Katze-01 - felines urologisches Syndrom(FUS)

Kleintierbericht

 

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Signalement  

 

Patient               : Katze, EKH, männlich, geb. am 18.3.1994

Besitzer             :

 

 

Anamnese

 

Katze wurde erstmalig vorgestellt und aufgenommen am 3.12.1995. Das Tier zeigte seit ca. 2 Wochen Harnabsatzbeschwerden und hat vor einigen Tagen erbrochen. Seit dem 3.12.1995 kann die Katze kei-nen Harn mehr absetzen. Sie wurde mit normalem Dosen- und Trockenfutter ohne Einhaltung einer speziellen Diät gefüttert.Die Katze wurde bereits seit 2Wochen vom Haustierarzt mit Antibiotika vor-behandelt und bekam bereits zweimal einen Harnkatheter gelegt.

 

 

Status präsens  

        

Die Katze wirkt wach, munter und aufmerksam.

Temperatur        : 38.6°C

Auskultation      : Herz und Lunge ohne besonderen Befund

KFZ                   : < 2 sec.

Schleimhäute     : rosa, spiegelnd, ohne Auflagerungen

Abdomen           : schmerzhaft bei Palpation,Harnblase stark vergrößert mit fluktuierendem Inhalt

 

 

weitere Maßnahmen und spezielle Untersuchungen

 

OP                     : zur Entleerung der Harnblase

                           Sedation mit 0,2 ml Acepromazin und 0,6 ml Ketamin

                           Beim Schieben des Harnkatheters wurde eine Krepitation festgestellt. Bei Entleerung                            der Harnblase fiel die trübe und blutige Beschaffenheit des Harnes auf, weshalb eine                          bakteriologische Untersuchung des Harnes eingeleitet wurde. Der Harnblasenkatheter                   wurde als Verweilkatheter gelegt.

Blutbild             : ohne besonderen Befund

Harnuntersuchung: Harn-pH 8-9(4.12.1995), Hämaturie                                               bakteriologische

Untersuchung    : keine vermehrungsfähigen Keime nachweisbar                                               Ultraschall         : 5.12.1995, rauhe Blasenwand, Nachweis weniger Kristalle

 

 

 

Diagnose

 

Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen lautet die Diagnose felines urologisches Syndrom(FUS), welches sich hier in einer Harnröhrenobstruktion mit Harnretention aüßert. Dafür spricht, das bei der Katheterisierung eine Krepitation innerhalb der Urethra festgestellt wurde, was auf dort befindliche Konkremente hinweist. Der durch die Harnuntersuchung festgestellte alkalische pH von 8-9 deutet ebenfalls auf Harnkonkremente hin, da ein alkalischer Harn die Ausfällung von Kristallen (Struvit-

kristalle) begünstigt. Da durch die Konkremente Schleimhautreizungen verursacht werden, kommt es zu der auch hier vorhandenen Hämaturie. Der Nachweis der Konkremente erfolgte durch die am 5.12. durchgeführte Ultraschalluntersuchung.

 

                                                                                 

Ätiologie

 

Unter FUS werden Krankheotsbilder zusammengrfaßt wie Harnretention, Dysurie, Pollakisurie und Hämaturie.                                                                                                                              

Um eine genaue Diagnostik der verschiedenen Krankheiten der ableitenden Harnwege zu bekommen,

ist eine umfangreiche anamnese sowie die Durchführung eines allgemeinen Untersuchungsganges notwendig.

Bei der Harnretention kommt es zu einer pathologischen Harnansammlung in den ableitenden Harn-wegen. Die Ursachen können funktionell ( z.B. Blasenlähmung ) oder mechanisch ( z.b. Obstruktion

durch Konglomerate ) bedingt sein. Die Diagnose kann u. a. durch Palpation der Harnblase gestellt

werden. Die Harnblase ist prall gefüllt und weist die Form und Größe einer Glühlampe auf.

Die Harnretention kann soweit fortschreiten, das es zu einem totalen Sistieren des Harnabflußes kommt, was als Dysurie bezeichnet wird.

Ein gegensätzliches Bild kennzeichnet die Pllakisurie. Sie ist die Bezeichnung für einen vermehrten und gehäuften Harnabsatz und kann in vermehrter Harnbildung oder verminderter Sammelkapazität

der Blase begründet sein.

Hämaturie kann ebenfalls ein Symptom von Harnwegserkrankungen sein. Befindet sich Blut in der

Anfangsportion des Urinstrahles, so ist die Blutung in der Harnröhre lokalisiert. Bei Blasenblutungen

ist oft nur der Endharn verfärbt.

 

Bei unserem Patienten wurde schließlich eine Harnretention infolge einer Obstruktion der Harnröhre

diagnostiziert. Die Harnröhrenobstruktion ist die mit Abstand häufigste Ursache für Harnretentionen

bei Katzen. Kater sind auf Grund ihrer langen, engen Urethra häufiger betroffen als Katzen. Bei Früh-kastraten, die eine besonders enge Harnröhre aufweisen, und übergewichtigen, in Wohnungen gehalte-nenKatzen ist die Erkrankungshäufigkeit höher als bei freilebenden, unkastrierten Tieren.

Die Harnröhrenobstruktion wird durch die Bildung von kristalloiden Konkrementen aus gelösten

Harnbestanteilen(Urolithiasis) und eine organische Matrix aus abgestossennen Zellen unbekannter Ge-

nese.

Die Bildung dieser Kristalle hat mehrere Ursachen. Bei Harnwegsinfektionen gelangen harnstoffspal-tende Bakterien in die Harnwege. Diese Bakterien sind in der Lage Urease zu bilden, welche den Harn-

stoff in Ammoniak und Kohlendioxid spaltet. Es kommt zur Bildung von Ammoniumcarbonat und zur Alkalisierung des Harnes. In diesem Milieu verbindet sich Ammoniumcarbonat mit Magnesiumsalzen und Phosphat zu unlöslichem Magnesium-Ammonium-Phosphat(Struvit). Struvitkristalle fallen bevor-zugt im alkalischen Milieu(pH<6,5) aus und weisen eine charakteristische Sargdeckelstruktur auf.

Als weitere Ursache für eine Struvitsteinbildung wird hoher Magnesiumgehalt im Futter angenommen.

Im Experiment provoziert hoher Magnesiumgehalt die Bildung von Struvitsteinen. Hinzu kommt bei den betroffenen Tieren noch eine unzureichende Flüssigkeitsaufnahme, häufig bedingt durch die Ver-abriechung von Dosenfutter.

Im klinischen Bild äußert sich eine Obstruktion der harnableitenden Organe durch häufiges, erfolgloses

Aufsuchen der Katzentoilette, belecken des Penis bzw. der Vulva, absetzen von Harn außerhalb der Toilette, gesträubtes Fell, gekrümmte Körperhaltung, schmerzhaftes und aufgetriebenes Abdomen. Es

kommt zu einer Drucksteigerung im System, die sich bis in die Nierentubuli fortsetzt. Die glomuläre Filtrationsrate sinkt dadurch und es entwickelt sich eine postrenale Azotämie bzw. Urämie. Schließlich

kann der Überdruck eine Schädigung des Nierenparenchyms bewirken. Besonders bedrohliche metabo-

lische Störungen sind die Hyperkaliämie und die metabolische Azidose. Diese entstehen durch das Sis-tieren des Harnflußes, was die Ausscheidung behindert. Durch die Azidose kommt es zum vermehrten Austritt von Kalium aus den Zellen(im Austausch gegen Protonen) und die Reabsorption aus dem Harn

verstärkt den Kaliumanstieg im Plasma noch weiter. Es kann sich eine Muskelschwäche und Herzrhyt-

musstörungen einstellen.

 

 

 

Therapie

 

Vorgenommene Maßnahmen :

               Anlegen eines Harnröhrenkatheters am 3.12.1995

               Tägliche intravenöse Infusion von je 150ml Sterofundin vom 3.12.-10.12.1995

               Tägliche Injektion von je 1ml Baytril vom 3.12.-10.12.1995

               Installation von 20ml Sterofundin + 5ml Urofree in der Harnblase am 6.12.1995

 

Als erste Maßnahme gilt es, den Abfluß des Harnes wiederherzustellen. Dies kann durch eine Massage der Harnblase und dem damit verbundenen Austreiben des Harnes geschehen. Ist dieses nicht mehr möglich, muß durch Einführen eines Harnröhrenkatheters die Harnröhre freigespült werden. Dies war auch bei Clinton nötig, dem schon zweimal die Harnblase auf diese Art entleert wurde. Dabei kann man Pharmazeutika zur Spülung einsetzen, die die Auflösung der Konglobate aus Struvitsteinen und abgestoßenen Zellen fördern. Außerdem kann man mit einem Lokalanästhetikum spülen. Der Katheter sollte als Dauerkatheter installiert werden und solange liegenbleiben, bis das Tier wieder spontan und eigenständig Harn absetzen kann. Ist es nicht möglich, den Harnabfluß über einen der oben genannten Wege wiederherzustellen, so muß dies über die chirurgische Eröffnung der Urethra erfolgen. Dabei empfiehlt es sich, die Harnblase zuerst durch eine Punktion zu entleeren, da durch die vorhandenen metabolischen Störungen die Belastung einer Operation zu risikoreich sein könnte. Nach Punktion und Stabilisation des Kreislaufes kann dann die Urethrostomie zur Entfernung des Harngrieses vorgenommen werden.

 

Als weitere Maßnahme steht die Behandlung der metabolischen Störungen, wie Dehydratation, Azotämie, Hyperkaliämie und metabolischer Azidose. Zum Ausgleich dieser Störungen eignen sich Vollelektrolytlösungen wie z.B. das bei Clinton verwendete Sterofundin. Es enthält einerseits einen hohen Anteil Kalium, das den häufig bei wieder einsetzender Diurese auftretenden Kaliumverlusten vorbeugt. Allerdings enthält es einen Magnesiumzusatz und ist daher kritisch zu beurteilen. Magnesium kann zu einer Alkalisierung des Harnes beitragen, was wiederum die Struvitsteinbildung fördert.

Durch die Flüssigkeitsgabe wird außerdem die Diurese gefördert, die während des Bestehens der Harn-

abflußstörung beeinträchtigt war.

 

Auch die Anwendung von Pharmaka, die zur Auflösung der vorhandenen Struvitsteine beitragen ge-hören zu den weiteren Maßnahmen, um ein erneute Urethraobstruktion zu verhindern. Ferner gilt es  eine Diät einzuhalten, die der Bildung neuer Struvitsteine entgegenwirkt. Diese Diät sollte dazu beitragen, den Harn-pH in den sauren Bereich zu verlegen.Dazu gilt es einerseits, den Magnesium-gehalt des Futters zu reduzieren, da ein zu hoher Gehalt die Alkalisierung des Harnes begünstigt.Auch pflanzliches Futter ist zu vermeiden, da dieses im Gegensatz zu tierischem Futter, das eine Ansäuerung des Harnes bewirkt, die Alkalisierung des Harnes fördert. Auch Ammoniumchlorid, verabreicht über das Futter, trägt zu einer Ansäuerung des Harnes bei. Methionin bewirkt, daß das als Abbauprodukt entstehende Sulfat, das Phosphat aus dem Harn verdrängt. NaCl-Zusätze im Futter regen die Wasser-aufnahme an, wodurch wiederum die Diurese forciert wird. All diese diätetischen Maßnahmen tragen dazu bei, die Bildung von Harnkonkrementen zu verhindern.

Ist es zu Beginn der Therapie nicht möglich, den Harnfluß durch eine Spülung der Harnröhre wieder-

herzustellen, oder  kommt es bei einem Tier trotz diätetischer Maßnahmen zu Rezidiven, so empfiehlt es sich, eine perineale Urethrostomie vorzunehmen, um so den enger werdeden Teil der Harnröhre zu entfernen und das Hängenbleiben von Harnkonkrementen zu verhindern. Diese Penisamputation er-folgt antepubisch, präputial und perianal. Das Präputium wird um den Penis herum entfernt. Bei noch nicht kastrierten Tieren werden jetzt die Hoden entfernt. Die Musculi bulbo- und ischiocavernosi werden durchtrennt. Der Penis wird mit der Harnröhre nach außen, also nach außerhalb des Beckens verlagert. Als nächstes wird der M. retractor penis durchtrennt, worauf durch zirkuläres Vernähen der      äüßeren Haut mit der Schleimhaut die Harnröhrenfistel gebildet wird. Als letztes wird der Harnröhren-

katheter eingeführt und befestigt. Man kann am distalen Winkel eine Drainage einlegen, um den Abfluß des entstehenden Wundsekrets zu gewährleisten. Durch diese Operation wird eine funktionelle Harnröhrenfistel gelegt.

 

 

 

Prognose

 

Eine Prognose nach der am 11.12.1995 erfolgten Entlassung ist schwierig zu stellen, da es häüfig zu Rezidiven kommt. Gelingt es den Besitzern, diätetische Maßnahmen zur Harnansäuerung durchzuführen, verbessern sich die Chancen, daß bei Clinton keine Rezidive auftreten. Da das Tier gegen Ende des stationären Aufenthaltes keine Krankheitssymptome mehr zeigte, kann von einem guten Therapieverlauf ausgegangen werden und sind die Aussichten auf eine dauerhafte Genesung als günstig zu bewerten.

 

 

Epikrise

 

Bei dem uns vorliegenden felinen urologischen Syndrom kann von einem mittelschweren Fall ausge-gangen werden, da ein Therapieerfolg nur unter Verwendung konservativer Methoden , wie Legen eines Harnröhrenverweilkatheters, Flüssigkeitsinfusionen, Installation harnsteinlösender Medikamente

und Verabreichung von Antibiotika erreicht werden konnte. Vor der Entlassung hätte möglichst noch

eine Ultraschalluntersuchung erfolgen sollen, um sicher zu gehen, das keine weiteren kristalloiden Kon-

kremente mehr in der Harnblase mehr vorhanden sind.

 

 

 

 

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