis kommt es zu einer Septikämie, die wiederum Mikroläsionen am Endometrium setzt und eine Endometritis verursacht. Die folgende Plazentaschädigung ermöglicht die Ausbreitung der Erreger über Nabelstrang bzw. Allantois- und/oder Amnionflüssigkeit auf die Feten, die dann geschädigt werden bzw. absterben. Außerdem wird durch die Entzündung PG-F2 alpha in der Gebärmutterschleimhaut freigesetzt, wodurch der Uterus kontraktionsbereit wird. Dadurch kann es zum Abort kommen.

 

Prädisponierende Faktoren für Infektion und Schweregrad der Erkrankung sind zu niedrige Stalltemperatur, Zugluft, mangelhafte Haltungshygiene und feuchte Liegeplätze.

 

Theoretisch wäre auch folgende Ätiologie der Cystitis denkbar: Beim Deckakt wurde vom klinisch gesunden Eber Actinomyces suis übertragen und nach ca. 1 Monat manifestiert sich eine Blasen- und Nierenentzündung. Die Jungsau wurde jedoch künstlich besamt, daher entfällt diese Möglichkeit.

 

 

7)     Prognose

Eine Harnwegsinfektion ist i.d.R. nur im Anfangsstadium erfolgreich zu behandeln. Besteht die Erkrankung bereits einige Zeit, kommt es durch das Aufsteigen der Infektion zur Schädigung der Niere, die dann die harnpflichtigen Stoffe nicht mehr entfernen kann. Es kommt zu deren Anreicherung im Blut (Urämie). Der wichtigste dieser Stoffe ist Harnstoff der nach Übertritt der Blut-Hirn-Schranke das Gehirn schädigt, was klinisch durch Somnolenz erkennbar wird. Außerdem führt die Urämie zu Ulzerationen an Haut und v.a. den Schleimhäuten (Ausscheidungstoxikosen), was zur Folge hat, daß die Tiere noch schlechter fressen und dadurch verfallen. Der Exitus letalis ist schließlich auf die Harnstoffvergiftung zurückzuführen.

Selbst wenn eine klinische Heilung gelingt, ist die Neigung zu Rezidiven sehr hoch, wenn nicht die ursprünglich auslösenden Faktoren beseitigt werden.

 

à Die Prognose ist ungünstig bis infaust, da die Nierenfunktion schon beeinträchtigt zu sein scheint und der Allgemeinzustand des Patienten zunehmend schlechter wird.

 

8)     Therapie

a)      Antibiose: Es wurde 2 Tage mit Borgal® behandelt und dann auf Baytril® (Enrofloxazin) umgestellt.

b)      Dauertropfinfusion: Am ersten Tag wurde ein Venenkatheter gelegt und dann täglich NaCl und Glucose, sowie am ersten Tag zusätzlich Amynin® infundiert.

c)      Antiphlogistika: Es wurde während wäherend der gesamten Behandlungsdauer täglich Metapyrin® gegeben.

d)      Prostaglandine: Am ersten Behandlungstag wurde mit Iliren (PGF2-alpha) der Abortvorgang unterstützt.

 

9)     Prophylaxe

 

-         Stallhygiene: der Stall muß trockengehalten werden, sowie regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden;

-         prädisponierende Faktoren wie zu niedrige Temperaturen und Zugluft müssen beseitigt werden

-         zur Erhaltung der Spülfunktion der Niere müssen die Tiere genügend Wasser aufnehmen

-         ein Mindestmaß an Bewegung muß gewährleistet werden

-         das Absenken des Harn pH-Wertes durch diätetische Maßnahmen kann eine Keimvermehrung vermindern

 

 

10)Verlauf

 

·        6. 11. 2000

18.00 Uhr: Temperatur:36,1°C; Puls:76; Atmung:36;

 

Venenkatheter gelegt; Dauertropfinfusion: 5l NaCl + 0,5l Gucose 40%ig + 0,2l Amynin;

10 ml Borgal®, 10 ml Metapyrin®, 2 ml Iliren® i.v.;

Abgang von zwei weiteren toten Früchten mit Adnexen;

 

 

·        7. 11. 2000

06.00 Uhr: Temperatur:36,3°C; Puls:56; Atmung:20;

AB schlecht, trinkt wenig Milch;

10 ml Borgal®, 10 ml Metapyrin® i.v.

ca. 12.00 Uhr Abgang einer weiteren toten Frucht;

 

18.00 Uhr: Temperatur:35,4°C; Puls:80; Atmung:16;

AB: Verschlechterung; somnolent; steht nicht auf; nimmt Wasser und Milch auf;

Dauertropfinfusion läuft s.c., da Ohrvenen beidseitig nicht mehr durchgängig;

 

·        8. 11. 2000

06.00 Uhr: Temperatur:36,0°C; Puls:98; Atmung:36;

18.00 Uhr: Temperatur:35,4°C; Puls:80; Atmung:16;

 

Ultraschall:       Uterus mit relativ wenig Flüssigkeit gefüllt;

                        Blase: sehr dicke Wand à Harn trüb mit Blutkoagula;

keine selbständige Futteraufnahme;

Dauertropfinfusion: 200 g Glucose, 3 l NaCl 0,9%ig

10 ml Baytril® i.v.

AB: schlecht, nicht stehfähig;

Kot: wenig und sehr fest; Farbe physiologisch;

 

 

 

 

 

·        9. 11. 2000

06.00 Uhr: Temperatur:37,2°C; Puls:72; Atmung:40;

 

09.00 Uhr: Euthanasie und Überstellung in die Pathologie zur Sektion;

 

 

 

11)Befunde der Sektion

Die Sektion in  der Pathologie ergab eine Urethristis, eine hämorrhagische Zystistis, eine Ureteritis, eine Pyelonephritis, sowie eine Endometritis.

 

12)Epikrise

 

Die Jungsau wurde am 6.11.2000 mit dem Vorbericht von zähflüssigem Ausfluß aus der Vulva, sowie trübem Harn mit blutigen Beimengungen seit 4 Wochen aufgenommen. Sie wurde 5 Tage mit Borgal® und Metapyrin® vorbehandelt. Der Allgemeinzustand war gestört und das Stehvermögen eingeschränkt. Außerdem abortierte sie seit der Mittagszeit.

Es wurden Abort und Harnwegsentzündungen diagnostiziert. Im Verlaufe des Klinikaufenthaltes verschlechterte sich der Zustand des Tieres trotz Behandlung mit Borgal®/Baytril®, Metapyrin® und einer Dauertropfinfusion (NaCl und Glucose)  kontinuierlich, so daß man sich am 9.11.2000 zur Euthanasie entschied.

Anzumerken ist, daß es sich zumindest bei den Harnwegsinfektionen um ein Bestandsproblem zu handeln scheint. Prädisponierender Faktor scheint der neugebaute Sauenstall zu sein in dem es zu kalt ist und außerdem Durchzug herrscht.

 

 

 

 

 

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